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Try to set the night on fire

Yakuza meets Göre...?
von

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Wacklig wie ein Gartenhaus

Wortanzahl: 3.531

Kapitelrating: PG-13

A/N: Das musste ja so kommen!
 

~*~
 

Am Montagnachmittag wollte ich nur noch sterben. Nein, eigentlich viel eher schlafen. Ich war am Morgen in meinem Bett neben Hakuei und mit einem rekordverdächtigen Ständer aufgewacht, musste zur Schule humpeln, wurde zwei Mal beim Schlafen erwischt, rutschte, wenn ich wach war, ständig auf meinem Stuhl herum und versuchte, die Bilder aus der letzten Nacht zu verdrängen (ich sage nur unter der Dusche – UNTER DER DUSCHE!). So gut wie kein Erfolg. Ich musste in jeder einzelnen verdammten Pause auf die Toilette gehen.

Sanaka hatte sich eigentlich mit mir treffen wollen, aber ich meinte, dass ich erst mal den Nachmittag ausschlafen würde. Deshalb legte ich mich gleich erst mal im Wohnzimmer auf die Couch und sah fern, um noch müder zu werden. Es klappte, aber besser, als ich es mir erhofft hatte.

Ich wurde zwei Stunden später dadurch geweckt, dass mir jemand ein Handtuch mit einem eiskalten Coolpack um den Knöchel wickelte. Schläfrig blinzelte ich Hakuei an, der unbeeindruckt auf dem Sessel neben mir Platz nahm und wirkte, als würde er ebenfalls fernsehen wollen. Ich streckte mich mit einem Gähnen und ließ meinen Blick eine Weile an ihm herauf- und herunterwandern. Ich wohnte jetzt seit etwas über einem Monat mit ihm zusammen, und ich hatte ihn auf mehrere Arten kennen gelernt. Ich wusste, wie er aussah, redete, ging, und sich fühlte, wenn er müde, hungrig, durstig, zufrieden, satt, ausgeschlafen, schlecht gelaunt, gut gelaunt, optimistisch, pessimistisch und angenervt war. Ich kannte etliche seiner Ticks, wusste, was er zum Leben brauchte und was nicht. Ich kannte ihn, nicht allzu gut, aber auch nicht nur flüchtig.

Für einen Moment drängte sich mir wieder der Gedanke auf, dass das zerbrechliche Gebilde, das sich zwischen uns gebildet hatte, bald einstürzen würde. Wenn mein Vater zurückkam. Aber daran wollte ich nicht denken, also schob ich es wieder beiseite. Nein, ich lebte im Hier und Jetzt, ich wollte froh darüber sein, dass er einfach da war.

„Hab ich Schokolade im Gesicht?“, fragte er mich unvermittelt, offenbar, weil er sich angegafft vorkam.

Ich spitzte die Lippen. „Hast du denn welche gegessen?“ Schweigen. „Warum hast du mir keine mitgebracht?“

„Weil du sonst dick wirst.“

Das ließ mich einen völlig entrüstetes Geräusch von mir geben. Ich setzte mich auf. „Also bitte, guck mich doch mal an! Seh ich aus, als würde ich-“

„Willst du nicht wissen, wie’s war?“, unterbrach er mich mit einem schwachen Lächeln.

„Natürlich will ich wissen, wie’s war“, gab ich wie selbstverständlich zurück. „Hatten sie Angst vor dir? Hast du sie eingeschüchtert?“

„Lay, es waren deine Lehrer“, erinnerte er mich streng. „Meinst du, ich bin hingegangen, um ihnen zu sagen, dass sie dich gefälligst im Unterricht schlafen lassen sollen?“

„Bist du nicht?“, fragte ich etwas aus dem Konzept gebracht.

„Hör zu. Weißt du, was sie mir erzählt haben? Nein, weißt du nicht, denn du warst schließlich nicht da. Haha“, entgegnete er trocken.

Ich starrte ihn erst an, dann musste ich lachen. „Was war DAS denn jetzt?!“

„Keine Ahnung. Ich hab erst, nachdem ich es gesagt habe, gemerkt, dass es Schwachsinn war. Ich glaube, dass ich immer noch traumatisiert bin – ich habe schon seit einiger Zeit mit keinen Lehrern mehr zu tun gehabt, und ich habe sie immer gehasst.“ Er schüttelte über sich selbst den Kopf. „Also, sie haben mir erzählt, dass es vorher auch schon oft genug vorgekommen ist, dass du während des Unterrichts nicht nur geschlafen, sondern auch telefoniert, mit etlichen Leuten Zettelchen geschrieben, gegessen und einmal sogar geraucht hast.“

„Ja und? Mir war langweilig“, verteidigte ich mich halbherzig.

„Ich hab auch ein paar der Zettel gesehen“, fügte er vielsagend hinzu.

Ich wäre fast aufgesprungen. „Wo haben die MEINE Zettel her?! Das ist Eindringen in meine Privatsphäre! Briefgeheimnis!!“

„Wohl kaum, wenn du’s im Unterricht schreibst“, merkte er trocken an. „Sie meinten, dass sie schon überlegt hätten, ob sie dich nicht von der Schule schmeißen sollten.“

„Was? Warum haben sie DIR das erzählt?“ Wortlos wurde mir ein Ausweis unter die Nase gehalten. „Hirohide S...“, begann ich, stockte allerdings bei dem Nachnamen. „Sa... Sakurai?! Aber das ist MEIN...“

„Ganz einfach: Sie haben’s mir erzählt, weil ich dein Onkel bin“, erklärte Hakuei sachlich. „Du solltest froh sein, dass du überhaupt noch auf der-“

„Moment mal, du kannst mir nicht einfach im einen Satz mitteilen, dass wir verwandt sind, und... du bist Papas Bruder? Aber... das kann gar nicht sein!“

„Genau“, nickte er.

„Was?“

„Man kann Ausweise fälschen.“

„Was??“

„Herrgott, du hast mir nicht wirklich geglaubt, oder?“ Er verdrehte die Augen.

„Hey, wenn du so ernst dabei aussiehst!!“, rechtfertigte ich mich entgeistert. „Du kannst nicht erst behaupten, du wärst mein Onkel, und es dann doch nicht sein!!“

„Doch, das geht ganz einfach.“

„Egal. Was hast du ihnen denn gesagt?“

Hakuei neigte seinen Kopf etwas zur Seite. „DANN hab ich angefangen, sie einzuschüchtern. Ich glaube, in Zukunft werden sie dich im Unterricht schlafen lassen.“
 

~*~
 

„Jetzt echt?“, wollte Sanaka ungläubig wissen und musterte mich prüfend, wie um von meinem Gesicht ablesen zu können, dass ich log.

Ich nickte langsam und konzentrierte mich weiter darauf, mein Kartenhaus nicht in sich zusammenfallen zu lassen. „Echt. Nein, wirklich.“

„Und? Wie war’s?“, fragte er weiter, sein sensationslüsterner Gesichtsausdruck nicht so recht zu seinem sonstigen Wesen passend.

„Es hat so was von wehgetan, das GLAUBST du nicht“, murmelte ich mit einem Grinsen und stellte zwei weitere Karten aneinander. „Aber schon direkt danach hat’s mir fast das Hirn weggepustet. Ernsthaft. Ich konnte echt nicht mehr denken, und DAS war vielleicht ein geiles Gefühl... Weißt du, sein... und sein... und erst sein... Haaah...“

„Und jetzt seid ihr zusammen?“

Ich spitzte nachdenklich die Lippen. „Na ja, nicht richtig. Also, ‚zusammen sein’ würd ich das nicht nennen.“

„Friedliche Koexistenz?“

Koexistenz? Ich runzelte die Stirn. „Keine Ahnung.“

„Ist es mehr als der Sex?“

Warum fragte er mir solche Löcher in den Bauch? „Woher soll ich das wissen?“

„Wenigstens DU solltest doch wissen, wie du ihm gegenüber stehst, oder nicht?“

„Ich hab doch keine Ahnung! Ich meine... ich mach mir darüber keine Gedanken. Ist mir egal, ob wir zusammen sind oder nicht, wir wohnen halt zusammen und gehen ab und zu ins Bett oder uns gegenseitig auf die Nerven... mich interessiert nicht, ob er das für eine kurze Affäre oder den Anfang von etwas ganz Großem hält, weißt du, ich bin nur seit keine Ahnung wie lange endlich mal wieder GLÜCKLICH, kapierst du? Mir geht’s gut, ich hab alles, was ich brauche, ich kann mein Leben genießen, wie es ist. Und ich brauch nicht mal Alkohol, Weiber oder sonst was, Drogen meinetwegen, dazu. Ich hab endlich das Gefühl, mein Leben im Griff zu haben.“

„Und was meinst du, wie lange wird das andauern?“, fragte Sanaka skeptisch und zog eine Augenbraue hoch.

„Woher soll ich das-“

„Was meinst du denn, wie’s mit dir weitergeht, wenn dein Vater zurückkommt?“, fügte er provokant hinzu.

„Das ist mir egal!“, rief ich so laut, dass die Lehrerin, die vorgegeben hatte, in ihr Buch vertieft zu sein, kurz aufsah. Die anderen drei, die ebenfalls mit uns nachsitzen mussten, warfen mir böse Blicke zu.

„Lay, ich möchte nur nicht, dass du dir ein Luftschloss aufpustest, das dann durch einen winzigen Nadelstich wieder in sich zusammenfällt“, entgegnete Sanaka sanft. „Du solltest dir Gedanken darüber machen-“

In dem Moment stürzte mein Kartenhaus in sich zusammen. Ich betrachtete es finster, sah Sanaka dann wieder an und wurde durch sein besorgtes Gesicht nur noch wütender. „Das geht dich doch nichts an! Und woher willst du wissen, dass es ein Luftschloss ist!? Vielleicht hab ich’s ja auch aus Beton gebaut!“

Den Rest der Zeit weigerte ich mich, mit Sanaka zu reden. Aber das war eigentlich das Schlimmste, was ich tun konnte, denn so kam ich zum Nachdenken. Mein Vater wusste noch nichts davon, dass ich schwul war. Er hatte keine Ahnung, dass Hakuei und ich... und er wusste auch nicht, was ich im letzten Monat alles erlebt hatte. Ich hatte das Gefühl, mich total verändert zu haben. Und wie sollte es werden, wenn er wieder da war...?

Als ich an diesem Nachmittag nach Hause kam, erwiderte ich Hakueis Begrüßung nicht, sondern stampfte direkt hoch in mein Zimmer, wo ich alle Sachen in eine Ecke warf und laute Musik anmachte. Nach fünf Minuten machte ich sie wieder aus, stampfte zurück nach unten und ließ mich von Hakuei beruhigen, indem er mich auf seinen Schoß zog und mir über den Rücken strich. So blieben wir ungefähr zwei Stunden sitzen und redeten nur, danach ging es mir wieder besser.

Aber keiner von uns sagte auch nur ein Wort über meinen Vater. Und da wurde mir zum allerersten Mal bewusst, dass wir Angst hatten.
 

~*~
 

„Ich glaub, ich lern Bass spielen“, murmelte ich in Hakueis Halsbeuge. Es war nicht normal für uns, dass wir schon am frühen Abend im Bett lagen, aber es war irgendwie dazu gekommen und ehrlich gesagt, hatte ich auch nichts dagegen. Nicht bei der Show, die Hakuei abgezogen hatte. Ich schmiegte mich dicht an ihn, so dicht, dass ich eigentlich keine Decke gebraucht hätte.

„Wie ernst meinst du das?“, entgegnete Hakuei leise und strich kurz über meinen Hintern, ließ seine Hand allerdings in meinem Kreuz ruhen.

„Wenn ich den nicht selbst bezahlen muss, sehr“, gab ich grinsend zurück. „Ist doch cool. Und Gitarre spielen kann jeder. Außerdem ist Bass viel einfacher.“

Er gab ein Schnauben von sich, das als eine Art Kichern zählte, zumindest bei ihm. „Das ist wohl kaum eine ausreichende Begründung.“

„Für mich schon.“ Eine Weile herrschte eine einvernehmliche Stille, in der ich die Augen schloss und die warme Haut vor meinem Gesicht ein paar Mal mit den Lippen berührte.

Und dann ertönte das Geräusch, das ich wohl mein Lebtag nicht vergessen würde: Ein Klimpern, Klirren, eine Art Klingeln. Ich war es so gewöhnt wie den normalen Straßenlärm, war damit aufgewachsen und hätte es unter Tausenden wiedererkannt. Aber in diesem Moment war es so unpassend, dass ich einige Sekunden brauchte, um es wieder zuordnen zu können.

Hakuei war schneller. Bevor ich irgendetwas sagen oder denken konnte, war er bereits aus seinem (nein, nicht aus seinem, es war ja eigentlich nicht seins) Bett geschlüpft, hatte mir zugeflüstert, ich solle ja bleiben, wo ich war, und war aus dem Raum verschwunden. Ich lag noch einige Herzschläge regungslos da, dann schaltete ich.

Aber als ich diese eine Stimme hörte, konnte ich mich nicht mehr halten. Ich sprang fast aus dem Bett, zog mir das erste Shirt über, das mir in die Hände fiel, und stürmte nach draußen in den Flur.

Mein Vater hatte mir den Rücken zugewandt, den Schlüssel, den ich zuerst nicht hatte zuordnen können, noch in der Hand, und ließ sich offenbar gerade von Hakuei bequatschen. Der wiederum gab ein seltsames Bild ab, weil er nicht wirkte, als hätte er die Situation unter Kontrolle – das war ich von ihm nicht gewohnt. (Außerdem trug er nichts außer seinen Shorts.)

„Papa!“, rief ich begeistert und fiel meinem Vater um den Hals, als er sich zu mir umdrehte. Etwas perplex drückte er mich kurz an sich, und in diesen paar Sekunden überschlugen sich meine Gedanken mehrmals. Ich wollte ihm gleich alles erzählen, was passiert war, dass ich mich in den letzten zwei Wochen nur ein einziges Mal besoffen hatte, dass ich (mit einem ganz großen Vielleicht) aufhören würde zu rauchen, dass ich mit dem Bassspielen anfangen wollte, dass ich etwas vernünftiger geworden war und dass ich ihn natürlich vermisst hatte. Da erst wurde mir klar, wie sehr er mir tatsächlich gefehlt hatte, seine ganze Person. Ich wollte ihn die Augen verdrehen, nachsichtig lächeln und ihn stolz auf mich sein sehen, ich wollte, dass er mir erzählte, wie es ihm ergangen war und dass er mir versprach, dass er mich nicht so schnell wieder allein lassen würde. Und ich wollte mich bei ihm entschuldigen, dass ich vorher so ausgenutzt hatte, wollte ihm versprechen, dass es ab jetzt anders werden würde, ich wollte ihn zum allerersten Mal über meine Mutter ausfragen, wollte... Und ich war so aufgeregt, dass ich kein Wort herausbrachte.

Als mein Vater mich wieder losließ, betrachtete er mich einen Moment mit einem fast irritierten Gesichtsausdruck. „Hey“, begrüßte er mich schwach. „Du hast da-“ Und als er kurz an einer meiner blond gefärbten Strähnen zog, um das weiße Zeug darin herauszuholen, kam er offenbar gleichzeitig mit mir zum selben Schluss: Dass es Schlagsahne war. Scheiße. Ich hatte immer noch Sahne in den Haaren.

Im Hintergrund legte Hakuei sich in einer Geste der Verzweiflung eine Hand über die Augen.

Mein Vater musterte mich noch einen Moment, dann drehte er sich kurz zu Hakuei um und fixierte mich anschließend, das Gesicht unleserlich. Die Bausteine hatten sich zusammengefügt, aber so schwer war es jetzt auch wirklich nicht gewesen. Schließlich trug ich nur Shorts und eins von Hakueis Oberteilen, und wir waren aus dem selben Zimmer herausgekommen, und ich hatte verdammt noch mal SCHLAGSAHNE in den Haaren. „Lay“, begann mein Vater mit leiser Stimme. „Geh nach oben.“

„Chef-“, versuchte Hakuei es, verstummte aber augenblicklich, als mein Vater eine Hand hob.

„Papa, das ist-“

„Ich habe gesagt: Geh nach oben“, wiederholte er mit fester Stimme. So langsam schien er sauer zu werden.

Ich hob abwehrend beide Hände, drehte mich um und stapfte die Treppe hinauf, ohne Hakuei noch einmal anzusehen. Mein Herz klopfte so sehr, dass ich es selbst in den Fingerspitzen spüren konnte. Scheiße, Scheiße, heilige Scheiße. Nein, so hatte es nicht sein sollen. Ganz und gar nicht. Ich hatte mich darüber freuen wollen, dass mein Vater endlich wieder da war, aber...

Okay. Trotzdem. Ich war achtzehn, ich würde mich nicht so einfach wegschicken lassen wie früher. Ich öffnete geräuschvoll meine Zimmertür und knallte sie hinter mir zu. Dann schnappte ich mir die Fernbedienung meiner Hi-Fi und überprüfte die CD, die darin war. Deathgaze. Perfekt. Ich machte meine Tür so leise wie möglich auf, schlüpfte nach draußen und machte sie bis auf einen kleinen Spalt zu. Mit einem Knopfdruck machte ich meine Anlage an und schloss meine Tür nun ganz. Zwei Sekunden später dröhnte das erste Lied nach draußen. Super. So würde keiner auf die Idee kommen, dass ich nicht in meinem Zimmer war. Ich legte die Fernbedienung hin und schlich die Treppe hinunter. Klang, als wären sie in die Küche gegangen, also legte ich mein Ohr an die dazugehörige Tür.

„-es gar nicht wissen, es interessiert mich gar nicht, weißt du?! Ob es nun deine oder seine Idee gewesen war, das ist mir gerade scheißegal!!“ Oh. Das war mein Vater. Und er war nicht sauer, er war stinksauer.

„Chef, es tut-“

„Er ist nicht mal VOLLJÄHRIG! Und behaupte nicht, dass es dir leid tut! Du wusstest, wie alt er ist, dass er mein Sohn ist und dass ich außer ihm niemanden auf dieser Scheißwelt habe!“

„Das stimmt nicht, Chef.“

„Und ob! Ich bin für ihn verantwortlich, ich habe mich mein ganzes Leben lang so gut wie möglich um ihn gekümmert, oder willst du das etwa abstreiten?“ Kurzes Schweigen. „Was meinst du, warum ich ihn ausgerechnet dir anvertraut habe? Was glaubst du, dass ich die einzige Person, die ich beschützen möchte, einfach irgendwem Dahergelaufenes in die Hände gebe? Ich habe dir vertraut, Hakuei. Weißt du überhaupt, was das heißt?“

Ich trat vom einen Fuß auf den anderen und hätte fast aufgeschrien. Mit einem Mal tat mein Knöchel wieder weh, der, der verstaucht gewesen war. Eine Grimasse schneidend, sank ich in die Hocke und hielt mein Ohr wieder an das weiße Holz.

„-ich. Aber... Chef, hör zu. Ich will mich nicht verteidigen, aber...“

„Ich glaube auch nicht, dass du es könntest, wenn ich ehrlich sein soll. Aber bis zu einem gewissen Punkt kannst du es wiedergutmachen.“

„Chef.“

„...Ja?“

„Ich habe dein Vertrauen missbraucht.“ Stille. „Und das ist das einzige, was mir leid tut.“

Oh mein Gott. Ich spürte, wie Tränen in mir aufstiegen. Irgendwie kam mir diese ganze Situation unheimlich irreal vor, aber... das war etwas, das zu meinem Herzen vorgedrungen war. Hakuei bereute es nicht, mit mir... Da die Schmerzen nun verschwunden waren, wollte ich mich schnell wieder aufrichten, um kein Wort zu verpassen. Das nächste, was ich hörte, war ein lautes KLONK und das nächste, was ich fühlte, waren erst Schmerzen auf dem Kopf und dann an meinem Steißbein.

Nein, um Himmels Willen, NEIN! Das konnte mir doch nicht noch einmal passiert sein! Unter anderen Umständen hätte ich mich dafür ausgelacht, dass ich wieder mit dem Kopf von unten gegen die Türklinke geknallt und nach hinten umgekippt war, aber jetzt war mir irgendwie nicht nach Lachen zumute. Ich hatte fast ein Déjà-vu, als mein Vater halb irritiert, halb verärgert die Tür aufriss und ich mir mit Tränen in den Augenwinkeln den Kopf hielt. Aua, aua, aua, aua.

„Das darf doch wohl nicht wahr sein“, stöhnte mein Vater, ehe er mich vollkommen unbeeindruckt ob meiner Schmerzen auf die Beine zog, mich die Treppe hoch schleifte, mich in mein Zimmer stieß und die Tür hinter mir zumachte. Fast erwartete ich, er würde abschließen.

Die nächste Stunde war fast völlig aus meinem Gedächtnis verschwunden, ich machte irgendwas und vergaß direkt darauf wieder, was es war, ich begann alles nur halbherzig und ohne wirklichen Ehrgeiz, mich abzulenken. Nach einer Stunde kam ich zu dem Schluss, dass es ausreichend Zeit gewesen sein müsste, und ging wieder nach unten. Mein Vater war in seinem Schlafzimmer und räumte offenbar entweder auf, ein oder um, aber zwei Dinge fielen mir noch vorher auf: 1. Er war allein und hatte 2. die Bettwäsche gewechselt.

„Papa?“, wollte ich leise wissen und ignorierte den dumpfen Schmerz, der von meiner Kopfhaut ausging.

Er drehte mir den Kopf zu, sagte aber nichts. Er war noch immer sauer, das sah ich ihm an.

„Wo ist... Hakuei?“

„Weg“, antwortete er knapp. „Und er wird auch so schnell nicht wiederkommen.“

‚Bis zu einem gewissen Punkt kannst du es wiedergutmachen’, hörte ich seine Stimme in meinem Kopf, und mit einem Mal wusste ich genau, was das beinhaltete. „Du hast ihn... sich nicht mal verabschieden lassen?“, fragte ich ungläubig, während die Erkenntnis erst einmal einsinken musste. Hakuei war... weg? Und ich würde ihn vielleicht nie wiedersehen?

„Nein, sonst hätte es eine Szene gegeben.“

„Du hast ihn einfach so weggeschickt?!“, wiederholte ich und wunderte mich fast darüber, wie schrill meine eigene Stimme klang. Gleichzeitig formte sich ein Kloß in meinem Hals, der mir das Atmen erschwerte. Das konnte doch nicht...

„Lay, das-“

„Das kannst du nicht machen!“, schrie ich. „Du kannst nicht einfach... Du hast doch keine Ahnung!! Du verstehst doch nichts davon, GAR NICHTS, weißt du überhaupt, was ich...“ Ich wollte weiterschreien, wollte ihn beleidigen, wollte ihm jedes erdenkliche Schimpfwort an den Kopf werfen, aber ich konnte nicht. Meine Stimme war mit einem Mal weg, genauso plötzlich wie Hakuei. Meine Unterlippe zitterte, und ich starrte meinen Vater einige Augenblicke an. Er wirkte milde erstaunt, als hätte er so einen Gefühlsausbruch nicht erwartet. Und mit einem Mal wurde mir bewusst, dass ich mich in einem Dilemma befand – einerseits wollte ich ihn anschreien, und andererseits wollte ich mich von ihm trösten lassen. Ich hatte ihn über einen Monat nicht gesehen, und er war immer noch mein Vater, derjenige, der mir immer zugehört hatte, und eigentlich wollte ich nur von ihm getröstet werden, unabhängig davon, dass er es war, der mir diesen Kummer verursacht hatte. Und dieses Wissen, dass ich nicht einmal richtig wütend auf ihn sein konnte, gab mir den Rest.

Was dann kam, war mir weder in dem Moment noch hinterher richtig bewusst, wahrscheinlich schrie ich ihn doch an, warf mit irgendwelchen Sachen nach ihm und haute ab, als ich merkte, dass ich vor Tränen nicht mehr richtig reden konnte. Ich flüchtete regelrecht vor ihm, ich wollte nicht, dass er sah, wie ich heulte.

Es war schon sieben Uhr, aber ich ging trotzdem zu Sanaka. Ich hätte es zuhause nicht ertragen. Und Sanaka ließ mich heulen, ließ mich erzählen, ohne ein einziges ‚ich hab’s dir doch gesagt’. War mir eigentlich klar gewesen, was für einen Schatz ich in ihm hatte?
 

Ich war bis zwei Uhr nachts bei Sanaka geblieben, war sogar auf seinem Bett eingeschlafen, aber ich musste trotzdem nach Hause. Weshalb, das wusste ich nicht, aber ich hatte das Gefühl, unbedingt wieder zurück zu müssen. Ich bedankte mich bei ihm und ging anschließend nach Hause.

Es roch so gut, dass ich unwillkürlich direkt in die Küche ging. In dem labilen Zustand, in dem ich mich befand, fing ich fast sofort wieder an zu heulen, als ich feststellen musste, dass mein Vater mein absolutes Lieblingsgericht gekocht hatte. Er war extra einkaufen gefahren und hatte sich eine Stunde in die Küche gestellt...

Ich machte es mir warm, während ich gegen die Tränen ankämpfte, und setzte mich anschließend an den Küchentisch, um zu essen. Ich versuchte, nicht nachzudenken, was mir allerdings mehr schlecht als recht gelang. Hakuei war weg. Und da würde er auch bleiben. Einfach so, genauso, wie er in mein Leben getreten war, war er auch wieder daraus verschwunden.

Irgendwann ging die Küchentür auf. Ich hob meinen Blick nicht, auch nicht, als sich jemand neben mich setzte. Ich wollte nicht mit ihm reden. Ich konnte nicht mit ihm in einem Raum sein. Als er meinen Namen murmelte, stand ich wortlos auf und ging nach oben in mein Zimmer. Nein, seine Gesellschaft konnte ich gerade nicht ertragen.

Ich begann wieder zu weinen, als ich merkte, dass mein Zimmer nach Hakuei roch.
 

~*~
 

A/N: Kurze Anekdote aus meiner Kindheit, um darüber hinwegzuspielen, dass dieses Kapitel nur so kurz ist: Als ich jünger war, spielte mein Bruder viel Stronghold Crusader (Strategiespiel), und wenn die eigene Infrastruktur etwas zu schwach war, sagte eine an Gott anmutende omnipotente Stimme: WACKLIG WIE EIN KARTENHAUUUS

Und ich verstand immer WACKLIG WIE EIN GARTENHAUUUS und war deshalb von da an etwas vorsichtiger, wenn ich etwas aus dem Schuppen in unserem Garten holen sollte.

Tja. Daher kommt der Titel.

tbc~



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
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Von:  almightywarumono
2013-03-26T12:12:11+00:00 26.03.2013 13:12
Wacklig wie ein Gartenhaus ist urgeil xDDDDD
ich hab mich totgelacht als ich deine Erklärung gelesen hab lolololol
waclig wie ein Kartenhaus in einem Spiel mit einer Gott-ähnlichen Stimme? XD
Das hört sich sehr lustig an haha

erstma zu den zwei anderen Kapiteln, die ich nicht lesen konnte ; D
ich weiss deshalb NICHT, ob sie extrem geil waren und omg Hakuei is so sexy und
männlich und wie Lay geflennt hat war so süß und giorehgiohidthoütiseg

und dieses Kapitel :

armer Lay XD
Ich liebe es halt nur zu sehr wenn die am Tag danach nichtmehr
laufen und sitzen können hahahha
Hakuei bei seinen eigenen Lehrern in seiner eigenen Schulzeit
kann ich mir komischerweise gut vorstellen ö___ö
er ist wahrscheinlich selbst ein Scheißkind gewesen wie Lay und hat sich
bestimmt ständig geprügelt auf dem Schuldach (KLISCHEEEEEE)
ja... geiles Kapitel ^^
immer weiter schreiben!!
Vorallem immer Hakuei schreiben, das ist deine absolute Begabung !!!!
Von:  bunthismg
2012-04-18T17:32:59+00:00 18.04.2012 19:32
Wie mir gewisse Stellen in diesem Kapitel so verdammt vorkamen, dass ich echt ein richtig schlechtes Gewissen bekommen hab... (laaaange Geschichte, jedenfalls ging es ner Freundin genauso wie Lay es beschrieben hat, und ich hab sie nie verstanden wenn es darum ging)... jetzt tu ichs. >____>'''
Hinter deinen FFs steckt echt mehr Gefühl als hinter manchen Menschen im Reallife, muss ich sagen.

Das Wiedersehen mit seinem Vater und der 'Abschied' von Hakuei habens mir echt gegeben. Es hat mir fast das Herz zerrissen. ><
Aber ich geh mal davon aus, dass die nächsten Kapital noch mehr beeinhalten, was es letztlich schafft. |D'

Aber Lay dieser Dummbatz ♥ Wie ich mich ur weggeworfen hab vor Lachen bei der Scene mit der Türklinke XDDDDDDDDDDDDDD ♥ ♥ ♥
Von:  Trashxbaby
2012-04-16T01:23:42+00:00 16.04.2012 03:23
Soooooooo Atsushi is baaaaack haha XD Ohgott naja das hatte ja früher oder später so kommen müssen >D Armer Hakuei er kann einem wirklich leidtun T____T Wird er da zusammengeschissen und kommt nichtmal zu Wort XDDD Lay tut mir nicht leid aber ich mag ihn auch immernoch nicht XDDDD Und das mit den Lehrern kommt mir bekannt vor...*hust* Wobei sooo schlimm war ich glaub ich nie.../DDDD
Und der gefälschte Ausweis XD Einfach geil~ Das is mein Hakuei ♥ :3


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