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Schlag dem Drachen den Kopf ab!

Original-Speedwichteln für Andromeda
von

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Morgenstern

Als er erwachte herrschte die gleiche Stille, mit der er das Bewusstsein verloren hatte. Gerade eben erst musste das geschehen sein - so fühlte es sich jedenfalls an -, doch der Himmel über ihm widersprach dieser Annahme. Er präsentierte sich, statt in den leuchtenden Rottönen eines dem Ende zugehenden Tages, in einem dunkler werdenden Blau, das vom Horizont herkommend über ihn hinwegzog und dabei die letzten hellen Flecke des vergangenen Tages vor sich herschob, damit sie der anbrechenden Nacht wichen.

Die Mühe, die es ihn kostete, sich schrittweise von seinem unfreiwilligen Lager zu erheben, ließ mit ebensolcher Schwerfälligkeit die Erinnerung zurückkehren, die ihn erst dorthin versetzt hatte, wo er sich gerade befand. Gedanken tauchten wie die Sterne am Abendhimmel auf und nahmen einer nach dem anderen wieder ihren Platz ein, den sie eigentlich nie wirklich verlassen hatten.
 

Vorsichtig strich seine Hand über die eine Stelle an seinem Bauch, an der sich die furchtbare Wunde befinden musste, deren heftiger Schmerz ihm die Besinnung geraubt hatte. Doch glücklicherweise war alles, was seine zitternden Fingerspitzen ertasteten, der Stoff seiner Kleidung, der, anders als in seiner letzten gespeicherten Erinnerung vor der Schwärze, intakt war und bis auf einige Gras- und Schmutzflecken weder getrocknetes noch feuchtes Blut aufwies.
 

Es passte einfach nicht zusammen. Nichts davon, was sich vor seinen Augen abspielte, die sich nach und nach an das noch herrschende Dunkel zu gewöhnen begannen.

Die Bäume und Sträucher um ihn herum, die lediglich aus schattenartigen Konturen bestanden, hatten ihre Kronen Richtung Boden geneigt, um die Szene zu ihren Wurzeln besser betrachten zu können. Scheinbar atemlos verfolgten sie, wie sich der junge Mann beschwerlich aufzusetzen begann.
 

Er war nicht alleine gewesen, bevor das alles passierte. Das war der nächste der aufflackernden Sterne, dessen Licht den Wolkenschleier durchbrechen konnte.

Augenblicklich schlich sich ein ungutes Gefühl ein, das, vom Magen herkommend, in Windeseile seinen Oberkörper hinaufkroch und auf seinem Weg eine Welle aus kribbelnden Impulsen aussandte, die die Härchen an seinen Armen und in seinem Nacken sich aufrichten ließen.
 

Schlagartig fiel ihm wieder ein, was ihm an dieser Stille falsch vorgekommen war: es durfte sie nicht geben, wenn er doch nicht alleine gewesen war.

Zögernd hob er den Kopf und ließ die Blicke vorsichtig über seine Umgebung wandern.
 

Nicht weit vor sich erkannte er einen Schatten, der auf dem Boden lag und sich nicht regte.

Die aufflammenden Sterne verursachten eine weitere Woge aus unangenehmen Impulsen, die sich nun um seine Kehle sammelten und diese zuzuschnüren begannen. Sein Blut rauschte pulsierend in seinen Ohren und ein aufkommender Schwindel wollte eine neue Wolkendecke über seine Erinnerungen schieben. Mit aller Kraft lehnte er sich dagegen auf und wandte sich dem zweiten, kleineren Schatten zu, der links neben ihm kauerte.
 

Im Gegensatz zu dem ersten, kniete der Zweite jedoch vornübergebeugt auf dem Boden, die Arme unter seinem Oberkörper verborgen. Die bleichen Finger seiner linken Hand krallten sich in den dunklen Stoff seiner rechten Körperhälfte, ganz so, als umarme er sich selbst. Seine Stirn berührte fast das schwarze Gras unter sich, so weit hatte er sich vorgebeugt, und das bei Tageslicht strohblonde Haar fiel ihm wie ein verwaschener grauer Vorhang über das Gesicht und verdeckte dieses, so dass nicht zu erkennen war, ob er die Augen geöffnet oder geschlossen hatte. Ein ersticktes Flüstern war alles, was er von sich gab. Zumindest war er nicht tot. Tot, wie -
 

Er musste sich zusammenreißen, um nicht wieder zu dem großen Schatten hinzusehen. Durch das Flüstern angetrieben, das, so leise es auch war, doch vertrauter war als alles, was ihm nach und nach einfiel zusammen genommen, stand er schließlich auf und ging zu dem gebeugten Schatten hinüber.

Er war auf einem Schlachtfeld erwacht, raunte ihm sein Verstand zu, als er die im Mondlicht silbern schimmernde Klinge eines Messers sah, das etwa eine Armlänge entfernt neben seinem Gefährten im Gras lag. Blutige Schlieren zogen sich über die blanke Klinge und führten, eine Spur aus dunkelroten Tropfen bildend, bis zu den Händen, die sie vor Kurzem noch gehalten hatten.
 

Erschöpft ging er zwischen dem Messer und dem jungen Mann auf die Knie. Seine Hand tastete nach den bleichen Fingern, die endlich den Stoff losließen und stattdessen nun sein Handgelenk packten und ihn festhielten.

Das brüchige Flüstern wurde etwas klarer.

"Ich-" Ein panischer Atemzug unterbrach den Satz. "Ich weiß es noch", fuhr er fort. Es war deutlich herauszuhören, dass ihn jedes Wort anstrengte, das seine zitternden Lippen verließ. "Ich weiß es noch."



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Poolee
2012-08-03T18:58:10+00:00 03.08.2012 20:58
ch hab sie gelesen. Nachdem wir über die beiden Charas gesprochen hatten, musste ich mir den Hintergrund verschaffen.
Ich habe deinen Schreibstil schon immer deswegen gemocht, weil du immer wieder so scheinbar banale Dinge in deinen Geschichten so wunderbar beschreibst und das eine Szene, die erst noch von Handlung oder Dialog unbedeutend erscheint, hervorhebst.
Ich habe heut zum ersten mal festgestellt, dass du dich nicht am Beschreiben deiner Figuren aufhälst (so wie ich es gerne fälschlicherweise, ganz selbstverliebt mache), sondern vielmehr die Details drumherum malst. So habe ich keinerlei Vorstellung, wie Rubio aussieht - gut, kein rotes Haar :) - oder wie alt er ist, auch bei Isidor weiß ich nur, dass er blondes Haar hat. Ich halte mich immer gern mit viel zu detaillierten Beschreibungen vom Aussehen auf - stelle ich gerade fest >__>
Und darum beneide ich dich!
Denn ich habe bemerkt, dass es nicht wichtig ist, wie die Figur aussieht. Erwartungsvoll hab ich bei den ersten Zeilen auf eine Aussehensbeschreibung gewartet, die aber nicht kam. Statt dessen hat mich deine Metapher mit den aufflackernden Sternen am Himmel und die Erinnerung & den Gedanken nach dem Erwachen fasziniert. Genauso, wie deine Beschreibung des Tisches im Gasthaus, die zerfurchte Holzoberfläche.
Und ich habe mich wieder daran erinnert, was ich an deinem Stil immer gemocht habe.
Die Stelle, an der Isidor aufwacht und hilfesuchend nach der Hand des schlafenden Rubios tastet, hat mir eine Gänsehaut bereitet. Vorallem der _geflüsterte_ Satz: "Du wolltest einen Drachen suchen" HACH! Da ging mir so das Herz auf! <3 Du schaffst es hier wunderbar, keine überflüssigen Dialoge zu schaffen, sondern all die wichtigen Emotionen allein durch so simple Handlungen zu beschreiben. Ich bin begeistert!
Haaah, und ich verstehe nun auch den Wink mit dem Wappen und den Titel der Geschichte! Der Lindwurm = Drache - Schlag dem Drachen den Kopf ab = Töte deinen Vater! Herrlich! *in die Hände klatscht* Zumindest hoffe ich, es richtig interpretiert zu haben.
Herrlich die Szene, wo Isidor ihn erschlägt. Das Blut, welches über das Gesicht rinnt, die abgeschlagenen Zähne, die in die Zunge schneiden - Details, an die man in jenem Moment nicht gedacht hätte, die die ganze Szene aber viel lebendiger machen!

Ich freue mich nun noch mehr, gemeinsam mit dir weiter an deinen beiden "Problemkindern" zu basteln! ^^
Von:  Andromeda
2012-05-22T17:04:59+00:00 22.05.2012 19:04

liebe catkin <3

es tut mir so leid, dass dieser wohlverdiente kommentar so endlos lange auf sich hat warten lassen O_O


nochmals vielen lieben dank für deine wundervolle geschichte <3
es ist purer genuss, sie zu lesen. alleine dein wundervoller und detaillierter schreibstil ist traumhaft ~ fast nüchtern und doch wundervoll ausschraffiert. einfach herrlich.

die charaktere passen einfach zu deinem schreibstil, sie wirken so darin verwoben, dass sie trotz der ganzen details so lebendig wirken. alleine die namen sind herrlich und haben absolut meinen geschmack getroffen :)
die beziehung zwischen isidor und rubio ist einerseits wirklich hochdramatisch, wenn man die ganze situation um isidor betrachtet und doch von einer beeindruckenden tiefe. sie ergänzen sich irgendwie beim lesen perfekt. rubio trägt doch eine relativ große verantwortung mit isidor und seinem geheimnis und ist dabei völlig allein.
auch wenn man nicht sehr viel über das leben der charaktere erfährt, nehmen die beiden einen einfach gefangen.

auch die storyline, die du so komplex ausgearbeitet hast und ineinander verworren hast, wirkt ein bisschen losgelöst und wie in ein vakuum gepackt ~ ich liebe sowas <3


du hast wirklich ein kleines meisterstück geschaffen und ich habe es genossen, sie zu lesen :)

nochmals danke für deine mühe, die du dir hier gemacht hast und sorry, dass ich erst jetzt kommentiert habe.
<3
glg
Dromeda


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