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Try to set the night on fire

Yakuza meets Göre...?
von

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Nacht der lebenden...

Wortanzahl: 3.671

Kapitelrating: PG-13

A/N: Und jetzt: das Finale! (Das ich einmal fast vollständig umgeschrieben habe, weil es ansonsten zu antiklimatisch gewesen wäre.)
 

~*~
 

Ich beschloss, das Ganze trotzdem durchzuziehen. Einen Tag nach meinem Beinahe-Tod und einen Tag vor meinem ‚Date’ mit Daisuke hatte ich noch einmal alles durchdacht. Hakuei hatte wütend gewirkt, als er mich rausgeschmissen hatte, mein Vater eher verängstigt. Ich konnte mir vorstellen, weshalb – sie hatten die Sorgen eines Löwen, der ein Rehkitz aufgezogen hatte. Ich, das naive und vor allem bekloppte Reh, war natürlich mitten in die Höhle der Löwen reingerannt und hatte mich auf dem Präsentierteller dargeboten.

Kurz gesagt: Sie hatten beide Angst gehabt, dass ich von ihrem eigenen Clan zerfleischt wurde. Nur hatte Hakuei es auf eine andere Art gezeigt als mein Vater.

Es überraschte mich selbst, dass ich mir dabei so sicher war, aber anders konnte ich mir Hakueis Verhalten nicht erklären – bis auf dass er mich wirklich abgeschrieben hatte und nie wiedersehen wollte. Aber das konnte er mir doch bitteschön auch auf eine andere Art und Weise mitteilen.

Dass es mir wirklich ernst mit ihm war, merkte ich in dem Moment, in dem mir klar wurde, dass es mich eigentlich nicht interessierte, ob Hakuei mich hasste oder nicht. Es war mir egal. Wenn ich die ganze Mühe auf mich nahm, um ihn zu sehen, und er wies mich zurück, gut so. Dann wusste ich wenigstens, was Sache war. Und im anderen Fall... war es die Mühe natürlich mehr als wert. Tatsache war, dass ich ihn auf jeden Fall noch einmal sehen wollte. Egal wie. Und hier kam Daisuke ins Spiel.

Nur kurz – ich war gleich Mittwoch, nachdem Daisuke mich zurück zur Schule gefahren hatte, bei Aya eingezogen. Ich hatte keine Lust, mich meinem Vater zu stellen, bevor ich mit Hakuei geredet hatte, und deshalb hatte ich mir bereits überlegt, bei jemand anderem kurzzeitig unterzukommen. Das Problem war, dass mein Vater sowohl Towas als auch Sanakas Adresse und Telefonnummer kannte. Deshalb bettelte ich Aya an und konnte sie schließlich mit dem Argument überzeugen, dass ich Towa sonst von ihrem Seitensprung erzählen würde. Sie hatte es, ehrlich gesagt, ziemlich lange mit Towa ausgehalten, also musste sie ihn wohl wirklich mögen. Ich erklärte Towa, dass es ziemlich wichtig für mich war, dass ich irgendwo hin ging, wo mein Vater mich nicht fand, und nach einigem Hin und Her akzeptierte er es auch.

Meinem Vater hatte ich, nachdem ich mir einige Sachen zusammengepackt hatte, nur folgende Notiz hinterlassen: ‚Bin für ein paar Tage bei Freunden, mach dir keine Sorgen um mich und such nicht nach mir. Spätestens Samstag hörst du von mir, versprochen. Bitte hass mich nicht ._.’ Ich war mir ziemlich sicher, dass er es nicht darauf beruhen lassen würde, aber das musste ich in Kauf nehmen.

Den gesamten Mittwochnachmittag und den Donnerstagmorgen (bis jetzt) war ich nicht aus Ayas Haus gegangen. (Wäre auch ziemlich blöd, wenn ich versuchte, mich zu verstecken und in die Schule ging.) Ich hatte auch vor, genau das bis morgen Nacht zu tun – bis Daisuke mich abholen kam. Er war einer der wenigen, die wussten, wo ich mich aufhielt.

Das Einzige, was ich hoffte, war, dass weder mein Vater noch eventuell Hakuei sich allzu viele Sorgen um mich machten.
 

~*~
 

Freitagnacht war es endlich soweit. Das ganze Warten hatte ein Ende. Ich hatte die Zeit bei Aya mehr oder weniger gut überstanden – sie hatte zwei kleine Schwestern, die ständig wissen wollten, was um alles ich bei ihnen zuhause machte. Ansonsten war alles reibungsloser verlaufen, als ich erwartet hatte. Ihre Eltern wunderten sich keinen Moment über meine Präsenz, nachdem ich ihnen erklärt hatte, dass ich ein Freund von Ayas Freund war und für einige Tage Asyl brauchte, weil ich mich mit meinem Vater gestritten hatte. Nach kurzer Zeit kam heraus, dass ich wohl nicht der Einzige war, der Aya auf diese Weise ausgenutzt hatte, und ab da machte ich mir keine Gedanken mehr. War ihre Sache.

Sanaka hatte mich Donnerstagnachmittag besucht und mich gefragt, was um Himmels Willen in letzter Zeit mit meinem Leben los sei. Ich hatte nur geantwortet, dass sich das hoffentlich klären würde. Und zwar genau jetzt.

Vielmehr, in der nächsten Stunde. Es war nach zwei Uhr nachts und ich saß auf der Treppe zu Ayas Haus, halb am Einschlafen. Daisuke hätte seit zehn Minuten hier sein müssen, aber stattdessen erntete ich von jedem, der vorbei fuhr, nur seltsame Blicke. Ich musste wohl besoffen gewirkt haben, wie ich da völlig erschossen saß und trotzdem nicht ruhig bleiben konnte, immer hin- und herrutschte, leise vor mich hin pfiff oder Songtexte murmelte.

Als ich endlich Daisukes Auto vorbeifahren sah, sprang ich auf, rannte auf die andere Straßenseite und stieg so schnell wie möglich ein. „Da bist du ja endlich“, meinte ich missbilligend, während ich mich anschnallte.

„Keine Hetze“, gab er gelassen zurück und fuhr los. „Ich weiß, wann er losgefahren ist, ich weiß, wo er sich in diesem Moment aufhält und ich weiß, wann er ankommen wird. Und wir liegen perfekt im Zeitplan. Wenn wir da sind, hat er höchstens zwei Minuten Vorsprung.“

Die nächsten zehn Minuten waren wir beide still. Ich spürte, dass Daisuke mindestens genauso angespannt war wie ich, aber das lag höchstwahrscheinlich daran, dass wir kurz davor waren, uns unbefugten Zutritt auf ein Fabrikgelände zu verschaffen. Die ganze Sache verhielt sich wie folgt: Daisuke hatte in Erfahrung gebracht, wo Hakuei sich diesen Abend aufhalten würde, und kurz gesagt – wir würden ebenfalls dorthin kommen. Das war laut Daisuke die einfachste Methode, an Hakuei heran zu kommen, wenn er nicht gerade unter Beobachtung stand oder von Clanmitgliedern umringt war.

„Wie’s aussieht, macht dein geliebter Vater einigen Terror“, bemerkte Daisuke neben mir und schnipste etwas Asche aus dem geöffneten Seitenfenster. Ich presste nur die Lippen zusammen und entgegnete nichts. „War kurz davor, auch mich auszuquetschen. Er muss wohl spitzgekriegt haben, dass wir uns recht gut verstehen.“ Als ich immer noch schwieg, fuhr er fort: „Sieht nicht gut aus für dich. Wenn du so weiter machst, hast du irgendwann niemanden mehr, der zu dir hält.“

Ich verengte meine Augen ein wenig und schaute ihn misstrauisch an. „Mein Vater würde mich nie im Stich lassen“, bemerkte ich bestimmt.

„Überleg dir, was du bis jetzt alles getan hast“, erwiderte er mit einem Achselzucken und verfiel erneut in Schweigen.

Unterm Strich war das wirklich viel. Nicht nur, dass ich in seiner Abwesenheit mit Hakuei... Nein, ich wusste nun auch noch, wo sein Clan sich bevorzugt aufhielt und war bereits einige Male unvorbereitet dort hereingeplatzt. Tja, und dazu kam noch, dass ich so gut wie von zuhause weggelaufen war. Nur mit dem Unterschied, dass ich zurückkommen würde. Und zwar gleich morgen, wenn ich wusste, was überhaupt los war mit Hakuei.

Es würde ziemlich lange dauern, bis mein Vater mir das alles verzeihen würde, das war mir bewusst. Ich könnte mir einfach etwas brechen, dann könnte er bestimmt nicht mehr sauer auf mich sein.

Ich wurde unsanft aus meinen Gedanken gerissen, als Daisuke plötzlich anhielt und mich vielsagend musterte. „Wir sind da“, verkündete er ruhig und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. Ich hatte ganz vergessen, ihn um einen Zug zu bitten, so aufgeregt und angespannt war ich innerlich. „Und du bist noch immer sicher, dass du da rein willst? Du könntest Dinge sehen, die du nicht sehen wollen würdest. Du könntest eine Seite an deinem Liebsten entdecken, die dir lieber verborgen geblieben wäre.“

„Ich hab schon mal eine Leiche gesehen, die er umgebracht hat“, gab ich ernst zurück, um meine Abgebrühtheit unter Beweis zu stellen. Andererseits bekam ich wieder weiche Knie, als ich an diesen Vorfall zurückdachte. Hakuei hatte mich anschließend die Treppe hochgetragen, weil ich nicht mehr laufen konnte. Ich hatte Angst vor ihm gehabt... und das hatte ich jetzt auch. Aber ich musste mich nun mal mit der Realität auseinander setzen. Koste es, was es wolle.

„Er hat die Leiche umgebracht...?“, wiederholte Daisuke und betrachtete mich befremdet.

Ich brauchte einen Moment, um seinen Kommentar zu begreifen, dann musste ich gegen meinen Willen lächeln und schlug ihm mehr spielerisch auf den Oberarm. „Nein, Mann! Und jetzt lass uns endlich gehen, sonst entscheide ich mich doch noch um.“

Er hatte selbst ein schwaches Grinsen auf den Lippen, als er ausstieg, wurde allerdings wieder ernst, als wir vor dem großen Fabriktor ankamen. Die massive Eisenkette, die es zusammengehalten hatte, war offenbar mit einem Bolzenschneider durchtrennt worden. Eine Welle des Unbehagens überfiel mich. Es war dunkel und unangenehm kühl, ich spürte meine Finger kaum. Vom Gelände der im Moment still stehenden Fabrik fiel fahles Laternenlicht in unsere Richtung und beleuchtete einen großen, verlassenen Hof.

„Dann gehen wir doch mal“, beschloss Daisuke, der noch immer die Ruhe weg hatte, und betrat das Gelände direkt darauf. Ich folgte ihm unsicher. Trotz meiner angepassten Kleidung – unauffällig, normale Schuhe, Jeans, dunkles Oberteil, echt langweilig für meine Verhältnisse – fühlte ich mich mehr als fehl am Platze. Wir gingen langsam am Rande des Hofs entlang, möglichst dort, wo kein oder nur wenig Licht hinfiel, damit wir nicht wie auf dem Präsentierteller von der Straße aus gesehen werden konnten.

„Anfängerfehler“, murmelte Daisuke sehr leise. „Das erste, was man lernt, ist nicht aufzufallen. Entweder er will so schnell wieder hier weg sein, dass ihm die kaputte Kette egal ist, oder er fühlt sich so sicher, dass er es nicht für nötig befand, hinter sich aufzuräumen. Es kann natürlich auch sein, dass er es wirklich vergessen hat, aber das kann ich mir bei ihm kaum vorstellen. Bei jedem, außer bei ihm.“

Ich bemerkte eine gewisse Verbitterung in seiner Stimme und erinnerte mich wieder daran, was er mit Hakuei verband – aber bevor ich diesen Gedanken fortführen konnte, bogen wir auch schon um die Ecke.

Was auch immer ich erwartet hatte, der Anblick, der sich mir bot, traf es zwar nicht vollkommen, lag aber auch nicht im Bereich des Unglaublichen. Eine gedämpfte Klemmleuchte erhellte die kleine Nische, in der sich Hakuei und sein Opfer befanden. Das erste, was ich sah, war Blut, das zweite Hakueis Messer, das er dem Kerl an die Kehle hielt. Ich konnte ziemlich viel Blut erkennen, offenbar war der Typ zuvor gefoltert worden, und da Hakueis Klamotten weniger frischgewaschen als eher wie nach einer Schlachtung aussahen, konnte ich mir vorstellen, wer es gewesen war.

Meine Knie wurden weich – ich hatte Blut noch nie gut sehen können, es sei denn, es war mein eigenes –, aber ich zwang mich dennoch, weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen. Ich war hergekommen, um mit Hakuei zu reden, und mit Hakuei würde ich reden. Gerade, als ich den Mund öffnete, legte sich von hinten ein Arm um mich, allerdings nicht einfach so, sondern um meinen Hals, und drückte leicht an meine Kehle.

„Hallo Hakuei“, sagte Daisuke und ich brauchte keine Sekunde, um zu begreifen, dass das kalte Ding, was ich nun an meiner Schläfe spürte, eine Pistolenmündung war. Das konnte doch wohl nicht wahr sein!

Hakuei blickte alarmiert auf, und für einen Moment glaubte ich, Panik in seinem Gesicht sehen zu können – die gleiche Emotion, die mir auch aufgefallen war, als ich einfach so ins Hauptquartier spaziert war. So schien er immer auszusehen, wenn ich in Gefahr war. „Daisuke“, erwiderte er die Begrüßung aus zusammengebissenen Zähnen.

„Lass mich los!“, rief ich und begann, mich im Griff des Polizisten hinter mir zu winden. „Lass – mich!! Nein! Du wirst mich nicht benutzen, um-“

„Sieh an, ganz so zurückgeblieben bist du wohl nicht, hm“, murmelte Daisuke und fügte dann laut hinzu: „Möchtest du wissen, wie es sich anfühlt, wenn einem der Mensch geraubt wird, den man am meisten liebt? Soll ich es dir zeigen?“

Ich hätte mir selbst den Schädel einschlagen können. Natürlich, deshalb hatte Daisuke immer in meiner Nähe herumgelungert, deshalb hatte er mir geholfen, Hakuei zu finden, es ergab jetzt alles einen Sinn. Einen, den ich zugegebenermaßen schon vorher hätte sehen können. Müssen. Ich erwog kurz, einfach in Daisukes Arm zu beißen, allerdings könnte dann sein Finger ausrutschen und mein Gehirn zu Brei ballern. Nein, das wollte ich lieber nicht riskieren.

„Was willst du?“, knurrte Hakuei zurück, in richtiger Yakuzamanier, allerdings hätte ich ihm die Frage auch selbst beantworten können: Rache. Das war doch offensichtlich. „Außerdem, was bringt dich auf den Gedanken, dass ich den Kleinen liebe?“

Das brachte mich dazu, dass ich aufhörte, mich zu wehren. Ich starrte Hakuei an, Hakuei sah an mir vorbei, das Gesicht angespannt. Das ... meinte er doch hoffentlich nicht ernst. Doch ich wurde von etwas ganz anderem abgelenkt: Der Kerl, mit dem Hakuei zuvor zugange gewesen war, hatte sich weitestgehend unbemerkt aufgerappelt und stolperte nun auf seinen Widersacher zu. „Ha-chan!“, rief ich, um ihn zu warnen, doch er drehte sich nicht mehr rechtzeitig um.

Die folgende Minute kam mir vor wie eine gesamte Stunde. Ich verfolgte fast in Zeitlupe, wie Hakuei einen Schlag in die Seite kassierte, daraufhin herumwirbelte und sich auf eine Prügelei einließ. Gleichzeitig nutzte ich die allgemeine Verwirrung, um Daisuke meinen Ellbogen in die Magengrube zu rammen und mich von ihm loszureißen. Erst zog es mich zu Hakuei, ich wollte ihm helfen, allerdings sollte ich mich erst mal um den durchgeknallten Cop hinter mir kümmern.

Während ich mich noch umdrehte, schoss er das erste Mal. Ich hörte nur, wie Hakuei aufschrie und zu Boden fiel, kniff kurz die Augen zusammen und warf mich zusammen mit dem zweiten Schuss auf Daisuke. Ich hatte zwar schneller reagiert als wahrscheinlich jemals zuvor, allerdings wusste ich nicht, ob es schnell genug gewesen war, ich wusste nicht was eher kam – der zweite Schuss oder mein Kontakt mit Daisukes Arm, den ich sofort herunterriss. Ich rammte ihn mit all meiner (nicht sonderlich beeindruckenden) Kraft und wir landeten gleichzeitig auf dem Boden, ich dankenswerterweise auf ihm, sodass ich nicht so hart aufkam.

Sofort richtete ich mich auf ihm auf und nahm mir eine Sekunde Zeit, seinen Gesichtsausdruck einzufangen. Er war von Hass, von Wut und von Verzweiflung geprägt, Daisuke hatte offenbar nicht mehr gewusst, was er hätte machen können, um seine Trauer zu überwinden. Ich holte aus und schlug ihm so fest es nur irgend ging ins Gesicht. Ich konnte nicht anders, der Schock saß mir noch tief in den Knochen, so tief, dass ich nicht mehr wusste, was ich tat.

„Geh von mir runter!“, rief Daisuke und versuchte, mich von sich herunter zu schubsen, während ich blind weiterhin auf ihn einprügelte. „Du wirst ihn nicht umbringen!“, kreischte ich, sämtliche anderen Gefühlsregungen in mir beiseite drängend: Ich wollte nicht darüber nachdenken, dass Hakuei mich vielleicht überhaupt nicht liebte, dass er vielleicht bereits tot war oder im Sterben lag oder lebensgefährlich verletzt war oder sonst was, ich spürte nur noch diese rasende Wut. Ich war immer der festen Überzeugung gewesen, dass ich mich in dem Moment, in dem es mal drauf ankäme, gut wehren könnte. Und da dieser Moment offenbar gerade gekommen war, setzte ich alles ein, was ich hatte.

Mein Glück war es, dass Daisuke sich nicht allzu sehr wehrte, sonst hätte ich mit meinem Fliegengewicht wahrscheinlich keine Chance gehabt, wobei Daisuke unter seinem Hass auch irgendwie resigniert wirkte. Ich endete unsere Rauferei damit, dass ich seinen Kopf kurzerhand auf das Pflaster knallte, woraufhin er reglos liegen blieb. Es war kein schöner Anblick, vor allem, wenn ich darüber nachdachte, dass ICH das verursacht hatte.

Ich traute mich kaum, den Blick zu heben, und das erste, was ich bemerkte, war die sich ausbreitende Pfütze, deren dicke Flüssigkeit rot war. Blutrot.

„Oh mein Gott“, wisperte ich kaum hörbar und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Leiche keine zwei Meter von mir entfernt. Ich hatte vorher noch niemanden gesehen, der so erschossen worden war, und ich hoffte, dass es auch das einzige Mal bleiben würde. Ich sah einzelne Stücke des Gehirns und konnte im Hinterkopf noch einige weiße Stellen sehen, wo der Schädel durchbrochen worden war.

Es dauerte keine drei Sekunden, da drehte ich mich weg und kotzte aufs Fabrikgelände. Zuerst kam das Abendessen, das schon eklig genug war, und danach noch einige Male pure Galle. Durch den sauren Geschmack in meinem Mund würgte ich noch einige Male und stützte mich dabei mit zitternden Armen auf dem kalten Boden ab. Sämtliche Kraft hatte meinen Körper verlassen. Ich konnte nicht mehr. Der Schock war einfach zu viel für mich gewesen.

Ich war kaum bei Bewusstsein, während ich mein Handy hervorkramte und einen Krankenwagen rief, ich hatte keine Ahnung, wie ich es schaffte, den Ort zu beschreiben, an dem wir uns gerade befanden, aber irgendwie musste ich es wohl geschafft haben, denn kurze Zeit später hörte ich in der Ferne eine Krankenwagensirene, die immer näher kam. Ich war inzwischen von Daisuke herunter gekrochen und hockte neben Hakuei an einer Stelle, die nicht ganz so sehr mit Blut versaut war, und hielt seine Hand. Ich wusste nicht, ob ich mir das einbildete, aber sie wurde langsam immer kälter.

Als der Krankenwagen vorfuhr, wusste ich nur eins: Dass ich mitfahren musste.

„Nichts da, Kleiner“, wies einer der Sanitäter, die sehr hektisch wirkten, mich ab. „Lass dich mal von einem Polizisten mitnehmen.“

Von denen hatte ich erst mal genug. „Lassen Sie mich mitfahren!!“, wiederholte ich nun schon zum fünften Mal. „Wenn Sie mich nicht lassen, reiße ich Ihnen erst ein Bein raus und dann das andere!“

„Hör mal zu-“

„Hören Sie mir mal zu, Sie Pisser, ich wäre beinahe gestorben, zumindest fühle ich mich so, und ich habe diesem Kerl da das Leben gerettet und Sie lassen mich jetzt gefälligst mitfahren!!!“, keifte ich den Sanitäter hysterisch klingend an. Ich war wirklich mit meinen Nerven am Ende.

„Jetzt lassen Sie diesem kleinen asozialen Scheißkind schon seinen Willen“, mischte Hakuei sich mit angestrengt klingender Stimme ein. Er schenkte mir einen kurzen Blick, den ich nicht deuten konnte, den ich aber dankbar erwiderte.

Die Sanitäter wechselten wenige Blicke und Worte und ließen mich letztendlich doch mitfahren. Als ich neben der Trage saß, auf der Hakuei lag, griff ich erneut nach seiner Hand und hielt sie so fest, dass es mich wunderte, dass sie nicht abfiel. Eine Weile starrte ich nur auf seinen Brustkorb, der sich hob und senkte, hob und senkte, und solange war noch alles in Ordnung. Zumindest jetzt noch.

Ich fixierte einen der beiden fest. „Überlebt er es?“, wollte ich mit zittriger Stimme wissen. Überhaupt zitterte ich wieder am ganzen Körper, wie das letzte Mal, als ich gefühlt dem Tod nur knapp entronnen war.

„Es war ein Schuss in den Oberschenkel“, presste Hakuei hervor, schaffte es dabei aber trotzdem, einen Also-bitte-stell-dich-doch-nicht-so-an-Tonfall zu treffen.

Daraufhin sah ich ihm offen ins Gesicht. Er schaute zurück und zog die Augenbrauen etwas nach oben, als wolle er sagen: Hör mal. Ein Schuss in den Oberschenkel, bisschen Blut verloren. Als ob mich DAS so leicht hinraffen würde. Für was hältst du mich?

Ich musste lächeln. Unwillkürlich musste ich lächeln. Ich war noch immer am gesamten Körper angespannt, ich fühlte mich, als hätte ich tausend Todesängste ausgestanden, aber ich lächelte. Und grinste. Und grinste breiter, als Hakuei das Grinsen erwidern musste. Er wollte nicht, das sah ich ihm an. Aber es ging nicht anders, wir beide mussten einfach grinsen. Und wir konnten einfach nicht aufhören, selbst als er begann, sich darüber zu beschweren, dass sein Bein fürchterlich weh tat und ob er nicht noch etwas mehr Schmerzmittel kriegen könnte, aber dabei drückte er meine Hand. Und daher war es in Ordnung.
 

Eine Stunde später saß ich auf dem Gang des nächstgelegenen Krankenhauses, in der einen Hand eine Zigarette, neben mir einen Becher Kaffee. Ich starrte schweigend vor mich hin, nahm zwischendurch einen Zug oder einen Schluck und dachte, dass mir Minuten noch niemals derart lang vorgekommen waren.

Daisuke hatte Hakuei nur in den Oberschenkel geschossen, was wohl mir zuzuschreiben war – worüber ich mich aber nicht recht freuen konnte, hatte ich ihn doch erst in diese Situation gebracht –, aber der andere Kerl hatte einen glatten Kopfschuss kassiert. Wohl keine Absicht, zumindest sagte Daisuke das. Da der Tote offenbar ein ehemaliger Kollege von Daisuke gewesen war, hatte keiner von uns mehr Lust gehabt, das Ganze fortzusetzen. Ich bezweifelte, dass Daisuke Hakuei tatsächlich vergeben könnte, aber wahrscheinlich war zwischen den beiden nun eine Art Waffenstillstand eingekehrt.

Ich dagegen konnte Daisukes Gesicht nicht mehr ertragen, nicht mehr, nachdem ich es so von Hass verzerrt gesehen hatte. Das war seine wahre Persönlichkeit gewesen, und egal, was er tun würde, ich könnte diesen Anblick doch nie wieder vergessen.

Als ich meinen Kaffee ausgetrunken und meine Zigarette aufgeraucht hatte, fühlte ich mich so allein wie noch nie. Und gleichzeitig so erschöpft und erleichtert wie noch nie. Und schlecht. Ich fühlte mich schlecht. Hakuei lebte, aber dass dies überhaupt in Frage gestellt worden war, war allein mein Verdienst. Weil ich ihn unbedingt hatte sehen müssen. Und das um jeden Preis, ganz gleich, wen aus meinem Umfeld ich dabei alles verletzt hatte. Daisukes Bemerkung kam mir in den Sinn: ‚Wenn du so weiter machst, hast du irgendwann niemanden mehr, der zu dir hält.’ Ich fürchtete, dass er das durchaus ernst gemeint hatte.

Mit einem Mal hörte ich, wie mein Name laut gesagt wurde. Ich brauchte kurz, um es zu orten und stand anschließend abrupt auf. Vor mir stand mein Vater, die Haare offenbar zerzaust vom Schlafen, Augenringe im Gesicht. Und er tat das, mit dem ich am wenigsten gerechnet hatte: Er umarmte mich.

Als seine Arme sich um meinen Oberkörper schlossen, konnte ich nicht anders, als mein Gesicht an seine Brust zu drücken und die Umarmung so fest wie möglich zu erwidern. Seine starken Arme und seine aufrechte Gestalt gaben mir Halt, sein ganz eigener Geruch beruhigte mich und allein seine Gegenwart ließ den Schutzwall, den ich um mich herum aufgebaut hatte, in sich zusammenstürzen.

Ich begann hemmungslos zu flennen.

Mein Vater schloss sich mir an.

Und so standen wir da, mitten auf dem Krankenhausgang, klammerten uns aneinander wie zwei Ertrinkende oder zwei Schiffbrüchige oder wie Vater und der verlorene Sohn, und konnten nicht einen negativen Gedanken über den jeweils anderen fassen, so erleichtert waren wir. Ich darüber, dass er da war, er darüber, dass es mir gut ging. Wir hatten uns Sorgen umeinander gemacht, wir hatten schon ewig lange nicht mehr richtig miteinander gesprochen, so viele Dinge hatten zwischen uns gestanden. Aber hier, in dem Moment, war alles vergessen.

Unwillkürlich hatte ich das Gefühl, dass es doch noch gut werden würde.
 

~*~
 

A/N: Sind die beiden, Vater und Sohn, nicht süß? Es tat mir in der Seele weh, dass ich sie so hätte auseinander bringen müssen D:

tbc: nur noch ein Kapitel!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  almightywarumono
2013-03-26T12:23:40+00:00 26.03.2013 13:23
booahhh der Junge is net das Scheißkind der is ScheißDUMM ^^°

ehe man sich versieht hat man auch schon wieder das Finale erreicht..
das ist wie im Lieblingsanime oderso und man ist bei der letzten Folge und denkt
WANN IST DAS PASSIERT ???
Naja kein wunder wenn man nur liest die ganze zeit hahahah

Ich will wissen wie alt Hakuei ist !!!! SOFOOOOORRRRRTTTTT uidrghirughierg
sorry ich hör auch schon auf deine Kommis zu vermüllen xD

Ich liebe die Story und sie darf nicht
aufhören vorallem wenn was trauriges passiert @__@;

der Kopfschuss war wirklich sehr........gut beschrieben ^^°
und ich hatte so angst dass Hakuei ernsthaft getroffen wird und omg
sie lieben sich dgrjdrohgiap ♥

und ja Lay und Papi sind sehr süß zusammen v____v
ich fand es ganz schlimm als sie streit hatten aber das musste
ja sein damit der versteht wie wichtig Hakuei ihm is..

ich finde obwohl es offensichtlich war, dass das dumme Scheißkind in eine Falle getappt ist
hast dus sehr gut geschrieben, es war eine Überraschung auch wenn man es geahnt hat
(geht das überhaupt?.. verstehst du was ich meine? xD)

Ich muss auch sagen, ich liebe deine Umgangssprache in dieser ff
und auch die "unnötige" Vulgärsprache war sehr amüsant und angebracht denn es
handelt sich hier um das Scheißkind höchstpersönlich ^^

es darf nicht zuende sein nnnnnnneeiiiiiiiiiiiiiinnnnnnn Q______Q
Von:  bunthismg
2012-04-18T18:19:15+00:00 18.04.2012 20:19
So kann sich das Blatt wenden. |D
Wie ich's schon geahnt hab... da MUSSTE einfach was falsch dran sein. Lay dieser kleine Dummbatz. x'D

Aber wie meine Hände zur Mitte hin echt ur gezittert haben... das hatt ich bisher noch nie D':
Es kann nur an Hakuei und dieser allgemein ziemlich beschissenen Situation gelegen haben... ich hab drum gebetet, dass keiner der beiden stirbt!
Wie das ja fast schon ein Happy End ist... bin auf das letzte Kappi gespannt. ♥
Von:  Mystik1009
2012-04-17T08:30:49+00:00 17.04.2012 10:30
Hey.
Ich kann mich eigendlich nur HIZUMI anschließen. Mit 18 sollte man echt mehr Hirn haben. Aber vielleicht wird es ja jetzt unter Hakuei´s
einfluss ja besser. Ich finde es echt schade das Deine Geschichte schon zuende ist. Vorallem hatte ich gerne Towa´s Gesicht gesehen wenn er
rausfindet das sein beiden einzigen Freunde schwull sind? :-)
Auserdem wüste ich gern was aus Kanoma und seinem Schwarm wird?
Und wie alt Hakuei ist? Aber vielleicht gibt es ja mal eine nette Fortsetzung. :-)
V.L.G. Mystik1009
Von:  Trashxbaby
2012-04-16T02:02:43+00:00 16.04.2012 04:02
Booooahr Lay XDDDDDD DIESER IDIOT AAAAAH XD Armer Hakuei man...T^T Und alles nur dank diesem "Scheißkind" XD Und das mit dem Kopfschuss ey...lecker lecker XD Daisuke kann ich irgendwie verstehen...ich mein...seine Frau T_____T Der kann einem echt leid tun...kein wunder dass er sich an jeden Strohhalm klammert den er kriegen kann...Q_____Q Und Lay is nunmal ein echt leichtes Opfer bei seiner Naivität...das tut ja fast schon weh so dumm ist er XD Naja ich bin gespannt wie es jetzt zuende geht...
Oh und Atsushi und Lay sind wirklich verdammt süß zusammen ♥ Ich wünschte ich hätte auch so nen Vater...<_____<''


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