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Worldtraveler ~Ver. 2~

von

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~Prolog~ Der Auftrag

Reise 1: „Der Auftrag“
 

Yuki Akai wartete am vereinbarten Treffpunkt auf dem belebten Marktplatz ihrer Heimatstadt auf ihre beste Freundin Eissi. Noch hatte sie ihre großen Kopfhörer auf und hörte gerade den Song „Have a nice Day“ von Bon Jovi, damit sie die ganzen anderen Menschen etwas übertönen konnte. Es war für Anfang März ein relativ warmer Tag, sodass sie schon seit geraumer Zeit nur noch ihre dunkel karierte Übergangsjacke brauchte. Ihre schwarzen Chucks waren unangenehm nass, weil sie auf dem Weg zum Treffpunkt in eine Pfütze getreten war, die tiefer war als gedacht.

Sie schaute auf, als eine Straßenbahn vorfuhr, in der Eissi sitzen müsste und schaltete ihren MP3-Player aus. Sie lief ein paar Schritte auf die Haltestelle zu, blieb aber noch in einigem Abstand stehen, weil zu viele Leute davor standen, die in die Bahn einsteigen wollten. In der herausströmenden Masse von Menschen entdeckte sie ihre Freundin. Yuki lächelte, nahm ihre Kopfhörer ab und winkte Eissi zu. Diese kam ebenfalls lächelnd auf sie zu.

„Hallo!“, sagte sie und umarmte Yuki. „Wartest du schon lange?“

„Nein, bin gerade erst angekommen, mach dir keinen Kopf“

Sie lösten die Umarmung und Eissi fragte: „So, wo gehen wir zuerst hin?“

„Wir könnten in den Park runter an Fluss gehen. Ich habe keine Lust heute viel in der Stadt herum zu laufen.“

„Okay, ich will mir aber dennoch vorher noch eine DVD kaufen.“

Yuki nickte und so liefen sie beide in dem am Marktplatz gelegenen Elektrofachhandel. In der obersten Etage waren die DVDs in einer großen Regalwand alphabetisch sortiert. Ausserdem gab es jeweils kleinere Regale extra für TV-Serien, Sonderangebote und Neuerscheinungen. Eissi lief zielgerichtet auf das Regal mit den TV-Serien zu und schaute das Regal durch.

„Haben die das, was du suchst?“, fragte Yuki.

„Moment… Ja! Haben sie“, erwiderte Eissi und holte die neue Staffel einer Fernsehserie hervor, wo es um 5 junge Leute geht, die zwar extrem intellektuell, jedoch ansonsten total dämlich waren. Eine Sitcom, wo selbst Yuki das ein oder andere Mal lachen musste.

Sie gingen eine Etage runter, wo die Kassen waren und Eissi bezahlte ihre DVD.

Als sie aus dem Geschäft wieder hinaus gingen, sog Yuki die frische Luft ein.

„Viel zu warm da drinnen“, flüsterte sie. „Was sagtest du?“, fragte Eissi, weil sie Yuki akustisch nicht verstand. Yuki lächelte und winkte ab: „Nichts!“

Es war ja wirklich nicht besonders wichtig. Sie liefen südlich, bis sie den Marktplatz verließen und bogen dann in eine Wohngegend ein, wo bereits der Fluss, der sich durch ihre Stadt schlängelte, entlang plätscherte. Sie unterhielten sich auf dem Weg über ihre vergangene Woche. Was ihnen widerfahren ist, was schön und schlecht war und was sie genervt hat.

Nach etwa zwanzig Minuten Laufzeit, kamen sie in dem Park an und ihnen kamen schon kleine spielende Kinder entgegen, die lachend einem großen Ball hinterher rannten. Sie blieben auf einer Brücke stehen und schauten auf den Fluss, während sie ihren Gedanken nachhingen.

„Wusstest du, dass unser Fluss hier unsere Stadt in viele kleine Inseln teilt?“, fragte Yuki.

„Wie? Wirklich? Das hätte ich nun nicht gedacht!“

„Es stimmt aber, ich habe mir Luftbildaufnahmen im Internet angeschaut. Die ganzen Nebenarme teilen unsere Stadt in größere und kleinere Inseln. Dieser Park ist ja auch eine Insel.“

„Deswegen heisst der Park hier wohl auch Peißnitzinsel…“, erwiderte Eissi stirnrunzelnd.

„Genau, und deswegen grenzt hier ja auch die Rabeninsel an.“

„Interessant! Was du so alles weißt…“

Yuki winkte ab und bedeutete Eissi weiter zu gehen. Kurze Zeit später zog ein frischer Wind auf und plötzlich prasselten auch schon die ersten Regentropfen herunter. Die Menschen im Park suchten rennend Schutz unter Bäumen. Yuki nahm Eissi an die Hand und zog sie einige Meter zurück in ein Gebüsch, wo ein einzelner Laubbaum stand. Man konnte dies fast schon als kleine Lichtung bezeichnen.

„Hier war ich früher oft mit meinen Freunden.“, erzählte Yuki, während sie Eissi unter den Baum zog.

„Hier habt ihr immer gespielt, oder?“

„Ganz genau. Einmal ist mein bester Freund von dem Baum hier runter gefallen. Ich hab ihn dann nach Hause gebracht und es kam dann heraus, dass er einen Splitterbruch im Unterarm hatte. War nicht sehr schön.“, erzählte Yuki.

„Hört sich schmerzhaft an…“, flüsterte Eissi, während sie zum Himmel aufsah. „Das ist erstaunlich, hier kommt kaum Regen durch.“

„Das war der Plan!“, grinste Yuki.

So saßen sie bereits eine Weile nebeneinander unter dem schützenden Baum und Yuki legte ihren Kopf auf die Schulter ihrer Freundin. Sie rückte ihre Brille zurecht und schloss für einen Moment die Augen. Eissi streichelte ihr sanft über den Kopf, sodass Yuki besser dösen konnte.
 

„Kommt! Die Zeit ist reif!“
 

Yuki schreckte hoch und schaute in die Augen von Eissi.

„Hast du… das auch gehört?“

„J-ja…!“, erwiderte Eissi verängstigt.

Yuki stand auf und schaute sich um.
 

„Kommt! Wir warten auf euch!“
 

„Da war es wieder!“, sagte Eissi und stand nun ebenfalls auf.

„Ich weiß…!“, sagte Yuki und hielt sich ihre linke Kopfhälfte, da sie Kopfschmerzen bekommen hatte.

„Wieder der Kopf?“, fragte Eissi besorgt.

Yuki nickte und schaute sich weiter um. Doch abgesehen von vereinzelten Menschen, die sie durch die Büsche erkennen konnte, war niemand zu sehen. Yuki schloss aus, dass es einer der Leute hier war, denn die waren alle damit beschäftigt Schutz vor dem Regen zu suchen. Ohne es direkt zu wollen lief Yuki los, Eissi hinterher. Ihre Füße trugen sie durch den Park, ohne dass sie es direkt wollte oder kontrollieren konnte. Eissi schien es, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, nicht anders zu ergehen.

Nach zehn Minuten unkontrollierbaren Fußmarsch standen beide durchnässt auf einer anderen kleinen Lichtung. Da weder Yuki noch Eissi jemals so weit in den Park hinein gelaufen waren, kannten sie sich hier nicht aus. Außer Atem schauten sich die beiden Freundinnen ins Gesicht.

„Und jetzt?“, fragte Eissi.

„Ich weiß es nicht…“, sagte Yuki und zuckte mit den Schultern.

Sie schauten sich erneut um, doch hier war niemand mehr. Nur der langsam schwächer werdende Regen prasselte noch auf die Äste und ersten Blätter der Bäume. Allgemein ist die Natur in diesem Jahr früh erwacht, das ist Yuki schon bei dem großen Laubbaum auf der anderen Lichtung aufgefallen. Da sie sich aber wenig um die Natur scherte, ist ihr das eigentlich auch egal.

Eissi zupfte Yuki am Ärmel und flüsterte: „Mir ist kalt…“

Yuki zog ihre Jacke aus und warf sie Eissi über.

„Meine ist zwar auch nass, aber kalt ist mir nicht. Vielleicht hilft sie dir.“

Eissi schlang Yuki’s Jacke enger um die Schultern und schaute noch immer verängstigt auf den Boden.

„Der Spuk scheint vorbei zu sein.“, sagte Yuki und wandte sich um, da sie gehen wollte.

Eissi drehte sich ebenfalls um, damit sie hinter ihrer Freundin stand, doch plötzlich wurden nun beide von einem Kopfschmerz geplagt, der sich ganz anders anfühlte, als sie es bisher gewohnt waren, aber dennoch unangenehm war.

Durch diese überraschende Schmerzwelle gingen beide Frauen in die Knie und stöhnten vor Schmerz auf. Plötzlich war alles schwarz. Sie waren nicht bewusstlos, beide hatten ihre Augen offen. Eissi schrie kurz auf und tastete nach ihrer Freundin. Als Yuki die tastenden Finger von Eissi an ihrer Schulter spürte, zog sie ihre nun vollends verängstigte Freundin näher an sich heran. Auch Yuki hatte Angst, doch sie unterdrückte sie, um Eissi nicht noch mehr in Panik zu versetzen. Sie streichelte ihr über den Kopf und drückte diesen an ihren Oberkörper.

„Es ist okay, Süße!“, versuchte Yuki sie zu beruhigen.

Eissi schluchzte und vergrub ihr Gesicht in Yuki’s Oberkörper.

„Ich habe Angst! Was ist das hier? Ich sehe nichts! Weder dich, noch irgendwas anderes!“, jammerte sie.

„Mir geht es nicht anders. Aber ich weiß auch nicht, was hier los ist.“, erwiderte Yuki und unterdrückte nun auch ihren Anflug von Panik.
 

Als die Dunkelheit einer üppigen grünen Ebene wich, schrie Eissi nochmals kurz auf, da beide auf den Boden plumpsten.

Yuki beruhigte Eissi soweit, dass beide aufstehen konnten und sich umschauen konnten.

„Weit und breit nichts zu sehen… keine Strommasten, keine Straßen… nichtmal Häuser…!“, flüsterte Yuki, während sie ihren Blick schweifen ließ.

„Da! Schau mal!“, sagte Eissi und deutete auf eine Schlucht, die in einiger Entfernung vor ihnen lag. Darüber spannte sich eine weiße Brücke. Die Schlucht umwehten weiße Nebelschwaden und es sah für Yuki mehr als suspekt aus. Aber einen anderen Anhaltspunkt auf Zivilisation hatten sie nicht, also setzten sich beide in Richtung der Brücke in Bewegung.

Eissi klammerte sich den gesamten Weg an Yuki’s Arm, doch solange sie ihn ihr nicht abquetschte, hinderte Yuki sie nicht daran.
 

Je näher sie der Brücke kamen, umso seltsamer erschien sie Yuki. Das, was sie von der Ferne als Nebel interpretierten, waren anscheinend Wasserdunstschwaden, die von einem nahe gelegenen Wasserfall kamen. Als sie schließlich vor der Brücke standen, war das Rauschen des Wassers so laut, dass sich beide nichtmal mehr verstanden, wenn sie sich anschrien.

Also nickte Yuki Eissi nur zu und signalisierte ihr somit, dass sie nun über die Brücke gehen sollten. Die Brücke hatte aus unerklärlichen Gründen kein Geländer und obwohl beide nebeneinander durchaus über die Brücke gehen könnten, hielten sie es für besser, hintereinander darüber zu gehen. Schließlich war die Brücke durch das Wasser schlüpfrig und sie mussten ihre Schritte mit Bedacht wählen. Als sie fast am anderen Ende der Brücke waren, erfasste sie eine Windböe, die stark genug war, Eissi die Jacke von Yuki von den Schultern zu wedeln. Eissi wollte sie noch auffangen, war jedoch zu langsam. Durch ihre ruckartige Bewegung gerieten beide gefährlich ins Schwanken und während Yuki Eissi stützen konnte, sodass sie wieder gerade stand, konnte Yuki sich selbst nicht mehr halten und fiel.

Sie kniff die Augen zusammen und hörte nur noch Eissi’s Schrei. Dann spürte sie einen Ruck und öffnete ihre Augen. Sie war weder von der Brücke gefallen, noch war sie gestürzt. Um ihre Hüfte schlang sich ein schlanker und starker Arm mit langen zarten Fingern. Dieser Arm richtete Yuki behutsam auf und führte sie beide über das letzte kleine Stück Brücke auf sicheren Boden. Eissi ließ sich sofort auf die Wiese fallen. Sie war kreidebleich. Yuki lief zu ihr hin und legte ihr den Arm um den Hals.

„Sschht… Es ist alles gut! Mir ist nichts passiert!“

Eissi weinte und abermals drückte Yuki ihren Kopf an ihren Oberkörper.

„Ich hab deine Jacke verloren!“, schluchzte Eissi, doch Yuki schüttelte nur den Kopf und lächelte.

„War ja schließlich nicht meine Einzige!“

Dann drehte sich Yuki um und wollte zu dem Arm, der sie rettete, noch den Rest begutachten. Vor den beiden stand ein großgewachsener Mann, der komplett in Weiß gekleidet war. Er war von eher zierlicher Gestalt, doch Yuki hatte gespürt, dass in dem Mann mehr Kraft steckte, als es den Anschein hatte. An der Hüfte trug er doch tatsächlich ein Schwert und sein schlankes und makelloses Gesicht wurde von langen, glatten, goldblonden Haaren umrahmt. Seine Augen hatten ein dunkles moosgrün und Yuki hatte das Gefühl, als würden in den Augen Muster tanzen.

„Wer…“, fing Yuki an, doch dann zog sie scharf Luft durch die Zähne und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Eissi realisierte, dass ihre Freundin plötzlich wie erstarrt war und schaute sich den Mann nun ebenfalls an. Dieser lief langsam auf beide zu und blieb mit etwas Abstand vor ihnen stehen.

Die Freundinnen richteten sich auf und Yuki starrte dem Mann noch immer ins Gesicht.

„Ein…“

„… Mann mit spitzen Ohren!“ beendete Eissi ihren Satz.

„…Elf…!“, flüsterte Yuki jedoch stattdessen.

Der Mann verbeugte sich leicht und sagte: „Mein Name ist Ollowain. Meine Königin und ich haben euch bereits erwartet!“

Der Klang seiner Stimme jagte Yuki einen wohligen Schauer über den Rücken. Auch Eissi spannte sich spürbar und umklammerte Yuki’s Arm fester.

„Es wäre gut, wenn ihr mir folgen würdet!“, sagte der Mann, der sich als Ollowain vorstellte, und wartete auf eine Reaktion der jungen Frauen. Yuki ging die wenigen Schritte, die sie von dem Mann trennte, und blieb nun direkt vor ihm stehen. Ohne dass sie es wirklich realisierte berührte ihre Hand eines der spitzen Ohren des Mannes. Dieser wiederum war kurzweilig erstaunt, hatte jedoch sofort wieder seinen unnahbaren Gesichtsausdruck aufgesetzt.

„Er ist tatsächlich… ein Elf…!“, flüsterte Yuki und drehte sich zu Eissi um. Diese jedoch zuckte nur mit den Schultern und erwiderte: „Ja, so wie es aussieht.“

Ollowain räusperte sich und sagte: „Folgt mir jetzt bitte. Wir haben noch einen langen Weg vor uns!“

Er drehte sich um und setzte sich in Bewegung. Yuki erwachte aus ihrem Schockzustand und lief ebenfalls los, Eissi direkt neben ihr.
 

Als sie einige Zeit schweigend hinter dem Elf herliefen, konnte Yuki es nicht mehr aushalten.

„Warum sind wir eigentlich hier?“, fragte sie.

„Weil wir euch brauchen. Ihr beide besitzt Fähigkeiten, von denen ihr nichts wisst und die uns von großem Nutzen sind“, antwortete Ollowain ruhig.

„Aber was ist, wenn wir das gar nicht wollen? Ich will, um ehrlich zu sein, einfach nur nach Hause!“, flüsterte Eissi Yuki zu. Als diese gerade antworten wollte, ergriff Ollowain stattdessen das Wort: „Ich kann mir vorstellen, dass es sehr verwirrend für euch sein muss, doch Königin Emerelle wird euch alles erklären. Dies ist nicht meine Aufgabe.“

Eissi zog scharf die Luft durch die Nase, weil sie nicht damit gerechnet hat, dass der Elf sie hören würde.

„Ollowain… Emerelle…“, murmelte Yuki vor sich hin. Dann blickte sie wieder auf und fragte: „Sind wir hier in Albenmark?“

„Ja, das sind wir. Seit der Überquerung der Shalyn Falah sind wir im Herzland, der Mitte Albenmarks!“, antwortete Ollowain.

„Aber das kann nicht sein! Ihr seid… Charaktere aus einem Buch! Ihr seid nicht real, geschweige denn dieser Ort hier!“, erwiderte Yuki.

„…Wie gesagt: Die Königin wird euch alles erklären.“

„Weißt du selbst nichts, oder was?!?“, fragte Eissi unhöflich.

Yuki stupste sie mit ihrem Ellenbogen in die Seite und Ollowain blieb stehen und drehte sich um. Eine kleine Zornesfalte hatte sich auf seiner Stirn gebildet und als er auf Eissi zuging, stellte sich Yuki schützend vor sie hin. So blieb Ollowain vor Yuki stehen und entspannte sich.

„Zügele deine Freundin! Ihr findet euch bitte damit ab, dass ich euch zum jetzigen Zeitpunkt keine Antworten geben kann!“, sagte er eindringlich. So schauten sich Yuki und Ollowain einige Sekunden in die Augen. Sie hatte das Bedürfnis den Blick abzuwenden, da ihr Herz extrem pochte, doch sie hielt seinem Blick stand.

„Du hast interessante Augen.“, sagte Ollowain nun stattdessen.

„Du auch…!“

Yuki kam sich dumm vor, dass sie in so einem Moment nichts Schlaueres sagen konnte, doch es war die Wahrheit. Ollowain drehte sich wieder um und lief weiter. Yuki rückte ihre Brille zurecht und drehte sich zu Eissi um.

„Danke…“, flüsterte sie.

Yuki lächelte und winkte ab, dann gingen sie weiter.

„Aber er hat recht. Ich habe wirklich noch niemanden gesehen, der ebenfalls solche eisblauen Augen hat, wie du!“

„Abgesehen von den Leuten aus Final Fantasy VII hab ich auch noch niemanden gesehen.“ erwiderte Yuki.

Eissi kicherte und sie liefen etwas schneller, um wieder zu Ollowain aufzuschließen. Mittlerweile war die große Ebene einem Wald gewichen, in dem sie sogar andere Elfen entdeckten.

„Mein Herz pocht ganz schön…“, flüsterte Yuki.

Eissi betrachtete ihre Freundin und grinste: „Und etwas Farbe in dein blasses Gesicht hast du ebenfalls bekommen!“, sagte sie.

„Das…!“, fing Yuki an, doch als sie in das grinsende Gesicht von Eissi schaute, die provokant in die Richtung von Ollowain nickte, schubste sie sie leicht zur Seite.

„Du nun wieder!“

„Was? Ich kenne dich doch!“

Yuki brummte etwas und nahm sich vor, künftige Aussagen bezüglich ihres Herzens besser für sich zu behalten.

Nach einem langen Fußmarsch standen die drei vor den Toren einer großen Burg.

Ollowain drehte sich um und sagte: „Willkommen in Burg Elfenlicht, der Residenz von Königin Emerelle!“

Yuki und Eissi hielten den Atem an. Soviel Pracht hatten sie in ihrem 21 und 22 Jahre langen Leben noch nicht gesehen. Ollowain führte sie durch das riesige Bauwerk und sie sahen, dass einige der ihnen entgegen kommenden Elfen sich leicht vor Ollowain verbeugten. Dieser wiederrum nickte ihnen nur beiläufig zu. Vor einer großen Flügeltür blieben sie schließlich stehen.

„Ich möchte euch bitten, euch vor der Königin höflich zu verhalten.“, sagte er mit einem kaum merklichen Seitenblick auf Eissi.

Die jungen Frauen nickten und Ollowain stieß die schweren Eichentüren auf. Der Thronsaal war ein riesiger Raum, mit zahlreichen Bildern und Gemälden an der Wand, die Elfen und andere Wesen im Kampf gegen düster erscheinende Wesen zeigten. Yuki und Eissi kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es schien, als wäre der ganze Pracht, den sie von außen schon sahen, in diesem Raum nochmals in seiner Ganzheit konzentriert. Als sie den Thron erreichten, ging Ollowain auf ein Knie nieder.

„Meine Königin! Ich bringe euch die Menschenkinder!“

Eine schlanke Frau erhob sich von ihrem Thron und strahlte eine anmutige und mächtige Aura aus. Ihre langen und leicht gewellten schwarzen Haare fielen frei auf ihre Schultern. Ihr langes Kleid umwehte ihre zarte Gestalt.

„Sehr gut, Ollowain! Erhebe dich!“, sagte sie und Ollowain tat, wie ihm geheißen.

„Tretet vor, Menschenkinder!“

Yuki und Eissi gingen ein paar Schritte näher an die Königin heran und schauten sie fragend an.

„Ich weiß, dass ihr viele Fragen habt. Einige kann ich euch jetzt schon beantworten, einige allerdings nicht.“

„Am besten beginnen wir damit, warum wir überhaupt hier sind.“, sagte Yuki.

„Das wäre das Beste, das stimmt. Nun, ihr müsst wissen, dass wir uns in naher Zukunft hier in Albenmark einer Bedrohung gegenüber sehen, gegen die kein Wesen dieser Welt etwas ausrichten kann. Und dies wird nicht nur Albenmark betreffen: Auch andere Welten werden davon betroffen sein, einige sind es sogar schon und stehen kurz vor ihrer Zerstörung. Ich rede von Dämonen, die sich selbst als Ygireks bezeichnen und wir Elfen sind nicht in der Lage, sie zu bezwingen.“, erzählte Emerelle und machte eine kurze Pause, in der sie abwechselnd Yuki und Eissi musterte. „Allerdings konnten wir Nachforschungen über sie anstellen.“

Eissi umfasste Yuki’s Arm und schluckte.

„Ihnen kann nur von anderen Dämonen ernsthaft Schaden zugefügt werden. Hier in Albenmark gibt es keine Dämonen mehr, da wir sie im Zuge des letzten großen Krieges aus Albenmark verbannt haben. Doch in eurer Welt haben wir eine mögliche Lösung für unser Problem gefunden.“, fuhr Emerelle fort. Sie schritt langsam auf Yuki zu und schaute sie eindringlich an. Yuki war dies unangenehm und sie wandte den Blick ab.

„Wir brauchen jemanden wie dich!“

Yuki trafen die Worte wie ein Schlag ins Gesicht. Sie schluckte schwer und zog scharf die Luft durch die Nase ein. Eissi drückte ihren Arm fester und schaute sie besorgt an.

„Du bist ein Dämon! Ein Dämon, der in eure Welt entsendet wurde.“

„Das ist doch absurd…!“, murmelte Yuki und schaute Emerelle nun wieder fest in die Augen.

Emerelle seufzte und erwiderte: „Ja, ich dachte mir, dass du das nicht so einfach glauben wirst. Daher habe ich durch meinen Schwertmeister etwas vorbereiten lassen.“ Sie drehte sich zu Ollowain um und nickte ihm zu, dann ging sie ein paar Schritte zurück. Ollowain hielt eine kleine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit in der Hand und ging auf Yuki zu.

„Streck deine Hand vor!“, befahl er und Yuki streckte sie ihm mit trotzigem Gesichtsaudruck entgegen. Ihr gefiel die Situation nicht, doch war sie vorerst schlau genug, sich das noch eine Weile anzuschauen. Ollowain entkorkte die Flasche und ein beißender Geruch stieg aus der Flasche auf. Instinktiv wollte sie ihren Arm bereits wieder zurück ziehen, doch Ollowain hielt ihr Handgelenk fest. Er träufelte einige Tropfen auf ihren Unterarm und sofort breitete sich ein brennender Schmerz aus. Yuki schrie auf und ging in die Knie. Sie hatte das Gefühl, als würde sich die Haut auf ihrem Unterarm zersetzen.

„Yuki…!“, flüsterte Eissi besorgt und hockte sich zu ihrer Freundin hinunter.

„Es… ist schon okay…“, presste Yuki hervor und Schweißperlen standen ihr auf der Stirn.

„Dies ist der Beweis. Das war ein mit heiliger Magie gesegnetes Wasser und ist gegen Dämonen und andere Wesen der Dunkelheit äußerst effektiv.“, ergriff Emerelle nun wieder das Wort. Auch sie beugte sich zu Yuki hinunter und legte ihre Handfläche auf Yuki’s geschundenen Arm. Eine angenehme Wärme breitete sich aus und nur wenige Augenblicke später war der Unterarm wieder so makellos, wie er vorher war. Emerelle erhob sich wieder und stellte sich neben Ollowain.

„Da dies nun geklärt wäre, sollten wir unser weiteres Vorgehen besprechen.“

„Moment! Was wird aus unserem bisherigen Leben? Unsere Familie und unsere Freunde und unsere Ausbildung? Soll das etwa alles von jetzt auf gleich der Vergangenheit angehören?“, unterbrach Yuki die Königin und erntete dafür einen tadelnden Blick Ollowains. Doch das war ihr in diesem Moment egal.

„Das alles sind berechtigte Fragen, Menschentochter. In eurer Welt wird sich wenig verändern.“, antwortete Emerelle ruhig.

„Aber wie kann das sein?“, fragte Eissi nun besorgt.

„In jeder Welt existiert eine andere Zeitrechnung. Während ihr hier bereits seit einigen Stunden in Albenmark seid, sind in eurer Welt nur wenige Minuten vergangen.“, erzählte Emerelle weiter.

Yuki und Eissi tauschten zweifelnde Blicke aus, doch darüber würden sie später noch diskutieren, wenn sie mal wieder unter sich sind.

„Was hat das alles nun mit uns zu tun? Ich bin ein Dämon, okay. Warum auch immer. Doch was verlangt ihr jetzt von uns? Was hat Eissi damit zu tun?“, fragte Yuki weiter.

„Wenn du unsere Bitte annimmst, so wirst du dich unter Ollowains Führung einem harten Training unterziehen müssen. Andernfalls wärest du auch als Dämon eine leichte Beute für die Ygireks. Und deine Freundin Eissi ist zwar kein Dämon, allerdings besitzt sie, im Vergleich zu anderen Menschen, ein beachtliches Talent für Magie. So etwas kann man spüren.“, sagte Emerelle und wandte sich an Eissi: „Daher wirst du auch du trainiert, jedoch auf eine völlig andere Weise als Yuki und von einer Elfe namens Yulivee!“

„Heisst das etwa, ihr wollt uns trennen?“, fragte Eissi und umklammerte nun wieder Yuki’s Arm.

„Zumindest für euer Training, ja. Wenn es euch recht ist, dann könnt ihr euch gemeinsam ein Zimmer teilen.“

„Darum bitte ich auch!“, sagte Yuki.

„Also werdet ihr uns helfen?“, fragte Emerelle.

Eissi und Yuki tauschten erneut Blicke aus, dann nickte Yuki.

„Es ist uns noch immer alles suspekt, daher werden wir jetzt nicht definitiv zustimmen. Wir beginnen mit eurem Training, aber je nachdem, wie das läuft, werden wir eurer Bitte nachkommen, oder auch nicht.“

Emerelle schaute zu Ollowain und beide nickten.

„Dann wird euch Ollowain nun zu eurem Zimmer begleiten.“, sagte Emerelle abschließend. Damit war das Gespräch beendet und Ollowain begleitete die beiden jungen Frauen hinaus.
 

Den gesamten Weg sprach keiner von ihnen ein Wort. Yuki und Eissi hingen ihren Gedanken nach, sodass auch sie sich nicht unterhielten, so wie sie es auf dem Weg nach Burg Elfenlicht taten. Ollowain blieb vor einer Tür stehen und drehte sich zu den beiden um.

„Hier ist euer Zimmer. Yuki, ich werde dich morgen früh abholen. Eissi, du wirst dann von Yulivee abgeholt. Ruht euch jetzt aus, ihr habt eine harte Zeit vor euch.“

In dem Moment gähnte Eissi demonstrativ und betrat das Zimmer. Yuki blieb noch einen Moment vor Ollowain stehen und betrachtete seine faszinierenden Augen.

„Dann… sehen wir uns morgen…?“

„Ja. Frische Sachen liegen für jeden von euch in eurem Zimmer bereit. Damit könnt ihr euch in euerem Training besser bewegen, als mit den Sachen, die ihr jetzt anhabt.“

Yuki nickte und konnte ihren Blick noch immer nicht von Ollowain lösen. Erst als dieser nickte und ihr beim Vorbeigehen kaum merklich durch das Haar strich, konnte sie sich wieder bewegen. Yuki’s Herz pochte und das Blut schoss ihr in den Kopf. Sie drehte sich um, doch in dem Moment war Ollowain bereits um eine Ecke verschwunden. Sie seufzte und ging ebenfalls in das Zimmer.
 

„Das ist unglaublich!!“, rief Eissi aufgeregt und lief eifrig hin und her.

Auch Yuki schaute sich in dem geräumigen Zimmer um. Dort standen zwei gemütliche Betten. Daneben war jeweils eine geräumige Kommode zu finden, doch als Yuki die Schubladen öffnete, fand sie sie leer vor. Eissi schmiss ihre Tasche auf eines der Betten und kennzeichnete somit ihre Seite. Yuki lächelte und legte ihrerseits ihre Tasche auf das andere Bett und setzte sich auf den Bettrand. Die Matratze war hoch und weich, das wird ihrem oft schmerzenden Rücken sicherlich gut tun. Eissi war hinter einer Tür verschwunden und als Yuki aufstand, um ebenfalls dorthin zu gehen, vernahm sie auch schon einen Aufschrei ihrer besten Freundin. Als sie durch die Tür ging, stand sie in einem riesigen Bad mit Dusche, Toilette, zwei Waschbecken und einer Eckbadewanne. Eissi stand vor einem der beiden Spiegel und wusch ihr Gesicht hastig mit Wasser ab. Als Yuki selbst vor den anderen Spiegel trat, erschrak sogar sie leicht. Der Regen hat dafür gesorgt, dass sie völlig durchnässt war. Ihre Haare klebten im Wirrwarr an ihrer Stirn und auch sonst sah sie ziemlich fertig aus.

„Meine ganze Schminke ist verwaschen! Ich seh’ aus wie so ein Urmensch, wie schrecklich!“, jammerte Eissi, während sie noch die letzten Reste ihrer Schminke vom Gesicht wusch.

„Tja, und so standen wir vor der ersten Königin unseres Lebens, herzlichen Glückwunsch.“, bemerkte Yuki sarkastisch und wusch ihrerseits ihr Gesicht. Sie trocknete sich mit einem Handtuch ab und schaute sich in dem Raum um. Er war bereits komplett ausgestattet: Zahnbürsten und Becher standen bereit, genauso wie Schminkutensilien, Seife, Creme und etwas, was Yuki noch nicht genau einordnen konnte. Am Badewannenrand stand eine Flasche Badezusatz und in der Dusche standen Shampoo und Duschgel. Duschtücher waren an Haken an der Wand aufgehängt und große Badetücher lagen sorgfältig zusammengefaltet in einem Regal, wo auch Ersatzhandtücher verstaut waren. In einer Ecke entdeckte Yuki sogar Bademäntel.

„Also schlecht wird es uns hier wohl nicht gehen.“, sagte Yuki, als sie ihren Rundblick beendet hatte.

„Es ist toll hier!“, jubelte Eissi. „Wie in einem Luxushotel!“

„Hmh… ich glaube, ich werde noch duschen. Hab das Gefühl, als ob ich stinken würde.“

„Wie spät ist es überhaupt?“, fragte Eissi.

Yuki holte ihr Handy aus ihrer Hosentasche hervor.

„Offiziell ist es 19:26Uhr! Aber ich glaub, das können wir hier vergessen. Netz hab ich ganz zufällig auch nicht.“

„Wer hätte das gedacht…“

Beide Frauen grinsten und Yuki zog sich aus und stieg unter die Dusche. Eissi wiederrum ließ sich ein Bad ein.

Yuki genoss die Dusche und ließ das Wasser über ihren Körper prasseln. Ihr Herz pochte noch immer relativ schnell und sie strich über die Stelle, wo Ollowains Hand ihr Haar und auch leicht ihre Wange berührt hatte. Wieder stieg ihr das Blut in den Kopf und ihr Herz pochte sofort wieder schneller. Zudem bekam sie eine leichte Gänsehaut, obwohl das Wasser angenehm warm war. Sie massierte das Shampoo in ihr Haar und seifte ihren Körper mit dem wohlduftenden Duschgel ein. Es roch nach Pfirsich oder so etwas Ähnlichem. Als sie fertig war, lag Eissi noch immer in der Wanne. Yuki trocknete sich ab und zog ihre Unterwäsche wieder an. Dann kroch sie unter die Bettdecke und starrte die Decke an. Sie dachte an ihre kürzlich verstorbene Mutter und fragte sich, ob sie irgendwas hiervon wusste. Aber wahrscheinlich nicht. Schließlich konnte das hier alles nur ein verrückter Traum sein. Wenn sie jemanden erzählen würde, dass sie in jenem Albenmark der Elfen-Buchreihe ihres Lieblingsautors war, dann würde man sie garantiert hinter Schloss und Riegel stecken.

Es war aber ein schöner Traum, wie sie fand, daher musste sie grinsen. Schade, dass sie bald wieder aufwachen würde. Dann würde sie ihr normales Leben wieder einholen. Sie würde auf Arbeit gehen und viel an ihre Mutter denken. Es war fast ein halbes Jahr her, dass der Krebs sie zugrunde richtete, doch Yuki war noch längst nicht darüber hinweg. Auch jetzt liefen ihr wieder Tränen über das Gesicht. Sie ließ sie laufen, doch als sie Gepolter im Bad hörte, was ihr signalisierte, dass Eissi mit baden fertig war, wischte sie sie schnell mit dem Unterarm weg.

Kurz darauf kam Eissi im Bademantel aus dem Bad heraus und setzte sich auf ihr Bett, während auch sie ihre Unterwäsche wieder anzog. Dann schlüpfte sie unter ihre Decke und schaute Yuki an.

„Wie geht es dir?“, fragte sie besorgt.

Yuki schaute kurz zur Seite und fluchte innerlich, weil ihr anscheinend ihre Tränen aufgefallen waren.

„Ich bin verwirrt, ich habe Kopfschmerzen und ich frage mich, warum ausgerechnet meine Mutter an Krebs erkranken musste. Es ist alles zum Kotzen!“, sagte sie und legte ihren Arm auf ihre Augen, um einen erneuten Tränenschwall zu unterdrücken. Eissi stand von ihrem Bett auf und kam mit Decke zu Yuki herüber.

„Rutsch mal ein Stück.“

Yuki ruckte an den anderen Rand und Eissi legte sich neben Yuki hin und nahm ihren Kopf in den Arm.

„Lass es raus.“

Doch mehr als ein paar Tränen waren Yuki nicht möglich. Sie konnte nicht herzhaft weinen, wenn jemand in der Nähe war, daher beließ sie es dabei, einfach einige Tränen laufen zu lassen. Kurze Zeit später schniefte Yuki einmal herzhaft und signalisierte somit, dass sie sozusagen fertig war. Eissi schaute ihr nun ins Gesicht und wischte mit den Fingern die restlichen Tränen aus dem Gesicht ihrer besten Freundin.

„Gefällt es dir hier?“, fragte sie Yuki.

Yuki musste grinsen und antwortete: „Es ist echt ein schöner Traum, von mir aus kann der ewig so weiter gehen.“

„Meinst du, dass es ein Traum ist?“

„Ich bitte dich! Schau dich doch mal um! Wir sind in einem Land voller Elfen, was an sich schon viel zu genial ist, um wahr zu sein. Ausserdem ist es doch ziemlich absurd, dass ich ein Dämon sein soll, der in die Menschenwelt entsandt wurde. Das ist lächerlich!“

„Aber du musst zugeben, dass du manchmal eine sehr dämonische Ader hast.“

„Ich bin einfach nur schonungslos ehrlich.“

Eissi lachte und wuschelte ihr durch ihr blondes Haar.

„Aber wenigstens ein Traum ohne Brille wäre schön gewesen…“, murmelte Yuki und nahm sich eben diese ab und legte sie auf ihre Kommode.

„Ich bleib einfach hier in deinem Bett.“, sagte Eissi und schloss schon die Augen. Yuki lächelte und streichelte ihr über den Kopf. Dann machte auch sie die Augen zu und war etwas traurig darüber, dass sie morgen früh wieder aufstehen müsste, um zur Arbeit zu gehen.
 

- Ende Reise 1 -

Reise 1 "Training" - Tag 1 ~Grundlagen~

4. März 2012

Yuki blinzelte. Sie richtete sich auf und reckte sich. Dann fiel ihr auf, dass sie ihren Wecker überhört haben musste. Hastig sah sie auf ihr Handy. Es war 7:34! Yuki fluchte und stand auf, denn sie hätte vor knapp einer halben Stunde auf Arbeit erscheinen müssen. Als sie schon die Nummer ihres Ausbilders heraussuchte, wurde sie blass. Sie war noch immer in dem noch recht ungewohnten Zimmer und Eissi grummelte neben ihr etwas vor sich hin. Yuki schaute sich um und ihr dämmerte, dass sie noch immer in Albenmark war. Sie stand leise auf, setzte ihre Brille auf und ging ins Bad. Sie schaute in den Spiegel und rieb sich den Schlafsand aus den Augen. Sie putzte sich die Zähne, wusch sich das Gesicht und rieb es anschließend mit einer nach Kamille duftenden Creme ein. Dann ging sie zurück ins Zimmer. Eissi schlief noch immer und Yuki musste lächeln. Wenigstens das hatte sich nicht geändert.

Sie schaute sich nach der frischen Wäsche um, die angeblich für Eissi und sie bereit gestellt wurde. Sie entdeckte auf zwei Stühlen jeweils einen Wäschehaufen. Einer war komplett weiß und der andere war schwarz. Da Yuki die Farbe mehr mochte, ging sie zu dem weißen Stapel und begutachtete die Sachen. Yuki fand eine weiße Stoffhose, die weder zu eng noch zu weit war. Sie passte Yuki perfekt. Sogar über ihre breite Hüfte bekam sie sie mühelos. Als sie darunter die frische Unterwäsche –Höschen und BH- entdeckte, zog sie die Hose nochmal aus und zog die frische Unterwäsche an. Sie war erstaunt, dass selbst das sehr gut passte. Sie wurde rot bei dem Gedanken, wie viel man über sie anscheinend wusste. Doch die Gedanken verdrängte sie schnell wieder und zog die Hose wieder an. Das Oberteil war eine Mischung aus Hemd und T-Shirt. Es war ebenfalls relativ weit, aber es schlabberte nicht unnötig an ihr herum. Unter ihrem Stuhl entdeckte sie hohe weiße Stiefel. Sie zog das absatzlose Schuhwerk an und freute sich, dass auch die perfekt passten. Selbst mit ihren Waden hatte sie keine Probleme die Stiefel zuzumachen. Es dauerte zwar etwas, weil sie die Schnürsenkel bis ganz oben zubinden musste, aber das machte ihr ausnahmsweise nichts aus. Sie wünschte sich schon immer solche Stiefel. Yuki lächelte und ging erneut ins Bad. Sie betrachtete sich im Spiegel und fand sich selbst ausnahmsweise mal gutaussehend. Sie kämmte sich ihre Haare und band sie zu einem Pferdeschwanz zusammen.
 

Als sie wieder ins Zimmer kam, saß Eissi auf dem Bett und betrachtete sie verträumt.

„Du siehst gut aus!“, sagte sie schläfrig.

„Danke, find ich auch! Guten Morgen, Süße!“, erwiderte Yuki.

Eissi lächelte und schaute sich um.

„Es war… kein Traum, oder…?“, fragte sie vorsichtig.

Yuki schüttelte den Kopf.

„Ich frage mich, wie das alles weiter gehen soll. Das ist so… unglaublich…“

„Es fühlt sich alles nicht echt an…“

Die Freundinnen schwiegen kurz, dann breitete Eissi ihre Arme aus. Das war das Zeichen, dass sie umarmt werden wollte, also ging Yuki zu ihr hin und umarmte sie herzlich. Dann stand auch sie auf und reckte sich. Yuki gab ihr derweil den schwarzen Wäschestapel in die Hand.

„Das sind dann wohl deine Sachen.“, sagte sie.

Eissi nahm sie entgegen und gab ihrer Freundin einen kleinen Kuss auf die Wange.

„Ich bin im Bad!“, sagte sie und verschwand.

Während sich Eissi umzog ging Yuki ans Fenster und öffnete es. Die Sonne ging gerade auf, daher war es noch relativ frisch, aber nicht mehr kalt. Von ihrem Fenster aus konnte man den Burghof sehen, auf dem schon reger Betrieb herrschte. Yuki sah viele Elfen hin und her laufen, auch kleine Wesen, die sie als Kobolde einstufte, tapsten flink in den Gängen umher. Sie hörte Schritte hinter sich und drehte sich um. Sie schaute in das rötlich angelaufene Gesicht von Eissi.

„Wie…sieht es aus…?“, fragte sie schüchtern.

Yuki betrachtete ihre Freundin von oben bis unten. Ihre Hose war etwas enger anliegend, als die von Yuki. Das lange Oberteil umwehte ihren Körper.

„Mir gefällt’s!“, antwortete Yuki und lächelte.

„Ist es nicht zu gewagt? Ich meine… bei meiner Figur…!“, sagte Eissi leise.

Yuki schüttelte den Kopf und winkte ab.

„Das ist schon okay. Ist ja nicht so, dass du jetzt aussiehst, wie eine Presswurst!“

Eissi strahlte und entdeckte dann auch ihre Stiefel. Sie sahen genauso aus wie die von Yuki, nur dass Eissi’s schwarz waren. Auch sie bekam ihre Stiefel problemlos über die Waden.

„Erstaunlich, dass uns alles so reibungslos passt.“, wunderte sich Yuki erneut.

„Ja, selbst die Unterwäsche!“

„Und die Stiefel.“

„Meinst du, das war geplant?“

Yuki zuckte die Schultern.

„Wer weiß. Mich wundert hier aber gar nichts mehr“, antwortete sie.

Eissi nickte und schaute durch das offene Fenster.

„Wunderschön…“, flüsterte sie.
 

In dem Moment klopfte es an der Tür.

Yuki öffnete sie und sah Ollowain. Sofort wurde sie wieder rot und verfluchte sich innerlich dafür.

„Guten Morgen. Habt ihr gut geschlafen?“, fragte er und schaute abwechselnd zwischen Eissi und Yuki hin und her. Als beide Frauen nickten, öffnete Yuki die Tür komplett, sodass er eintreten konnte. Hinter ihm kam noch eine schlanke Frau herein, die ähnliche Sachen wie Eissi trug. Allerdings waren ihre Sachen in einem dezenten Rot gehalten.

„Guten Morgen.“; sagte sie und lächelte. „Mein Name ist Yulivee!“

Yuki und Eissi stellten sich ebenfalls vor.

„Dann werden wir ab heute viel Zeit miteinander verbringen, Eissi.“, sagte sie freundlich.

Eissi nickte schüchtern und schaute hilfesuchend zu Yuki. Sie lächelte sie an und streichelte leicht über ihren Arm.

„Okay, dann wollen wir mal los. Eissi, kommst du bitte mit mir?“, fragte Yulivee.

Eissi nickte und schaute Yuki nochmal kurz an. Dann gingen sie und Yulivee.

„Wir beide müssen nochmal kurz zu Königin Emerelle. Sie wollte dich sehen, bevor wir losgehen.“, sagte Ollowain. Yuki nickte und folgte ihm aus dem Zimmer heraus. Sie schloss die Tür hinter sich und lief hinter Ollowain her.

„Das hört sich an, als würde ich niemals wieder herkommen. Aber das ist Quatsch. Es sei denn, ich bin so schlecht, dass mich Ollowain sofort aus Versehen tötet…“, dachte sich Yuki und schaute Ollowain schüchtern an. Bei jedem seiner Schritte wippte sein Schwert hin und her und Yuki starrte fasziniert darauf. Sie mochte Schwerter schon immer, aber in ihrer Zeit hatte sie kaum Gelegenheit ein Schwert zu sehen, erst recht keines, was so schön aussah. Noch während sie in Gedanken war, wurde sie von jemandem angerempelt. Yuki schreckte auf und sah einen kleinen und grimmig drein guckenden Kobold, der ihr sogar noch vor ein Schienbein trat und dabei irgendetwas sagte, was sich nicht freundlich anhörte. Ollowain bekam das mit und drehte sich um. Er sah den Kobold böse an und sagte ebenfalls etwas, was Yuki nicht verstand. Dann schaute der Kobold Yuki nochmal böse an und machte sich davon.

„Was… war denn das…?“, fragte Yuki verwundert.

„Ein unwichtiger Kobold, der sich wichtig machen wollte“, antwortete Ollowain knapp und lief weiter.

Yuki fragte ihn nicht weiter darüber, denn er schien jetzt schlecht gelaunt zu sein.

„Danke, du blödes kleines Ding! Jetzt hat der Mann schlechte Laune mit dem ich trainieren soll. Das wird ein Spaß!“, fluchte Yuki innerlich.
 

Als Ollowain und Yuki vor Emerelle standen, kam die zierliche Frau auf sie beide zugelaufen.

„Ich hoffe, du hattest eine angenehme Nacht“, sagte Emerelle.

„Im Grunde schon, ja“, antwortete Yuki und verschwieg, dass sie eigentlich schlecht geschlafen hatte, weil sie von ihrer Mutter geträumt hatte.

„Ich habe dich herbringen lassen, weil ich dir zwei Dinge geben möchte.“

Yuki spannte sich und wartete. Emerelle stand nun direkt vor ihr und Yuki konnte den zarten Duft ihrer Haare einatmen. Die Elfenkönigin legte ihre Hand auf Yuki’s Augen und plötzlich schoss eine Hitze durch ihre Augen und in ihren Kopf, sodass Yuki kurz aufschrie und in die Hocke brach. Ollowain half ihr wieder aufzustehen und Yuki wollte sofort losmeckern, weil sie das Gefühl hatte, dass ihre Augen verbrennen würden. Doch so schnell wie der Schmerz kam, verschwand er auch wieder und Yuki öffnete blinzelnd die Augen. Sie sah alles extrem verschwommen und ihre Augen tränten stark. Sie nahm ihre Brille ab und wischte sich mit dem Arm über die Augen und sah dann Emerelle an.

„Was sollte das?!?“, fragte sie.

„Wir beide waren der Meinung, dass man deine ungewöhnlich schönen eisblauen Augen mehr zur Geltung bringen sollte“, antwortete Emerelle lächelnd.

Als Yuki protestieren wollte erschrak sie. Sie konnte alles gestochen scharf erkennen, obwohl sie keine Brille auf hatte! Die Elfenkönigin hat ihre Kurzsichtigkeit geheilt. Als Yuki das bewusst wurde, wurde sie rot und schaute betreten zu Boden.

„Da-danke…“, stammelte sie schüchtern.

Emerelle hob ihr Kinn an und sagte: „Wunderschön und faszinierend. Nicht wahr?“

„Da habt Ihr recht!“, antwortete Ollowain und Yuki schoss das Blut nur noch mehr in den Kopf. Ihr Herz pochte und hämmerte wie Trommelschlag gegen ihren Brustkorb.

Emerelle lächelte erneut und rief einen Elf herbei, der mit einem Gegenstand in der Hand zu ihnen gelaufen kam. Er reichte ihn seiner Königin und verneigte sich dabei tief. Emerelle nahm den Gegenstand entgegen und bedeutete dem Elf zu gehen, woraufhin dieser schnell wieder verschwand.

„Dies hier ist mein zweites Geschenk für dich. Ohne dieses Schwert dürfte sich das Training gegen Ollowain noch härter gestalten, als es sowieso schon sein dürfte.“

Yuki nahm das ihr gereichte Schwert entgegen. Es war eine Zwillingsklinge: Ein Griff in der Mitte, der in zwei säbelartigen Klingen endete. Yuki begutachtete die Waffe und wog sie in ihrer Hand.

„Es ist wunderschön…!“, flüsterte sie.

„Ich habe es vor deiner Ankunft extra für dich schmieden lassen.“, sagte Emerelle.

„Also könnt Ihr in die Zukunft sehen und wusstet, dass wir kommen würden?“

„Es gibt viele verschiedene Formen der Zukunft. Das war die Zukunft, die ich mir am ehesten gewünscht habe.“

„Wie kann ich Euch nur jemals dafür danken?“

„Es wäre schön, wenn du uns hilfst. Das ist mehr als Dank genug.“

Yuki nickte ernst und Emerelle holte noch etwas Schwarzes hervor und gab es Ollowain.

„Dies ist die Gürtelschnalle für dein Schwert. Ollowain zeigt dir, wie du sie umzulegen hast“, sagte Emerelle und trat einen Schritt zurück. Ollowain führte den Gürtel durch die Gürtelschnallen an Yuki’s Hose. Jedes Mal wenn er sie am Körper dabei berührte kniff Yuki aus Reflex kurz die Augen zusammen. Das zweite Teil der Schwerthalterung führte Ollowain durch eine Öse am hinteren Teil des Gürtels, um ihn dann über ihre Schulter zu legen und in eine weitere Öse vorne festzuziehen. Dann steckte er ihr Schwert auf den Rücken. Yuki hörte kein Einrasten oder ähnliches. Nur einen seltsamen Druck, aber danach hielt das Schwert. Ollowain schaute ihr noch kurz in die Augen und obwohl es ein eher beiläufiger Blick war, traf er Yuki bis ins Mark. Dann stellte er sich wieder in einem gewissen Abstand neben Yuki.

„Der Griff deines Schwertes und die Verbindungsstelle an der Schnalle sind mit einer gegensätzlichen Magie behaftet“, erklärte Emerelle.

„Also funktionieren diese wie ein Magnet?“

„Ganz genau!“

„Vielen Dank“, sagte Yuki und lächelte.

Emerelle schüttelte leicht den Kopf und erwiderte: „Nicht dafür. Wie gesagt: Wenn wir euch schon solcher Gefahr aussetzen, dann möchten wir, dass ihr wenigstens gut ausgestattet seid. Und nun los. Ihr habt nicht mehr viel Zeit!“

Yuki nickte und Emerelle verabschiedete beide.

Somit konnte also der erste Trainingstag beginnen.
 

Yuki folgte Ollowain wieder durch das Herzland zu der Brücke, die er als Shalyn Falah bezeichnete. Sie lief auf seinem Wunsch hin vor ihm vorsichtig über die Brücke. Der Wind war heute besonders böig, sodass Yuki ernsthafte Probleme hatte sich aufrecht zu halten. Als sie das dritte Mal beinah gestürzt wäre fluchte sie leise vor sich hin.

„Wenn du erlaubst helfe ich dir!“

Ollowain stand direkt hinter Yuki und als sein warmer Atem ihren Nacken berührte, standen ihre feinen Nackenhärchen auf und ihr lief erneut ein angenehmer Schauer über den Rücken. Zudem schoss ihr das Blut abermals in den Kopf und sie stammelte nur ein leises „J-ja…“

Ollowain schob sich vorsichtig an ihr vorbei und drehte sich zu ihr um. Yuki schaute zur Seite weg, um wenigstens etwas ihr gerötetes Gesicht zu verbergen.

„Gib mir deine Hand.“

Yuki streckte die Hand aus und Ollowain zog sie vorsichtig hinter sich her und jedes Mal, wenn eine Windböe kam, umfasste er ihre Hand etwas fester. Er selbst war die Brücke gewohnt, daher machte ihm der Wind bei weitem nicht so sehr zu schaffen.

Als sie das andere Ende erreicht haben zog Yuki ihre Hand schnell weg und schaute zu Boden.

Ollowain räusperte sich.

„Gehen wir weiter“, sagte er nur und lief los.

Yuki blieb noch ganz kurz stehen und betrachtete ihre Hand, da sie das Gefühl hatte, als würde sie kribbeln. Dann lief auch sie los, um wieder zu Ollowain aufzuschließen.

Sie überquerten einen großen Teil der grünflächigen Ebene und in der Ferne sah Yuki eine große Staubwolke. Sie blieb stehen und schaute dorthin. Sie bemerkte, dass ihre Sehkraft erstaunlich gut war und sie glaubte, dass sie auch besser war, als sie noch durch ihre Brille gucken musste. Ollowain stellte sich neben sie und richtete seinen Blick ebenfalls in die Ferne.

„Dort beginnt die Steppe. Wahrscheinlich trampelt eine Herde Kentauren diese Wolke auf.“

Yuki nickte und vermied es, Ollowain direkt anzusehen.

„Na los, komm.“

So durchquerten sie einen weiteren Teil der Ebene und liefen dann durch ein kleines Stück Wald auf eine Lichtung.

„Hier trainiere ich immer. Wir sind hier ungestört und du kannst dich hier frei entfalten.“, sagte Ollowain und wandte sich zu Yuki um.

Yuki nickte und Ollowain zog sein Schwert.

„Bevor ich dich etwas lehre muss ich wissen, wo du stehst. Greif mich an, so wie du es aus dem Bauch heraus tun würdest!“

Yuki wollte protestieren, doch der ernste Blick Ollowains ernüchterte sie. Sie zog ihre beiden Klingen aus der Scheide und stellte sich in eine Kampfposition, die sie vom Karate her kannte. Ollowain hingegen blieb ganz normal stehen.

Fast.

Yuki konnte seine Anspannung regelrecht spüren und seine Augen verrieten, dass er vollkommen konzentriert war. Schließlich wusste er nicht, was ihn erwartet.

Nun, Yuki eigentlich auch nicht. Sie machte einen kleinen Schritt nach vorne und Ollowain spannte sich. Dann rannte Yuki mit erhobenen Zwillingsschwert auf Ollowain zu und setzte zu einem Hieb auf seinem Kopf an, doch er wich mit einer geschmeidigen Drehung zur Seite aus. Yuki lenkte den Schlag in seine Richtung und zielte auf seine Hüfte, doch Ollowain parierte mühelos mit dem Schwert. Yuki schlug weiter auf Ollowain ein, doch nicht ein Treffer saß. Entweder wich er aus oder parierte. Schon nach kurzer Zeit war Yuki völlig außer Atem.

Ollowain registrierte das und sagte: „Genug! Das reicht, setz dich hin.“

Sie setzte sich auf die Wiese und keuchte: „Und?“

„Deine Schwerthiebe kamen unkontrolliert und fast völlig planlos. Außerdem verschwendest du zuviel Kraft bei einem Schlag, deswegen bist du auch jetzt so außer Atem.“

Yuki nickte schwach, denn das war ihr selbst nicht entgangen.

„Wir haben drei Monate Zeit, bevor ihr in die erste Welt aufbrechen müsst. Diese werde ich wie folgt aufteilen: Im ersten Monat wirst du lernen, deine Kraft zu kontrollieren und gezielt einzusetzen. Das gilt sowohl für deine physischen, als auch für deine dämonischen Kräfte. In dieser Zeit wirst du dein Schwert selten benötigen.

Im zweiten Monat werde ich dir die Grundlagen des Schwertkampfes beibringen. Deine Trainingspartner werden dabei hauptsächlich Bäume oder andere meiner Schüler sein.

Im dritten Monat verfeinern wir dann deine Schwertkunst indem du gegen mich kämpfst!“, erläuterte Ollowain und Yuki hörte ihm aufmerksam zu, während sie wieder ihren Atem beruhigte.

„Diese drei Monate werden sehr hart für dich werden. Das Training wird bereits vor der Morgendämmerung beginnen und du wirst erst nach Sonnenuntergang wieder in dein Zimmer kommen. Bereite dich innerlich schonmal darauf vor.“

Yuki zog scharf die Luft durch die Zähne und erwiderte: „Was tust du, wenn ich vor Erschöpfung zusammenbreche? Das ist ja dann nicht Sinn der Sache, oder?“

„Mach dir darum mal keine Sorgen und vertrau auf meine Erfahrung. Du wirst in meinem Training an deine äußersten Grenzen und darüber hinaus gehen. Aber du wirst nicht sterben, dafür sorge ich!“

Irgendwie beruhigte das Yuki nur wenig, aber das behielt sie lieber für sich.

„Ich werde jetzt zurück in den Palast gehen und Essen besorgen. Bis dahin möchte ich, dass du dich konzentrierst und in dich gehst. Suche in deinem Inneren die Quelle deiner Kraft! Bevor du schließlich lernen kannst, deine dämonischen Kräfte zu kontrollieren, müssen sie erwachen. Dabei kann ich dir nicht helfen, das musst du selbst schaffen!“

„Aber wie? Woran soll ich erkennen, dass ich meine Kraftquelle gefunden habe?“, protestierte Yuki. In Wirklichkeit wollte sie jedoch nicht auf dieser Lichtung alleine sein. Vollkommen alleine, in einer gänzlich unbekannten Welt. Wer weiß, was hier im Dickicht lauerte.

„Du wirst es spüren. Soviel kann ich dir versprechen.“

Mit diesen Worten drehte Ollowain sich um und Yuki hob die Hand und holte Luft, um ihn am Gehen zu hindern, doch ihr kam kein Wort über die Lippen. Dann war Ollowain schon im Dickicht verschwunden und Yuki war allein auf der Lichtung.

Sie holte einmal tief Luft und versuchte sich zu konzentrieren. Auch wenn sie absolut nicht wusste worauf.
 

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Währenddessen…

„Wenn ich dir etwas beibringen soll, dann musst du auf das hören was ich sage. Du kannst nicht einfach so mit irgendetwas anfangen, da das tödlich enden könnte. Magie ist eine Kunst, die äußerster Konzentration bedarf. Du darfst dich durch nichts ablenken lassen. Meinst du, du schaffst das?“

Eissi nickte brav, als Yulivee ihr die Frage stellte, aber natürlich konnte sie ihr nichts versprechen. Im Gegenteil: Eigentlich ließ sie sich sehr leicht ablenken und ihre Konzentration hielt nie sonderlich lange an. Doch sie hatte nicht den Mut das zu sagen.

Yulivee hatte sie in einen großen kahlen Raum von Burg Elfenlicht geführt, der angeblich resistent gegen jegliche Magie war. Daher trainierten auch all die anderen Magier hier. Das zumindest hatte ihr Yulivee erzählt, aber da Eissi noch keinen anderen Elf hier bemerkte, bezweifelte sie das. Aber auch das behielt sie für sich.

„Zunächst musst du lernen, was Magie bedeutet. Was es heisst, einen Zauber zu weben.“

Eissi schaute Yulivee nur fragend an.

„Wir Magiekundige werden auch Zauberweber genannt. Ganz Albenmark ist von einem magischen Netz umgeben. Wenn wir Magie wirken greifen wir in das Netz hinein und verändern dessen Struktur, um beispielsweise eine kleine Flamme erscheinen zu lassen“, erklärte Yulivee, während tatsächlich eine kleine Flamme auf ihrer Handfläche erschien.

Eissi starrte auf die tänzelnde Flamme und schaute der Elfe dann ins Gesicht.

„Wie soll ich das machen? Im Grunde weiß ich gar nicht, wovon du redest und was das hier alles soll.“

„Du bist als Mensch in einer Welt aufgewachsen, wo das magische Netz extrem schwach ausgebildet ist. Daher fehlt eurer Welt beinahe jegliche magische Grundlage. Das liegt zum großen Teil auch an euch Menschen, da ihr der Natur soviel Schaden zufügt. Durch eure Schadstoffe kann sich das Netz nicht entwickeln.“

„Das war ja nicht immer so! Wir waren ja nicht immer so hoch technisiert!“, protestierte Eissi.

„Das stimmt. Früher war das magische Netz in eurer Welt ebenfalls relativ stark ausgebildet. Doch da eure Bewohner keine Magiebegabung besitzen, habt ihr gelernt euch selbst zu helfen. Beispielsweise, als deine Vorfahren das Feuer entdeckt haben. So habt ihr euch immer weiter entwickelt, doch dadurch hat sich das magische Netz nicht weiter ausgebreitet und durch eure Schadstoffe, die ihr mittlerweile in erschreckendem Ausmaß ausstoßt, entwickelt sich das magische Netz immer weiter zurück. Jetzt ist nur noch ein kümmerlicher Rest geblieben und selbst für starke Magier wie mich ist es sehr schwer bei euch einen Zauber zu wirken.“, erläuterte Yulivee weiter.

„Das hört sich an, als wärst du schonmal da gewesen!“

Yulivee lächelte. „Ja, ich war früher oft in eurer Welt. Doch das ist viele hundert Jahre her. Damals wart ihr Menschen nicht mehr als Primitivlinge, die sich in herunter gekommenen Städten und Dörfern zusammenrafften und meistens Krieg führten.“

Eissi lachte kurz auf und sagte: „Hört sich stark nach einer mittelalterlichen Epoche an!“

Auch die Elfe lächelte und lief dann einige Schritte auf Eissi zu.

„Da du durch deine Herkunft eine schlechte Startposition hast, gebe ich dir eine Hilfe.“

Yulivee legte Eissi eine Hand auf ihren Brustkorb.

In Eissi’s Körper breitete sich eine Wärme aus und sie zuckte daher zunächst leicht zurück. Die Elfe schloss die Augen und verlangte von Eissi dasselbe zu tun. Sie schloss die Augen und sah vor ihrem geistigen Auge Yulivee stehen. Sie warf eine helle Kugel auf Eissi. Sie breitete sich in ihrem Körper aus, dann durchfuhr sie ein plötzlicher und stechender Schmerz.

Als Eissi die Augen wieder öffnete sah sie in das lächelnde Gesicht von Yulivee.

„Wie fühlst du dich?“, fragte sie.

„Seltsam. Was war das?“

„Ich habe deine magische Kraftquelle aktiviert. Bei uns Elfen ist sie von Geburt an aktiv, doch bei dir war das natürlich nicht der Fall.“

„Heisst das, ich kann jetzt zaubern?“

„Hahahahaha, nein so einfach ist das leider nicht. Die Grundlagen werde ich dir beibringen. Versuche zuerst diesen Stein hier zum Schweben zu bekommen. Das ist eine simple Grundübung für Magiestudenten. Wer das nicht schafft, braucht sich nicht weiter mit der Magie zu befassen.“

Eissi betrachtete den Kieselstein argwöhnisch.

„Wie soll ich das machen?“

„Finde einen Weg! Du hast jetzt eine Grundlage. Ich bin gespannt, ob du es schaffst. Ich bin kurz weg. Ich muss noch etwas erledigen. Wenn ich wieder da bin, schau ich mir deine Fortschritte an.“

Yulivee erhob sich und Eissi wollte protestieren, da sie nicht allein sein wollte. Doch die Elfe war schon verschwunden.
 

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Im Thronsaal von Burg Elfenlicht…

„Wie macht sie sich? Meinst du, sie ist uns von Nutzen?“

„Das ist schwer zu sagen, meine Königin. Yuki hat keine Grundlage, daher ist ihre Schwertkunst noch mehr als miserabel. Doch ich habe das Gefühl, dass sie nur die richtige Führung braucht, dann kann sie durchaus sehr stark werden.“

Ollowain stand vor Emerelle und lieferte seinen Bericht über die ersten Stunden mit Yuki ab, so wie seine Königin es von ihm verlangte.

„Ist das dein einziges Gefühl?“, fragte Emerelle mit einem herausfordernden Unterton in der Stimme. Ollowain räusperte sich und bevor er etwas zur Erwiderung sagen konnte, schwangen die schweren Eichentüren des Thronsaales auf und Yulivee trat ein.

Sie verneigte sich vor ihrer Königin.

„Meine Königin!“

„Yulivee! Liefere mir deinen Bericht!“

„Ihr hattet recht. In Eissi schlummerte eine starke magische Kraft. Ich habe sie geweckt und fange nun mit den Grundlagen an. Woher ihre Kraft rührt weiß ich allerdings noch immer nicht.“

Emerelle nickte und bedeutete den beiden zu gehen. Sie sah Ollowain noch einmal kurz in die Augen, ließ dann aber von beiden ab und drehte sich um.

Der Schwertmeister und die Magierin verließen den Thronsaal und auf dem Weg in die große Küche unterhielten sie sich über ihre neuen ungewöhnlichen Schüler. In der Küche packten sie Essen zusammen und als sie wieder getrennte Wege gehen wollten, drehte sich Yulivee zu Ollowain um.

„Pass auf! Yuki ist ein Dämon. Und ich spüre, dass sie einer mächtigen Familie abstammen muss. Sei vorsichtig, dass sie dich nicht tötet!“

„Das wird sie schon nicht, da bin ich mir sicher.“

„Trotzdem. Du weißt, wie Dämonen sind!“

„Reduzier sie nicht nur auf ihre Rasse, Yulivee.“

„Oh Ollowain… Bring Königin Emerelle mit deinem Verhalten nicht gegen dich auf!“

„Mach dir keine Sorgen, ich weiß, was ich tue.“

Die Magierin nickte und lief den Gang hinab. Ollowain schaute ihr noch eine Weile hinterher, dann machte auch er sich auf den Weg zurück zu seiner neuen Schülerin.
 

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Waldlichtung…

„Ach, Man!!“ schrie Yuki und schlug auf den Boden. Seit gefühlten zwei Stunden versuchte sie schon ihre innere Kraft zu finden, doch keine Spur. Sie ließ sich auf den Rücken fallen und betrachtete die Wolken. Dabei fragte sie sich, wie es Eissi wohl momentan ergehen mag. Sie waren seit mehr als sechs Jahren befreundet und in der Zeit verstärkten viele Ereignisse ihre Freundschaft. Ein Jahr nachdem sie sich kennen lernten wurde ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt, die beinah ein ganzes Jahr andauerte. Doch danach hat sich ihr Verhältnis zueinander stetig verbessert und jetzt würde die eine für die andere ohne zu zögern durch das Feuer gehen. Besonders in dem letzten halben Jahr war Eissi für Yuki die wichtigste Person in ihrem Leben geworden. Ohne sie könnte Yuki noch schlechter mit dem Tod ihrer Mutter umgehen, als es jetzt noch der Fall war.

Yuki seufzte und richtete sich auf. Dann schloss sie die Augen und versuchte sich wieder zu konzentrieren. Es fiel ihr schwer alle Geräusche der Natur auszublenden, doch es wurde besser. Wieder breitete sich absolute Dunkelheit um sie herum aus und inmitten dieser endlosen Schwärze entdeckte sie eine rote Flamme. Sie lief darauf zu, als die Flamme sie auf einmal umhüllte. Yuki kniff die Augen zusammen und als sie sie wieder öffnete, fand sie sich plötzlich in einem blutroten und scheinbar endlosen Raum wieder. Yuki schaute sich um, doch sie erkannte nichts. Vor ihr tauchte auf ein Mann auf, der einen dunklen Teint besaß und auf seinem Gesicht waren zwei rote Dreiecke zu sehen. Er trug eine schwarze Hose und einen schwarzen Rollkragenpullover. Yuki verspürte keine Angst vor dem Mann, obwohl er etwas Arrogantes, ja sogar Feindseliges ausstrahlte.

„Du bist also bereit, dein Erbe anzunehmen.“

Yuki, die im Begriff war, zu erkennen, dass ihr richtiger Vater vor ihr stand, nickte fest. Der Dämon machte eine weit ausholende Bewegung und seine Hand fing an, schwarz zu schimmern. Mit dieser schimmernden Hand lief er langsam auf Yuki zu und legte sie ihr auf den Brustkorb. Yuki verspürte auf einmal einen ungeheuren Druck, sodass ihr die Luft wegblieb. Ihr Vater grinste und warf noch zwei rote Funken auf Yuki’s Gesicht.

„Wie heisst du?“, wollte Yuki wissen.

Der Dämon grinste bösartig und sagte nur: „Die roten Dreiecke markieren meine Familie. Sie sind absolut einmalig. Es sollte dir nicht schwer fallen herauszufinden, wer ich bin!“ Yuki verstand nicht ganz, doch bevor sie noch mehr Fragen stellen konnte durchfuhr sie ein stechender Schmerz, dann wurde alles um sie herum schwarz.
 

„…ki!“

„…uki!“

„…Yuki!“

Die junge Frau öffnete langsam die Augen und sah in das Gesicht von Ollowain. In der Nähe zwitscherte ein Vogel ein seltsames Lied. Es kam Yuki vor, als würde das Tier sie auslachen. Sie richtete sich auf und schüttelte den Kopf. Eine Angewohnheit, die sie entwickelte, als sie ständig Kopfschmerzen bekam.

„Was…?“

„Ich kam gerade erst zurück. Du lagst bewusstlos auf den Boden, daher habe ich mir kurz Sorgen gemacht.“

Ollowain räusperte sich und Yuki wurde wieder rot. Sie fragte sich mittlerweile, ob sie jemals wieder eine normale Gesichtsfarbe bekommen oder ob sie für immer eine wandelnde Tomate sein würde.

„Deine Kraft ist erstaunlich. Ich habe kein Talent für Magie, doch selbst ich kann deine Kraft fühlen.“

Yuki betrachtete ihre Hände, denn sie war der Meinung, dass sich nicht viel verändert hatte. Ollowain richtete sich wieder auf und schaute sich um.

„Siehst du diesen Felsen dort? Zeige mir daran, was du kannst!“

„Aber…! Was soll ich machen?“

„Konzentriere dich. Den Rest wirst du selbst heraus finden.“

Yuki stand auf und ging auf den kleinen Felsen zu und blieb davor stehen. Sie berührte die raue Oberfläche und schloss die Augen. Wieder sah sie diese rote Flamme. Sie versuchte innerlich danach zu greifen, doch als sie sie berührte, zerfiel der Fels zu Staub.

Gänzlich überrascht drehte sich Yuki um.

„Hast du…!“

Yuki riss die Augen auf und der Rest des Satzes blieb ihr im Halse stecken. Ollowain kniete auf dem Boden und hielt sich den Kopf. Ausserdem liefen ihm einige Schweißperlen über die Stirn, was für einen Elfen überaus ungewöhnlich war.

„Was ist mit dir? Tut dir was weh?“ fragte Yuki besorgt und kniete sich zu Ollowain nieder, um ihm zu helfen, doch dieser winkte ab.

„Mir geht es gut, wirklich. Es ist nur…“

Yuki stand auf und legte ihre Hand auf ihre Brust.

„Es ist meine dämonische Energie, nicht wahr?“ fragte sie mit ernstem Gesichtsausdruck. Ollowain seufzte und richtete sich langsam wieder auf.

„Selbst die Nachschwingungen in der Luft schaden uns Elfen.“

„Dann werde ich sie, solange ich hier bin, nicht benutzen!“

„Du musst aber lernen, sie zu kontrollieren.“

Yuki’s Miene verfinsterte sich und sie schaute lange nur auf den Boden und Ollowain dachte schon, sie würde weinen, doch dann schaute Yuki ihn fest an.

„Ich will euch Elfen nicht schaden, deswegen benutze ich sie nicht. Es tut mir leid Ollowain, doch in diesem Punkt ist es mir egal, was du sagst. Ich werde irgendwo anders lernen sie zu kontrollieren.“

Ollowain ging einige Schritte auf sie zu und berührte ihr Gesicht. Yuki wich nicht zurück, sondern versuchte in seinen grünen Augen zu lesen, was er in diesem Moment dachte.

„Ich habe gewusst worauf ich mich einließ, als ich zustimmte dich zu trainieren. Ich verlange von dir, dass du keine Rücksicht auf mich nimmst, sondern ernsthaft an dir arbeitest!“

„Aber…!“

„Nichts aber. Ohne meine Führung wirst du dort draußen keine zwei Tage überleben. Ich will das verhindern!“

Yuki blickte auf den Boden und seufzte.

„Ich glaube, ich werde nicht gegen dich ankommen können, oder?“

Ollowain lächelte und strich ihr sanft über die Wange. Dann drehte er sich abrupt um und ging zu dem Haufen, der vorher den Felsen dargstellte. Er ließ etwas Staub durch seine Hand rieseln und stand wieder auf.

„Dieser Felsstaub ist sehr fein. Mir ist niemand bewusst, der das in deinem Stadium geschafft hat. Deine Kraftquelle ist sehr mächtig, daher musst du einer mächtigen Familie abstammen.“

„Nur weiß ich nicht welcher.“

„Ich glaube ich habe dieses Mal, was du nun im Gesicht hast, schon einmal gesehen. Ich werde Nachforschungen anstellen, dann kann ich dir morgen sagen, wer deine Eltern sind.“

Yuki nickte nur.

„Gut. Jetzt beschreibe mir, wie das mit dem Felsen passieren konnte.“

„Nunja… ich habe meine Augen geschlossen und da war wieder so eine rote Flamme. Als ich sie berührte, ist der Felsen schon zerfallen. Mehr war da nicht.“

Ollowain nickte nachdenklich.

„Ich denke du bist der Magie nicht mächtig?“

„Ich kann sie nicht ausüben, aber dennoch sind mir die theoretischen Grundlagen bewusst. Ich kann dir nur praktisch nichts zeigen.“

Yuki nickte und fragte sich erneut ob das alles so wahr sein konnte. Sie glaubte in dem Moment, als Ollowain ihre Wange berührte, etwas in seinen Augen gesehen zu haben. Doch das konnte natürlich nur Einbildung sein. Warum sollte auch ausgerechnet jemand wie er sich für sie interessieren? Das war vollkommen absurd. Zumal Elfen mit Dämonen nichts anfangen können. Dazu hassen sich die beiden Rassen zu sehr, glaubte Yuki.

„Du musst etwas essen, bevor wir weiter machen können. Mit leeren Magen lässt es sich schlecht trainieren.“

Yuki nahm dankend das Essen entgegen, was Ollowain ihr reichte, denn ihr Magen meldete sich tatsächlich in dem Moment lautstark.
 

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Burg Elfenlicht…

„Konzentriere dich!“

Eissi unterdrückte einen Kommentar, denn das war fast der einzige Satz, den Yulivee seit ihrer Rückkehr zu ihr sagte. Sie hatte keine Ahnung, was die Elfe von ihr verlangte, denn nach ihrer Meinung konnte sie sich nicht noch mehr konzentrieren. Sie hatte es während ihrer Abwesenheit es nicht geschafft, den Stein zum Schweben zu bekommen. Die einzigen Male wo er ihre Handfläche verließ waren, wenn sie ihn wütend durch den Raum warf. Wieder einmal schloss sie ihre Augen. Sie spürte den stechenden Blick von Yulivee auf sich ruhen und öffnete erneut die Augen.

„Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn du mich so anstarrst!“

„Das ist dein Problem! Du musst den Punkt erreichen, wo du das nicht mehr wahr nimmst! Erst dann wird es dir überhaupt möglich sein ansatzweise Magie zu wirken!“

Eissi nahm diese Rüge schweigend entgegen und starrte wieder auf den kleinen Stein. Yulivee seufzte und starrte ihrerseits wieder Eissi an. Diese schloss wieder die Augen und dachte an Yuki und daran ob sie genauso gequält wurde, wie sie. Aber ihrer Freundin wird es wohl besser ergehen als ihr. Sie mochte Elfen sehr und auch an sich kannte sie Albenmark wohl sehr gut, weil sie die Bücher gelesen hatte. Ausserdem stand sie auf Ollowain, dass hatte Eissi sofort bemerkt. Aber wie immer ging ihre Freundin auf so etwas nicht ein. Sie würde schon noch heraus finden ob und was da lief. Schließlich hatten die beiden jetzt einen ganzen Tag für sich, da musste etwas passieren!

Eissi räusperte sich und sammelte wieder ihre Gedanken. Vor ihrem geistigen Auge erschien plötzlich eine helle Kugel, so ähnlich wie die, die Yulivee vorhin auf sie geworfen hatte. Eissi griff danach und die Kugel änderte ihre Erscheinung. Nun war sie der kleine Stein und Eissi spielte damit herum.

„Sehr gut!“

Eissi öffnete ihre Augen und spürte, wie in dem Moment der Stein auf ihren Handteller plumpste.

„Hat er…?“

„Ja, er schwebte. Das hast du sehr gut gemacht!“

Eissi freute sich, dass sie endlich mal etwas Lob erhalten hatte und lächelte.

„Nun werden wir daran arbeiten, dass du deine Konzentration auch noch hältst, wenn du deine Augen offen hast. Doch erstmal hast du dir etwas zu Essen verdient. Sicherlich hast du Hunger!“

Eissi’s Miene hellte sich auf, als die Elfe ihr das Essen reichte und biss genüsslich hinein.
 

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Waldlichtung…

Yuki riss keuchend die Augen auf. Wie Ollowain von ihr verlangte versuchte sie, die Flamme in sich aufzunehmen. Doch die wehrte sich und versuchte immer sie selbst zu umhüllen. Diesmal hätte sie es fast geschafft, doch die Flamme brach regelrecht aus ihrem Körper heraus.

Sie kniete auf dem Boden und ihre neuen Sachen waren vom Schweiß beinah völlig durchnässt. Ollowain hielt sie an den Schultern fest, damit sie nicht vornüber kippte. Auch er hatte Schweißperlen auf der Stirn und als sich Yuki’s Atem beruhigte, setzte sie sich hin und strich aus einem Reflex heraus Ollowain über die Stirn und wischte die Perlen fort. Ohne einen weiteren Kommentar stand er auf.

„Wir machen eine Pause, damit du dich wieder beruhigst. Komm kurz mit. Ich werde dir etwas zeigen.“

Yuki gehorchte und stand ebenfalls auf. Dabei schwankte sie kurz, denn ihr war schwindelig. Sie folgte Ollowain von der Lichtung herunter, der sie zu einem kleinen Bach führte. Yuki hockte sich vor das klare Wasser und schöpfte es mit dir Hand, um etwas Flüssigkeit in ihren Hals zu bekommen. Dann wusch sie sich das Gesicht und war dankbar für die Abkühlung. Sie schaute kurz nach links, wo auch Ollowain sein Gesicht wusch. Als er das bemerkte und sie anschaute, drehte sie ihren Kopf hastig zur Seite und starrte auf das Wasser. Ollowain hockte sich neben sie und drehte ihr Kinn in seine Richtung.

„Was ist los mit dir?“

„I-ich…“

„Deine Augen scheinen immer etwas zu suchen. Seit du hier bist, schaust du mich immer wieder an. Lass mich ehrlich zu dir sein. Es hat mich sehr überrascht, als du bei deiner Ankunft meine Ohren berührt hast, doch ich wusste, dass von dir keine Bedrohung ausging, obwohl du ein Dämon bist!“

Yuki’s Herz pochte und dadurch, dass er ihr Kinn fest hielt, konnte sie ihren Kopf auch nicht wegdrehen.

„Etwas an dir ist anders, als bei anderen Dämonen. Vielleicht liegt es daran, weil du bei Menschen aufgewachsen bist, aber…“

Yuki riss die Augen auf, als er noch näher an sie heran kam und sein Gesicht nun direkt neben ihrem Ohr war.

„… vielleicht ist da noch mehr?“

Yuki wollte etwas sagen, doch sie brachte kein einziges Wort hervor. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Kopf verglühen und ihr Brustkorb würde ob des mächtigen Trommelschlags ihres Herzens bersten.

Nun schaute Ollowain ihr wieder ins Gesicht, ließ dann aber von ihr ab und stand auf.

„Gehen wir zurück. Wir haben noch zu tun!“

Mit diesen Worten ging er zurück zur Lichtung und ließ Yuki dort wo sie war. Erst Sekunden später war sie in der Lage sich wieder zu bewegen. Sie lief ebenfalls zur Lichtung zurück. Dort angekommen, setzte sie sich sofort hin und schloss die Augen. Die rote Flamme war größer geworden und zuckte unkontrollierbar hin und her. Yuki hatte keine Chance mehr irgendetwas dagegen zu tun. Immer wieder riss sie keuchend die Augen auf. Auch Ollowain sagte nichts mehr, sondern beobachtete sie nur. Gelegentlich brachte er ihr Wasser, damit sie sich abkühlen konnte.

Als die Sonne langsam unterging, ging er auf sie zu und sagte: „Genug für heute! Das wird nichts mehr, so wie es scheint.“

Yuki blickte auf den Boden und vermied es, ihn anzusehen.

„Komm. Wir gehen zurück.“

Yuki stand auf und legte ihr Schwert wieder um. Dann folgte sie Ollowain, der die Lichtung bereits verlassen hatte. Als sie am Rand des kleinen Wäldchens standen drehte er sich zu ihr um und schaute sie an.

„Merke dir den Weg. Ab morgen wirst du ihn alleine gehen. Du musst deine Kondition verbessern, daher verlange ich, dass du den gesamten Weg rennen wirst.“

„Wie bitte? Weißt du, wie weit das ist? Das schaffe ich nie!“

„Ich weiß, wie weit das ist. Ich verlange nichts Unmögliches von dir. Ich verlange nur, dass du dich anstrengst!“

Yuki wollte weiter protestieren, doch bevor irgendwelche Widerworte über ihre Lippen kamen, ging er einige Schritte auf sie zu. Sie wich instinktiv einige Schritte zurück, doch hinter ihr war ein Baum. Als sie um Ollowain herum laufen wollte, versperrte er ihr mit dem Arm den Weg.

„Ich weiß, dass du das kannst, wenn du es wirklich willst.“

„Woher willst du das wissen? Du kennst mich gar nicht…!“

Wieder kam er mit seinem Gesicht ihrem sehr nahe. Er hob ihr Kinn, sodass sie ihn anschauen musste.

„Ollowain, ich…“

„Bleib ruhig, ich weiß, was du sagen willst.“

„Aber… warum…?“

„Ich kann es dir nicht sagen.“

Nach diesen Worten küsste er sie, ohne das sie etwas dagegen unternehmen konnte. Jeglicher innerer Widerstand brach und in ihrem Kopf drehte sich alles. Sekunden später ließ er von ihr ab und drehte ihr den Rücken zu.

„Verzeih mir. Das hätte nicht passieren dürfen.“

Yuki war unfähig etwas darauf zu erwidern. Ihre Lippen kribbelten und sie hatte das Gefühl, als würde ihr Kopf zerspringen. Ohne ein weiteres Wort lief Ollowain los und Yuki folgte ihm. Den ganzen Weg über schwiegen sie.

Über die Shalyn Falah ging Yuki diesmal alleine, schließlich musste sie es am nächsten Tag auch. Als sie Burg Elfenlicht erreichten, war es bereits dunkel geworden, was die Burg in einem völlig neuen Glanz erstrahlen ließ. Doch Yuki hatte nicht wirklich einen Nerv dafür.

Ollowain brachte sie noch bis zu ihrem Zimmer, erst dann drehte er sich wieder zu ihr um.

„Ich lasse dich morgen wecken. Mach dich dann auf den Weg zur Lichtung, ich werde dort warten. Schlaf jetzt, du musst ausgeruht sein.“

„Das sagst du so leicht…“

„…Ich weiß.“

Mit diesen Worten lief Ollowain den Gang hinunter und war um eine Ecke verschwunden. Yuki öffnete die Tür und versuchte, die Ereignisse des Tages zu verarbeiten.
 

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„Verdammt!“

Ollowain hieb mit der Faust gegen die Mauer und fluchte innerlich. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Seit er sie das erste Mal sah, war ihm bewusst, dass Yuki eine völlig andere Ausstrahlung hatte, als irgendjemand anderes. Sie war etwas Besonderes. Er hatte sich zusammen gerissen und doch brach für einen Moment sein Widerstand und das war ein Fehler, den er vielleicht nicht wieder ausmerzen konnte. Sie war ein Dämon und er ein Elf. Alleine vom gesunden Verstand her, konnte das nicht gut enden.

Er würde die Sache so belassen wie sie war und in Yuki nur noch eine weitere Schülerin sehen. Das war das Beste was er tun konnte.

Als er diesen Entschluss gefasst hatte, breitete sich ein Gefühl in seinem Inneren aus, was er vorher noch nie gekannt hatte. Es war eine Art Schmerz, den er so schnell nicht loswerden würde. Aber er hätte es nicht bis zum obersten Schwertmeister der Königin und Anführer der Elfenritter geschafft, wenn er mit Schmerz nicht umgehen könnte.
 

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Yuki lehnte noch einige Sekunden an ihrer Zimmertür. Sie hörte Eissi im Bad vor sich hin summen, wahrscheinlich lag sie wieder in der Wanne. Der Inhalt ihrer Tasche flog im ganzen Zimmer herum, das Fenster war ebenfalls offen. Auf dem Fenstersims sah sie ihre Zigarettenschachtel. Für Yuki war das alles nichts Ungewöhnliches, schließlich war ihre Freundin nicht für ihren Ordnungssinn bekannt.

Sie nahm das alles nur am Rande wahr, denn ihre Gedanken kreisten immer wieder zu ihrem neuen Lehrer zurück. Sie rutschte an der Tür herunter und vergrub ihr Gesicht in ihren Armen.

„Was soll das alles? Das hier kann alles nicht wahr sein. Es muss ein Traum sein!“

Sie verstand nicht, wie der Kuss zustande kommen konnte. Ollowain war doch nicht so ein Typ, der so was so Hals über Kopf machen würde. Zumindest nicht der Ollowain, wie sie ihn aus den Büchern kannte. Aber wahrscheinlich war diese Szene nur ihrer aberwitzigen Fantasie entsprungen und in der Wirklichkeit dieses Traumes gar nicht passiert.

Während sie so dahockte, kam Eissi aus dem Bad heraus.

„Yuki!!“

Freudestrahlend kam sie zu ihrer besten Freundin gelaufen und umarmte sie herzlich.

„Ich hab’ dich vermisst!“

Yuki schaute auf und lächelte sie schwach an.

„Du hast…“

„… ja, ich hab rote Dreiecke im Gesicht… Ich bin anscheinend wirklich ein Dämon in dieser unwirklichen Welt…“

„Lass mal, ich habe vorhin einen Kieselstein zum Schweben gebracht. Das ist genauso absurd.“

„Ich hab einen Felsen zu Staub zerfallen lassen.“

„Oha! Wie war dein Tag sonst?“

Yuki schaute kurz zur Seite und stand dann auf.

„Geht so. War heute nicht sonderlich erfolgreich.“

„Hmh… Bei mir ist auch nicht viel mehr raus gekommen. Yulivee ist ganz schön fordernd.“

„Tsk… Ollowain auch.“

Eissi lächelte und Yuki ging ins Bad und ließ sich frisches Wasser in die Wanne ein. Während sie badete versuchte sie auf andere Gedanken zu kommen, doch das gelang ihr nie für sonderlich lange Zeit. Als sie fertig war, waren ihre Sachen auf einmal verschwunden. Fragend schaute sie Eissi an.

„Da kam vorhin so ein süßes kleines Ding herein und hat die Sachen mitgenommen.“

„Toll, worin soll ich jetzt schlafen?“

„Hier, sie haben Nachtwäsche irgendwann im Verlauf des Tages hier hin gelegt.“

Eissi hob Yuki’s Kopfkissen hoch und zeigte ihr den schwarzen Pyjama. Yuki nickte und zog den Pyjama an. Dann verschwand sie unter ihrer Decke.

„Ist etwas passiert?“, fragte Eissi besorgt.

„Nein… es ist alles in Ordnung…“

„Glaube ich dir nicht.“

„Musst du aber.“

„War etwas mit Ollowain?“

„…Nein.“

„Das glaube ich dir auch nicht, wenn du eine Pause davor machst.“

„Es ging nichts von mir aus, falls du das wissen willst!“

Eissi richtete sich in ihrem Bett auf, denn nun war sie neugierig geworden.

„Aha, so wie das klingt, ging wohl etwas von ihm aus?“

Yuki zog die Decke bis über den Kopf, weil sie die Befürchtung hatte, dass man ihre Ohren im Dunkeln glühen sehen konnte.

„Alles klar.“

Eissi grinste und legte sich wieder hin.

„Bleib dran, Süße!“

„Ach du wieder…!“, flüsterte Yuki, doch Eissi reagierte nicht mehr darauf.
 

- Ende Reise 2 Tag 1 -

Reise 1 "Training" - Tag 2-30 ~Fortschritte~

Reise 2: „Training“

Tag 2 bis 30 – Fortschritte
 

5. März 2012

Jemand ruckelte Yuki sanft an der Schulter. Sie grummelte, doch das hielt die Person nicht davon ab, weiter an ihr zu ruckeln, bis sie schließlich müde die Augen öffnete.

„Ich soll Euch wecken“, flüsterte eine weibliche Stimme.

„Häh?“

Yuki richtete sich auf und schaute einer Elfe ins Gesicht, die ein Dienstmädchenkleid an hatte. So wie die Dienstmädchen, die man immer in japanischen Animes zu Gesicht bekam. Es war noch dunkel und Eissi regte sich noch nicht einmal ansatzweise.

„Ich warte draußen auf Euch.“

Mit diesen Worten verschwand die Bedienstete und Yuki ging schlurfend ins Bad. Sie hatte kaum geschlafen und dementsprechend sah auch ihr Gesicht wahrscheinlich aus. Sie machte im Bad einige der großen Kerzen an, die verteilt herum standen. Strom war in Albenmark anscheinend noch nicht so beliebt. Als sie eine Kerze an einen der Spiegel stellte, sah sie, dass sie kleine Augenringe hatte.

„Super, so kann ich hier nicht herum laufen!“

Sie wusch sich das Gesicht und putzte sich die Zähne, dann kramte sie Eissi’s Make-Up heraus und beschmierte damit ihr komplettes Gesicht, um die Augenringe zu verbergen. Als sie mit dem Ergebnis zufrieden war, schaute sie sich um und suchte ihre Klamotten, als sie im Bad nicht fündig wurde, schlich sie mit einer der Kerzen leise ins Zimmer, um Eissi nicht zu wecken.

„Toll… Ich muss in aller Herrgottsfrühe raus und sie pennt. Das ist echt gemein.“

Sie entdeckte ihre Wäsche auf einem Stuhl. Sogar ihre normalen Klamotten, die sie trug, als sie hierher kam, waren frisch gewaschen.

Sie zog ihre Trainingsklamotten an, schnürte ihre Stiefel zu und legte ihr Schwert um. Dann gab sie Eissi noch einen Kuss auf die Wange, woraufhin diese selig lächelte. Anschließend ging Yuki nochmal ins Bad und band sich ihre Haare zusammen. Sie machte alle Kerzen wieder aus und bemerkte, dass ihre Augen leicht zu schimmern schienen.

„Seltsam, war das schon immer so?“

Aber das war jetzt egal. Leise schlüpfte sie aus der Zimmertür und schloss sie so leise wie möglich hinter sich.

„Ich führe Euch in die Küche, damit ihr noch etwas essen könnt.“

„Wie spät ist es?“

„In etwa zwei Stunden geht die Sonne auf.“

Yuki gähnte und reckte sich. Lange würde sie das sicherlich nicht durchhalten. Sie folgte der Elfe durch Burg Elfenlicht. Um diese Zeit liefen fast ausschließlich Bedienstete herum, sowohl Elfen, als auch Kobolde. Nach einiger Zeit kamen sie in einem großen Raum, der in der Mitte von einem riesigen Holztisch gesäumt wurde, an dem links und rechts Holzbänke standen.

„Wie in einem Bierzelt beim Public Viewing zur Fußball-WM…“

Yuki schaute sich weiter um und fand an drei Wänden mehrere Küchenzeilen mit Feuerstellen vor, wo überall Töpfe vor sich hin köchelten. Die Elfe bedeutete Yuki sich zu setzen und sie ließ sich auf eine der Bänke fallen und stützte den Kopf auf. Sie musste ernsthaft kämpfen ihre Augen offen zu halten. Die Elfe kam mit einer Schüssel mit roter Suppe und Kräutern zu ihr und stellte sie auf den Tisch.

„Hier, das wird Euch für den Tag stärken.“

Yuki zog die Schüssel kommentarlos zu sich heran und rührte gedankenverloren mit dem Löffel darin herum.

„Wenn Ihr erlaubt, empfehle ich mich jetzt.“

„Kannst du noch warten bis ich fertig bin und mich dann aus diesem Palast heraus führen?“

Die Elfe nickte lächelnd und setzte sich Yuki gegenüber an den Tisch und wartete geduldig.

Während Yuki die ersten Löffel Suppe in sich hinein schob, blickte sie kurz auf und sah die Elfe an.

„Warum arbeiten hier eigentlich Kobolde?“

„Nunja. Sie sind kleiner und flinker. Vor allem aber sind sie zahlreicher, als wir Elfen. Für Dienstarbeiten sind sie wie geschaffen.“

„Also sind es wie Sklaven?“

„Wir behandeln sie ja nicht schlecht. Also nicht alle Elfen. Da es aber immer mal wieder zu negativen Ereignissen kommt, mögen Kobolde uns nicht besonders.“

„Warum arbeiten sie dann noch hier?“

„Weil Königin Emerelle es so will.“

Die Elfe sagte dies mit einem Unterton der signalisieren sollte, dass das Gespräch damit beendet war. Yuki nickte daraufhin nur und löffelte ihren Rest Suppe aus. Sie war tatsächlich etwas wacher und fragte sich, ob in der Suppe Traubenzucker oder so etwas war, was den Kreislauf in Schwung brachte.

Die Bedienstete räumte ihre Schüssel weg und begleitete Yuki aus der Burg hinaus. Die ersten Meter ging Yuki noch ganz normal. Als sie außer Sichtweite der Burg war, lief sie zunächst schneller, bis sie in einen leichten Trab gelangte. Aber schon nach wenigen Metern musste sie wieder normal gehen und verfluchte ihre mangelnde Ausdauer. Sie erreichte die Shalyn Falah und ging vorsichtig darüber, während im Osten die Sonne aufging. Über die Ebene lief sie wieder schneller und schaffte es diesmal etwas länger. Dafür musste sie eine kurze Pause einlegen. Da sie bereits auf dem Rücken leicht schwitzte fragte sie sich, ob hier Sommer war. Sie ging weiter und als sich ihr Atem wieder beruhigt hatte, lief sie wieder schneller. Das wechselte sich noch einige Male ab und als sie endlich die Lichtung erreicht hatte, war die Sonne schon komplett aufgegangen. Yuki schaute sich um, doch Ollowain konnte sie noch nicht entdecken.

„Aber mich total früh aus dem Bett jagen…“

Yuki nahm ihr Schwert ab und legte es neben sich ins Gras. Dann setzte sie sich im Schneidersitz hin und schloss die Augen. Sofort sah sie vor ihrem geistigen Auge ihre rote Flamme. Sie brannte ruhig und Yuki hatte das Gefühl, als könnte sie es jetzt schaffen. Plötzlich hörte sie im Dickicht ein Geräusch. Die Flamme flackerte kurz unruhig, doch Yuki wollte sich nicht ablenken lassen, so kurz vor dem Ziel. Es wird wohl sowieso nur Ollowain sein, daher machte sich Yuki keine weiteren Gedanken darüber. Als jedoch etwas Flüssiges auf ihren Kopf tropfte, hatte sie die Kontrolle vollends verloren. Die Flamme flackerte unruhig herum und wurde größer. Yuki öffnete schwach die Augen und schaute auf etwas großes Graues. Sie ließ den Blick höher gleiten und wurde blass.
 

„Das… ist nicht wahr…“, flüsterte sie.

Vor ihr stand augenscheinlich ein Troll und in diesem Moment stieß er ein markerschütterndes Gebrüll aus. Yuki griff nach ihrem Schwert und rappelte sich auf. Der Troll hatte eine riesige Holzkeule in seiner Pranke und holte damit aus. Yuki malte sich gar nicht erst eine Chance aus. Sie rannte einfach los und spürte die Erschütterung in ihren Beinen, die die Keule ausgelöst hatte, als sie auf den Boden aufschlug. Sie drehte sich nicht um, hetzte nur durch den Wald. Hauptsache weg von diesem Untier. Der Troll verfolgte sie und holte erstaunlich schnell auf. Yuki schnitt sich an Dornen das Gesicht auf, doch darum konnte sie sich nicht kümmern. Sie wurde so schon extrem durch die Pflanzen behindert. Der Troll schlug sie einfach nur zur Seite. Yuki spürte einen heftigen Ruck, dann flog sie im hohen Bogen durch den Wald. Sie schrie kurz auf, aber eher wegen der Überraschung. Dann knallte sie gegen einen Baum und ihr Blickfeld flimmerte. Der Troll lief nun langsam auf sie zu, während ihm sein Geifer aus dem Maul troff.

„Nein… nein… nein…“

Yuki krabbelte rückwärts, denn nun konnte sie ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Der Troll holte erneut aus und Yuki kniff die Augen zusammen.

Nichts.

Als Yuki die Augen wenige Sekunden später wieder öffnete, stand der Troll noch immer in seiner ausholenden Bewegung da. Nur jetzt hatte er einen anderen Gesichtsausdruck. Er gab noch einige gurgelnde Geräusche von sich, dann ergoss sich eine Blutfontäne vor Yuki und benetzte sie auch. Der Troll kippte mit lautem Getöse zur Seite und regte sich nicht mehr. Yuki starrte auf das Wesen, was ihr zum ersten Mal in ihrem Leben Todesangst bescherte.

„Yuki!“, rief Ollowain.

Der Elf rannte auf sie zu, mit dem blutverschmierten Schwert in der Hand. Er ließ es fallen und hockte sich vor sie hin.

„Yuki!“, rief er eindringlicher. Doch sie war noch immer wie erstarrt. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und zwang sie somit ihn anzuschauen.

„Guck mich an! Los!“

Yuki blinzelte.

„Ollowain…“, flüsterte sie schwach.

„Ja, ich bin es! Es ist alles gut!“

„Da-das… I-ich…“, stammelte sie.

Er drückte ihr Gesicht an seine Brust und wiegte sie ein wenig hin und her. Sie schluchzte und brach in Tränen aus. Dann krallte sie sich an ihm fest und vergrub ihr Gesicht an seinen Oberkörper.

„I-ich…“, setzte sie schluchzend an, doch Ollowain hielt einen Finger auf ihren Mund.

„Pssschhht. Beruhige dich. Er ist tot. Er wird dir nichts mehr tun! Ich bin jetzt hier, mach dir keine Sorgen!“

„Warum warst du nicht schon früher hier? Dann wäre… das nicht passiert…!“, stammelte sie vorwurfsvoll.

„Verzeih mir. Aber ich musste noch etwas erledigen. Das musst du verstehen.“

„Ich hätte… tot sein können…!“

„Yuki! Du bist nicht tot! Es ist alles in Ordnung!“

„Aber, ich…“

Ollowain hatte ihr Gesicht noch immer in seinen Händen und wischte nun mit seinen Daumen ihre Tränen weg. Dann hob er sie auf und trug sie zurück zur Lichtung. Um die Leiche des Trolls kümmerte er sich später. Yuki war in diesem Moment wichtiger. Sie zitterte am ganzen Leib und krallte sich noch immer an ihm fest. Zudem wurde sie immer wieder von Schüttelattacken erschüttert. Er setzte sich an mit dem Rücken an einen Baum und drückte Yuki noch immer an sich.

„Es ist alles gut, Yuki…“

Sie richtete sich kurz auf und wischte mit ihrem Oberteil über ihr Gesicht. Dann schaute sie ihn mit ihren glänzenden eisblauen Augen an und Ollowain war ob des Anblicks wieder im Begriff schwach zu werden. Da er das in dieser Situation jedoch äußerst unpassend fand, riss er sich zusammen. Sie legte schweigend ihren Kopf auf seine Schulter und schluchzte noch des Öfteren. Er streichelte ihr sanft über den Kopf und Rücken. Nach wenigen Minuten richtete sie sich wieder auf und strich über seinen Oberkörper.

„Ich habe… dich nass gemacht…“, sagte sie mit brüchiger Stimme.

Ollowain lächelte und spürte, wie Yuki ihren Widerstand fallen ließ. Noch versuchte er sich dagegen zu wehren, aber in ihrer Gegenwart war er anscheinend längst nicht so stark, wie sonst. Er legte seine Hand in ihren Nacken und zog ihr Gesicht an seines heran. Dann küsste er sie erneut. Diesmal länger und intensiver. Yuki erwiderte seinen Kuss und drückte ihren Körper an seinen. Nach einiger Zeit lösten sie sich voneinander und schauten sich tief in die Augen.

„Dabei… kennen wir uns nicht einmal“, flüsterte Yuki.

„Dann soll es eben so sein.“

„Aber… ich bin ein Dämon… ich…“

Wieder legte er ihr seinen Finger auf den Mund.

„Reduzier dich nicht auf deine Rasse. Es ist mir egal, was du bist. Mir ist es wichtig, wer du bist!“

Yuki schaute ihn dankbar an und strich über sein Gesicht.

„Wie kannst du… ich meine… ich schade dir doch…“

Er zog sie an sich heran und drückte ihren Kopf an sein Herz.

„Was hörst du?“

„Deinen schnellen Herzschlag…“

„Du weißt, ich bin der Schwertmeister der Königin. Ich führe Befehle aus und viele sagen, ich wäre absolut gefühlskalt. Selbst für einen Elfen. Doch du hast dies von Anfang an zum Bröckeln gebracht. Bei dir konnte ich nur schwerlich so unnahbar bleiben. Soll ich dir sagen warum?“

„Ollowain, nein… bitte… das hier ist… nicht real. Ich träume das alles nur…“

„Meinst du das wirklich? War deine Todesangst gerade nicht echt? War deine Erschöpfung von gestern nicht echt? Und vor allem…“

Erneut stahl er ihr einen Kuss und sah sie dann wieder an.

„… war das nicht echt?“

Yuki brach erneut in Tränen aus und fiel ihm um den Hals.

„Das kann einfach nicht sein… ich… ich… das ist… niemals könnte mir so etwas passieren!“

„Lass es zu!“

Yuki schaute ihm nun ins Gesicht und wieder zog er sie zu sich heran und küsste sie. Jeglicher Widerstand war gewichen. Sowohl bei Yuki, als auch bei Ollowain. Ihr wurde heiß und ihr Herz hämmerte wieder heftig. Aber diesmal wusste sie, dass nicht nur ihr Herz alleine so sehr pochte.
 

Nach einiger Zeit lösten sie sich wieder voneinander.

„Geht es dir besser?“

Yuki nickte und beide standen auf.

„Ich muss mich darum kümmern, dass die Trollleiche aus dem Wald entfernt wird. Daher gehe ich jetzt zurück zu Königin Emerelle und berichte ihr davon. Normalerweise bleiben die Trolle in den Bergen und kommen selten hier ins Tal herunter.“

„Aber…“

„Keine Sorge. Ich bin bald wieder da.“

Yuki schaute betreten auf den Boden und Ollowain verstand. Sie hatte Angst, dass dieser Troll nicht alleine war und zitterte daher wieder leicht.

„Gut, komm mit mir.“

Yuki’s Miene hellte sich auf und sie holte ihr Schwert und band es sich um. Dann gingen sie über die Ebene zurück zur Burg.
 

„Wie soll das weiter gehen?“

Ollowain machte ein nachdenkliches Gesicht, denn er wusste genau, was sie meinte.

„Yuki, hör zu…“

Sie blieben kurz stehen, um sich besser unterhalten zu können.

Er legte seine Hände auf ihre Schultern und schaute ihr in die Augen.

„Ich empfinde etwas für dich. Es ist ein sehr starkes Gefühl, allerdings kann ich es noch nicht richtig einordnen. Daher muss das, was vorhin und auch gestern passiert ist, unter uns bleiben.“

„Verstehe… du hast einen Ruf zu verlieren, nicht wahr?“

„Yuki…“

„Es ist okay. Ich erwarte gar nichts. Das hier ist sowieso alles nicht real, so echt wie es sich anfühlen mag.“

Sie schauten sich noch eine Weile an, dann wandte Yuki sich ab und ging unvermittelt weiter. Den restlichen Weg schwiegen sie.
 

Als sie Burg Elfenlicht erreichten und durch die Gänge in Richtung Thronsaal gingen, kamen ihnen Eissi und Yulivee entgegen.

„Yuki!!“, rief Eissi fröhlich und umarmte ihre Freundin.

Diese zuckte leicht zusammen, denn nun meldeten sich all die kleinen Wunden, die sie bei ihrer Flucht vor dem Troll davongetragen hatte.

„Was ist mit dir passiert?“, fragte sie besorgt und warf einen Seitenblick auf Ollowain.

„Es ist schon in Ordnung, er hat damit nichts zu tun. Ich hatte… eine unangenehme Begegnung.“

„Mit wem?“, fragte nun Yulivee

„Die Trolle kommen mittlerweile bis ins Tal herunter“, antwortete Ollowain stattdessen.

Yulivee schaute ihn besorgt an.

„Wir sind gerade auf dem Weg zu Königin Emerelle, um sie davon zu unterrichten.“

Yulivee nickte, schwieg aber.

Plötzlich bekam Yuki einen Hustkrampf und brach in die Knie.

„Yuki!!“, rief Eissi erneut und hockte sich zu ihrer Freundin herunter.

Diese war jedoch unfähig etwas zu antworten, denn der Husten wurde heftiger. Dabei spuckte sie Blut, welches sie nicht mehr verbergen konnte. Yulivee hockte sich nun ebenfalls hinunter und wollte sie an ihrem Rücken aufrichten. Yuki schrie kurz auf.

„Ihr Rücken hat Prellungen und so wie sich ihr Husten anhört, hat mindestens eine Rippe ihre Lunge durchbohrt!“

Eissi zog scharf die Luft ein, denn sie machte sich große Sorgen. Yuki hatte ihren Hustkrampf überstanden, doch nun ging ihr Atem keuchend und pfeifend.

„Ollowain, du musst sie zu einem Heiler bringen!“

Der Elf nickte ernst und hob Yuki hoch.

„Ich will mitkommen!!“, sagte Eissi und hielt Yuki’s Hand fest. Yulivee schaute ihre Schülerin an und nickte.

„Okay, du weißt, wo du hinzugehen hast, wenn das alles überstanden ist.“

Yulivee wandte sich ab und ging den Gang hinunter, während Eissi und Ollowain, der Yuki behutsam trug, in die andere Richtung gingen. Ollowain verfluchte sich dafür, dass er sie nicht weiter untersucht hatte, doch er war zu abgelenkt gewesen. Er hätte es ahnen müssen, dass Yuki den Aufprall nicht unbeschadet überstehen würde. Er schaute in ihr verschwitztes Gesicht und achtete auf ihren unregelmäßigen, pfeifenden Atem.

„Wo bringst du sie hin?“

„Zu Königin Emerelle. Das ist der kürzeste Weg.“

Als sie vor dem Thronsaal standen, waren die schweren Eichentüren verschlossen.

„Mach auf!“, befahl Ollowain und Eissi gehorchte. Sie drückte mit all ihrer Kraft gegen die Türen. Anfangs waren sie schwerfällig, doch dann schwangen sie fast von alleine auf. Ollowain lief an ihr vorbei und betrat den Thronsaal. Emerelle lief bereits auf ihn zu.

„Wie geht es ihr?“

„Sie ist blass und schwitzt sehr stark. Zudem haben sich einige Rippen in ihre Lunge gebohrt.“

Ollowain legte Yuki behutsam auf den Boden, doch diese verzog das Gesicht vor Schmerz. Emerelle legte ihre Hände auf Yuki’s Brustkorb und schaute Ollowain dann nachdenklich an.

„Berichte mir, wie das passieren konnte!“

Eissi hielt noch immer Yuki’s Hand und während Emerelle mit dem Heilungsprozess begann, berichtete Ollowain über den Troll, der bis ins Tal gekommen war.

„Warum warst du nicht früher da?“, fragte nun Eissi vorwurfsvoll. Bei ihr schimmerten Tränen im Gesicht.

„Weil ich noch andere wichtige Dinge zu tun habe.“

„Yuki ist wohl nicht wichtig? Ich denke, sie soll euch helfen?“

„Ja, das soll sie auch. Deswegen habe ich sie ja hierher gebracht!“

Ollowain sah Eissi scharf an und brachte sie somit zum Schweigen. Emerelle richtete sich wieder auf.

„Das sollte reichen. Sie schläft jetzt einige Stunden, danach wird sie wieder vollständig genesen sein.“

Ollowain verneigte sich vor seiner Königin und hob Yuki wieder hoch. Er wandte sich ab und ging, Eissi lief hinterher. Auf dem Gang brach sie das Schweigen.

„Und jetzt?“

„Du wirst zu Yulivee gehen und trainieren. Genauso wie ich mit Yuki weiter trainieren werde.“

„Du willst sie heute noch trainieren lassen? Bist du verrückt?“

„Yuki wird wieder vollständig genesen sein, wenn sie aufwacht. Insofern spricht nichts dagegen heute mit dem Training fortzufahren.“

Mit diesen Worten ließ Ollowain Eissi auf dem Gang stehen und machte sich wieder auf den Weg.
 

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„Wie unhöflich!“

Eissi schaute dem Elf noch kurz hinterher, dann überlegte sie, wie sie zu dem Raum gelangte, in dem ihre Lehrmeisterin wartete. Sie lief einfach los, doch als sich der Gang gabelte, wusste sie nicht mehr wo sie lang musste. Ihr sowieso schon armseliger Orientierungssinn hatte sie nun vollständig verlassen.

„Na klasse…“

Eissi schaute sich um und sprach einen kleinen Kobold an.

„Hey, weißt du, wo der Raum ist, wo immer die Magier üben?“

Das kleine Wesen schaute sie nur verdutzt an und lief dann einfach weiter.

„Das ist doch Mist! Warum sind hier alle so unhöflich?!?“

Eissi ließ ihren Blick über die beiden Gänge schweifen und folgte dann einfach dem Linken.

Glücklicherweise wartete Yulivee am Ende des Ganges auf sie.

„Ich wusste, dass du dich verlaufen würdest.“

„Ich hab’ mich nicht verlaufen!“

„Doch, denn du bist genau dem falschen Weg gefolgt.“

„Warum stehst du dann hier?“

„Weil ich mich damals ebenfalls verlaufen habe und meine Lehrmeisterin das auch wusste und deshalb hier wartete.“

Die Elfe zwinkerte Eissi zu und lächelte. Dann liefen beide den Gang wieder zurück, bis zu dem magieresistenten Raum. Dort angekommen wandte sich Yulivee ihrer Schülerin zu.

„Lass uns nochmal mit dem Stein üben. Achte darauf, dass du deine Augen öffnest. Schließlich musst du deine Augen ja auch öffnen, um zu sehen, gegen wen du deine Magie richten sollst.“

„Ich will aber eigentlich niemanden verletzen oder so.“

„Dämonen sind… es nicht wert, dass sie leben. Sie schaden jedem einzelnen und leben nur, um anderen Leid zuzufügen. Sie haben nichts Geringeres, als den Tod verdient!“

„Meine beste Freundin ist ein Dämon!“

„Und sie ist bei Menschen aufgewachsen, was sie zu einem einzigartigen Dämonen macht. Trotz allem würde ich Vorsicht walten lassen. Man weiß nie, wann ihr wahres Wesen zum Vorschein kommt.“

„Das glaube ich nicht! Sie ist ein guter Mensch!“

„Dämon…“

Eissi schluckte ihren Ärger herunter und setzte sich bockig in den Schneidersitz. Yulivee seufzte und gab ihr den Stein in die Hand.

„Entschuldige, ich wollte nicht forsch erscheinen. Ich habe nur keine guten Erfahrungen mit Dämonen gemacht, das ist alles.“

„Dennoch ist es unfair meiner Freundin gegenüber. Sie ist so lieb!“

„Ihr mögt euch wirklich sehr, nicht wahr?“

„Natürlich!“

Yulivee nickte nur.

„Los, fang an.“

Eissi schloss die Augen und hatte ihre helle Kugel vor Augen, sie wandelte sich wieder in den Stein und während Eissi versuchte, das Bild gedanklich fest zu halten, öffnete sie ihre Augen. Aber sofort war das Bild weg und der Stein plumpste zurück auf ihren Handteller. Sie seufzte und startete den nächsten Versuch.
 

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Waldlichtung…

Ollowain hatte Yuki zu einer anderen Lichtung getragen, weil er sie nicht in der Nähe des toten Trolls wissen wollte. Sie schlief noch immer, daher nutzte er die Gelegenheit und betrachtete sie genauer. Jedes Mal, wenn sich ihr Brustkorb beim Einatmen anhob, schienen ihre roten Dreiecke schwach aufzuleuchten. Er hatte Nachforschungen angestellt und war tatsächlich fündig geworden, nur wusste er nicht, wann und wie er ihr die Wahrheit sagen sollte. Dämonen hohen Ranges haben irgendwo am Körper Male, die sie als Familienmitglied kennzeichneten und waren für jede Familie einmalig. Die roten Dreiecke im Gesicht besaß die mächtigste Dämonenfamilie die existiert, denn sie kennzeichneten Luzifer und seine Kinder.

Er seufzte und wünschte sich, dass ihre dämonische Energie ihm nicht so sehr schaden würde, doch das war naives Wunschdenken, daher verwarf er es schnell wieder. Er strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und dachte darüber nach, was vor kurzem passierte.

Er konnte sich nicht erklären warum dies geschehen konnte, doch es fühlte sich nicht falsch an, obwohl es so hätte sein müssen. Es war gut, dass sie sich darauf einigten, dass sie dies geheim halten müssen, obwohl Yuki nicht sonderlich erfreut darüber war, wie er sich ausgedrückt hatte. Höchstwahrscheinlich würde sich diese Schwärmerei auch schnell wieder legen, obwohl er doch wusste, dass sie ihm den Kopf verdreht hatte. Das vorhin war eine Ausnahmesituation, die so schnell definitiv nicht wieder auftreten würde, das wusste er.

Während er darüber nachdachte, regte sich Yuki und sie öffnete schwach die Augen.

„Wo bin…?“

„Du bist in Sicherheit. Königin Emerelle hat dich geheilt, du bist wieder gesund und brauchst dir keine Sorgen zu machen.“

„Die Schmerzen sind tatsächlich weg…“

Yuki stand auf und streckte ihren Rücken, wobei ihre Wirbelsäule ein paar Mal knackte. Auch Ollowain stand auf und schaute sie ernst an.

„Du weißt, was du zu tun hast.“

Yuki nickte nur und setzte sich im Schneidersitz hin. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Die Situation war seltsam angespannt. Yuki sah ihre Flamme, doch jetzt war etwas anders. Sie war noch immer rot und sie flackerte noch immer des Öfteren. Aber dennoch kam Yuki etwas anders vor. Sie streckte innerlich ihre Hand nach der Flamme aus. Normalerweise war nun der Zeitpunkt wo sie anfing wild zu werden, größer zu werden und vor allem: unkontrollierbar. Doch dem war nicht so. Sie war ruhig und für eine Flamme außergewöhnlich klar. Ihre Hand berührte sie und sie tänzelte ihren Arm hinauf. Sie wandelte sich in eine Art Schlange und kroch langsam über ihren gesamten Körper. Plötzlich war alles vorbei. Die Flamme verschwand und Yuki öffnete die Augen. Etwas war anders. Sie hatte das Gefühl, ihre Umgebung viel stärker wahrzunehmen, als sie es jemals zuvor tat. Sie glaubte Geräusche zu hören, die sie vorher niemals vernommen hatte. Sie stand langsam auf und schaute zu Ollowain.

„Ich…“

„Sehr gut. Du hast es geschafft. Wie fühlst du dich?“

„Anders.“

„Beschreibe es mir!“

„Meine Wahrnehmung ist besser geworden. Ich höre besser, sehe besser und rieche besser. Alles ist so erstaunlich klar, dass es beinahe beängstigend ist.“

„Sehr gut. Du hast die erste Stufe erreicht. Deine dämonische Energie ist endlich im Einklang mit deiner Persönlichkeit. Sie ist für mich fast unerträglich, aber das ist ein sehr gutes Zeichen!“

„Ich will dir nicht schaden!“

„Das Thema hatten wir bereits abgeschlossen, Yuki. Du musst es tun!“

Sie schaute betreten zu Boden und ballte ihre Fäuste. Ollowain hob einen Stein auf und reichte ihn ihr.

„Versuche ihn zum Schweben zu bringen. Das sollte für dich nun kein Problem mehr darstellen.“

Yuki nahm den Stein und wog ihn in der Hand. Sie schloss die Augen und suchte nach ihrer Flamme.

„Öffne deine Augen! Du kannst keine Magie wirken, wenn du deinen Gegner nicht siehst.“

Widerwillig öffnete Yuki ihre Augen und versuchte nochmals ihre Flamme zu finden. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie überall. Sie stellte sich vor, wie der Stein schweben würde. Einige Sekunden später verließ er tatsächlich ihre Hand und Yuki ging erstaunt einen Schritt zurück. Der Stein blieb noch immer dort wo er war: in der Luft.

„Sehr gut!“

Als Yuki Ollowain anschaute, war ihre Konzentration auf den Stein verschwunden und er fiel zu Boden.

„Das war… wirklich… seltsam.“

„Beschreibe mir, was gerade passiert ist!“

„Ich habe mir vorgestellt, wie der Stein schweben würde und habe mich darauf konzentriert. Dann schwebte er einfach.“

Ollowain nickte nachdenklich.

„Du gehörst anscheinend zu der gefährlicheren Gruppe der Magiekundigen. Du kannst etwas nur mit deinen Gedanken dazu bringen, das zu tun, was du willst.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, wie es anders funktionieren soll.“

„Die andere Gruppe arbeitet mit Worten. Sie weben ihre Kraft sozusagen in Worte ein und übertragen somit den Effekt, den sie erzielen möchten.“

„Der berühmte Zauberspruch…“

„Ganz genau. Das was gerade passiert ist, musst du unbedingt trainieren und vor allem kontrollieren.“

Yuki nickte und hob den Stein wieder auf.
 

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Burg Elfenlicht...

„Sehr gut!“

Eissi betrachtete den schwebenden Stein und lächelte. Sie ließ von dem Stein ab, da sie ihre Konzentration verlor und schaute Yulivee an.

„Das ist ganz schön schwer…“

„Übe jeden Tag und irgendwann kannst du es im Schlaf. Vertrau mir.“

„Mir tut der Kopf weh.“

„Das ist nachvollziehbar. Heute ist viel passiert. Mach eine Pause.“

Eissi legte den Stein neben sich auf den Boden und blickte Yulivee an.

„Wie lange bleiben wir jetzt eigentlich hier?“

„Drei Monate habt ihr noch Zeit. Dann müsst ihr in die erste Welt aufbrechen.“

„Wie sollen wir das machen?“

„Wenn ich dir all die Grundlagen der Magie beigebracht habe, werde ich dir zeigen wie man Albensterne öffnet.“

„Albensterne?“

„Ja. Sie sind verbinden die Welten miteinander und führen alle nach Albenmark. Nur wenige Welten sind auch untereinander verbunden.“

„Wie kann das sein?“

„Ich habe dir ja bereits von dem magischen Netz erzählt. Die Albensterne sind Knotenpunkte in dem Netz und verbinden somit die Welten in dem großen Nichts. In eurer Welt würde man von einem Netzwerk sprechen.“

„Komische Vorstellung…“

„Deshalb ist es auch so wichtig, dass das magische Netz intakt bleibt. Eure Menschenwelt ist ein gutes Beispiel dafür. Euer Netz wird immer schwächer, daher droht eure Welt vom Netz getrennt zu werden und auf ewig durch das Nichts umher zu driften. Doch dies soll nicht euer Problem sein, darum kümmern sich andere.“

Eissi nickte nur, denn der erneute Informationsschwall hatte keinen guten Einfluss auf ihre Kopfschmerzen, daher merkte sie sich nur die Hälfte.
 

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Nachdem die beiden Freundinnen zwei Wochen lang geübt haben, einen Stein in der Luft zu halten und umher schweben zu lassen, fassten ihre beiden Lehrmeister den Entschluss, sie für den Rest des ersten Monats gemeinsam trainieren zu lassen. Natürlich freuten sich Eissi und Yuki unheimlich darüber und sie konnten den ersten Trainingstag kaum noch erwarten. Yuki hat in den zwei Wochen auch ernsthaft eingesehen, dass dies kein Traum mehr sein konnte und fing daher an, jeden einzelnen dieser wundersamen Tage in einem Tagebuch festzuhalten. So saß sie nach jedem harten Trainingstag an dem Tisch in ihrem gemeinsamen Zimmer und schrieb. Neben sich eine große Kerze, die ihr Licht spendete und einen schwebenden Stein, um ihre Konzentration zu stärken und die Fähigkeit zu erlangen, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren. Eissi hatte ebenfalls einen Stein und ließ ihn eifrig im Zimmer hin und her fliegen, wodurch schon das ein oder andere zu Bruch gegangen war.

Dann waren die zwei Wochen endlich vorbei und der erste gemeinsame Trainingstag brach an.


 

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19. März 2012

Yuki wachte mittlerweile von alleine auf. Sie setzte sich gähnend an den Bettrand und ließ ihren Blick durch die Dunkelheit schweifen. Jeden Morgen fragte sie sich, wie es weiter gehen würde. Was machen wohl all die anderen in der Menschenwelt? Ihre Familie und ihre anderen Freunde? Dann schweiften ihre Gedanken fast immer zu Ollowain. Jeder Kuss hat sich in ihr Gehirn eingebrannt und konnte es zeitweise immer noch nicht richtig fassen.

Niemals würde sich jemand wie er für sie interessieren. Und das schien ja auch zu stimmen, denn er ging in letzter Zeit ziemlich auf Abstand. In den letzten zwei Wochen ist nichts passiert, was Yuki etwas Anderes denken ließ. Sie seufzte und ging ins Bad. Sie duschte und zog sich an. Als sie sich gerade die Stiefel zuschnürte, klopfte es an der Tür. Yuki machte leise auf und erstarrte.

„Guten Morgen, Yuki.“

„Königin Emerelle!“

„Schläft Eissi noch?“

„Ja. Sie musste niemals so früh raus, wie ich.“

„Gut, begleitest du mich in den Burghof? Ich möchte mich mit dir unterhalten.“

„Natürlich.“

Yuki schnürte ihre Stiefel fertig zu und schloss die Tür leise hinter sich. Dann liefen sie und Emerelle zunächst schweigend in den Burghof. Da Yuki noch niemals hier war, schaute sie sich gründlich um. Der Hof wurde durch Fackeln erleuchtet, wodurch er einem faszinierenden Licht erschien.

„Wie geht es dir hier in Albenmark?“

„Es fühlt sich noch immer so unreal an. Aber ich habe schon eingesehen, dass ich so schnell wohl nicht zurück in mein normales Leben zurück kann.“

„Wir haben euch aus eurem Leben gerissen und das tut mir aufrichtig leid. Allerdings blieb uns keine andere Wahl.“

„Ich weiß. Ich habe mich damit abgefunden. Eissi ebenfalls.“

„Also werdet ihr uns helfen?“

„Wenn Ihr uns versprecht, dass wir sooft wie möglich in die Menschenwelt können, um zu schauen wie es dort aussieht, dann ja.“

Emerelle machte eine lange nachdenkliche Pause, bevor sie antwortete.

„Einverstanden. Wenn das euer Wunsch ist, werde ich mein Möglichstes tun, um ihn zu erfüllen.“

„Ich danke Euch.“

Sie setzten sich auf eine der Bänke und schwiegen erneut.

„Wie kommst du mit Ollowain im Training voran?“

Yuki zuckte leicht zusammen, als sie seinen Namen erwähnte und hoffte, dass sie das in der Dunkelheit nicht sah.

„Ich kann jetzt Steine durch die Gegen schweben lassen. Aber mit dem Schwert will er erst nächsten Monat anfangen.“

„Verstehe. Er ist bei dir sehr vorsichtig.“

„Weil ich ihn töten könnte, wenn ich meine Kraft nicht kontrollieren kann.“

„Das ist wohl einer der Gründe.“

„Welche hätte er denn noch?“

„Weißt du, Yuki. Wir beobachten euch schon seit geraumer Zeit. Mir fiel schnell auf, dass Ollowain ein gewisses Interesse an dir zeigte, auch wenn er natürlich niemals darüber sprach.“

„Ähm…“

„Mach dir keine Gedanken, ich werde es für mich behalten. Eben weil er solche Gefühle für dich hat, will er dich nicht verletzen, indem er zu früh mit dem Training beginnt. Fängt er nämlich erst damit an, lässt er wenig Gnade bei seinen Schülern walten.“

„Oh.. okay.“

„Natürlich ist bei ihm noch nie jemand gestorben. Jeder seiner Schüler ist ein sehr guter Schwertkämpfer geworden. Bei dir wird das nicht anders sein.“

„Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass ich ansatzweise so gut, wie ein Elf sein könnte.“

„Mach dir darüber keine Sorgen. Er wird aus dir eine herausragende Schwertkämpferin machen, da bin ich mir sicher.“

Yuki lächelte und dachte wieder an die letzte Zeit. Ollowain war stolz auf sie, das hatte er mehrmals gesagt. Und doch kamen sie sich nicht mehr so nahe, wie noch vor zwei Wochen.

„Gehen wir zurück. Ollowain, Yulivee und Eissi warten sicher schon.“

Damit stand die Elfenkönigin auf und beide gingen wieder zu Yuki’s Zimmer zurück. Davor standen tatsächlich schon Ollowain, Yulivee und Eissi und warteten. Die beiden Elfen verneigten sich vor ihrer Königin und Emerelle lächelte erst Yuki und dann Ollowain an und ging.
 

„Los, gehen wir zum Trainingsplatz“, sagte Yulivee und lief den Gang entlang. Die anderen folgten ihr. Eissi und Yuki direkt hinter ihr und zum Schluss Ollowain. Sie verließen Burg Elfenlicht und machten auf einem großen Platz Halt, der Ähnlichkeit mit einem Volleyball-Feld hatte. Yuki stöhnte, denn sie hasste dieses Spiel. Eissi wiederrum freute sich.

Yulivee holte einen Ball und drehte sich zu Eissi und Yuki um.

„Ihr werdet euch diesen Ball über das Netz gegenseitig zuspielen. Allerdings ausschließlich mit Magie!“

„Wir haben bisher nur Steine durch die Gegend schweben lassen. So ein Ball ist viel größer!“, protestierte Eissi.

„Du musst dich weiterentwickeln, bevor ich dir richtige Magie beibringen kann. Yuki, für dich dient diese Übung lediglich dazu, dass du deine Kraft zu kontrollieren lernst, damit du keinen von uns aus Versehen tötest!“

Yuki zuckte leicht zusammen und nickte. Dann stellte sie sich auf eine Seite des Spielfeldes auf und schaute zu den beiden Elfen herüber. Ollowain nickte ihr kaum merklich zu und Yulivee legte den Ball vor Eissi auf den Boden. Dann verließ sie das Feld wieder.

„Konzentriert euch beide auf den Ball!“

Yuki beschwörte ihre Flamme herauf und ließ ein wenig davon in den Ball fließen. Somit hatte sie die Kontrolle über den Ball, da er jedoch schon schwebte, ging das wohl auf Eissi’s Kappe. Dann flog der Ball direkt auf sie zu.

„Zurück!!“

Mit diesem Gedankenstoß schickte sie ihn zu Eissi zurück. So ging das immer weiter hin und her. Mit der Zeit bekam Yuki Kopfschmerzen, doch sie hörte nicht auf. Immer wieder geriet der Ball ins Trudeln und es fiel beiden zusehends schwerer ihn unter Kontrolle zu halten. Yuki und Eissi lief der Schweiß über das Gesicht und als der Ball schließlich im Netz landete und zu Boden fiel, verloren beide endgültig die Kontrolle zu dem Ball.

„Das war schon sehr gut! Ich hätte nicht erwartet, dass ihr solange durchhaltet“, sagte Yulivee und betrat das Feld.

Yuki musste aufpassen, dass sie nicht hinfiel, denn sie musste sich auf ihre Knie aufstützen, da ihr Blickfeld schwarz flimmerte.

„Gut gemacht!“

Ollowain trat neben sie und hielt ihr eine Flasche Wasser hin. Yuki nahm sie dankbar entgegen und trank sie in einem Zug leer.

„Danke, das tat gut.“

Wie auch in den letzten Wochen vermieden es beide sich direkt anzuschauen. Um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, lief Yuki zu Eissi rüber und tätschelte ihr über den Kopf.

„Das war cool!“

„Ja, hat voll Spaß gemacht.“

„Anstrengend war es dennoch.“

„Hmh… Wir müssen nachher reden, Süße.“

Eissi sagte das mit einem Seitenblick auf Ollowain.

„Oh nein, bitte nicht. Lass mich mit dem Thema doch einfach in Ruhe.“

„Habe ich da etwa einen wunden Punkt getroffen?“

Yuki antwortete nicht, sondern schaute ihre Freundin nur bockig an.

„Ich möchte nur Up-to-Date bleiben.“

„Da ist nichts. Ende der Geschichte.“

Doch Eissi wusste, dass dem nicht so war. Da sie das hier aber nicht weiter breit treten wollte, blieb sie still. Im Zimmer hätte sie schon noch Gelegenheit, Yuki über Ollowain auszuquetschen.

Die Elfen brachten ihnen etwas zu Essen, damit sie sich stärken konnten. Dann ging die nächste Runde los. So verging der Tag im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug. Als Eissi und Yuki nach Sonnenuntergang wieder im Zimmer waren, gingen beide ins Bad. Eissi ließ sich eine Wanne ein, während Yuki duschte. Nachdem beide fertig waren, lagen sie noch eine Weile wach im Bett. Eissi drehte sich zu Yuki und grinste sie an.

„Hast du mir etwas zu erzählen?“

„Nein!“, stöhnte Yuki.

„Es ist so dermaßen offensichtlich, Süße.“

„Und wenn schon. Was willst du von mir hören?“

„Alles was du mir sagen möchtest. Ich bin neugierig.“

„Ich möchte dir aber nichts sagen.“

„Seit ihr euch schon näher gekommen?“

Yuki antwortete nicht.

„Habt ihr euch geküsst?“

Keine Antwort.

„Sag mir nicht, ihr seid euch schon so nahe gekommen, dass ihr…“

„Eissi! Man!“

„Ne, ich bin ´ne Frau. Aber sag doch mal. Habt ihr?“

Yuki richtete sich wütend auf und guckte ihre Freundin finster an.

„Wolltest du nicht schlafen?!?“

„Nein, ich wollte mich mit dir unterhalten.“

Eissi grinste, denn langsam hatte sie ihre Freundin soweit, dass sie auspacken würde.

„Ich will aber schlafen! Also! Gute Nacht, verflucht nochmal.“

Yuki drehte Eissi den Rücken zu und zog ihre Decke über den Kopf.

„Du redest schon noch mit mir. Vielleicht ist er ja gesprächiger als du?“

Yuki zuckte kurz zusammen, sagte dazu aber nichts mehr.

„Aber konnte die Elfenkönigin nicht sowieso in die Zukunft sehen? Wir haben doch ein Stein im Brett bei ihr!“

„Gute Nacht!!!“

Eissi kicherte.

„Schlaf gut.“

Yuki brummte nur noch etwas Unverständliches.
 

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In dieser Nacht…

Yuki wachte in dieser Nacht bereits zum dritten Mal auf. Sie schaute rüber zu Eissi, aber die schlief natürlich tief und fest. Sie stand leise auf und zog sich ihre Hose und ihr Hemd über den Pyjama. Die Stiefel schnürte sie nur zur Hälfte zu und verschwand dann aus dem Zimmer.

Es müsste etwa vier Uhr nachts sein. Yuki’s Handyakku hatte schon längst den Geist aufgegeben, daher hatte sie kaum noch ein Zeitgefühl. Nur wegen ihres Tagebuches wusste sie immerhin noch, welcher Tag war. Zumindest laut der Zeitrechnung in Albenmark. Sie schlenderte über den Gang und hing ihren Gedanken nach. Um diese Zeit waren nicht einmal mehr Bedienstete unterwegs. Nur einige Fackeln an den Wänden spendeten spärliches Licht, aber es reichte aus, um die Dunkelheit ausreichend zu vertreiben. Als sie wieder aufblickte, war sie in einem für sie völlig unbekannten Teil der Burg und fluchte innerlich. Sie hatte natürlich nicht auf den Weg geachtet. Als sie weiter ging kam sie an einem Raum vorbei, dessen Tür einen kleinen Spaltbreit offen stand und aus dem eine wohlige Wärme heraus trat. Yuki’s Neugier siegte und sie öffnete die Tür ein Stück weiter, sodass sie mit dem kopf hindurch gucken konnte. Im Boden des großen Raumes war ein riesiges Wasserbecken eingelassen, welches bis zum Rand mit dampfendem Wasser gefüllt war. In der Mitte des Beckens war eine Säule mit mehreren Wasserhähnen angebracht. An einer Wand führte eine Tür in einen Nebenraum, der nur durch dieses Zimmer betreten werden konnte. Yuki schloss leise die Tür hinter sich und sofort wurde sie von der Wärme regelrecht eingehüllt. An der anderen Wand standen Schränke und als Yuki einen öffnete entdeckte sie dieselben großen Badetücher und Bademäntel, wie sie auch in ihrem Zimmer waren. Sie hielt eine Hand in das Wasser und freute sich, dass es genau die richtige Temperatur hatte. Sie schaute sich um, doch sie war allein. Sie ging zu der Tür und lauschte, doch im Nebenzimmer war auch niemand. Yuki hatte zwar vorhin erst geduscht aber dieses Bad sah so einladend aus, dass sie nicht widerstehen konnte. Sie zog ihre Sachen aus und schlüpfte in das warme Wasser. Sie konnte sogar stehen und war immer noch bis zum Hals im Wasser. An der Seite des Beckens waren Erhöhungen eingelassen, sodass man sich auch setzen konnte. Zur Mitte hin wurde das Becken abfälliger, doch an der Wasserhahnsäule konnte man wieder stehen. Yuki setzte sich an einer der Stellen ins Wasser, wo sie noch ausreichend über Wasser war, denn direkt an den Rand wollte sie auch nicht. Sie schloss die Augen und genoss die Wärme, die sich in ihrem Körper ausbreitete. Sie seufzte und musste aufpassen, nicht einzuschlafen.
 

„Was tust du hier?“

Die Stimme schreckte Yuki aus ihrem Halbschlaf. Sie riss die Augen auf und blieb wie angewurzelt sitzen.

„Nein…! Das ist nicht wahr! Das ist nicht der, wo ich denke, dass er es ist!“, flehte sie innerlich.

Eine Hand fuhr sanft durch ihr Haar und streifte ihren Nacken.

„Ich habe dir eine Frage gestellt.“

„I-ich…“

Yuki versuchte den Schauer zu ignorieren, den die Berührung auslöste und umklammerte ihren Oberkörper.

„I-ich… wusste nicht, dass hier noch jemand ist…“

„Ist dem so?“

„Warum passiert mir sowas? Das ist so ungerecht! Als ob die letzten Wochen nicht schon schwer genug waren.“

Sie kniff die Augen zusammen, doch als sie Ollowains Atem an ihrem Ohr spürte, riss sie sie wieder auf und ihr Atem beschleunigte sich.

„Warum bist du so spät noch wach?“

„I-ich… konnte nicht schlafen… daher bin ich… herum gelaufen.“

„Und bist zufällig hier gelandet… richtig?“

Bevor Yuki irgendetwas antworten konnte zog sie scharf die Luft ein, denn seine Hand hob ihr Kinn an, sodass ihr Hals nun völlig frei lag.

„Die letzten Wochen waren schwer. Viel zu schwer“, hauchte er und küsste ihren Hals.

Yuki konnte die Situation nicht fassen. Wie konnte er hier sein? Sie hatte sich doch gründlich umgeschaut, dass sie alleine war. Dann fiel es ihr ein. Er musste hinter den Wasserhähnen gewesen sein, denn da hatte sie nicht nachgeschaut.

Sie sehnte sich nach Ollowains Nähe, das konnte sie nicht bestreiten, daher wehrte sie sich auch nicht. Sie ließ ihn gewähren.

Er zog sie enger zu sich heran und liebkoste weiterhin ihren Hals und nun auch ihr Ohr. Yuki wurde schwindelig und griff nach seinem Arm, um sich festzuhalten. Ollowain drehte sie zu sich herum und schaute sie an. Sein Haar hing ihm in nassen Strähnen teilweise im Gesicht, teilweise klebte es an seinen Schultern.

„Du dürftest eigentlich nicht hier sein.“

„Ich hab mich verlaufen…“

„Welch glücklicher Zufall!“

Dabei setzte er ein Grinsen auf, was Yuki vorher bei ihm nie sah, sie aber völlig verrückt machte.

Er drückte ihren Körper an seinen und küsste sie. In dieser Situation war ihm alles egal. Er konnte lange die Fassung wahren, doch das war nun endgültig vorbei. Er wollte diese Frau. Nun hatte er sie und würde sie so schnell nicht wieder gehen lassen. Seine Atmung beschleunigte sich, so wie auch ihre. Als sie sich kurz voneinander lösten, betrachtete er wieder ihre faszinierenden Augen.

„Ich kann mich deiner nicht mehr Erwehren, Yuki.“

„D-das…“

Doch bevor Yuki ansatzweise die richtigen Worte finden konnte, hob Ollowain sie aus dem Wasser und trug sie in das Nebenzimmer. Dort standen eine flache Liege, ein Tisch und mehrere Stühle. Er legte sie sanft auf das Bett und schaute sie lange an.

„Ich stelle meine Bedürfnisse immer hinten an. Doch jetzt kann ich mich nicht mehr dagegen wehren. Ich weiß jetzt, was das für Gefühle sind, Yuki.“

Yuki schloss die Augen, denn jedes Wort wollte sie genießen.

Sie war erstaunt, wie schnell sich solche intensiven Gefühle aufbauen konnten, doch sie war sich ihrer nun ganz sicher.

„Ich liebe dich…!“, sagte er leise.

Yuki lächelte und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht.

„Ich glaube, ich dich auch.“

Nachdem sie sich ihre Gefühle offenbart hatten, verbrachten sie die Nacht miteinander und Yuki wünschte sich zum ersten Mal, dass eine Nacht in Albenmark niemals enden würde.
 

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20. März 2012

Als Yuki am nächsten Morgen erwachte, war Ollowain bereits weg. Sie richtete sich auf und erschauerte kurz, denn ihr Körper kribbelte noch immer. Sie zog ihre Sachen an und verließ das große Bad. Auf dem Gang kamen ihr einige Bedienstete entgegen, doch Yuki versuchte sich an den Weg zu erinnern. Wohl eher durch Zufall, als durch Wissen erreichte sie den Trainingsplatz von gestern. Yulivee, Ollowain und sogar Eissi warteten schon auf sie. Sie beschleunigte ihre Schritte und senkte den Blick.

„Entschuldigung, ich bin spät.“

„In der Tat“, bemerkte Yulivee trocken.

„Wo warst du denn? Ich hab mir Sorgen gemacht!“, flüsterte Eissi ihr zu.

„I-ich… ähm…“

Yuki blickte verstohlen zu Ollowain, doch der war in ein Gespräch mit Yulivee vertieft.

Eissi folgte ihrem Blick und zog hörbar die Luft ein.

„Ist nicht wahr! Sag mir nicht, dass du…!“

„Sei still, bitte!“

„Ist das dein Ernst? Ich meine… du und…?“

„Ja, ich und…“

„Wow. Ihr seid… ähm… schnell…“

Eissi zog die Augenbraue hoch und grinste.

„Du weißt, was du ab sofort zu tun hast. Ich will alles, wirklich alles wissen, Süße!“

„Wie bitte? Da gibt es nichts zu wissen!“

Eissi lachte und legte ihre Hände auf Yuki’s Schultern.

„Du hast dich selbst verraten!“

Mit diesen Worten schlenderte sie gemütlich auf ihre Seite des Trainingsfeldes. Yuki wurde wieder rot wie eine Tomate trottete auf ihre Seite.
 

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So verging kein Tag mehr, wo Eissi Yuki nicht nach Ollowain ausfragte. Irgendwann gab sie nach und erzählte von der Nacht und Eissi wünschte ihrer Freundin, dass daraus irgendwie etwas Festes wird. Yuki schrieb all ihre Erlebnisse weiterhin in ihr Tagebuch, weil sie nicht wollte, dass ihre Zeit hier in Vergessenheit geriet. Schließlich war der Tag gekommen, als ihr gemeinsames Training vorbei war. Yuki konnte nach dieser Zeit beinahe vollständig ihre Kräfte kontrollieren und Eissi würde es scheinbar zu einer vortrefflichen Magierin bringen. Yuki hingegen konnte es kaum erwarten, endlich mit dem Schwerttraining zu beginnen. Daher schlief sie in der Nacht vor dem 5. April 2012 auch sehr unruhig.

- Ende Reise 1 Tag 2-30 -

Reise 1 "Training" - Tag 31-60 ~Feinheiten~

5. April 2012

Yuki öffnete gähnend ihre Augen und streckte sich. Sie ging ins Bad und wusch sich das Gesicht, dabei hatte sie sich angewöhnt, über ihre roten Dreiecke zu streichen, denn dadurch wurde sie wacher. Zumindest bildete sie sich ein, dass sie danach fitter wäre, aber sie konnte sich natürlich auch irren. Dabei fiel ihr ein, dass Ollowain herausfinden wollte, wessen Familie sie angehörte. Allerdings war das wegen den letzten Ereignissen zwischen ihnen in Vergessenheit geraten. Wie so häufig dachte sie an die erste gemeinsame Nacht und fragte sich, was Ollowain an ihr so interessant fand. Yuki selbst konnte nie etwas erwähnenswert Gutes an sich erkennen. Sie hatte einen passablen Körperbau, war also weder zu dick noch zu dünn. Bis vor kurzem trug sie eine Brille und fand sich deshalb absolut unattraktiv. Auch jetzt hat sich das nur geringfügig geändert. Irgendetwas musste also an ihr sein, was der Elf als anziehend empfand. Sie zuckte mit den Schultern, weil sie es müßig war, sich darüber den Kopf zu zerbrechen und genoss einfach die Tatsache, dass es so war. Sie lächelte in sich hinein und verließ das Bad, um sich anzukleiden. Sie gab Eissi, wie immer wenn sie morgens das Zimmer verließ, einen Kuss auf die Wange und streichelte ihr kurz über den Kopf. Dann schwang sie ihr Schwert auf den Rücken und verließ das Zimmer. Mittlerweile nickte sie sogar der Bediensteten zu, die sie immer weckte, falls sie doch nicht aus dem Bett kam. Allerdings konnte sich Yuki nicht ihren Namen merken und das ärgerte sie sehr. Später würde sie danach fragen, doch jetzt musste sie zur Lichtung, um endlich ihren ersten richtigen Trainingstag zu beginnen.
 

Vor den Toren von Burg Elfenlicht sah sie Ollowain, der einigen anderen Elfen anscheinend Befehle erteilte. Sie blieb in einigem Abstand stehen und schaute fasziniert in deren Richtung. Sie alle trugen dieselbe Art Uniform. Yuki vernahm akustisch jedes Wort, was Ollowain in einem autoritären Befehlston sprach, doch sie verstand die Elfensprache nicht. Vielleicht würde er ihr ein wenig beibringen, wenn sie ihn darum bat.

Einer der anderen Elfen sah Yuki auf einmal an und musterte sie. Er war ungefähr so groß wie Ollowain und hatte kurzes blaues Haar und dunkle Augen. Er stupste mit dem Ellenbogen seinen Nachbarn an, der längeres silberweißes Haar hatte und ein wenig kleiner war. Beide grinsten sie an und Yuki schaute zur Seite und tat so, als hätte sie das nicht mitbekommen. Ollowain hingegen drehte sich ebenfalls zu ihr um und betrachtete sie kurz. Danach erteilte er weiter Befehle und die beiden strafften sich. Anschließend liefen die insgesamt fünf Männer an Yuki vorbei und die beiden, die sie angrinsten, grinsten sie auch jetzt an. Irgendwann konnte sich Yuki nicht mehr zusammenreißen und lächelte zurück. Als alle an ihr vorbei gelaufen waren, drehte sie sich um und sah ihnen hinterher.

„Das ist ein Teil der Elfenritter, die ich befehlige.“

„Wow, das war irgendwie beeindruckend.“

„Sie bestehen aus insgesamt zehn Mann und ich habe sie persönlich aus den besten Kämpfern und Magiern zusammengestellt. Einige von ihnen waren meine ehemaligen Schüler.“

Yuki war total fasziniert von der Szenerie und nickte daher nur mit dem Kopf.

„Komm, wir haben viel zu tun!“

Ollowain streichte ihr sanft über den Kopf und lief an ihr vorbei. Sie schaute ihm noch kurz hinterher und folgte ihm schließlich.
 

Auf dem Weg unterhielten sie sich hauptsächlich über Yuki’s vorheriges Leben, da das Ollowain als äußerst interessant empfand. Also erzählte er ihr von ihrer Heimatstadt und über die Ausbildung, die sie eigentlich gerade absolvierte. Dann plapperte sie darüber, wie sie Eissi kennen gelernt hatte.

„Und deine Familie?“, fragte Ollowain, als Yuki geendet hatte und schwieg.

„Mein Vater ist ein sehr ehrgeiziger Mensch und wollte seine Denkweise auch an seine Kinder weitergeben. Das hat zwar meistens zu Streit geführt zwischen uns beiden, doch ich glaube, es hat was gebracht. Mit meinen Brüdern verstehe ich mich mittlerweile richtig gut. Als wir noch jünger waren haben wir uns ständig gestritten und wegen denen habe ich oft geweint.“

„Und deine Mutter?“

Yuki blieb stehen und schaute auf den Boden. Ollowain drehte sich um und fragte sich, warum sie nicht weiter lief.

„Meine Mutter… war sehr krank… Sie hatte Krebs und schleppte den über fünf Jahre mit sich herum.“

Ollowain lief einige Schritte zurück, sodass er direkt vor Yuki stand, denn sie sprach auf einmal sehr leise.

„Vor einem halben Jahr dann….“

Doch Yuki’s Stimme erstarb und Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie versuchte sie noch krampfhaft wegzuwischen, doch es waren zu viele.

„Verzeih mir, Yuki. Ich wollte nicht…“

„Sie hat doch so gekämpft! Warum… warum… konnte sie nicht gewinnen…? Sie hat soviel getan…“

Ollowain nahm Yuki in den Arm und streichelte sanft über ihren Kopf.

„Manchmal kann man nicht jeden Kampf gewinnen…“

„Das ist so ungerecht! Das hatte sie alles nicht verdient! So viele andere leben, warum musste sie… sterben? Warum nur?!?“

Ollowain wusste nicht, was er in so einem Moment sagen sollte, denn wahrscheinlich wäre jedes Wort das Falsche gewesen. Yuki krallte sich an seinem Rücken und er umarmte sie etwas fester, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Dann löste sie sich von ihm und wischte mit ihrem Arm ihr Gesicht trocken.

„Entschuldige… Das hätte nicht sein müssen“

Sie wollte weiterlaufen, doch Ollowain hielt sie am Arm fest.

„Es ist okay, Yuki. Komm zu mir, wann immer du reden willst. Ich werde mir Zeit für dich nehmen.“

Yuki schniefte noch ein letztes Mal, dann lächelte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Anschließend stellte sie sich auf ihre Zehenspitzen und flüsterte ihm ein „Danke!“ ins Ohr. Daraufhin schaute sie ihn nochmal mit ihren noch feuchten Augen an und lief weiter. Ollowain folgte ihr und vorerst schwiegen beide. Ollowain war der Meinung, dass es besser war Yuki vorerst in Ruhe zu lassen, bis sie von sich aus wieder etwas sagte. Nach einiger Zeit fasste sich Yuki ein Herz und brach das Schweigen.

„Ollowain, was ist mit meiner… anderen Familie…?“

„Möchtest du das wirklich jetzt wissen?“

„Ja. Wenn du etwas über sie weißt, dann sag es mir.“

„Die roten Dreiecke markieren die mächtigste Dämonenfamilie, die es gibt. Luzifer und seine Kinder.“

Yuki blieb erneut stehen und schaute ihn verwirrt an.

„Das kann doch… nicht sein. Nein, du musst dich irren, das ist absurd!“

„Yuki…“

„Mein Vater soll der Fürst der Hölle sein? Der gefallene Engel Luzifer?“

„Es sieht ganz danach aus.“

„Das ist… echt harter Tobak… Würdest du mich jemals anlügen?“

„Nein, niemals!“

Yuki nickte daraufhin nur und lief weiter. Doch etwas in ihrem Blick hat sich ganz eindeutig verändert, das sah Ollowain sofort. Aus irgendeinem Grund hatte er jetzt das Gefühl, als müsse er besonders auf Yuki aufpassen. Er schaute ihr noch einen Moment besorgt hinterher, dann folgte er ihr.
 

Als sie schließlich die Lichtung erreichten zog Ollowain ein Zwillingsschwert. Yuki zog eine Augenbraue hoch und legte den Kopf schief.

„Aber trägst du nicht normalerweise ein Einhänderschwert?“

„Den Titel eines Schwertmeisters bekommt man nicht nur durch Stärke. Ein Schwertkämpfer muss mit allen Arten von Schwertern gleichermaßen gut umgehen können. Erst dann darf er sich Schwertmeister nennen.“

„Wow, interessant!“

Nun holte auch Yuki ihre Waffe hervor und war glücklich sie endlich benutzen zu dürfen.

Ollowain stellte sich in einigem Abstand vor Yuki auf.

„Bei einem Zwillingsschwert ist es das Wichtigste, das du niemals vergisst, dass es zwei Klingen besitzt. Ich werde die Bewegungen vormachen, du wiederholst sie und ich werde sie gegebenenfalls korrigieren. Wenn du den Bewegungsablauf richtig hast, werden wir ihn komplett zeitgleich ausführen, damit dein Timing stimmt.“

„Aber wozu das alles? Ich meine… Wenn ich jemandem in einem echten Kampf gegenüberstehe, dann bekämpfe ich ihn doch nicht mit einer festgelegten Abfolge von Bewegungen oder sowas.“

„Der Sinn dieser Trainingseinheit besteht schlichtweg darin, dass du ein Gefühl für dein Schwert bekommst. Du musst dein Schwert kennen, um damit richtig kämpfen zu können. Und dazu dienen diese Übungen, die wir in diesem Monat absolvieren werden.“

Yuki nickte und stellte sich wieder in ihre Karatekampfposition, doch da schüttelte Ollowain bereits den Kopf.

„Halte die Klingen nicht so verkrampft vor dich. Bei einem normalen Schwert mag das gut sein, doch bei deiner Zwillingsklinge ist es besser, wenn du eine Klinge unten hältst. Da du Rechtshänderin bist, solltest du auch die rechte Klinge unten behalten. Jeder erste Schlag, den du mit einer Zwillingsklinge ausführst, kommt von unten!“ Ollowain zeigte Yuki die Kampfstellung, während er sie erläuterte. Yuki stellte sich genauso hin und Ollowain korrigierte ein wenig ihre Beinstellung, damit sie einen sicheren Stand hatte. Anschließend zeigte er ihr den ersten Bewegungsablauf und Yuki ahmte ihn nach. Ollowain erkannte, dass in Yuki tatsächlich eine Schwertkämpferin zu schlummern schien. Sie lernte schnell, hatte jedoch noch absolut kein Gefühl für die Feinheiten, wie beispielsweise die Beinstellung oder das richtige Umfassen der Klingen. Das musste er fast immer verbessern.

Aber auch darum würde er sich kümmern. Er hatte schon Schüler gehabt, die hatten augenscheinlich weniger Talent für das Schwert als Yuki, doch auch die hat er zu passablen Kämpfern erzogen.
 

Sie trainierten, bis die Sonne hoch am Zenit stand, erst dann machten sie die erste Pause. Yuki gähnte und legte ihren Kopf plötzlich auf Ollowains Schoß und schloss die Augen. Er war zunächst überrascht, doch hatte er nichts dagegen.

Sie suchte seine Nähe, denn während sie döste hatte sie ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht.
 

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Burg Elfenlicht…

„Wow, ich bin positiv überrascht! Für einen Menschen lernst du erstaunlich schnell.“

Eissi konzentrierte sich darauf, dass die kleine Flamme, die sie herauf beschworen hatte, nicht in sich zusammenfiel. Doch länger als nur wenige Sekunden konnte sie sie noch nicht aufrecht erhalten. Als sie verpuffte, schaute Eissi ihre Lehrmeisterin an und lächelte.

„Du hast das Grundlegende der Magie verstanden und kannst tatsächlich das magische Netz beeinflussen. Ich muss zugeben, ich hätte nicht erwartet, dass dir das in solch einer kurzen Zeit gelingen würde.“

„Es ist extrem anstrengend. Vielleicht sind hier ja schon meine Grenzen.“

Yulivee schüttelte den Kopf und schaute ihre Schülerin lange an.

„Jeder hat Grenzen, das ist wahr. Doch es liegt an der Person selbst, ob er an diesen Grenzen aufhört, oder ob er sie überwindet.“

Eissi nickte und nahm sich etwas zu Essen aus dem Korb, welchen Yulivee morgens immer schon mitbrachte.

„Wenn du diese Trainingsstufe geschafft hast, dann üben wir, wie du Magie gezielt gegen jemanden richtest. Da momentan kein Magiestudent in Burg Elfenlicht ist, werde ich deine Trainingspartnerin sein.“

„Aber was ist, wenn ich dich verletzen sollte, oder so?“

„Jemand wie du kann mich nicht verletzen, keine Sorge.“

Eissi nickte nur und ihr wurde eine neue Eigenschaft der Elfen bewusst: Sie besitzen alle eine gewisse Arroganz.
 

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Waldlichtung…

„Aua!“

Yuki hatte sich bei einer Drehung das Knie verdreht und lag nun auf allen Vieren. Sie fluchte und versuchte aufzustehen, doch ihr Bein knickte wieder ein.

„Scheiße!“

Sie setzte sich hin und krempelte ihre Hose hoch, um ihr Knie zu begutachten. Ollowain hockte sich vor sie hin und nahm ihr Bein in die Hand. Sofort durchfuhr Yuki ein unangenehm ziehender Schmerz und wieder fluchte sie.

„Dein Knie hat sich überdehnt. Wir machen eine Pause, in wenigen Stunden sollte es sich wieder beruhigt haben.“

Er rieb ihr Knie mit einer seltsam duftenden Salbe ein und lies es sanft auf den Boden sinken.

„Das nervt. Ich bin viel zu blöd für dein Training.“

„Sag so etwas nicht. Du hast nicht manch anderen Schüler von mir gesehen. Erinnerst du dich an die beiden, die dich vorhin angegrinst hatten?“

„Das hast du mitbekommen?“

„Natürlich. Diese beiden waren ebenfalls meine Schüler. Der Blauhaarige heisst Farodin und hat sich aus für mich unerfindlichen Gründen das Bein gebrochen.“

„Aus völlig unerfindlichen Gründen… Meinst du nicht, du gehst einfach zu hart mit deinen Schülern um?“

Yuki deutete provokant auf die Rötungen und zahlreichen kleinen blauen Flecken, die sie im Laufe des Vormittags angesammelt hatte.

„Wenn ich euch nicht fordere, wie sollen dann gute Kämpfer aus euch werden? In einem richtigen Kampf nimmt auch niemand Rücksicht auf euch, also fange ich damit im Training gar nicht erst an.“

Yuki seufzte und versuchte aufzustehen, doch Ollowain hielt sie zurück.

„Ich hab gesagt, dass du sitzen bleiben sollst. Dein Bein würde wieder wegknicken.“

Yuki murrte etwas und blieb bockig sitzen.

„Jetzt bocke nicht, ich meine es nur gut.“

„Hm. Sag mal… die Elfensprache… meinst du, ich könnte sie auch lernen?“

„Unsere Sprache ist sehr schwierig. Vielleicht kann ich dir irgendwann etwas Unterricht geben, doch nicht jetzt. Ich möchte dich auf deinen Auftrag vorbereiten so gut es geht und dafür bleibt mir nicht mehr viel Zeit.“

„Warum sprechen Emerelle, Yulivee und du eigentlich meine Sprache?“

Ollowain machte eine kurze Pause bevor er ihr antwortete.

„Wie du weißt, wissen Emerelle und ich bereits lange von der Bedrohung der Ygireks. Wir haben lange in den verschiedenen Welten nach jemandem wie euch gesucht. Die Hölle können wir nicht betreten, daher mussten wir einen Dämon in einer anderen Welt finden. Ich wurde oft für eine lange Zeit von Emerelle in die Welten entsandt und ich musste mir viele verschiedene Sprachen aneignen. So auch eure. Yulivee hingegen war vor vielen Jahren noch regelmäßig in eurer Welt. Doch dann muss etwas passiert sein, denn sie war schon lange nicht mehr da. Was genau allerdings passiert ist, erzählt sie niemandem.“

Yuki nickte und betrachtete ihr Knie, welches langsam rot wurde. Sie strich darüber und ihre Haut fühlte sich seltsam weich und warm an.

„Du, ich glaube, das ist geschwollen…“

Ollowain hob ihr Bein wieder leicht an und der plötzliche Schmerz trieb Yuki kleine Tränen in die Augen, doch sie liefen zum Glück nicht ihre Wangen herunter.

„Es scheint wohl so.“

Ollowain zog ihren Stiefel aus, nahm etwas Verband zur Hand und legte ihn um ihr Bein.

„Wir warten jetzt einfach ab und ich schau in ein paar Stunden nochmal auf dein Knie.“

„Und was machen wir in der Zeit?“

„Ich bin sicher du hast viele Fragen. Jetzt ist eine gute Gelegenheit sie zu stellen.“

Yuki fühlte sich ertappt, denn sie wollte tatsächlich viele Dinge wissen.

„Kommen Eissi und ich irgendwie nochmal in unsere Welt?“

Ollowain überlegte lange und schaute Yuki dann eindringlich an.

„Hör zu, Yuki… Wenn Eissi und du mit dem Training fertig seid, dann werdet ihr… anders sein, als vorher. Du siehst ja jetzt schon an dir, denn bei dir ist es auffälliger, als bei Eissi.“

„Soll das etwa heissen, nur weil ich ein Dämon bin, soll ich nicht mehr nach Hause können?“

„Das zumindest sagt Königin Emerelle.“

Yuki schaute zur Seite und unterdrückte einen Fluch.

„Das hätte die mir vorher sagen müssen! Ihr reißt Eissi und mich aus unserem Leben heraus und dann sollen wir nicht einmal mehr zurück können? Weißt du eigentlich, was das für uns bedeutet?“

„Ich kann es mir nur im Ansatz vorstellen.“

„Nein, kannst du nicht, denn dir passiert es ja nicht! Wir sollen alles hinter uns lassen, das kann nicht dein Ernst sein!“

Yuki rang um Fassung, doch noch bevor sie sie wiedererlangte, rannen ihr Tränen über das Gesicht.

„Und dann fang ich hier ständig an mit heulen! Ich hab in den letzten paar Wochen hier soviel geheult, wie in den letzten fünf Jahren, hab ich das Gefühl!“

Ollowain blieb erstaunlich ruhig und ließ Yuki einfach reden. Das nervte sie, doch sie war unfähig noch etwas dazu zu sagen. Stattdessen legte sie ihr Gesicht auf ihr angewinkeltes gesundes Knie und ließ die Tränen laufen.

„Scheiße…“, flüsterte sie noch, dann schwieg sie.

Ollowain ließ ihr einige Sekunden Zeit, dann hob er sanft ihr Gesicht an.

„Ich werde mit Emerelle reden. Vielleicht ist es möglich, dass ihr vor eurem Auftrag nochmal kurz in eure Welt gehen könnt.“

Yuki schniefte ein letztes Mal und nickte. Da sie nicht aufstehen konnte, ließ sie sich einfach ins Gras fallen und betrachtete den kreisförmigen Himmelsausschnitt, den die Baumkronen zuließen. Die Wolken zogen langsam und gemächlich am Firmament vorüber und Yuki wurden die Lider schwer. Ollowain legte sich mit seinem Kopf neben Yuki’s und betrachtete ebenfalls den Himmel.

„Wie kann diese Welt existieren, Ollowain?“

„Sie existierte schon immer, genau wie all die anderen Welten.“

„Ich verstehe das nicht. Ihr seid Figuren in einem Fantasy-Buch.“

„Wie gesagt: Die Welten existieren seit Anbeginn der Zeit. Ich weiß nicht, womit das zusammenhängt, doch manche Bewohner der Welten bekommen Visionen oder ähnliche Phänomene von Personen oder Schauplätzen aus anderen Welten. Manchmal behält er sie für sich, doch manchmal verarbeitet er sowas zu Geschichten und bringt sie so in Umlauf. So wird das auch in unserem Falle geschehen sein.“

„Das ist schwer zu glauben…“

Ollowain drehte sich auf die Seite, sodass er nun über Yuki’s Gesicht war.

„Dadurch, dass es nur Visionen sind, weichen manche Dinge von solchen Erzählungen ab. Diejenigen, die in den Erzählungen tot sind, können leben oder auch umgekehrt. Auch könnte das Gut-und-Böse-Gefüge ein völlig anderes sein.“

Yuki nickte müde und richtete sich wieder auf. Sie gähnte und schaute sich um. Ihr Blick blieb wieder an ihrem Knie haften und betrachtete es genauer. Es war zwar noch immer angeschwollen, doch der Schmerz hatte etwas nachgelassen. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, wäre ja nicht das erste Mal. Plötzlich hörte sie ein Geräusch. Etwas war im Dickicht des Waldes und sofort fing Yuki zu zittern.

„Hörst du das…?“

Ollowain richtete sich ebenfalls auf und spannte sich. Er legte einen Arm um Yuki, um sie zu beruhigen.

„Ganz ruhig, ich bin hier.“

Yuki klammerte sich an seinem Arm fest, denn die Erinnerung an ihre Begegnung mit dem Troll kam wieder hoch und sie spürte pure Angst in sich aufsteigen.

Ollowain’s Blick wanderte umher und als er etwas zu erspähen schien, entspannten sich seine Züge. Er drehte Yuki’s Kopf in eine bestimmte Richtung und deutete auf Etwas im Dickicht.

„Siehst du das?“

Yuki blinzelte angestrengt und sie erkannte tatsächlich etwas Ähnliches wie ein Tier.

„Was ist das?“

Es hatte eine seltsame Musterung auf dem Fell und war nicht viel größer als ein Eichhörnchen.

„In eurer Sprache bedeutet es Zickzackhörnchen. Das kommt von seiner Musterung und seiner Art über den Boden zu huschen. Wenn du leise bist, kommt es vielleicht ein Stück auf die Lichtung und du kannst es sehen.“

Yuki starrte noch immer in die Richtung des kleinen Tieres und wagte kaum zu atmen. Es schien in der Luft zu schnüffeln und reckte dafür das kleine Köpfchen in die Höhe. Plötzlich war es im Dickicht verschwunden und Yuki wollte schon enttäuscht ausatmen, doch da kam es zwischen den Büschen auf die Lichtung geflitzt. Es lief tatsächlich in einer Zickzacklinie und nicht geradeaus. Wieder reckte es den Kopf in die Höhe und schaute sich um.

„Das ist voll süß!“, flüsterte Yuki.

Doch das kleine Tier muss das gehört haben, denn es verschwand wieder im Dickicht und lief wahrscheinlich in den Wald zurück.

„Sie haben ein sehr empfindliches Gehör“, sagte Ollowain.

Yuki nickte traurig und spielte an Ollowains Ärmel herum. Wie immer, wenn sie nichts zu tun hatte. Ausserdem hing sein Arm gerade so schön über ihrer Schulter. Die Rötung an ihrem Knie schien auch langsam zurück zu gehen, daher versuchte sie vorsichtig das Bein anzuwinkeln. Es schmerzte noch immer und ließ sich auch nicht komplett anstellen, so wie das gesunde Knie, daher ließ Yuki es wieder seufzend auf den Boden sinken.

„Erzähl mir von Albenmark“, bat Yuki und schaute Ollowain groß an.

Während Ollowain Yuki vieles über Albenmark erzählte, hörte Yuki gebannt zu. Als die Sonne bereits langsam unterging hatte er seine Ausführungen beendet. Yuki brummte der Schädel, doch sie war froh jetzt einiges über Albenmark zu wissen. Sie versuchte langsam aufzustehen und Ollowain half ihr dabei. Sie konnte immerhin schon stehen, aber das Knie wollte sie noch nicht allzu sehr belasten. Die Rötung und die Schwellung waren jedenfalls zurück gegangen.

„Tut mir leid, dass ich diesen Trainingstag so versaut habe“, sagte Yuki.

„Mach dir deswegen keine Gedanken. Ab morgen machen wir dafür einfach umso mehr.“

Yuki zwang sich zu einem schiefen Lächeln und ließ sich von Ollowain stützen, während sie den langen Weg zurück zur Burg Elfenlicht antraten.
 

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Burg Elfenlicht…

Ollowain brachte Yuki noch bis zu ihrer Zimmertür, dann ließ er den Blick von links nach rechts über die Enden des Ganges schweifen.

„Warum schaust du dich so--!“

Doch Yuki kam nicht dazu ihren Satz zu beenden, denn Ollowain küsste sie und brachte sie somit zum Schweigen. Als er sich von ihr löste, schenkte er ihr ein Lächeln, welches ihr das Blut in den Kopf schießen ließ.

„Wir sehen uns morgen, Kleines!“

Er streichelte ihr über den Kopf und ging. Yuki schaute ihm noch kurz hinterher, dann öffnete sie die Tür und humpelte ins Zimmer.

Dort wurde sie sofort stürmisch von Eissi begrüßt.

„Mein Lieblingsmensch!!“

Eissi fiel ihr um den Hals und Yuki lehnte sich gegen die Tür, weil sie sonst umfallen würde.

„Ich bin doch gar kein Mensch, Süße.“

„Und wenn schon! Dann bist du eben mein Lieblingsdämon, so!“

Eissi grinste sie an und ließ von Yuki erst ab, nachdem sie sie noch mit etlichen Knutschis überhäuft hatte.

„Warum bist du eigentlich so warm im Gesicht?“

„Ähm… weiß ich nicht… Bin ich das?“

Yuki schob sich an Eissi vorbei und humpelte zu ihrem Bett. Das Stehen war gerade zu anstrengend.

„Was ist denn mit deinem Fuß?“

Yuki ließ sich seufzend auf die Bettkante fallen und atmete einmal tief durch, in der Hoffnung, dass das irgendwie den Schmerz lindern würde.

„Nicht mein Fuß. Ich hab mir beim Training das Knie verdreht.“

„Ach, du Tollpatsch.“

Eissi setzte sich neben Yuki und kuschelte sich an ihren Arm. Doch auch da zuckte Yuki zusammen, denn die blauen Flecken schmerzten bei Berührung. Eissi schaute sie besorgt an und krempelte ihren Ärmel hoch.

„Yuki!!“

„Das ist schon okay. So ist das eben, wenn man mit dem Schwert trainiert wird.“

„Der kann doch aber mal ein bisschen aufpassen! Bei uns würde der wegen Misshandlung bestraft werden!“

„Lass ihn, die gehen doch wieder weg. Ist doch nichts Schlimmes…“

Eissi schaute Yuki lange an. Dann stieß sie einen langgezogenen Seufzer aus.

„Du liebst den wirklich, oder?“

„Was?“

Yuki schaute ihre Freundin verwirrt an. Woher wusste sie solche Dinge nur immer?

„Ich wusste es. Du sahst die letzten Tage so selig aus, da wusste ich, dass irgendwas passiert sein musste.“

„Aber…“

„Erzähl mir von ihm. Dann versprech’ ich, dass ich alles für mich behalte.“

Yuki seufzte nur, doch schließlich erzählte sie, was zwischen Ollowain und ihr passiert ist.

Als Yuki geendet hatte, stieß Eissi hörbar die Luft zwischen den Zähnen heraus.

„Wie spannend! Eine verbotene Liebe, die geheim gehalten werden muss!“

„Das ist nicht spannend, das ist schlimm!“

Eissi lächelte und knuffte ihrer Freundin in die Seite.

„Du packst das schon. Ich kenne dich doch. So, jetzt bin ich müde, wird Zeit, dass wir uns den Dreck abwaschen und ins Bett gehen.“

Yuki nickte nur und humpelte ins Bad. Da sie Schmerzen hatte, wusch sie sich nur und ging dann sofort ins Bett.
 

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6. April 2012

Waldlichtung…

„Nochmal! Du musst natürlich das machen, was ich dir sage!“

Ollowain beobachtete Yuki beim Training genau. Für ihren Geschmack zu genau, aber sie verkniff sich jeglichen Kommentar. Sie schwitzte, denn die Sonne schien unaufhörlich auf ihren Rücken und durch das ständige Zusammenkneifen der Augen bekam sie Kopfschmerzen. Aber auch das behielt sie für sich. Sie wollte während des Trainings nicht wegen jeder Sache herummosern, sondern sie lies einfach alles über sich ergehen. Sie wog ihre zwei Klingen in den Händen, doch sie wurde langsam träge. Sie brauchte eine Pause, doch auch das verschwieg sie. Wahrscheinlich war sie zu stolz, bei Ollowain um eine Pause zu bitten. Er zeigte Yuki wieder den Bewegungsablauf, den sie seit dem Vormittag übten. Yuki kniff wieder die Augen zusammen, denn das Licht der Sonne blendete sie. Als Ollowain sie erwartungsvoll anschaute, atmete Yuki einmal tief durch und versuchte die Bewegung nachzuahmen. Doch mittendrin wurde sie unsicher, wie es weiterging. Aufgrund dieser Unsicherheit strauchelte sie und wäre beinahe erneut gestürzt, doch sie schaffte es immerhin ihren Sturz mit den Knien und den Händen abzufangen. Sie keuchte, denn der Schweiß lief ihre Schläfen herunter und plötzlich spürte sie einen warmen Rinnsaal aus ihrer Nase herauslaufen. Sie wischte sich mit dem Handrücken darüber, der komplett rot war. Nasenbluten.

Yuki zog ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche und legte es sich auf die Nase, in der Hoffnung, dass es bald aufhören würde.
 

„Wir machen eine Pause. So wie es aussieht, muss sich dein Blutdruck wieder beruhigen.“

Ollowain lief auf sie zu und reichte ihr eine Wasserflasche. Yuki trank ein wenig und wischte sich mit einem weiteren Taschentuch über die schweißnasse Stirn. Als sich ihre Atmung wieder beruhigte und ihr Nasenbluten vorbei war, musste sie sofort mit dem Training fortfahren. Ollowain ließ ihr nur wenige Verschnaufpausen und forderte ihr alles ab. Da sie es nicht gewöhnt war, körperlich über mehrere Stunden an ihre Grenzen zu gehen, hatte sie mehrmals das Gefühl zusammenzubrechen, doch Yuki zeigte es nicht. Sie hatte natürlich einen gewissen Stolz, doch im Grunde war sie nicht dazu fähig, über ihre Gefühle und Gedanken zu reden. Das hat ihr in der Vergangenheit einige Male Probleme beschert, aber viel öfter hat sie sich einiges erspart. Genau dasselbe erhoffte sie sich auch jetzt.

Sie schüttelte den Kopf, um die trüben Gedanken loszuwerden, dann stand sie auf und nahm ihre Schwerter wieder in die Hand. Sie zitterte aber sie konnte sich absolut nicht erklären weshalb. War es noch immer die Anstrengung? Yuki wusste es nicht und sie versuchte, es vor Ollowain zu verbergen.

Während sie noch versuchte das Zittern zu unterdrücken, kam Ollowain auf sie zugelaufen und Yuki drehte den Kopf zur Seite, um ihn nicht ansehen zu müssen.

„Was hast du?“

Er stand nun direkt vor ihr und Yuki ließ ihre Schwerter fallen. Das Zittern wurde stärker und der Kopfschmerz explodierte nun regelrecht an ihren Schläfen. Sie sank auf die Knie und ihre Arme umschlangen ihren Oberkörper, doch das verdammte Zittern wollte einfach nicht aufhören. Ihre Atmung kam stoßweise und keuchend und zusätzlich lief ihr der Schweiß in Strömen über das Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen und in ihrem Geist erschien jener Dämon, der allen Anschein nach Yuki’s Erzeuger sein sollte: Luzifer.

„Trainiere! Ich habe viel mit dir vor!“, sagte er mit durchdringender Stimme und Yuki konnte einen Schrei nicht mehr unterdrücken. Sie spürte, wie sie geschüttelt wurde, doch sie konnte sich der Präsenz des Mannes nicht entziehen und die Augen öffnen. Sein Lachen durchdrang ihren gesamten Körper. Schließlich wurde sie von einer enormen Druckwelle erschüttert und sie riss die Augen auf. Sie versuchte sich noch an Ollowain festzuhalten, doch bevor sie das schaffte, verlor sie endgültig das Bewusstsein.
 

„Was ist das…? Es wirkt alles so… friedlich… Die Dunkelheit umfängt mich zwar aber… es ist ein schönes Gefühl…“

Yuki schwebte in einer schier endlosen Dunkelheit umher, doch sie verspürte keine Angst. Sie wusste, dass dies nicht real war, denn sie hatte das Bewusstsein verloren. Also hatte ihre Erschöpfung doch gesiegt. Oder war es der plötzliche Schmerz? Woher kam der Schmerz? Wo war Luzifer? Warum passierte das alles überhaupt mit ihr? War sie nicht vor einigen Wochen noch ein ganz normaler Mensch mit ganz normalen Problemen, allen voran einem Trauerbewältigungsproblem aufgrund des Todes ihrer Mutter, gewesen? Jetzt befand sie sich in Albenmark und trainierte mit dem Elfen ihres Herzens Ollowain den Schwertkampf. Jeder normaldenkende Mensch würde sie für verrückt erklären, doch inmitten all dieser Dunkelheit schienen diese wichtigen Sachen an Bedeutung zu verlieren. Ihre Mutter erschien vor ihr. Yuki unterdrückte den sofort aufkeimenden Tränenfluss und schaute sie einfach nur an.

„Mama…“

Ihre Mutter lächelte, dann verblasste sie sofort. Nun erschien ihr einer ihrer Freunde, den sie scherzhaft Koerby nannte. Er grinste und Yuki musste zurück grinsen, so wie immer. Auch er verblasste und an seine Stelle trat Tsuki, ebenfalls ein sehr wichtiger Mensch in Yuki’s Leben. Er hatte dieses entwaffnende Lächeln aufgesetzt, bei der beinah jegliche schlechte Laune von Yuki abfiel, wenn sie es sah. Dann plötzlich stand ihr Vater vor ihr. Yuki erschrak ob des mürrischen Gesichtsausdrucks, welchen er auf dem Gesicht hatte.

„Vater…“

Nun lächelte er, doch auch er verschwand und Yuki war wieder allein.

„Was war das…?“

Es wurde schlagartig kalt und Yuki spürte hinter sich eine herannahende Präsenz. Sie sah nichts, nichtmal ihre eigenen Hände. Dazu war die Dunkelheit zu undurchdringbar. Die Präsenz hatte etwas Bösartiges an sich, aber Yuki verspürte keine Angst.

„Luzifer…“, flüsterte sie leise.

„Ganz genau. Ich bin hier. Ich beobachte dich. Ich habe Großes mit dir vor, daher musst du groß und stark werden, kleine Yuki.“

„Wozu? Warum brauchst du mich?“

Luzifer stand direkt vor ihr und hob ihr Kinn ein wenig hoch. Die Berührung war kalt, doch nicht unangenehm, also lies Yuki ihn gewähren.

„Es wäre zu früh für dich, wenn ich es dir jetzt sage.“

„Aber…“

Yuki verstummte als er ihre roten Male berührte. Sie spürte ein Ziehen, danach ein Pulsieren und sie starrte Luzifer nur fassungslos an. Dieser verzog sein Gesicht zu einem bösartigen Grinsen, dann verschwand er.
 

Ollowain hielt Yuki noch immer in seinen Armen. Den Schweiß hatte er ihr bereits von der Stirn gewischt, doch noch immer war sie ohnmächtig. Warum sie so verbissen weiter gemacht hatte, war ihm schleierhaft. Natürlich hatte er bemerkt, dass sie am Ende ihrer Kräfte war, doch er wollte, dass sie mit ihm redete. Ihm kam es so vor, als würden ihre Gesichtsmale aufleuchten und er berührte sie mit dem Daumen. Als ihn jedoch ein brennender Schmerz durchzog, ließ er sofort wieder davon ab.

„Warum schadest du mir so…?“

Er schaute Yuki besorgt an, denn sie war schon seit geraumer Zeit ohnmächtig, und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihr Brustkorb hob und senkte sich auf einmal schneller, als vorher und tatsächlich öffnete Yuki kurz darauf die Augen. Jedes Mal, wenn sein Blick sich in diesem schier unendlichen Blau verlor, lächelte er und seine Probleme schienen von ihm abzulassen.

„Hallo, Kleines“, sagte er leise und sie lächelte zurück.

„Was ist…passiert…?“

„Wir haben trainiert und du warst am Ende deiner Kräfte. Du hast jedoch weiter gemacht und dann bist du ohnmächtig geworden.“

„Oh… richtig… Ich habe… also… Luzifer war da…“

„Wie bitte?“

„Es war alles so dunkel und dann war… Luzifer da und hat mir gesagt, dass er Großes mit mir vorhätte…“

Ollowain nickte nachdenklich und strich ihr sanft über den Kopf.

„Mach dir keine Sorgen. Dir wird nichts passieren.“

Er reichte ihr etwas Essen und Wasser, damit sie sich stärken konnte, danach trainierten sie weiter. Ollowain konnte sich nur ansatzweise vorstellen, was Luzifer vorhaben könnte. Er musste dies dringend mit Emerelle besprechen, denn sie konnten es sich nicht leisten, Yuki an Luzifer zu verlieren. Zu lange hat die Suche nach ihr gedauert. Doch nun verbot es ihm nicht nur seine Pflicht, sie zu verlieren, sondern auch sein Herz. Er wollte sie einfach nicht mehr hergeben.

Er beobachtete Yuki beim Training und irgendetwas war seit ihrer Ohnmacht anders. Ihre Beinarbeit war erstaunlich gut und dort, wo sie vorher noch Probleme hatte, da war sie jetzt erstaunlich sicher. Hatte er sich das Leuchten der Male vorhin also doch nicht nur eingebildet? Auch darüber würde er sprechen müssen. Er seufzte und zeigte Yuki noch einige Übungen, bevor sie sich auf den Weg zurück nach Burg Elfenlicht machten.
 

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Burg Elfenlicht…

Yuki und Eissi erzählten sich jeden Abend, was sie den Tag über erlebt haben. Dabei trinken sie meistens noch einen warmen Tee und aßen einige Knabbereien, die den ihren ziemlich ähnlich waren. Eissi hat durch ihr Training schon einiges an Gewicht verloren. Yuki zwar auch, allerdings erheblich weniger, was sie darauf zurückführte, dass sie durch ihr hartes Training mit Ollowain mehr Muskeln aufbaute, als Eissi. Nun hatte Yuki ihr Tagesgeschehen reflektiert und Eissi schaute sie überrascht an.

„Warum hast du ihm denn nicht gesagt, dass du eine Pause brauchst?“

„Weiß nicht. Ich hab da Hemmungen…“

Eissi winkte ab und schaute ihre Freundin besorgt an.

„Ach quatsch! Du musst ihm sowas sagen, sonst klappst du noch öfter ab, als sonst! Das kann doch nicht Sinn der Sache sein.“

„Ja, ich weiß. Ich will doch nicht…“

Yuki blickte betreten zu Boden und kaute auf ihrer Unterlippe.

„Was willst du nicht? Irgendjemanden enttäuschen?“

„Jemanden zur Last fallen…“

„Yuki…! Du fällst hier niemandem zur Last. Im Gegenteil. Die sollen mal froh sein, dass sie dich haben. Ohne dich wären die voll aufgeschmissen, weißt du das?“

Yuki nickte nur.

„Aber nun erzähl mir mal von Luzifer.“

„Er… hat auf jeden Fall eine starke Präsenz. Man kann sich ihm schlecht entziehen…“

„Oh.. okay. Und wie sieht er aus? Hat er Hörner und so?“

„Ähm nein… Er sieht sogar recht menschlich aus. Fast unscheinbar. Aber von ihm geht etwas aus, was man nicht unterschätzen sollte.“

„Hmh. Und meinst du, er ist dein Erzeuger?“

„Keine Ahnung. Ich glaube das noch immer nicht. Zumal ich mir nicht vorstellen kann, wie das funktionieren soll.“

Eissi nickte nachdenklich und nahm ihre Freundin in den Arm.

„Und wie geht es dir sonst, Süße? Wegen deiner Mutter?“

Yuki schwieg eine Weile, dann sah sie ihre Freundin mit feuchten Augen an.

„Ich dachte es würde besser werden aber… ich hab das Gefühl, als wäre ich noch kein Stück vorangekommen, was das angeht…“

Eissi nickte nur und streichelte Yuki sanft über den Kopf.

„Verstehe… Na los komm. Wir gehen ins Bett. Es war ein anstrengender Tag.“
 

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Währenddessen im Thronsaal…

Ollowain hatte seiner Königin über die jüngsten Ereignisse informiert und Emerelle schaute ihn besorgt an.

„Ollowain! Beobachte das weiterhin. Wir dürfen Yuki nicht an den Feind verlieren. Und Luzifer ist ein mächtiger Feind! Ich habe eine Zukunft gesehen, in der wir Yuki an ihn verloren haben. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schrecklich es dann um Albenmark steht!“

„Wie Ihr befehlt! Yuki wird sich nicht auf Luzifer einlassen.“

„Was macht dich da so sicher? Dein Verstand oder dein Herz?“

Ollowain schwieg einen Moment, schließlich sagte er bestimmt: „Beides, meine Königin!“

Emerelle nickte und bedeutete ihm zu gehen. Sie musste über die Dinge nachdenken und dazu brauchte sie Ruhe. Als Ollowain den Saal verließ, zog auch sie sich in ihre Privatgemächer zurück und ließ den Tag und vor allem Ollowains Bericht Revue passieren.
 

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Yuki und Eissi folgten ihrem jeweiligen Training mit immer größerem Eifer, wodurch sie schnell immer besser wurden. Immer wieder nahm Luzifer Kontakt zu Yuki auf, was Königin Emerelle zusehends beunruhigte. Doch Ollowain setzte sich mehr und mehr für sie ein, sodass Emerelles Sorgen bald zerstreut wurden.

Die Tage vergingen schnell und Eissi und Yuki beherrschten schon bald Fertigkeiten, die sie sich vorher nicht erträumt hatten. Mit jedem Tag wurden sie stärker und besser und der Tag ihrer Abreise kam näher und näher. Der zweite Monat ihrer Vorbereitung war nun vorbei und beide konnten damit beginnen, ihre neu erlangten Fähigkeiten an ihren Lehrmeistern zu trainieren.
 

- Ende Reise 1 Tag 31-60 -

Reise 1 "Training" - Tag 61-90 ~Trainingsabschluss~

5. Mai 2012

Yuki quälte sich an diesem Tag besonders langsam aus dem Bett, denn sie war gestern Abend lange mit Eissi wach geblieben. Sie streckte sich und starrte in die Dunkelheit. Sie gähnte erneut, stand dann schließlich auf und zog sich an. Als sie Eissi gerade den morgenlichen Kuss geben wollte, drehte diese sich verträumt zu ihr um.

„Wie spät ist es…?“

„Für dich noch viel zu früh, Süße. Bleib liegen, ich mach mich los.“

Eissi nickte und lächelte Yuki an. Dann schlossen sich ihre Augen sofort wieder. Yuki verließ Burg Elfenlicht, um zu der vertrauten Lichtung zu laufen. Mittlerweile konnte sie den gesamten Weg in einem gewissen Tempo rennen. Bei der Shalyn Falah war sie jedoch noch immer sehr vorsichtig, da sie vor einigen Tagen beinah gefallen wäre, als sie darüber rennen wollte.

In der Ferne sah sie eine Gestalt, dessen weißes Schwertkämpfergewand Yuki überall wiedererkannt hätte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich noch etwas mehr, denn sie erhöhte ihr Tempo, weil sie Ollowain von hinten auf die Schultern schlagen wollte. Das hatte sie bei einem ihrer Freunde sehr gerne gemacht, daher konnte sie es sich jetzt auch nicht verkneifen. Als sie zum Schlag ausholen wollte, drehte sich Ollowain elegant zur Seite und griff nach Yuki’s Arm, der sich nun natürlich im Nichts verlor. Noch ehe sie es sich versah, zog Ollowain sie eng an sich heran und erfreute sich an ihrem erstaunten Gesichtsausdruck.

„Das hattest du dir anders vorgestellt, nicht wahr?“

Durch die plötzliche Nähe wurde Yuki wieder rot und statt richtig antworten zu können, brachte sie nur ein stotterndes „J-ja…“ hervor. Ollowain lachte herzhaft und zog sie noch näher zu sich heran.

„Ich habe dich schon längst gehört, Liebes!“, flüsterte er ihr ins Ohr und biss hinein.

Yuki erschrak und machte einen Satz zurück, weshalb Ollowain erneut lachen musste.

„Da-das kannst du doch nicht machen!“

„Ach, kann ich nicht? Nun… das sah gerade aber ganz anders aus.“

„Wie…? Du…! Meine… meine Rache wird grausam sein“, stotterte Yuki.

„Ich erwarte sie gespannt“, erwiderte er und verbeugte sich theatralisch.

Beide grinsten sich an und setzten ihren Weg zur Waldlichtung fort. Nur langsam verließ die Röte Yuki’s Gesicht und sie schaute immer wieder verstohlen zu Ollowain. Das schwache Pulsieren an ihrem Ohr führte sie einfach auf den sanften Schmerz zurück, den der Biss verursacht hatte. Yuki lächelte und lief neben Ollowain her, doch dieser scheint in Gedanken versunken zu sein.

„Woran denkst du?“

„Ich denke gerade daran, wie ich unser kommendes Training gestalte.“

Yuki nickte nur und nahm seine Antwort so hin. Doch in Wirklichkeit verschwieg er ihr die Wahrheit. Natürlich wusste er längst, wie er das Training gegen sie zu gestalten hatte, doch er wollte sie mit seinen wahren Gedankengängen nicht verunsichern. Tatsächlich dachte er über die Trolle nach, die in letzter Zeit häufiger ins Tal herunter kamen. Nach der Attacke auf Yuki hatte Ollowain die Elfenritter ausgeschickt, um die Sache zu untersuchen und notfalls dagegen vorzugehen. Tatsächlich hatten sie sich in den letzten Wochen mehrere Scharmützel mit vereinzelten Trollen geliefert und Königin Emerelle machte dies zusehends Sorgen.

Doch da Ollowain wusste, dass Yuki aufgrund ihrer Erfahrungen Angst vor Trollen hatte, wollte er sie nicht mit seinen trüben Gedanken belasten. Sie sollte sich vollends auf das Training konzentrieren, damit sie in der kurzen Zeit möglichst viel lernt und sich zu verteidigen weiß. Er war im Grunde noch immer dagegen zwei junge Frauen auf solch eine gefährliche Reise zu schicken, doch er wusste auch, dass sie keine andere Wahl hatten. Sie hatten bereits zuviel Zeit mit der Suche nach den beiden verbraucht und nun mussten sie handeln oder Albenmark und viele andere Welten würden untergehen.
 

Sie erreichten die Lichtung und Ollowain hoffte, dass es noch nicht zu früh für Yuki war. Sie hatte noch immer viele Schwächen, doch der Zeitdruck machte all seine ursprünglichen Pläne zunichte. Er seufzte und schaute Yuki an.

„Stell dich in Kampfposition, es geht los!“

Yuki tat wie ihr geheißen und Ollowain musste lächeln. Wenigstens das konnte sie mittlerweile perfekt. Er selbst zog sein Einhänderschwert, denn das war ihm immer noch die liebste Waffe. Er wusste, wie er mit einem Schwert gegen jemanden kämpfen musste, der in beiden Händen Waffen trug und zudem war Yuki keine Gegnerin für ihn. Er musste aufpassen nicht zu hart zuzuschlagen, damit er sie nicht zu sehr verletzte.

„Komm schon!“, dachte er. Er wartete auf einen Angriff Yuki’s, doch sie schien ebenfalls abzuwarten. Also sollte er den ersten Schritt machen, auch gut. Er nickte ihr kurz wie beiläufig zu, dann rannte er los. So schnell, dass seine Stiefel kaum den vom Regen aufgeweichten Boden berührten. Er schlug zu, sie wehrte ab.

„Sehr gut!“

Er fand jedoch sofort eine Lücke und schlug abermals zu, doch sie parierte. Er sah, wie sie der Schlag erschütterte, doch er ließ ihr keine Pause und schlug erneut zu. Diesmal ein Treffer. Er setzte nach und sein Schwertknauf traf sie in die Rippen. Sie keuchte.

„Komm schon, denk nach!“

Sie holte nun selbst aus. Ein Schlag von unten, direkt danach wohl einer von der Seite. Den ersten parierte er, dem zweiten wich er aus, denn er kam tatsächlich von der Seite.

Sie war noch viel zu vorhersehbar, doch das war normal.

Sie setzte nach, wollte von oben zuschlagen. Erneut parierte er mit dem Schwert, dem darauffolgenden Schlag nahm er seine Wucht, indem er einfach ihr Handgelenk griff und das Schwert somit stoppte.

Für einen Augenblick verharrten sie in dieser Position, dann sprangen sie auseinander.

Nun kam sie auf ihn zugerannt, wieder der erste Schlag von unten. Er wich aus, indem er den Körper vom Schlag wegdrehte und schlug in seiner Drehung selbst zu. Aufgrund der Wucht des Aufpralls vibrierten ihre Klingen und Yuki hatte zusehends Schwierigkeiten, ihre Schwerter wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Er nutzte die Gelegenheit, setzte nach und obwohl sie die richtige Abwehr versuchte, schlug er ihr mühelos die Klinge aus der Hand, die mit einem unangenehmen Geräusch auf dem nassen Gras aufklatschte.
 

„Wir machen kurz Pause.“

Yuki nickte und hob ihre Klinge wieder auf und trocknete den Knauf an ihrem Oberteil.

„Du musst schneller werden, wenn du einen Treffer gegen mich landen willst. Auch sind deine Schläge noch zu vorhersehbar, daran musst du auch arbeiten!“

„Aber ich mache doch nur das, was du mir gesagt hast!“

„Ich weiß, Yuki. Doch du solltest nicht vergessen, dass dies alles Grundlagen waren. Natürlich kommt bei einer Zwillingsklinge der erste Schlag von unten, doch warum hörst du immer nach zwei Schlägen schon auf?“

„Weil…!“

Yuki stockte, denn sie konnte es schlecht in Worte fassen.

„Immer wenn du mich geblockt hast, ging so ein unangenehmes Vibrieren durch die Klinge. Das verwirrte mich.“

„Das ist normal, daran musst du dich gewöhnen. Du musst das Erschüttern der Klingen hinnehmen und darfst dir nicht so einen Kopf darum machen. Dadurch verlierst du deine Konzentration und wirst ein leichtes Ziel für Angriffe.“

Yuki nickte.

„Okay, los weiter!“

Dieses Mal fing Yuki von sich aus an, schlug diesmal sogar häufiger zu. Die Schläge waren alle noch zu vorhersehbar, daher wehrte er sie mühelos ab oder wich ihnen aus.

„Tanze, Mädchen! Tanze für mich!“

Zumindest folgten ihre Schläge einer gewissen Logik, sodass er wenigstens einen Anhaltspunkt hatte, an dem sie arbeiten konnten.
 

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Burg Elfenlicht…

Das Pfeifen des Windes hallte noch nach und Eissi versuchte von ihrer Frisur zu retten, was zu retten war, doch es half nichts. Der Wind zerzauste ihr das Haar und sie spürte hin und wieder etwas Druck auf der Wange. Als der Wind verebbte, schaute Yulivee ihre Schülerin Eissi genau in die Augen.

„Hast du gespürt, was soeben passiert ist?“

„Nunja, da war ein gewisser Druck auf meiner Wange…“

Yulivee nickte und lächelte.

„Ganz genau. Du kannst mit deinen Gedanken Magie heraufbeschwören, so wie ich es gerade eben mit dem Wind getan habe. Man könnte allerdings die Magie auch noch verstärken indem man das sogenannte Wort der Macht spricht. Es muss zu deinen Gedanken passen, wenn du also in Gedanken eine Flamme heraufbeschwören willst, so musst du auch das Wort der Macht für Feuer aussprechen. Solltest du dies nicht tun, kann etwas Unvorhergesehenes passieren, was nicht zu kontrollieren ist. Das Wort der Macht verstärkt deine Magie. Es ist also nicht unbedingt nötig, um Gegner anzugreifen. Du solltest unbedingt aufpassen in welchen Situationen du solch ein Wort sprichst, denn es wird dir viel Energie abverlangen, diese verstärkte Magie dann auch noch zu kontrollieren.“

Eissi nickte nur und versuchte sich das Gesagte zu merken.

„Wir haben leider nicht viel Zeit, daher werde ich dir nur grundlegende Worte der Macht beibringen, also hör mir genau zu.“

„Boah, nö…“, dachte Eissi und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, während Yulivee damit begann unverständliche Worte zu ihr zu sagen.

Als es ihr zuviel wurde, hob sie die Hand und Yulivee unterbrach ihre Rezitation.

„Was hast du?“

„Nunja, für mich sind diese Worte sehr sehr schwer, weißt du?“

„Unsere Elfensprache ist eben nicht so einfach.“

„Kann ich dieses… Wort der Macht… nicht auch in meiner Sprache einfach sagen?“

Yulivee überlegte kurz und antwortete mit ruhiger Stimme:

„Nunja. Theoretisch könnte das möglich sein. Du musst wissen, dass auch in jeder Sprache, jedem Wort eine gewisse Magie steckt. Die Elfensprache ist die wohl magischste von allen. Ich weiß nicht, inwiefern deine Sprache mit Magie behaftet ist. Am besten kann man so etwas herausfinden, indem man singt. Viele Magier singen eine Beschwörung, um den Worten der Macht noch mehr Kraft zu verleihen.“

„Oh… Deutschland war bekannt als das ‚Land der Dichter und Denker’“

Yulivee kicherte kurz.

„Dann ist für deine Sprache vielleicht nicht alles verloren.“

Eissi nickte lächelnd, verschwieg Yulivee aber, dass Deutsch bereits als tote Sprache galt, was auch immer das heissen mag. Im Endeffekt hatte sie einfach nur keine Lust, viele Worte in der Elfensprache zu lernen.
 

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Waldlichtung…

„Ich kann nicht mehr, lass uns Pause machen!“

„Sagst du das dann auch deinem Gegner und hoffst darauf, dass er dich in Ruhe lässt?“

Ollowain musterte Yuki, der der Schweiß über die Schläfen lief. Am rechten Oberarm lief ihr ein feiner Rinnsaal Blut herunter, seitdem er sie mit seiner Schwertschneide gestreift hatte, während sie wohl so etwas wie Ausweichen wollte.

Er seufzte.

„Es hilft doch aber sicherlich auch nichts, wenn du mich hier zu Tode trainierst, oder?“

Es war also wieder soweit.

Immer, wenn Yuki keine Lust mehr hatte oder zu müde war, wurde sie bockig, das wusste Ollowain mittlerweile von ihr. Auf eine seltsame Art und Weise fand er es niedlich, wenn sie dann mit verschränkten Armen vor ihm stand und versuchte, ihn böse anzugucken.

Doch er wusste genauso gut wie sie, dass sie nur dadurch ihre Grenzen überwinden konnte. Würde er immer Rücksicht nehmen, dann wären sie längst nicht dort, wo sie jetzt waren.

Er schritt langsam auf sie zu und hob ihr Kinn leicht an.

„Brauchst du Motivation?“

Yuki wollte zu einer Antwort ansetzen, doch da berührten sich ihre Lippen bereits.

Ollowain spürte, wie die Anspannung und der Trotz von Yuki abfielen: er hatte sie also wieder in der Hand. Sie durfte nicht zu abhängig von ihm werden, doch um so etwas kümmerte er sich noch nicht.

Es gab wenige Dinge in seinem Leben, die er genießen konnte und Yuki war mittlerweile eines davon.

Langsam löste er sich von ihr und lächelte.

„Das sollte reichen.“

Yuki nickte leicht und starrte verlegen zu Boden. Ollowain legte den Kopf schief und betrachtete sie.

„Was ist los?“

Yuki kniff jedoch nur die Augen zusammen und antwortete nicht.

„Hey, schau mich an! Komm schon!“

Nur ganz langsam hob sie ihren Kopf, der mittlerweile beinah vollständig rot war. Ihre Augen sausten unruhig hin und her, als suchten sie einen Punkt, den es zu fixieren galt.

„Schau mich an! Blick in meine Augen.“

Yuki schlug die Augen nieder und seufzte tief. Sie öffnete sie und schaute ihm tatsächlich in die Augen. Doch ihr Blick war nicht sonderlich fest, stattdessen errötete sie nur noch mehr.

„Also, was hast du?“

„Es… es ist mir so peinlich. Ich werde immer knallrot in solchen Situationen…“

Er lächelte und seufzte.

„Vielleicht sollte ich dich öfter so überfallen, damit du dich daran gewöhnst?“

Yuki schluckte erschrocken und starrte ihn an.

„Ja… diese Idee gefällt mir. Doch darüber reden wir später, denn deine gewünschte Pause ist vorbei“, sagte er grinsend. Dann wandte er sich ab und stellte sich in einigem Abstand wieder auf.

„Komm!“

Ollowain wartete herausfordernd auf seine Schülerin, doch Yuki musterte ihn zunächst nur. Sie wartete auf einen günstigen Augenblick, auch wenn sie nicht sagen konnte, wie sie ihn sich vorstellte. Plötzlich landete ein Regentropfen auf ihrer Nasenspitze. Als sie ihn den Himmel schaute, spürte sie einen plötzlichen Luftzug und aus Reflex riss sie eine ihrer Klingen nach oben. Genau im richtigen Moment, denn der Luftzug kam von Ollowains atemberaubender Geschwindigkeit, als er zum Angriff auf sie ansetzte.

„Lass dich niemals ablenken!“

Yuki drückte mit all ihrer Kraft gegen seine Klinge, doch sie schaffte es nicht, ihn zurückzudrängen, stattdessen konzentrierte sie sich darauf, nicht in die Knie zu gehen. Mittlerweile hat ein sanfter Regen angesetzt, der mit jeder Sekunde stärker wurde und Yuki schnell durchnässte. Sie rammte Ollowain den Knauf ihrer zweiten Klinge in den Magen, doch dieser wich rechtzeitig zurück, sodass sie sich voneinander trennten und Yuki durchatmen konnte. Der zunächst sanfte Regen schwoll immer mehr an und schon bald glich er einem regelrechten Wolkenbruch. Beide Kämpfer waren komplett durchnässt und ihre Haare hingen in nassen Strähnen in ihren Gesichtern. Ollowain änderte seine Kampfposition. Er ging minimal in die Hocke, stieß sich somit vom Boden ab und war mit einem eleganten Satz wieder vor Yuki. So ging der Trainingskampf zwischen ihnen weiter und Yuki hatte zunehmend Schwierigkeiten, auf dem glitschigen Gras Halt zu finden. So war es nur eine Frage der Zeit, bis sie ausrutschte und hart auf ihrem Rücken landete.

„Autsch!“

Sie ließ ihre Schwerter liegen und rollte sich auf den Bauch, um über ihren Rücken zu streichen, in der Hoffnung damit den Schmerz etwas zu lindern. Sie schnappte nach Luft, doch nur schwerlich füllten sich ihre Lungen wieder mit Sauerstoff. Zum Glück schien sie nicht weiter verletzt zu sein, doch sie blieb vorsichtshalber noch liegen.

Sie spürte, wie Ollowain neben ihr stand und griff mit ihrer freien Hand nach einer ihrer Klingen, doch dann spürte sie seine Hand auf ihrem Rücken. Er tastete ihn ab und übte an manchen Stellen einen sanften Druck aus, der Yuki zwar zusammenzucken ließ, aber nicht aus Schmerz, sondern eher aus Überraschung.

„Gut, es ist nichts gebrochen oder geprellt. Kannst du wieder atmen?“

Sie drehte sich langsam auf die Seite und stemmte sich in eine sitzende Position. Der Regen klatschte auf den Boden und trommelte regelrecht in Yukis schmerzenden Kopf. Sie sah Ollowain an und nickte langsam.

„Mit diesen nassen Strähnen im Gesicht sieht er unglaublich verwegen aus. Oh mein Gott, ich glaub, ich muss hier weg!“, dachte sie sich und ihr schossen sofort die Bilder von dem Bad, welches sie mehr oder weniger unfreiwillig mit ihm nahm, in den Kopf. Sie lief wieder rot an, doch obwohl sie es wollte, konnte sie ihren Blick nicht von ihm abwenden.

„Ollowain, ich...“

Er lächelte sie an und strich ihr sanft über die Wange, dann stand er auf und schaute blinzelnd in den Himmel.

„Es scheint nicht so, als würde der Regen so schnell aufhören. Wir gehen besser zurück, sonst erkältest du dich noch.“

Er reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen und die beiden gingen schnellen Schrittes zurück zu Burg Elfenlicht.
 

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Burg Elfenlicht…

„Wow, ich bin beeindruckt!“

Eissi stieß einen tiefen Seufzer aus, als sie die Magie abbrach und setzte sich auf den kalten Steinboden. Ihr Kopf schmerzte und ein sanftes Pulsieren ging noch immer durch ihre Handflächen. Ihre Lehrmeisterin Yulivee kam gemächlichen Schrittes auf sie zu und lächelte sie an.

„Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell du doch für einen Menschen lernst.“

Immer wenn Yulivee so sprach, kam es Eissi so vor, als würde Yulivee nicht viel von Menschen halten, aber das behielt sie besser für sich.

„Es ist auch sehr anstrengend und mein Kopf tut unheimlich weh.“

„Das ist normal. Irgendwann wird es weniger, glaub mir.“

Eissi nickte und stand wieder auf.

„Okay, nun üben wir, wie du Magie abwehren kannst. Dazu hast du zwei Möglichkeiten. Entweder du erzeugst eine Barriere um dich herum oder du konterst direkt mit einer anderen Magie.“

Yulivee stellte sich in einigem Abstand vor Eissi auf.

„Ich werde nun mit Feuermagie angreifen. Versuche, mit einer anderen Magie abzuwehren.“

Eissi gefiel das. Kontern konnte sie schon immer gut, vor allem in Beat’em’Up-Spiel „Soul Calibur“. Aber das war hier wohl irrelevant, also seufzte sie und konzentrierte sich. Yulivee formte einen kleinen Feuerball und warf ihn Eissi zu. Eissi konzentrierte sich stärker, streckte ihre Hand nach vorn und rief: „Wasser!“, woraufhin ein kleiner Wasserstrahl aus ihrer linken Handfläche schoss und den Feuerball mit einem lauten Zischen verdampfen ließ.

„Ich weiß gar nicht was ich sagen soll… So einen talentierten Schüler findet man selbst unter uns Elfen ziemlich selten.“

„Muss mich… kurz ausruhen…“

Eissi stützte sich auf ihre Knie auf und atmete schwer und stoßweise. Yulivee zog eine Augenbraue hoch und musterte sie.

„Dein Problem ist allerdings, dass du noch viel zu viel Energie für die Magie verschwendest. Du musst sparsamer mit deinen Kräften umgehen, sonst geschieht dir noch ein Unglück. Daran werden wir den Rest des Monats arbeiten müssen, sonst kann ich dich nicht mit Yuki auf diese Reise schicken.“

Eissi zog scharf die Luft ein und nickte. Niemals würde sie Yuki allein gehen lassen, notfalls würde sie heimlich hinter ihr her schleichen.
 

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Somit trainierten Yuki und Eissi also ihre individuellen Trainingspläne weiter. Yuki machte schnell Fortschritte, was ihre Schwertkunst anbelangte, auch wenn Ollowain es zeitlich nicht schaffte ihr die Feinheiten beizubringen. Eissi hingegen war zwar talentiert, was Magie an sich anbetraf, doch hat Yulivee schnell bemerkt, dass Eissi nicht in der Lage dazu war, Barrieren aufzubauen geschweige denn aufrecht zu erhalten. Eissi musste also mit der Angriffsmagie zurecht kommen und sich bei ihrem Schutz auf ihre Freundin Yuki verlassen.
 

Somit war nun also auch der dritte Monate zu Ende und der Beginn ihrer Reise stand unmittelbar bevor. Was würde die beiden Frauen erwarten? Konnten sie die Ygireks wirklich vertreiben? Diese und viele andere Fragen beschäftigten die beiden und ließen ihnen in ihrer vorerst letzten Nacht in Albenmark kein Auge zumachen.
 

- Ende Reise 1 Tag 61-90 -

Reise 2 "Gaia" - 2.1 ~Ankunft~

6. Juni 2012

Weder Yuki noch Eissi konnten in dieser Nacht erholsamen Schlaf finden. Ihr Training war vorbei, denn bald würden sie auf die Reise geschickt werden. Beide waren äußerst schweigsam und redeten auch miteinander nicht viel. Yuki saß über ihrem Tagebuch und blätterte die vergangenen Tage durch.

„Hey, Eissi…“

„Hm? Ja?“

„Was meinst du… wie kann das hier alles sein…?“

„Nun, Yulivee hat mir während des Trainings so eine Geschichte erzählt…“

„Was für eine?“

„Nun, jede Welt ist durch das magische Netz miteinander verbunden… So könnte man wohl zwischen den Welten hin- und herreisen, oder so…“

„Aber wie sind die alle entstanden? Ich glaube nicht, dass es hier auch so einen Urknall gab und plötzlich waren alle Welten auf einmal da…“

„…Manchmal sollen Bewohner der Welten „Visionen“ von anderen Welten bekommen, die sie an dann irgendwie verarbeiten. Ganz so habe ich das aber auch nicht verstanden…“

„Und durch diese verarbeiteten Visionen wissen wir von Albenmark und all den anderen Welten?“

Eissi nickte und Yuki schaute gedankenverloren aus dem Fenster.

„Ich frage mich… wo wir als erstes hinkommen werden…“

„Ich hoffe ja, es wird irgendwas von Final Fantasy. Das wäre total genial!“

Eissi’s Augen glänzten plötzlich voller Vorfreude, doch Yuki konnte diese nicht so recht teilen.

„Wie lange wir wohl weg sein werden…?“

Eissi legte ihrer Freundin einen Arm um die Schultern und lächelte.

„Keine Sorge, du wirst ihn schon bald wieder sehen. Ausserdem ist ja noch ein bisschen Zeit!“

Yuki erwiderte nichts darauf, sondern starrte nur aus dem Fenster und beobachtete, wie sich die Sonne langsam über dem Horizont erhob.

„Pass auf, dann ist es Schloss Disney, oder so…“

Yuki sagte dies so leise, dass ihre Freundin es nicht verstand und daher nicht weiter darauf einging, doch sie musste ob der Vorstellung grinsen.

Sie saßen noch einige Minuten schweigend da, als Eissi sich an ihre Freundin anlehnte.

„Lass uns im Bett kuscheln…“

Yuki seufzte und ging zum Bett, Eissi folgte ihr. Sie krabbelten nochmal unter die Decke und Eissi schmiegte sich eng an ihre Freundin.

„Ich hab ein bisschen Angst, Yuki…“

„Mach dir keine Sorgen… Wir sind nicht mehr dieselben, wie vor drei Monaten. Wir schaffen das schon.“

Eissi nickte nur traurig und schwieg daraufhin. Yuki starrte die Decke an und hing ihren eigenen Gedanken nach, als es an der Tür klopfte. Sie stand auf und öffnete.

„Guten Morgen. Seid ihr soweit?“

„Oh… Ollowain… ähm…ja. Eissi kommst du?“

Eissi stand ebenfalls langsam auf und folgte Yuki und Ollowain dem Gang entlang, der zum Thronsaal führte.
 

„Guten Morgen, wie fühlt ihr euch?“

Das wellige Haar der Königin fiel ihr sanft auf die nackten Schultern und obwohl kein Wind im Thronsaal wehen konnte, kam es Yuki vor, als würde ihr Kleid leise rascheln. Die Elfe schaute Yuki und Eissi bei ihrer Frage direkt in die Augen. Yuki schauderte es ein wenig, denn dieser Blick empfand sie als äußerst stechend und unangenehm.

„Es geht, danke…“

„Ich fühle mich etwas übermüdet…“

Eissi schaute verlegen zu Yuki, denn sie musste in diesem Moment ein Gähnen unterdrücken.

Emerelles Gesichtszüge entspannten sich ein wenig als sie lächelte und langsam auf beide Frauen zulief.

„Ich hoffe das legt sich noch etwas. Heute ist der große Tag: wir müssen euch zum ersten Mal in eine fremde Welt schicken. Ich hoffe ihr seid bereit dafür.“

Die Freundinnen nickten und Emerelle lächelte daraufhin. Sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter zu ihrem weißen Schwertmeister Ollowain, doch dieser sagte nichts, sondern hatte die für Elfen übliche undeutbare Maske aufgesetzt.
 

„Die erste Welt, die eurer Hilfe bedarf, ist ein gefährlicher Ort an dem militärische Kampfhandlungen schon immer gegenwärtig waren. Doch seit dem Auftauchen der Ygireks mussten sich die langjährigen Feinde auf eine gemeinsame Seite schlagen. Dennoch können sie der Lage nicht Herr werden, daher müsst ihr sie mit euren Kräften unterstützen!“

„Aber… reicht es denn, wenn wir ein paar Ygireks vernichten? Kommen sie denn nicht einfach wieder?“

„Du hast einen hellen Verstand, Yuki. Ja, die hohe Zahl der Ygireks ist das größte Problem bei eurem Auftrag. Ich kann euch noch nicht definitiv sagen, woher sie überhaupt kommen, daher soll es ebenfalls eure Aufgabe sein, Informationen dazu zu beschaffen.“

Emerelle schaute die beiden Frauen während ihrer Ausführungen ernst an, doch Yuki wurde die Sache zusehends suspekter. Schließlich war es Eissi, die das Wort ergriff.

„Das hört sich aber sehr gefährlich an. Ich weiß nicht, ob wir für so etwas bereit sind.“

Emerelle lächelte erneut und hielt beide mit ihrem Blick gefangen.

„Habt Vertrauen in eure neu gewonnenen Fähigkeiten. Ihr seid nun bei weitem nicht mehr das, was ihr noch vor drei Monaten gewesen seid. Das gilt vor allem für dich, Yuki! Wir brauchen euch für diesen Auftrag. Wir Elfen sind in der Hinsicht machtlos, alles hängt von euch ab.“

„Fehlt nur noch, dass sie vor uns auf Knien herumrutscht…“, dachte Yuki bitter und seufzte. Mit einem Seitenblick auf Eissi sagte sie: „Wir haben dementsprechend keine andere Wahl, habe ich recht?“

„Natürlich habt ihr eine Wahl, doch bedenkt, dass viele Welten untergehen werden, wenn ihr euch weigert. Das kann natürlich auch für eure Welt gelten, so leid mir das tut.“

Yuki biss sich auf die Unterlippe, um sich einen Kommentar zu ersparen. Emerelle’s Worten nach zu urteilen hatten sie also keine andere Möglichkeit, außer den Auftrag anzunehmen. Ob sie das von Anfang an so beabsichtigt hatte? Ob sie ihnen die Bedenkzeit während des Trainings nur zugestanden hatte, um sie in der trügerischen Sicherheit zu wiegen, die Entscheidung selbst zu treffen?

Yuki schüttelte leicht den Kopf, um die lästigen Fragen loszuwerden. Wie sollte sie auch die Vorgehensweise einer Königin nachvollziehen können?

Sie schaute Eissi noch einmal an und nickte ihr zu.

„Okay, wir machen es!“, sagte Eissi, doch ihre Stimme klang bei weitem nicht so sicher, wie sie beabsichtigte. Emerelle nickte und ergriff wieder das Wort.

„Ich danke euch. Nicht nur im Namen von uns Elfen, sondern auch im Namen aller Völker aller Welten!“

Yuki und Eissi nickten nur und erwiderten nichts darauf. Yuki hoffte darauf, dass Ollowain das Wort ergriff, doch dieser hielt sich noch immer still im Hintergrund. Allerdings spürte sie, dass seine Blicke des Öfteren auf ihr ruhten und sie musste deswegen lächeln.
 

„Die Welt, in die wir euch als erstes schicken, ist euch wohlbekannt. Ihr werdet an einem Tor in der Nähe einer großen Stadt heraus kommen. Die militärische Macht liegt dort bei einer Firma, die ihre eigene Armee besitzt. Es ist ein gefährlicher Ort und Vertrauen ist ein seltenes Gut. Achtet auf euch und euch kann nichts passieren. Verbündet euch mit den Mächten und ihr werdet unweigerlich auf die Ygireks stoßen.“

„Wie sollen wir die erkennen? Wie sehen sie aus?“

„Nun Yuki, das ist ganz unterschiedlich. Einige treten in großen Gruppen auf, denn alleine sind sie schwach und kaum von Bedeutung. Sie sind eher wie eine Plage, stellen dadurch aber eine ernsthafte Gefahr dar. Dann gibt es wiederrum höher entwickelte Ygireks, die auch über wesentlich größere Fähigkeiten verfügen. Haltet euch von diesen Ygireks fern, denn ihr seid noch nicht bereit, diese zu besiegen.“

„Aber woher wissen wir, welche stark und welche schwach sind?“, fragte Eissi aufgebracht.

„Yuki wird es spüren. Die dämonische Energie, die ihr ausstrahlt reagiert aufeinander. Je stärker der Ygirek ist, umso stärker reagiert Yuki auf ihn!“

Yuki tauschte mit Eissi einen zweifelnden Blick, ging jedoch nicht weiter darauf ein.

„Wenn ihr nun keine weiteren Fragen habt, dann wird euch Ollowain nun zum Albenstern geleiten, der euch in die neue Welt führt. Diesen wird Yulivee für euch öffnen, sobald ihr da seid.“

„Ich habe da einen kleinen Verdacht… Wie heisst die Welt, in die Ihr uns schickt?“, fragte Eissi vorsichtig.

Emerelle lächelte die Freundinnen an und antwortete: „Gaia. Die Stadt, die sich vor euren Augen erheben wird, wird Midgar genannt.“

Eissi schrie erfreut auf und auch Yuki kam nicht umhin, sich ein zufriedenes Grinsen abzugewinnen. Doch Emerelle blickte sie ernst an.

„Doch Vorsicht! Die Welten werden nicht so sein, wie ihr sie kennen mögt. Vermeintlich tote Personen können am Leben sein, genauso wie umgekehrt. Auch die Gut-und-Böse-Konstellation kann eine völlig andere sein. Lasst euch also von eurem Wissen der Welten nicht täuschen und verschenkt euer Vertrauen nicht leichtfertig!“

Die Freundinnen nickten eifrig und es war an der Zeit, dass sie aufbrachen.
 

Sie verließen den Thronsaal und liefen durch die Gänge von Burg Elfenlicht. Yuki und Eissi mussten sich beeilen, um mit Ollowain Schritt halten zu können. Yuki hatte das Gefühl, als würde den Elfen etwas beschäftigen, doch sie wagte nicht ihn darauf anzusprechen. Daher gingen sie schweigend ihren Weg, der sie aus der Burg hinaus, bis auf die große Ebene führte. Jedoch liefen sie nicht in Richtung der Shalyn Falah, sondern folgten einem kleinen Weg, der in eine Hügellandschaft führte. Eissi rutschte einmal auf dem Geröll aus, doch Yuki hielt sie rechtzeitig am Arm fest.

„Danke. Sag mal, warum ist er so ruhig? Er hat den ganzen Morgen noch nicht ein Wort zu uns gesagt…“

Yuki zuckte mit den Schultern.

„Wenn ich das wüsste…“

Eissi nickte nachdenklich und die beiden folgten Ollowain. Yuki betrachtete den Elf und fragte sich erneut, was ihn beschäftigen möge.

„Ollowain…“, flüsterte sie auf einmal leise vor sich hin und zuckte zusammen, weil sie seinen Namen eigentlich nicht aussprechen wollte. Doch da weder er selbst noch Eissi darauf reagierten, hatten sie es wohl nicht gehört und sie seufzte erleichtert auf.

Vor einem Steinkreis blieb Ollowain stehen und schaute sich um.

„Yulivee scheint noch nicht hier zu sein…“, sagte Eissi leise.

„Hmh…“

„Warum sprichst du ihn nicht an?“

„Weil… wenn er reden wollen würde, dann kommt er schon von selbst.“

„Ist irgendetwas vorgefallen zwischen euch? Hattet ihr Streit?“

„Nein, nein, eigentlich nicht. Ich weiß nicht, weshalb er so ist…“

Yuki verspürte auf einmal den Drang einfach losweinen zu wollen, doch sie unterdrückte dieses Bedürfnis und drehte sich weg. Plötzlich kam Ollowain auf sie zugelaufen und Yuki wischte sich hastig ihre feuchten Augen trocken.

„Yulivee ist noch nicht hier. Eissi, du bleibst hier und hältst nach ihr Ausschau. Yuki, du kommst mit mir mit. Wir müssen reden!“

Er sagte dies mit einem Unterton in der Stimme, der keinen Widerspruch duldete. Die Freundinnen schauten sich kurz an, dann folgte Yuki dem Schwertmeister einige Meter vom Steinkreis weg.
 

Als sie außer Sichtweite waren, blieb er stehen. Yuki wartete, denn sie wagte nicht, als Erste das Wort zu ergreifen.

„Wie geht es dir?“

Ollowain stellte diese Frage so beiläufig, dass Yuki sie beinahe überhört hätte.

„Ich weiß nicht… eigentlich geht es mir gut, aber…“

„Aber?“

„Wieso… bist du so still? Bis jetzt hast du heute noch kein Wort zu uns… zu mir gesagt.“

Yuki schaute auf den Boden, denn sie wollte dem Elf nicht ins Gesicht sehen. Dieses Gesicht, von dem sie immer wieder träumte und ihr ob der Schönheit den Verstand raubte. Sie konnte nicht in seine moosgrünen Augen sehen, würde sie doch wieder schwach werden, wenn sie es täte. Sie hörte Schritte, die kurz vor ihr verharrten.

„Warum, möchtest du wissen?“

Yuki nickte und Ollowain hob ihr Kinn an, sodass sie ihn ansehen musste.

„Ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht. Ihr begebt euch heute an einen der gefährlichsten Orte überhaupt und ich mache mir Sorgen um dich!“

„Aber… du hast mir doch soviel beigebracht…“

„Das habe ich, das ist wahr. Dennoch bist du nur eine Schülerin und stehst noch ganz am Anfang. Dementsprechend weiß ich nicht, ob du dich dort durchsetzen kannst. Am liebsten würde ich dich begleiten, doch Emerelle hat es mir verboten.“

Yuki wurde rot bei dem Gedanken, dass Ollowain um ihretwegen an Emerelle herantrat.

Der Elf ließ von ihr ab und blickte in die Ferne. Eine Windböe spielte mit seinem Haar. In diesem Moment fragte sich Yuki erneut, wie er es schaffte, dass seine Kleidung immer so weiß blieb. In den Elfenbüchern, die sie kannte, wurde er das auch mal gefragt und dort antwortete er nur, dass er einfach Schmutz meiden würde. Ob er ihr hier dieselbe Antwort geben würde? Als sie die Frage stellen wollte, fing Ollowain auf einmal an mit Lachen. Als er sich wieder beruhigt hatte blickte er ihr direkt in die Augen.

„Jahrhunderte lang habe ich meine emotionale Mauer aufrecht halten können, doch du hast diese in wenigen Tagen regelrecht zerschmettert. In meiner ganzen Zeit als Schwertmeister der Königin habe ich ihr niemals aus Eigennutz widersprochen, gestern jedoch musste sie mich regelrecht zum Schweigen bringen.“

Plötzlich zog Ollowain sie an sich heran und hielt sie in den Armen.

„Versprich mir, dass du dich nicht sinnlos in Gefahr stürzen wirst! Ich will, dass du hierher zurückkehrst.“

„Du…!“

Ollowain zog ihren Kopf an sich heran und küsste sie lang und leidenschaftlich. Es kam Yuki wie ein Abschiedskuss vor und hielt ihre Tränen zurück.

„Versprich es mir…“, hauchte er leise.

„Ich… verspreche es…“

Er lächelte sanft und streichelte ihre Wange. Dabei vermied er es, ihre roten Dreiecke zu berühren.

„Kein Wunder, dass ich in meiner Welt niemals mein Deckelchen fand…“

Ollowain trat einen Schritt zurück und musterte sie fragend.

„Eissi sagt immer, jedes Töpfchen hätte sein Deckelchen. Wenn ich also das Töpfchen bin, dann bist du mein Deckelchen, Ollowain…“

„Eine seltsame Metapher, die deine Freundin da aufgestellt hat. Aber ich weiß, was sie damit sagen will und ich sehe das genauso wie du…“

Yuki musste lächeln, denn eigentlich fand sie diese Metapher immer lächerlich, doch nun empfand ein tiefes Glücksgefühl darüber.

„Yulivee ist bestimmt schon da, gehen wir zurück.“

Sie liefen zu dem Steinkreis zurück, wo sich die Elfenmagierin bereits mit ihrer Schülerin unterhielt.
 

„Da seid ihr ja!“

Yulivee musterte Ollowain und Yuki kritisch. Der Blick kam Yuki unangenehm vor und sie fragte sich, ob Yulivee irgendetwas wusste.

„Ich öffne jetzt das Tor! Eissi, vergiss niemals, was ich dir beigebracht habe! Nimm dies mit, denn du bist noch nicht gut genug, um selbst ein Tor für euren Rückweg zu öffnen.“

Yulivee gab Eissi eine Flasche, wo ein kleines geflügeltes Wesen krampfhaft versuchte den Korken von Innen heraus zu drücken.

„Das arme Ding!“

Eissi machte Anstalten den Korken zu öffnen, doch Yulivee legte ihre Hand auf Eissi’s.

„Das ist eine Blütenfee. Sie kann euch das Tor öffnen und bringt euch hierher zurück.“

Yuki betrachtete das kleine Ding und war sehr skeptisch.

„Ist das Öffnen der Albensterne nicht eine komplizierte Angelegenheit? Wie soll so ein kleines Wesen das schaffen?“

Yulivee warf einen vernichtenden Seitenblick auf Yuki und antwortete: „Beurteile die Dinge niemals nur nach dem Äußeren! Eine Blütenfee hat unglaublich viel magisches Potenzial! Für sie ist das Öffnen eine Kleinigkeit!“

Yuki schluckte als Yulivee sie zurechtwies und senkte beschämt den Kopf. Die Elfe hockte sich auf den Boden und legte die Hände flach auf das Muster, welches auf dem Fels überall zu sehen war. Yuki spürte ein leichtes Prickeln und ihre Nackenhärchen stellten sich auf, als sich plötzlich die Linien zu bewegen schienen. Sie erhoben sich zu einer halbrunden Öffnung, wohinter nur ein schmaler goldener Pfad und ansonsten absolute Dunkelheit herrschte. Eissi klammerte sich an Yuki und blickte ängstlich durch das Tor.

„Da ist wieder diese Dunkelheit…“

„Keine Sorge. Wir wissen jetzt, was uns erwartet. Hab keine Angst.“

Während Yuki das sagte drückte sie sanft Eissi’s Hand. Ihre Freundin schaute sie an und lächelte. „Ja, solange du bei mir bist, brauche ich keine Angst zu haben.“

Yulivee seufzte und schaute die beiden ernst an.

„Kommt nicht vom goldenen Pfad ab! Euer Weg wird kein langer sein, das Tor befindet sich vielleicht zehn Schritt hinter diesem. Ich wünsche euch Glück und Erfolg auf eurer Reise!“

Eissi und Yuki nickten und Yulivee trat einen Schritt zurück zu Ollowain. Dieser kam unerwarteter Weise nochmal auf sie zugelaufen und legte Yuki etwas in die Hand.

„Pass gut darauf auf und gib es mir irgendwann wieder.“

Yuki verstand den Sinn hinter dieser Handlung und schloss ihre Hand fest um das Kleinod.

„Das werde ich!“, sagte sie lächelnd.

Ihre Blicke verharrten noch kurz aufeinander, dann drehte sich Yuki um und zog Eissi an der Hand durch den Albenstern.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Ich hoffe du weißt, worauf du dich einlässt, Ollowain!“

Noch immer blickten die Elfen an die Stelle, wo sich soeben hinter den beiden Frauen der Albenstern geschlossen hatte.

„Ich weiß nicht wovon du redest, Yulivee.“

„Oh bitte! Du magst der beste Schwertkämpfer in ganz Albenmark sein, doch dafür bist du ein unheimlich schlechter Lügner!“

„Ich bin Ritter, daher ist lügen keine Option für mich.“

„Emerelle wird das nicht gutheißen, dass du dich auf dieses Dämonenmädchen einlässt! Was ist nur in dich gefahren?“

Ollowain antwortete nicht, was Yulivee nur noch mehr in Rage versetzte. Sie drehte sich abrupt um und blickte Ollowain finster über die Schulter.

„Liebe macht blind, Ollowain. Sie ist zu gefährlich, also beende es, solange du noch kannst!“

Ollowain lächelte und lief los. Yulivee’s Aussage ignorierte er geflissentlich.

Sie schaute dem weißen Ritter fassungslos hinterher. Sie reckte trotzig das Kinn vor und folgte ihm schließlich zurück zur Burg Elfenlicht.
 

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„Woher sollen wir wissen, dass wir da sind…?“

Eissi flüsterte ihre Worte und ihre Angst machte ihre Stimme brüchig. Yuki drückte die Hand ihrer Freundin und schaute sich um. Dabei war dies ein sinnloses Unterfangen, denn abgesehen von dem goldenen Pfad, auf dem sie gingen, gab es nichts außer bedrückender Dunkelheit. Doch diese Dunkelheit machte Yuki keine Angst, im Gegenteil. Sie fühlte sich sogar ein wenig wohl, was sie wiederrum bei näherer Überlegung abschreckender fand, als die Dunkelheit an sich. Ob es daran lag, dass sie ein Dämon war? Eissi drückte sich an ihren Rücken, sodass ihre Zwillingsklinge unangenehm auf ihre Schulterblätter drückte, doch Yuki blieb still und ließ sie gewähren.

„Ich glaube wir sind da…“

Vor Yuki teilte sich der Pfad in sechs weitere Pfade auf. Einer davon verlief sogar nach oben und Yuki fragte sich, wie man diesem folgen sollte, wenn man nicht fliegen konnte. Sie zuckte die Schultern, hockte sich hinunter und legte eine Hand auf den Knotenpunkt der insgesamt sieben Pfade.

„Dies hier ist ein großer Albenstern. Yulivee sagte doch, dass wir nicht lange gehen brauchen. Daher wird das hier unser Zieltor sein.“

Yuki erhob sich und drehte sich um.

„Wie wir das Tor allerdings öffnen weiß ich nicht. Sagte Yulivee etwas zu dir?“

„Nein, ich weiß es auch nicht…“

Nun hörte sich Eissi’s Stimme weinerlich an und Yuki suchte nach ihrer Hand und drückte sie.

„Mach dir keine Sorgen, ich passe auf dich auf.“

„Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Ich sehe weder dich noch irgendetwas von mir. Diese Dunkelheit ist doch nicht normal! Müsste nicht wenigstens dieser Scheiß-Pfad uns irgendwie erhellen? Ich denke der soll aus Licht sein…!“

Yuki nahm ihre Freundin in den Arm und drückte sie. Als sie von ihr abließ streichelte sie nochmal sanft ihre Wange und drehte sich dann wieder zu dem Knotenpunkt um. Erneut hockte sie sich davor und streichte mit einer Hand über die Pfade. Ein leichtes Kribbeln durchfuhr sie, dann erhoben sich ihre Linien und bildeten wieder eine Öffnung. Eissi stieß einen Freudenschrei aus und schob Yuki durch den Albenstern.
 

Vor ihnen erstreckte sich eine karge Landschaft aus Felsgestein. Der Himmel war wolkenlos und die Sonne stand hoch am Zenit. Als sich ihre Augen an das Licht gewöhnten schaute sich Yuki weiter um und wirbelte herum, als Eissi hinter ihr erneut einen Freudenschrei ausstieß.

„Da! Guck mal dahinten!“

Yuki folgte ihrem Finger und sah in einiger Entfernung die Umrisse einer riesigen Stadt, deren Mitte von einem hohen Gebäude eingenommen wurde. Um das große Gebäude waren mehrere kleinere Türme kreisförmig angeordnet und überhaupt schien die Stadt aus zwei Ebenen zu bestehen.

„Das ist Midgar, Yuki!! Wir sind tatsächlich hier, wie geil!“

Eissi umarmte ihre Freundin auf einmal stürmisch und zog sie in Richtung der Stadt davon. Yuki drehte sich noch einmal zu dem Ort herum an dem sie angekommen waren und ihr wurde das Herz plötzlich schwer. Dies war das Felsplateau auf dem Zack in Final Fantasy VII Crisis Core starb. Ob Eissi dies aufgefallen war? Yuki wandte den Blick ab, um zu ihrer Freundin aufzuschließen und rief sich dabei Emerelle’s Worte wieder in den Sinn.
 

„Die Welten werden nicht so sein, wie ihr sie kennen mögt. Vermeintlich tote Personen können am Leben sein, genauso wie umgekehrt. Auch die Gut-und-Böse-Konstellation kann eine völlig andere sein.“
 

An diese Worte klammernd hoffte Yuki, dass ihr Aufenthalt in dieser Welt ein Guter wurde und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
 

- Ende Reise 2: „Gaia“ ~Ankunft~ -

Reise 2 "Gaia" - 2.2 ~Verfolgung~

6. Juni 2012

Während sie durch die Ödnis streiften erfreute sich Eissi selbst an banalen Dingen, wie einem fliegenden Falken am blauen Himmel oder einem halb verdorrten Busch am Wegesrand. Einerseits nervte es Yuki unheimlich, andererseits fand sie diese kindliche Freude ihrer Freundin auch sehr niedlich. Sie selbst war auch sehr aufgeregt, denn sie mochte diese Welt ebenfalls sehr, aber sie konnte ihre Freude nicht so ausleben, denn sie achtete auf die Umgebung, ob sie irgendetwas spürte. Sie fluchte leise vor sich hin, weil sie ja gar nicht wusste, worauf sie achten sollte. Plötzlich hatte Eissi ihr Gesicht nah vor Yuki’s geschoben und grinste sie breit an.

„Was ist denn los, freu dich doch mal!“

„Nunja, ich bin aufmerksam, nicht das wir überrascht werden…“

„Ach was! Nun entspanne dich doch mal! Es ist doch toll hier!“

Mit diesen Worten hüpfte Eissi wieder fröhlich in der Gegend herum und hielt direkt auf Midgar zu.
 

Die riesigen metallenen Tore der Stadt konnten per Knopfdruck geöffnet werden und Yuki und Eissi konnten ungehindert die Stadt betreten. Nun kam auch Yuki nicht umhin einen Ausdruck ihres Erstaunens hinaus zu rufen, während sie sich in der geschäftigen Metropole umschaute. Es waren viele Menschen unterwegs, genauso wie Autos und Motorräder. Plötzlich dachte Yuki an ihre alte Heimat und für einen kurzen Moment übermannte sie die Sehnsucht an ihr Zuhause. Als sie jedoch Eissi hinterher rannte, um sie im Getümmel nicht zu verlieren, verflog diese Sehnsucht schnell wieder.

„Das kannst du nicht machen! Du kannst nicht einfach plötzlich loslaufen!“

„Entschuldige, aber ich bin ja so aufgeregt! Ist das alles spannend hier! In welchem Sektor wir wohl sind?“

Die Frauen schauten sich um, doch niemand schien besondere Notiz von ihnen zu nehmen. Zwei seltsam gekleidete Leute, wovon eine Waffen trug, schienen hier wohl niemanden besonders zu stören oder aufzufallen. Yuki hatte schon mit schreienden Menschen oder Schlimmeren gerechnet.

Sie überlegte fieberhaft, wo sie als erstes suchen sollten, als ein Tumult ihre Aufmerksamkeit erregte. Die weiße Schwertkämpferin und ihre magische Begleitung blieben stehen und starrten auf eine Menschentraube, die immer größer zu werden schien. Plötzlich rempelte ein junger Mann gegen Yuki, sodass sie strauchelte und nur mit Mühe auf den Beinen blieb.

„Kannst du nicht aufpassen, oder was?“

„Ey, ich kann doch nichts dafür, wenn ihr hier dumm wie Straßenschilder in der Gegend rumsteht!“

„Dumm wie Straßenschilder? Willst du mich verarschen, oder wie? Entschuldige dich mal!“

Eissi versuchte noch ihre aufgebrachte Freundin zu beruhigen, da schoss schon die Faust des Mannes vor. Yuki fiel ob der Wucht des Schlages auf die Straße.

„Nur weil du ein komisches Schwert trägst, heisst das nicht, dass du dich hier aufspielen kannst, Kleine! Für dich gelten dieselben Regeln in Midgar wie für alle anderen auch!“

Yuki hörte die Worte des Mannes nur ganz entfernt, denn in ihrem Kopf dröhnte es noch und sie hielt sich die schmerzende Wange. Ihre besorgte Freundin hockte neben ihr und wollte ihr aufhelfen, doch die Wut schien Yuki zu übermannen. Ihre roten Dreiecke leuchteten auf und sie funkelte den Mann bösartig an, bevor sie sich langsam aufrichtete.

„Du kannst froh sein, dass ich mein Schwert nicht gegen Idioten wie dich erheben werde. Doch beleidige mich noch einmal und ich mache dir die Hölle heiß! Im wahrsten Sinne des Wortes!“

Eissi erschrak, denn die Stimme ihrer langjährigen besten Freundin hatte einen tiefen, dunklen und vor allem bösartigen Ton, den sie vorher niemals hatte. Lag es an ihrem Dämonenblut?

Der Mann spie vor ihr auf den Boden und hob erneut seine Faust, doch diesmal wich Yuki behände mit einem kleinen Schritt zur Seite aus. Sie packte den Arm des Mannes und zog ihn näher zu sich heran, sodass sie seinen Schwung nutzen konnte, um ihm ihren Ellenbogen in den Bauch zu rammen. Bevor der Mann vornüber fallen konnte, trat sie ihm zwischen die Beine, sodass er zusammengekrümmt auf der Straße hockte.

Als Yuki erneut auf ihn eintreten wollte, hielt ihre Freundin sie entsetzt zurück.

„Yuki!! Es reicht! Er ist am Boden, lass es gut sein!“

Als die blonde junge Frau zu ihrer Freundin herum wirbelte, erschrak Eissi auf’s Neue, denn etwas an Yuki’s Augen hatte sich verändert. Ihr sonst so strahlend helles Blau hatte eine gelbliche Farbe angenommen und ihre Pupillen sahen aus wie Schlitze, ähnlich einer Katze.

„Eissi…?“

Nachdem Yuki blinzelte sahen ihre Augen wieder völlig normal aus und sofort fragte sich die Magierin, ob ihr ihre Einbildung nicht nur einen Streich gespielt hatte. Yuki schaute sie fragend an und schaute dann zu dem Mann, der sich langsam und mit gequältem Gesichtsausdruck wieder aufrichtete.

„Kleine weiße Schlampe! Das wird dir noch leid tun!“

Mit diesen Worten verschwand der Mann in Richtung der Menschentraube, sodass die jungen Frauen ihn schnell aus den Augen verloren.

„Was sollte das eben? Du wolltest weiter auf ihn eintreten, obwohl er schon längst am Boden war! Warum?“

„I-ich weiß nicht… was passiert ist! Das Letzte woran ich mich erinnere ist, dass der Typ mir eine rein gehauen hat. Danach hab ich Blackout und meine Erinnerung setzte erst dann wieder ein, als du mich so besorgt angeschaut hast.“

Ihre Stimme verriet, dass Yuki die Wahrheit sagte. Sie wusste wirklich nicht, was in den letzten zwei Minuten passierte. Die junge Magierin nahm ihre Freundin in den Arm und flüsterte leise: „Ist schon in Ordnung. Es ist okay.“

Yuki erwiderte die Umarmung nicht, sondern wartete, bis Eissi von ihr abließ.

Diese schaute der blonden Schwertkämpferin ins Gesicht und betrachtete ihre roten Dreiecke. Sanft berührte sie das Linke und spürte ein Kribbeln in ihrer Fingerkuppe.

„Faszinierend…“

„Hmh… Wir sind gerade mal hier angekommen und schon gab’s die erste Prügelei… Mir tut meine Wange weh.“

„Aber es war irgendwie cool, wie du den ganz lässig nieder gehauen hast! Ollowain scheint dir viel beigebracht zu haben.“

Yuki schaute traurig auf den Boden und nickte nur mit dem Kopf.

„Hey… was ist denn los?“

„Nichts, alles okay…“

„Hör auf, so falsch zu lächeln. Das zeigt mir immer, dass du nicht die Wahrheit sagst.“

Yuki antwortete nicht und als Eissi wieder ansetzen wollte, sah die Schwertkämpferin, wie zwei uniformierte Männer auf sie zuliefen. Sie hatten blaue Kleidung, Arm-, Schulter- und Beinschützer aus Metall und einen seltsam aussehenden Helm auf dem Kopf. Über die Schulter hatten sie eine Waffe gehängt und erst, als die Männer kurz vor ihnen standen, erkannte sie, dass es seltsame Schusswaffen waren. Yuki hasste solche Waffen, daher machte sie sich nicht die Mühe näher darüber nachzudenken, was es für welche sein könnten. Aber sie glaubte, dass es Maschinenpistolen waren. Die Schwertkämpferin stellte sich schützend vor Eissi und hatte ihre rechte Hand am Knauf ihrer rechten Klinge, bereit die Waffe sofort zu ziehen, falls nötig. Könnte sie die Männer angreifen? Sie waren Menschen und Yuki war sich auf einmal nicht mehr so sicher, einen der Männer ernsthaft verletzen zu können. Doch um Eissi zu beschützen müsste sie es wohl tun. Sie schluckte hart, als die Männer in etwa vier Schritt Abstand vor ihnen stehen blieben.

„Halt! Wer seid ihr?“

Der Mann hatte eine befehlsgewohnte Stimme und nun erkannte Yuki auch ein gewisses rotes Zeichen auf dem Helm der Uniformierten. Das Zeichen gehörte zur hiesigen Monopol-Firma, der Shin-Ra Electric Power Company. Diese Männer waren dann augenscheinlich Infanteristen der firmeneigenen Militäreinheit.

„Wir sind nur einfache Reisende!“

„Reisende, die einen Bewohner der Stadt niedergeschlagen haben und nun die Hände an ihren Waffen haben? Verkauf uns nicht für dumm, Mädchen!“

„Hände weg von dem Schwert!“, schrie der andere der Infanteristen und zielte prompt mit seinem Gewehrlauf auf Yuki. Diese zog scharf die Luft ein, während Eissi einen überraschten Schrei ausstieß. Der erste und größere der beiden Männer lief auf Yuki zu und kreuzte ihre beiden Arme auf den Rücken. Sofort schoss ihr ob der ruckartigen Bewegung ein ziehender Schmerz den Arm hinauf, sodass sie keuchend ihre eingezogene Luft wieder ausstieß. Der zweite Mann machte bei Eissi dasselbe und Yuki wollte ihn anschreien, hielt es aber für schlauer zu schweigen und aufzupassen, dass der Mann ihrer Freundin nicht allzu sehr wehtat.

„Ihr kommt jetzt mit uns mit! Und denkt nichtmal dran zu fliehen!“

So wurden die beiden jungen Frauen also zum ersten Mal in ihrem Leben abgeführt wie Schwerverbrecher.
 

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Albenmark, Burg Elfenlicht
 

„Wie ihr wünscht, Herrin!“

Ollowain erhob sich und wollte den Thronsaal gerade verlassen, als Emerelle ihn nochmal aufhielt. Er drehte sich um und wartete auf weitere Befehle.

„Ich möchte, dass du mir den Anführer der Trolle bringst. Ich will von ihm selbst hören, weshalb sie plötzlich so tief ins Tal kommen und das Herzland angreifen. Mit den anderen Trollen, die du und deine Ritter unterwegs trefft, könnt ihr verfahren, wie ihr es beliebt. Nur der Anführer ist mir wichtig!“

Ihre Stimme hatte einen kalten Unterton, der keine Zweifel an Emerelle’s Absichten aufkommen ließ. Er verneigte sich knapp und verließ den Thronsaal durch das große Flügeltor. Sofort begann er, seine besten Elfenritter zu versammeln. Er wollte keine allzu große Truppe aufstellen, denn in kleinen Gruppen ist man weitaus mobiler. Sollte die Gruppe aber zu klein sein, so würden die Trolle sie überrennen und er würde kläglich scheitern. Vielleicht würde er sogar sein Leben verlieren.

Etwa zwei Stunden später hatte er eine Truppe aus zehn Elfenrittern zusammengestellt. Die Hälfte bestand aus den Veteranen Fenryl, Farodin, Obilee, Kuja und Eodiren. Die anderen fünf waren junge Elfen, die sich zunächst noch beweisen mussten und noch nicht lange bei den Elfenrittern waren. Darunter zählten Elodrion, Link und seine Schwester Zelda und die Brüder Elvyn und Lazul. Sie alle standen oder stehen unter seinem Training und er war stolz auf sie. Sie gehörten zur Elite der elfischen Streitmächte. Er blickte in die Runde und nickte.

„Ihr wisst, wie unser Auftrag lautet. Es wird Zeit, dass wir die Trolle in ihre Schranken weisen. Wir werden ihnen zeigen, dass es nicht ungesühnt bleibt, wenn sie mordend und plündernd das Herzland betreten. Setzt auf Männer und folgt mir!“

Mit diesen Worten schwang sich Ollowain in den Sattel seines weißen Schimmels und jeder der Ritter tat es ihm nach. Sofort hallten die marmornen Mauern des Burghofes vom Hufgetrappel wider, als sich die Schar Elfenritter in Bewegung setzte. Jeder andere Elf hielt respektvollen Abstand zu den Männern, als diese das umliegende Burggelände verließen. Ollowain schlug kein allzu hohes Tempo an. Sollten sie noch heute in einen Kampf mit den Trollen geraten, wäre es unratsam, wenn seine Männer und ihre Pferde erschöpft vom langen Ritt wären.
 

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Gaia, Midgar
 

Yuki lief in dem kleinen Raum auf und ab und überlegte fieberhaft, wie sie fliehen könnten. Das Fenster war zu weit oben und zu klein, um sich hindurch zu zwängen. Die Tür war mit einem Code gesichert und nach unzähligen Versuchen hat Yuki es aufgegeben, den Code zu knacken. Eissi saß auf dem Boden und döste leicht vor sich hin. Ziemlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sie beide in Gefangenschaft waren, aber Eissi wollte einfach abwarten, da sie an ihrer momentanen Situation eh nichts ändern könnten. Aber die weiße Schwertkämpferin wollte dies nicht hinnehmen und doch wurde ihr diese Tatsache langsam bewusst. Der Raum war an sich komplett leer. Kein Tisch, kein Stuhl, nichts. Nur das große rote Shin-Ra-Symbol war an einer Wand zu sehen. Sie seufzte tief und ließ sich langsam neben Eissi sinken. Sie war des Laufens müde geworden und beschloss, ebenso wie ihre Freundin, einfach abzuwarten.

Nach gefühlten zwei Stunden plagte Yuki ein elendes Hungergefühl, doch sie sagte dazu nichts. Ihr Magen knurrte schließlich schon laut genug. Irgendwann kam das Grummeln von Eissi’s Magen dazu und die Freundinnen schauten sich zweifelnd an.

„Was ist, wenn die uns hier verrotten lassen?“

Yuki überlegte kurz, bevor sie antwortete.

„Ich kann die hier absolut nicht einschätzen. Wir sind Fremde, das ist unübersehbar. Allerdings weiß ich nicht, wie die hier mit Fremden verfahren. Entweder wir haben Glück und sie wollen nur irgendwas von uns oder wir haben Pech und sie werden uns loswerden wollen. Vielleicht ist dies hier schon der Anfang davon.“

Eissi krallte sich in den Arm von Yuki und vergrub ihren Kopf auf ihrer Brust.

„Ich hab mir das hier alles voll anders vorgestellt… Ich wollte doch Leute kennenlernen. Vielleicht hätten wir Cloud und so getroffen…“

Yuki starrte die Decke an und streichelte über Eissi’s Kopf. Nach weiteren endlosen Minuten hörte die Schwertkämpferin Schritte auf dem Gang vor der Tür. Sie schaute Eissi an und verzog das Gesicht.

„Entweder kommt da jetzt unser Retter oder unser Henker…“

„Ist mir egal, solange ich erstmal was zu essen bekomme…!“

Yuki lächelte und stand auf. Auch Eissi erhob sich und die Freundinnen warteten auf denjenigen, der da kommen mag. Die Schwertkämpferin stellte sich in eine bequemere Ausgangsposition und lockerte ihre Muskeln, die vom langen Warten steif geworden zu sein schienen. Als sie Geräusche von der Tür hörten, griff Eissi in Yuki’s Arm und diese spannte ihre Arme an.

„Als Schwertkämpfer musst du immer bereit für einen Angriff sein. Vor allem, wenn du in unbekannten Gebieten bist. Behalte das immer im Hinterkopf, dann kann dich niemand so schnell überraschen!“

Ollowain’s Worte hallten in Yuki’s Kopf wider und sie legte ihre rechte Hand auf den linken Schwertknauf, als Vorbereitung dessen, was sie erwarten möge.
 

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Währenddessen in Albenmark…
 

Ollowain und seine Elfenritter haben in einem Waldstück am Rand des Herzlandes ein kleines Trolllager aufgespürt. Die Truppe bestand aus sechs ausgewachsenen Trollen und er war sich sicher, dass sie im Ernstfall durchaus mit denen fertig würden, daher hat er die Verfolgung angesetzt. Er hoffte, dass die Truppe ihn und seine Schar zu dem Troll führen würde, der diese Vormärsche ins Herzland anordnete. Sie ließen die Pferde ein Stück abseits des Waldes zurück. Es waren schlaue Tiere, die den Weg schnell zu ihnen zurückfinden würden.

„Verteilt euch im Wald und wartet. Erweckt nicht die Aufmerksamkeit der Trolle. Sollten sie sich weiter ins Herzland vorwagen, werden wir angreifen. Sollten sie jedoch umkehren, werden wir sie verfolgen. Ich will wissen, wer für diese Vormärsche verantwortlich ist!“

Ollowain schaute seine Elfenritter einem nach dem anderen in die Augen. In keinem Augenpaar konnte den kleinsten Anschein von Zweifel erkennen. Also winkte er ihnen, ihm zu folgen und so schlichen sie sich wieder in den Wald zurück. Die Trolle saßen noch immer im Kreis und grölten etwas in ihrer grunzenden Muttersprache. Sie waren bestialisch laut und stanken obendrein wie die Sünde, sodass selbst Ollowain Mühe hatte, einen Würgreflex zu unterdrücken. Als er sich umschaute, entdeckte er die anderen Elfen und einigen Gesichtern nach zu urteilen, hatten sie dasselbe Problem, wie er selbst. Er heftete seinen Blick wieder auf die Trolle und konzentrierte sich, um einige der Laute zu verstehen. Er konnte zumindest ansatzweise die Trollsprache und obwohl er nicht so recht daran glauben wollte, konnte es sein, dass sie sich über etwas Wichtiges unterhielten. Doch wie zu erwarten sprachen sie nur über belanglose Sachen. Als sie anfingen sich über die besten Ausschlachtungsmöglichkeiten von Vieh zu unterhalten, verschloss Ollowain seinen Geist und suchte mit den Augen wieder nach seinen Gefährten. Er war stolz auf seine Elfenritter. Sie waren eine äußerst disziplinierte Gruppe: alle standen still und warteten. Wenn sie der Warterei überdrüssig waren, dann verbargen sie ihre Langeweile hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit. Ollowain richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die sechs Trolle. Ihm fiel es nicht sofort auf, doch als dem so war, legte er eine Hand alarmiert auf seinen Schwertknauf. Er hörte leises Rascheln um sich herum, denn die anderen Ritter machten sich ebenfalls bereit. Sie alle schauten sich um, denn auf der Lichtung waren nur noch vier Trolle. Ollowain spähte auf den gegenüber liegenden Lichtungsrand und erkannte die Schattenrisse der zwei fehlenden Hünen. Kurz danach hörte er rechts von sich erleichtertes Ausatmen. Er warf einen kurzen Seitenblick auf Elodrion, wie er die Hände von Schwert und Schild nahm, doch weiter wachsam blieb.

Die Trolle setzten sich nun langsam alle in Bewegung. Ollowain bedeutete den anderen Rittern noch zu warten. Scheinbar wollten die Trolle zurück in die Berge der Snaiwamark, nicht weiter ins Herzland. Als das Trampeln der Trollfüße in weite Ferne gerückt war, betraten die Elfen die Lichtung und schauten sich um. Farodin betrachtete nachdenklich das zertrampelte Gras und die ekelerregende Feuerstelle, die die Trolle zurückließen und schüttelte leicht den Kopf.

„Diese Monster sind so… ach, ich finde gar keine Worte dafür!“

Zelda faltete die Hände vor ihrer Brust und erwiderte: „Wenn die Trolle tatsächlich ins Herzland vorstoßen wollen, dann wird alles bald aussehen, wie diese Lichtung.“

„Dann ist es unsere Aufgabe sie daran zu hindern!“, sagte Elodrion entschlossen.

„Folgt mir, Elfenritter! Wir müssen herausfinden, woher diese Trolle kommen.“

Mit diesen Worten machten sich Ollowain und seine Schar Elfenritter wieder auf den Weg, um der Spur der Verwüstung der Trolle zu folgen.
 

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Gaia, Midgar
 

Vor ihnen stand ein gut aussehender blonder Mann, welcher einen vornehmen Anzug und Brille trug. Er schaute Eissi und Yuki streng an und musterte sie von oben bis unten. Hinter ihm standen zwei Infanteristen, die ihre Waffen schräg über die Schulter trugen.

„Mein Name ist Lazard Deusericus. Ich bin Direktor der SOLDAT-Abteilung des Shin-Ra-Konzerns. Zudem bin ich für die interne Sicherheit der Firma sowie für die Stadt Midgar zuständig. Wer seid ihr?“

Die Freundinnen tauschten kurze Blicke miteinander, dann versuchte Yuki dem bohrenden Blick des Mannes mutig zu begegnen.

„Ich heiße Yuki Akai. Dies ist meine Freundin Eissi.“

„Was wollt ihr hier in Midgar?“

„Das kann ich Ihnen nicht so einfach verraten. Tut mir leid.“

Lazards blaue Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

„Wenn dem so ist, dann ist unser Gespräch hiermit beendet.“

Er wandte sich zum Gehen und wollte gerade den Raum verlassen, als Yuki ihn noch einmal ansprach.

„Warten Sie! Was passiert mit uns? Im Grunde haben wir gar nichts getan!“

Lazard drehte sich um und blickte die Freundinnen finster an.

„Ihr habt einen Bewohner dieser Stadt angegriffen. Solche Vergehen werden bei uns nicht geduldet.“

„Aber sie hat sich doch nur gewehrt! Der Typ hat Yuki zuerst geschlagen!“, begehrte Eissi auf.

„Natürlich sagst du das. Sonst wärest du eine miese Freundin!“

„Machen Sie ja nicht meine beste Freundin dumm!“

Lazard lächelte abfällig.

„Du scheinst sehr temperamentvoll zu sein. Da ist es für mich nur noch naheliegender, dass du gerne einfach mal zuzuschlagen scheinst.“

„Schauen Sie sich ihre Wange an! Das sollte Beweis genug sein!“, sagte Eissi und drehte Yukis Kopf, sodass Lazard die rötliche Wangenseite sehen konnte. Dieser lief auf Yuki zu und zog grob ihren Kopf näher an sein Gesicht heran. Er strich über die rote Stelle und Yuki verzog vor Schmerz das Gesicht, sagte aber nichts zu der rüden Behandlung.

„Das scheint tatsächlich eine Schwellung zu sein. Das beweist mir aber nicht, dass der andere zuerst zugeschlagen hat.“

Yuki zog Lazards Hand von ihrem Gesicht weg und schaute ihm fest in die Augen.

„Das könnte ihnen nur ein unabhängiger Zeuge beweisen, da sie Eissi ja nicht glauben. Diesen Zeugen kann ich ihnen nicht liefern, da mir niemand aufgefallen ist. Es liegt also an euch.“

Eissi schaute ihre Freundin flehend an und blickte zwischen ihrer Schwertkämpferfreundin und Lazard hin und her. Für sie schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis Lazard wieder grinste und einen Schritt von ihnen zurückging.

„Du hast Mumm, das gefällt mir. Ich werde euch beobachten lassen. Sollte mir irgendetwas an euch negativ auffallen, werdet ihr es bereuen Midgar jemals betreten zu haben. Merkt euch das!“

Eissi atmete hörbar erleichtert aus, doch Yukis Miene verfinsterte sich nur noch mehr.

„Wer soll uns also auf Schritt und Tritt verfolgen?“

„Nun, unsere Turks sind mir dafür zu schade, daher werde ich meine SOLDAT-Männer dafür abstellen.“

„Das ist doch albern…“

„Wie bitte?“

„…Nichts…“

Yuki verzog bockig das Gesicht und Lazard bedachte sie wieder mit einem abfälligen Blick.

„Folgt mir, schließlich kann ich euch ja nicht alleine lassen.“

Die Freundinnen schauten sich kurz an, dann folgten sie Lazard und hinter ihnen folgten die beiden Infanteristen. Sie liefen einen langen Gang entlang, bis sie am Ende vor einem Aufzug standen. Lazard drückte den Knopf und wartete. Niemand sagte etwas, denn jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Yuki musterte Lazard und versuchte ihn charakterlich einzuschätzen.

„Er sieht aus, wie in Crisis Core. Er hat auch dieselben Charakterzüge. Misstrauisch und unnahbar. Soweit stimmt das also überein. Inwieweit bestehen jedoch Veränderungen, so wie Emerelle sagte?“

Ihre Gedanken drehten sich im Kreis und als ein kurzes Geräusch von der Ankunft des Aufzuges kündete drehte sich Lazard um und bat Eissi und Yuki hinein.

„Bitte. Ladys first!“

Somit betraten alle fünf den Aufzug und Lazard drückte den Knopf, der mit einer 49 beschriftet ist.

„Wie viele Etagen hat dieses Gebäude?“, platzte es aus Eissi heraus.

„60!“

Da die Antwort so knapp ausfiel, fragte sie nicht weiter nach. Es wäre unvorteilhaft, wenn sie diesen Mann jetzt verärgern würden. Sie befanden sich so oder so in einer heiklen Situation.

Yuki lehnte an der hinteren Fahrstuhlwand und beobachtete weiterhin die drei fremden Männer. Bei einem der Infanteristen war sie sicher, dass er einen Finger in der Nase hatte, aber sie hütete sich davor, etwas dazu zu sagen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam erneut das kurze Geräusch, woraufhin sich die Fahrstuhltür öffnete. Yuki riss die Augen auf ob dessen, was sie sah. Eissi öffnete den Mund zu einem stummen Schrei.
 

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Albenmark, Berge der Snaiwamark
 

Noch immer verfolgten sie die sechs Trolle. Das Gelände wurde immer unwegsamer, doch keiner der Elfen beschwerte sich. Der stille Eodiren lief neben Ollowain an der Spitze. Dahinter folgten Kuja, Link und Farodin. Zelda, Elodrion, Elvyn und Lazul überquerten in einem kleinen Abstand eine dünne Felsspalte und schlossen schnell zu den anderen wieder auf. Ollowain bedeutete ihnen anzuhalten und in Deckung zu gehen. Vor ihnen erstreckte sich ein kleines Trolllager. Zu sehen waren annähernd zwanzig Trolle. Diejenigen, die sich womöglich in Zelten befinden noch ausgeschlossen.

„Was machen wir jetzt?“

Kuja stellte diese Frage so leise wie möglich, obwohl dies unnötig war. Den zehn Elfen schlug ein Lärm und Gestank entgegen, der sie stocken ließ.

„Wenn wir dort hingehen, um den Anführer zu stellen, dann werden sie uns töten. Wir sind zu wenige, um eine realistische Überlebenschance zu haben.“

„Also kehren wir einfach um?“

„Das wiederrum wäre einfach enttäuschend.“

Ollowain und Kuja schwiegen eine Weile, bevor Ollowain ein kurzes Lächeln zuließ. Er drehte sich zu den anderen um und schaute sie einem nach den anderen an.

„Wir werden in der Felsspalte ein kleines Lager aufschlagen und einige Zeit hierbleiben. Wenn wir Glück haben, dann wird der Anführer selbst einen Vormarsch leiten. Das ist dann unsere Gelegenheit!“

„Aber Ollowain! Wie lange willst du darauf warten? Unsere Vorräte reichen vielleicht noch drei Tage. Du musst auch bedenken, dass wir auch wieder zurückkommen müssen!“, warf Link ein. Ollowain nickte und schaute dem jungen Elfen ins Gesicht.

„Mach dir keine Sorgen, das habe ich schon bedacht. Drei Tage. Länger warten wir nicht.“

„Dann müssen wir immer Wachen einteilen. Zelda verbirgt unser Lager mit einem Zauber, sollte etwas Unvorhergesehenes passieren.“

Die Elfe nickte und die Ritter liefen zu der Felsspalte zurück. Nacheinander sprangen sie in den dünnen Spalt und schauten sich um.

„Sollten die Trolle uns entdecken, könnte es problematisch werden“, bemerkte Farodin. „Sie könnten uns lebendig begraben.“

„Ich werde die Felsspalte zugleich mit einem Zauber verstärken, mach dir darüber keine Sorgen“, erwiderte Kuja ruhig. Farodin nickte nur und stellte seinen Beutel ab. Die anderen taten es ihm nach und machten es sich so bequem wie möglich. Ollowain sammelte die einzelnen Vorräte ein und teilte sie gerecht auf, sodass sie für jeden für knappe drei Tage reichen mussten.

„Kuja und ich werden die erste Wache an dem Trolllager übernehmen. Farodin, du bist für die erste Wache an unserem Lager verantwortlich!“

Die Elfen nickten und nahmen ihre Plätze ein. Farodin setzte sich an die Felsspalte und belegte sich mit einem leichten Unsichtbarkeitszauber. Ollowain und Kuja gingen hinter einem Felsen in der Nähe des Trolllagers in Deckung. Langsam verschwand die Sonne hinter dem Horizont und erste Fackeln wurden im Lager angezündet. Zugleich wurde es lauter und der Gestank vermehrte sich sogar noch mehr.

„Scheinbar gibt es bei denen jetzt Essen“, bemerkte Kuja leise.

Ollowain zwang sich den Blick nicht abzuwenden, um keine wichtigen Dinge zu verpassen. Er hatte Sorge, dass sein Magen nun endgültig rebellieren würde und versuchte an etwas Angenehmes zu denken. Er schloss kurz die Augen und seufzte. Vor seinem geistigen Auge erschienen die zwei roten Dreiecke, die er kennen und lieben gelernt hatte. Erneut huschte ein Lächeln über sein Gesicht, welches jedoch sofort von Sorge überschattet wurde.

„Ich hoffe es geht dir gut…“
 

Ende Kapitel 2.2



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: abgemeldet
2012-09-17T22:18:28+00:00 18.09.2012 00:18
So, nachdem ich mir mit dem Kapitel die Nacht um die Ohren geschlagen hab (XD) bekommst du natürlich auch dein nötiges Feedback^^

Story: An sich gefällt mir der Aufbau mit dem Training gut. Der Wechsel zwischen den beiden Charakteren und ihre anfängliche Ungeschicktheit machen die Geschichte glaubhafter, als in dienem ersten Werk, wo Yuki als Newbie in Midgar Bahamut abschlachten konnte. Sie sind nun mal nicht erprobte Kämpfer, daher sollten sie wirklich bei 0 anfangen. Der Einstieg dabei ist dir sehr gut gelungen, wobei Yukis Dämonenkräfte für meinen Geschmack zu einfach und zu früh erweckt wurden. Sicher verfolgst du dabei einen tieferen Plan, aber ich hätte es zum Beispiel besser gefunden, wenn ihre Kräfte während des Trainings mit einem anderen Schüler ausgebrochen wären, und sie dabei den Schüler schwer verletzt oder getötet hätte. Aber vielleicht hast du das ja schon geplant? Müsste noch weiterlesen^^
Nja gut, das waren nur meine Ideen soweit. Aber an sich, wie gesagt, grundsolide gute Leistung^^

Schreibstil: Dein Satzbau ist sehr einfach gehalten (vor allem zu Beginn des Kapitels), was das Verstehen der Geschichte deutlich einfacher macht, als ewig lange verschachtelte Sätze. Allerdings klingen dutzende kleine Sätze auf dauer etwas abgehackt. Hin und wieder ein paar mehr Nebensätze würden dem Klang der Geschichte sicher nicht schlecht stehen.
Ein kleines Manko, wieder auffällig gerade am Anfang, ist das fehlen passender Synonyme, gerade wenn es darum geht, Menschen zu beschreiben. Du wechselst fast ausschließlich zwischen "Yuki" und "sie" (bzw. Eissi/sie, Ollowen/er) etc., was auf dauer etwas verstörend wirkt. Versuch in Zukunft mal, deine Charaktere mit mehr Einfallsreichtum anzusprechen. "Die blonde Schwertkämpferin", "die junge Frau", "die Dämonenfrau", so etwas bringt Abwechslung und verschönert den Redefluss.

Rechtschreibung/Grammatik: Keine groben Verfehlungen. Hin und wieder mal ein Buchstabendreher, oder vergessene Kommata, aber nichts ernstes, was das Lesen unmöglich macht. Weiter so.

Fazit: Deine Geschichte gewinnt zunehmend an Reife. Du hetzt dich nicht mehr durch die Welt, wordurch man viel tiefere Bindungen an die Charaktere und Schauplätze bildet. Es macht Spaß, deine Geschichte zu lesen und wirklich langweilig war sie auch noch nich. Ich kann nur hoffen, dass die Geschichte weiterhin auf diesem hohen Niveau bleibt =)
Von:  Dark-Yuki
2012-04-16T19:13:43+00:00 16.04.2012 21:13
Erstmal:

Vielen Dank für deinen megaguten Kommentar! Danke. Sowas brauche ich als Schreiberling ;)

Aber das mit der mangelnden Charakterbeschreibung hatte ich extra so gemacht. Dass sie bei Eissi komplett fehlt war unglücklich das stimmt, aber mein Hintergedanke war eben, dass der Leser das alles so im Laufe der Geschichte beim Lesen mitbekommt. Ich bau da immer mal was ein.
War ein Experiment, mal gucken ob ich besser hinbekomme^^
Von: abgemeldet
2012-04-15T10:35:52+00:00 15.04.2012 12:35
Gut, kommen wir mal zur Bewertung.

Man sieht wirklich riesige Fortschritte zwischen dieser und der alten Version. Während die erste Version verdammt schnell - für meinen Fall ZU schnell - zur Sache kam, tastet sich diese Version gemächlicher, aber auch nicht langweilig an die eigentliche Geschichte heran. Du hast deinen Charakteren - der Tausch des wortkarken Jusatsu gegen die schelmische Eissi tat der Geschichte gut - endlich ein bisschen Geschichte verliehen. Was mir wiederrum noch immer missfällt, ist die fehlende Charakterbeschreibung. Von Yuki weiß man lediglich, dass sie eine Brille trägt und ihre Augenfarbe (Haarfarbe? War da was genannt? Weiß nicht mehr...), Eissi hat glaube ich gar keine Beschreibung ihres Aussehens bekommen. Das fehlt mir wirklich, weil ich möchte mir im Kopf die Charaktere vorstellen. Ich kenn euch beide zwar und weiß, wie ihr aussieht, aber für Leser, die euch noch nicht gesehen haben, wird das wohl eher schwer.
Der Übergang in die neue Welt gefällt mir auch schon besser. Das mit dem fliegenden Licht und dem Lichtpfad war etwas ungewöhnlich und seltsam. Der Übergang mit den Kopfschmerzen erinnert mich ein wenig an die Traumvisionen aus Final Fantasy VIII, welches generell mein Lieblingsteil ist; dafür also ein kleiner Pluspunkt. Der einzige bessere Übergang, den ich kenne ist der Schrank aus Narnia, aber das will man ja nicht kopieren =P
Die Albenmark selbst kann ich nicht genau bewerten, da ich die Bücher nicht gelesen habe, aber ich konnte mir durch die Beschreibungen deiner Geschichte doch ein vierdeminsionales Bild machen, was mir ziemlich gefällt. Ich denke, die Beschreibungen sind recht gut gewählt.

Fazit:
Mit dir ist auch deine Schreibkunst gereift. Der neue Prolog ist gut gelungen, wenn auch er kleinere Schwächen hat, die aber nicht allzusehr ins Gewicht fallen. Wenn du dir für deine Geschichte genug Zeit nimmst, so denke ich, kann sie erstaunlich gut werden^^
Weiter so =)


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