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Shinigami Haken Kyoukai desu - Shinigami Dispatch Society

von

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Das Gefühl von Wut

Nakatsu wusste nicht, wie lange er schon bei Lily im Bett lag und ihr Hemd an sich gedrückt hatte. Seit er aus William T. Spears Büro gegangen war, lag er bereits dort und schwelgte seinen Gedanken und Erinnerungen nach. Er vermisste seine beste Freundin. Sie war jetzt schon seit fast einem Tag fort und keiner wusste, wo sie sich befand oder wohin dieser merkwürdige alte Shinigami mit den langen silbergrauen Haaren sie gebracht hatte. Er konnte nur beten, dass er ihr nichts antun und sie lebend zurückkommen würde.

Nakatsu verstand nicht, wieso dieser Shinigami ihn erst zu ihrer und dann zu Knox seine Verhandlung mitgeschleppt hatte mit der Begründung, er solle eine Aussage machen, wenn er sie am Ende entführte. Es ergab für ihn keinen Sinn!

Wieso hatte er nur solange gewartet bis es hieß, das Gericht wolle in Ronald Knox Lebensbuch lesen? Er hätte Lily schon viel eher entführen können und hätte nicht erst solange warten müssen.

Oder gab es etwas im Lebensbuch von Lilys Mentor, was Niemand erfahren sollte? Hatte er Lily vielleicht deshalb nur entführt, um die Verhandlung zu unterbrechen und ihnen den Hintern zu retten?

Dabei war er sich sicher, dass Carrys Gerüchte auch nur Gerüchte waren.

In Lilys Lebensbuch hatte nichts über eine heimliche Beziehung mit Knox gestanden und er war die meiste Zeit mit ihr zusammen. Die Beiden hätten also nicht einmal Gelegenheit dazu gehabt.

Aber vielleicht stand in dem Lebensbuch von Ronald Knox etwas anderes. Etwas, was zwar Lily betraf, aber wo sie nicht dabei war?

Nakatsu seufzte.

Diese Idee war gar nicht so abwegig.

Vielleicht sollte er morgen früh einen Abstecher in die Lebensbuchabteilung machen und versuchen an das Buch zu kommen? War es für Schüler eigentlich erlaubt in die Lebensbücher zu lesen?

Er wusste es nicht, hatte aber auch keine Lust sich aufzuraffen und in die Society zurück zu gehen.

Lilys Bett war einfach zu weich und die Sehnsucht nach ihrem Geruch zu groß.

Heute Abend saß dort auch niemand mehr, weshalb er es erst recht nur morgen machen konnte.

Er drückte das Hemd fester an seine Brust.

Wann hörten nur diese Gerüchte auf?

Jeder sagte, sie hätte mit Ronald Knox geschlafen. Jeder glaube es und jeder sagte es. Obwohl es nicht stimmte.

„Lily…“, seufzte er wieder. Es war nicht das erste Mal an diesem Abend, dass er ihren Namen flüsterte.

Er bat inständig darum, dass sie jeden Moment durch die Tür kommen würde. Aber in seinem Herzen wusste er, dass es unmöglich war.

Seine beste Freundin war irgendwo in der Menschenwelt und als Schülerin hatte sie, genau wie er, keine Ahnung, wie man zurück kam in die Society. Alles lag in den Händen von den anderen.

Das Gefühl, sie verloren zu haben und das vielleicht für immer, machte ihn fast wahnsinnig.

Die ganze letzte Nacht und den ganzen Tag hatte Mr. Sutcliffe und Mr. Knox zugebracht die Spuren von dem Alten zu verfolgen.

Lily fehlte also schon über einen Tag.

Bis zum Nachmittag hatte er auch auf der Krankenstation gelegen und hatte seine geprellten Rippen versorgen lassen. Er war auch in der Schule ausgefallen.

Mr. Spears hatte ihn seit dem Kampf im Gerichtssaal in der Obhut des Arztes gelassen.

Er hatte versucht Lily zu retten, doch der Shinigami hatte ihm mit der Rückseite des Stabes einen kräftigen Schlag verpasst. Nun waren seine Rippen geprellt und er musste einen schonenden Verband tragen.

Nakatsu konnte sich noch gut an die Worte des Shinigamis erinnern.

Er hatte ihm kurz vor dem Schlag zugeflüstert, dass er froh sein konnte noch ein Schüler zu sein. Zuerst hatte er nicht gewusst was er gemeint hatte, inzwischen war ihm klar, dass er ihn verschont hatte, weil er ein Schüler war und ihm unterlegen. Nakatsu hatte im Büro von William T. Spears gesehen, wie die anderen nach dem Kampf mit ihm ausgesehen hatten und er musste innerlich wirklich zustimmen. Er war heilfroh ein Schüler zu sein.

Dennoch war der Stoß schmerzhaft gewesen.

Auf der Krankenstation hatte er zuerst versucht sich mit einem Lehrbuch abzulenken und dann mit ein paar Tageszeitungen. Mr. Slingby war zum Glück in der Society und kümmerte sich um Mr. Humphries, weshalb er ihn gebeten hatte auf sein Zimmer zu gehen und ein paar Hefte zu holen.

Er hatte sich dann die Zeit damit totgeschlagen die kleinen Zettelchen zu lesen, die Lily und er heimlich im Unterricht geschrieben hatten.

Es war unglaublich, wie viel seit Beginn der Ausbildung passiert war. Dabei lief diese gerade mal knapp drei Monate.

Was er am meisten vermisste, war das Gespräch am Abend, was sie immer noch über ihre Balkone geführt hatten. Oft genug war er noch einmal zu ihr herüber geklettert und hatte die Nachtsperre für Schüler so umgangen.

Ihre Stimme fehlte ihm.

Es war alles so normal geworden, dass er nie darüber nachgedacht hatte, wie sehr sie ihm doch ans Herz gewachsen war.

Sie hatten über alles gesprochen, gelacht, sich geärgert und vieles mehr. Selbst wenn sie nichts zu sagen hatten, hatte er die Zeit mit ihr genossen. Es war eigentlich eine kleine unbedeutende Sache, aber erst jetzt merkte er, wie wichtig die Unterhaltungen und abendlichen gute Nacht Grüße ihm waren.

Sein Herz zog sich zusammen.

Nakatsu roch an dem Hemd und versuchte so die Leere los zu werden, die ihn erfüllte und das Gefühl gab, ein schlechter Freund zu sein.

Er hatte zugelassen, dass die Leute so über seine Freundin redeten und hatte es nicht verhindert.

„Lily…“

Wieder flüsterte er ihren Namen.

Nakatsu dachte an den ersten Tag, wo er sie gesehen hatte.

Sie hatte zwischen den Reihen gestanden, unauffällig und mit niemanden gesprochen. Sie war ihm zwar aufgefallen, aber er hatte im ersten Moment durch die Uniform gedacht, sie sei ein sehr femininer Mann. Den Rock hatte er nicht sehen können.

Er erinnerte sich noch genau, wie aufgeregt sie gewirkt hatte und wie blass sie geworden war, als sie William erblickt hatte.

Auch wenn er es nur hatte aus dem Augenwinkel sehen können, hatte er gesehen, wie schlecht es ihr für ein paar Sekunden ergangen war.

Es hatte ausgesehen, als hätte sie sehr starke Schmerzen in der Brust. Er hatte Mr. Spears darauf hinweisen wollen, doch dann war die Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt und sie selbst hatte auch keine Anstalten gemacht etwas zu sagen, weshalb er es gelassen hatte.

Nakatsu fragte sich, wie er damals hatte nur so blind sein und sie für einen Mann halten können? Dabei war Lily durch und durch eine Frau, von Kopf bis zur Sohle.

Aber es war ihm erst aufgefallen, als William. T. Spears die Namen verlesen hatte.

So etwas nannte man wohl den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen?

Wenn man etwas erwartete zu sehen, konnte das offensichtliche noch so groß sein. Man sah nur das, was man sehen wollte.

Er konnte nicht umhin sich zu fragen, wie er über Lily denken würde, wenn sie wirklich so ein stark weiblicher Mann gewesen wäre. Würde dann sein Herz genauso unruhig schlagen? Oder hatte er vielleicht wirklich eine Herzkrankheit?

Vielleicht sollte er den Arzt am nächsten Tag mal darauf ansprechen. Er sollte sowieso noch einmal zu ihm, damit er seine Rippen untersuchen konnte. Da konnte er sich auch gleich darauf untersuchen lassen.

Was war nur los mit ihm?

Seit er angefangen hatte sich mit Lily abzugeben, war sein ganzer Herzschlag durcheinander.

War das nicht der eigentliche Grund gewesen, wieso er sich mit ihr abgegeben hatte? Hatte er so nicht herausfinden wollen, ob er sie liebte?

Irgendwie war das durch die vielen Aufregungen in den Hintergrund gerückt. Er war also kein Stück weiter.

War das aber noch so wichtig? Immerhin hatte sich seine Meinung über sie stark geändert.

Als er sie das erste Mal als Frau gesehen hatte, hatte er sich nur mit Müh und Not ein aufstöhnen unterdrücken können.

Er hatte sich gefragt, was eine Frau in der Abteilung für Seelensammlung wollte.

Es war doch inzwischen ganz klar eine Arbeit für die Männer geworden. Sein erster Gedanke war, dass sie eine Möchtegern emanzipierte Frau war, die auf stark tat und dann bei dem kleinsten Wehwehchen jammern würde. Sein nächster Gedanke war gewesen, dass sie dann alle Rücksicht auf sie nehmen müssten, weil sie körperlich nicht so stark wäre wie die anderen.

Er war damals schon von ihrem bloßen Anblick genervt gewesen und hätte sie am liebsten aus der Klasse gehabt.

Das war auch sein Grund gewesen, wieso er sie am Anfang so schlecht behandelt hatte in der Klasse.

Er wollte ihr die Ausbildung mit den anderen schlecht machen, damit niemand zurück stecken musste wegen ihr.

Inzwischen wusste er, wie dumm es damals gewesen war.

Es war mehr als dumm von ihm gewesen, sie so vorschnell zu verurteilen.

Beim ersten Training hatte er gesehen, dass sie trotz der Müdigkeit, die man ihr deutlich angesehen hatte, nicht gejammert hatte.

Er hatte nicht widerstehen können, ihr einen fiesen Spruch an den Kopf zu werfen und zu versuchen, sie zum Aufgeben zu bewegen.

Nakatsu schüttelte den Kopf. Wenn er daran zurück dachte, kam er sich wie ein Idiot vor.

Ein leises Lachen entfuhr ihm und er dachte unweigerlich an den Abend, als er in ihr Zimmer eingebrochen war.

Nach ein paar Tagen hatten seine Kollegen und er vor dem Problem gestanden, dass allen das Shampoo ausgegangen war. Jeder hatte jeden gefragt, ob noch etwa da sei.

Er hatte mitbekommen, dass alle gefragt worden sind und in Zimmer dreiundneunzig sei noch ein Kollege.

Seine Kameraden hatten ihm verschwiegen, dass es Lilys Zimmer war und ihn einfach so dort einbrechen lassen.

Erst als er in das Bad geschlichen war, bereits nach dem Shampoo getastet hatte und die Frauenkleidung auf der Ablage gesehen hatte, war ihm ein Licht aufgegangen.

Er hatte mitten in Lilys Badezimmer gestanden, während sie geduscht hatte.

Bei dem Gedanken daran wurde er erneut rot.

So nah war er ihr seitdem nicht mehr gewesen und es hatte ihn doch überrascht, dass sie in dem Moment nicht aufgeschrien hatte, als sie ihn bemerkt hatte.

So schnell er konnte, war er wieder aus dem Bad und der Wohnung geflitzt und hatte sich ein relativ neutral riechendes Shampoo von ihr stibitzt.

Nach dem Duschen hatte er genauso gerochen wie sie, aber nicht nur er. Die halbe Klasse hatte dann genauso gerochen, da alle sich etwas aus der Flasche genommen hatten.

So war es nicht ganz so peinlich für ihn geworden.

Ein Seufzen entfuhr ihm und Nakatsu hörte das Ticken des Sekundenzeigers der Uhr.

Nun war sie fort und er wusste nicht, ob sie noch am Leben war. Er hofft immer noch darauf, dass die anderen Shinigamis sie finden würden.

Die Wärme des Hemdes in seiner Hand war schon längst verflogen und auch der Geruch der Besitzerin.

Nakatsu konnte sie sich gar nicht mehr ohne den müden Blick und den Augenringen vorstellen, die sie jeden Morgen verzweifelt zu überschminken versucht hatte.

Immer mehr Stunden hatte er mit ihr zusammen verbracht und seine Lehrstunden mit seinem Mentor reduziert, um mit ihr zu lernen und sie so wenig wie möglich alleine zu lassen.

Nur ungern hatte er sie alleine irgendwohin gehen lassen, aber Lily hatte auch das Recht darauf, ihr eigenes Leben zu führen.

Immerhin war Knox zurück. Auch wenn sich seine Begeisterung in Grenzen hielt.

Er konnte es ihm dennoch nicht verzeihen. Nicht einmal bei seiner Ankunft hatte er mit ihr gesprochen oder ihr eines Blickes gegönnt.

Aber was sollte ein so begehrenswerter Ronald Knox, wie er schon mit einer Schülerin anfangen, die seine Fehler ausbadete, wenn er doch so viele andere Frauen haben konnte?

Nakatsu konnte sich gut vorstellen, wie er bereits das Bett mit einer anderen Frau teilte.

Am Tisch hatte er zwar vor allen anderen gesagt, er hätte seine Lektion gelernt und ihn Interesse keine Frauen mehr, aber das konnte er sich bei diesem Frauenheld nur schwer vorstellen.

Er sah doch jeder hinterher, die pralle Brüste und einen straffen Hintern hatte.

Lily Mentor hielt es doch keine Woche ohne eine Frau im Bett aus.

Es würde ihn nicht wundern, wenn er seine Wunden als gutes Mitleidsmittel präsentierte, um die ein oder andere Frau aus den anderen Abteilungen oder der Stadt abzuschleppen.

Der Gedanke, dass er all das nur tat, um bei Mr. Spears wieder ein besseres Ansehen zu bekommen, machte ihn mehr als wütend.

Nakatsus größte Sorge war, dass er irgendwann genauso mit Lily umsprang, wenn sie ihre Ausbildung beendet hatte, wie er es mit den anderen Frauen bisher getan hatte.

Eine Nacht zusammen und dann sollte sie gehen.

Aber Lily war keine Mädchen für eine Nacht.

Die Vorstellung, dass Knox und sie irgendwann mal zusammen eine Verabredung haben könnten oder die zwei zusammen wären, ließ sein Herz ins bodenlose fallen.

Nakatsu schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken schnell los zu werden. Er drehte sich auf die Seite und zog mit den Füßen die Bettdecke zurecht.

Er konnte Knox die Entschuldigung nicht abkaufen, die er Lily gegeben hatte.

Sie hatte ihm später davon erzählt und Nakatsu konnte nicht verstehen, wie sie ihm verzeihen konnte. Aber er konnte ihr anmerken, dass sie noch immer an der Situation zu knabbern hatte. Auch wenn sie ihm Verzieh, musste er ihr Vertrauen erst wieder gewinnen und solange Mr. Spears ihn nicht wieder zu ihrem Mentor machte, würde es auch so schnell nicht gehen.

Er wurde das Gefühl nicht los, dass zwischen den beiden mehr lief, als er wusste und das seit dem Morgen, als Knox bei ihr im Bett geschlafen hatte.

Was war dort passiert? Was hatten die zwei in der Nacht miteinander geredet? Lief vielleicht wirklich etwas zwischen ihnen? War Carry nur aufmerksamer gewesen als er? Hatte Carry vielleicht etwas gesehen, was er nicht gesehen hatte?

Nakatsu versuchte sich den Abend vor Augen zu rufen.

Hatte sie sich vielleicht gewünscht, dass er wieder in sein Zimmer ging, damit sie ungestört die Nacht mit ihm verbringen konnte? Ob sie wohl mit ihm über ihre Geheimnisse gesprochen hatte, als sie alleine im Schlafzimmer eingeschlossen waren? Hatte Lily ihm von ihren Alpträumen erzählt?

Dieser Gedanke brachte ihn zum Verzweifeln und ließ ihn an alles zweifeln, was sie je zu ihm gesagt hatte über Knox. Im Kopf pflückte er alles auseinander, was sie zusammen in den letzten Wochen unternommen hatten und wo dabei ihr Mentor als Thema gefallen war.

Nakatsu konnte nur raten, ob sie ihn möglicherweise angelogen hatte.

Aber die Vorstellung, dass die Antwort Ja sein könnte, tat weh.

Er wünschte, die ganze Sache mit Carry wäre nie passiert und alles wäre wie vorher. Vielleicht auch so, dass Knox nie ihr Mentor geworden wäre. Dann wäre ihr mit Sicherheit der ganze Ärger erspart geblieben.

Ärgerlich schüttelte er den Kopf, als würde er versuchen diese Tatsache abzuwehren.

Es war unmöglich, dass sie ihn so belogen haben konnte. Dazu waren ihre Tränen zu echt gewesen. Sie war zu verzweifelt gewesen. Dafür war er ihr in den letzten Wochen zu nahe gewesen. Er konnte nicht glauben, dass sie ihn belogen haben soll.

Ein Seufzer entfuhr ihm und er sah auf die Uhr, die im Hintergrund die ganze Zeit getickt hatte.

Es war schon halb sieben am Morgen.

Die ganze Nacht hatte er wach gelegen.

Er seufzte und stand langsam aus dem Bett auf. Das Hemd drückte er ein letztes Mal an sich und ließ es dann liegen.

Müde fuhr er sich die Haare. Ein paar Strähnen fielen zurück nach vorne und hingen wirr in seinem Gesicht.

Seine Rippen schmerzten noch immer leicht. Es fühlte sich dennoch besser an.

William T. Spears bestand jedoch darauf, dass er sich noch einmal auf die Krankenstation begab und zu einer Nachuntersuchung gehen sollte.

Schnell ging er in das Badezimmer und machte sich fertig.

Als er auf den Flur trat, war noch niemand zu sehen oder zu hören und er ging gemächlichen Schrittes zur Society, wo auch die Krankenstation war.

Er mochte die Krankenzimmer nicht.

Nakatsu mochte allgemein keine Ärztezimmer.

Der Geruch stach ihm unangenehm in die Nase und es erinnerte ihn daran, wie er als kleiner Junge alleine in einem Zimmer gelegen hatte, während sein Bein in einem Gips lag und der Knochen wieder zusammen wuchs.

Seit diesem Vorfall verabscheute er Krankenstationen.

Noch immer sah er die vielen Leute vor Augen. Alle redeten miteinander und ignorierten ihn und seine Angst. Er selbst hatte nur Gesprächsfetzen aufgefangen und sich den Sinn zusammen gereimt. Sicherlich hatten die Ärzte gedacht, er würde den Sinn nicht verstehen, was sie sprachen.

Aber da hatten sie sich geirrt. Er hatte alles verstanden. Besonders im Gedächtnis geblieben, waren ihm jedoch die Worte der Oberschwester, die angeordnet hatte den OP fertig zu machen. Auf seine Frage hin, ob das weh tun würde und er Angst hätte, reagierte niemand. Sie hatten ihn alle ignoriert.

In diesem Moment hatte sein Herz schneller angefangen zu schlagen. So wie auch in diesem Augenblick, als er durch die Tür der Society ging.

Seine Eltern waren bereits gegangen und er hatte so viel verstanden, dass sie noch einmal wieder kommen würden und er dann in den OP sollte. Aber so war es damals nicht. Kaum waren sie fort, wurde ihm eine Tablette gegeben und er war in wenigen Minuten eingeschlafen gewesen.

Nakatsu ging die Treppe hoch und bog in den Gang ein, der zum Arzt und den Stationen führte, wo die Patienten untergebracht waren.

Er konnte schon den Geruch von Arzneimitteln riechen.

Die Gedanken an seinen früheren Aufenthalt in einem Spital waren wie weg geblasen, als er den langen Raum mit nebeneinander aufgereihten Betten betrat, die durch schneeweiße Vorhänge abgetrennt waren, um etwas Privatsphäre zu schaffen.

Eines der Betten war rundherum von einem weißen Vorhang umgeben.

Sicherlich lag dort ein Patient drin, der Ruhe brauchte.

Nakatsu hörte die Stimme des Arztes hinter dem weißen Vorhang und wie er Anweisungen an eine Schwester weiter gab.

Eine zweite Schwester kam auf ihn zu und reichte ihm ein Klemmbrett und Stift.

„Bitte füllen Sie die nötigen Felder aus“, sagte sie ohne einen Gruß. „Die medizinische und familiäre Vorgeschichte eingeschlossen.“

Sein Herz klopfte lautstark und Nakatsu brachte keinen Ton heraus, um ihr zu sagen, dass er dies am vorigen Tag bereits getan hatte.

Sie brachte ihn zu eines der Betten und zog den Vorhang beiseite. „Der Arzt kommt gleich zu Ihnen.“

Damit ließ sie ihn alleine und er hörte nur noch das gleichmäßige Klacken ihrer Schuhe auf dem Boden.

Er legte das Klemmbrett zur Seite und wippte ungeduldig mit dem Fuß auf und ab.

Wieso hörte die Zeit bei Ärzten auf zu schlagen? Erging es immer nur ihm so oder kam nur ihm die Wartezeit immer so unendlich lang vor?

Die Uhr an der Wand zeigte, dass seit seiner Ankunft weniger als fünf Minuten vergangen waren.

Nakatsu seufzte und das Wippen seines Fußes machte ihn mit einem mal unruhig und nervös. Er hörte auf und fing kurz darauf erneut an.

Der Vorhang wurde beiseite geschoben und der Arzt setzte sich auf den Hocker vor dem Bett.

Neben ihm blieb eine Krankenschwester stehen.

„Guten Morgen“, grüßte der Arzt und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. Er wandte sich an die Schwester und gab ihr den Auftrag seine Krankenakte zu holen.

„Machen Sie den Oberkörper frei“, sagte er nur und holte aus der Schublade ein Blutdruckmessgerät heraus, sowie ein Stethoskop und andere Dinge.

Nakatsu tat wie ihm geheißen und er zog die Uniform soweit aus.

Die Schwester kam zurück mit der Akte und der Arzt schlug sie auf. Er rückte mit dem Hocker näher an ihn heran.

Seine kalten Finger betasteten Nakatsus Brustkorb und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Am liebsten wäre es zusammen gezuckt.

„Entfernen Sie den Verband, Schwester“, sagte der Arzt nur und sofort machte sich die Frau daran, den Knoten zu löschen und die Binden aufzuwickeln.

Der Arzt tastete erneut über den Brustkorb. Ein Brummen entfuhr ihm und Nakatsu wusste nicht, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen sei.

„Messen Sie den Blutdruck“, sagte der Mann zur Schwester und sofort wurde Nakatsu eine Manschette umgelegt, während der Arzt, mit seinen kalten Fingern, die Rippen suchte.

Nakatsu versuchte ruhig zu bleiben, während sein linker Arm eingequetscht wurde und seine Nieren an Unterkühlung starben.

Wo hatte dieser Mann seine Finger vorher gehabt? Hatte er sie vorher in ein Eisfach gehalten?

Das Stethoskop war genauso kalt, wie die Hände des Arztes, als dieser ihm damit den Brustkorb abhörte.

Die Schwester nannte die Werte vom Blutdruck und notierte sie in der Akte.

„Sehr gut“, sagte der Arzt und legte das kühle Gerät weg.

Nakatsu fröstelte kurz. Er wollte nur noch weg und seine warmen Sachen anziehen.

„Öffnen Sie den Mund“, sagte der Arzt und schob ihm eine Sekunde später einen Holzstiel hinein. Er drückte die Zunge nach unten und begutachtete seinen Rachen.

Zufrieden nickte er und maß nur noch die Temperatur.

„Sehr gut, Mr. Shinamoto“, sagte er und notierte sich die Befunde in die Akte. Er zog ein Blatt aus der Schublade und notierte darauf etwas.

Als er fertig war, reichte es der Schwester.

„Leiten Sie das an, Mr. William T. Spears weiter“, meinte er nur und wandte sich an Nakatsu. „Ihre Rippen sind in einem guten Zustand. Sie sollten sie noch etwas schonen und in den nächsten beiden Tagen den Verband tragen. Ich werde Sie auch vom Kampftraining befreien. Danach dürfen Sie wieder mit den anderen die Ausbildung genießen. Sollten Sie jedoch Probleme haben, kommen Sie unbedingt noch mal herein.“

Während er sprach, wickelte der Arzt ihm wieder den Verband um. „Wenn Sie duschen oder baden, nehmen Sie den Verband ab und lassen Sie sich beim Anlegen wieder helfen. Er muss eng sitzen.“

Nakatsu nickte nur brav und gab zustimmende Laute von sich.

„Das war es dann auch schon. Einen schönen Tag noch und gute Besserung“, sagte der Arzt und erhob sich.

Er verschwand schnell hinter dem Vorhang und Nakatsu zog sich die Uniform wieder an.

Hinter dem Vorhang hörte er den Arzt mit jemanden sprechen.

Die Stimme kam ihm bekannt vor.

Schnell stand er auf und knöpfte die letzten Hemdknöpfe zu, während seine Weste offen an ihm herunter hing.

Der Arzt unterhielt sich mit dem grauhaarigen Shinigami und reichte ihm ein paar kleine Flaschen.

Nakatsu blieb im sicheren Abstand stehen. Er wollte nicht schon wieder auf dieser Station landen und sich von den kalten Fingern des Arztes begrabschen lassen.

Seine Atmung ging schneller und sein Körper spannt sich an.

Der Arzt ging und der Shinigami stand mit einem breiten Grinsen im Raum.

Ein leises Knurren entfuhr ihm.

Als hätte der Shinigami es gehört, drehte er sich zu Nakatsu um.

Er kicherte, wie so oft und kam mit großen Schritten auf ihn zu.

„Da habe ich dich wohl ordentlich erwischt, was?“ Er hob die Hand zum Mund und einer der schwarzen Nägel berührte seinen Mund. Im linken Arm balancierte er die Medikamentenflaschen. „Du musst sogar einen Verband tragen. So schlimm?“

Nakatsu knurrte erneut, diesmal lauter. „DU!“

Sofort nach dem die Worte seinen Mund verlassen hatten, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. Er krümmte sich ein wenig.

Der Shinigami kicherte. „Oh, wie es scheint, hat der Schlag meiner Wenigkeit zu einer Rippelprellung geführt“, sein Grinsen wurde breiter, „Wer hat denn auch gesagt, dass dein Brustkorb die stumpfe Seite meiner Scythe küssen soll?“

Ein noch amüsierteres Kichern entfuhr ihm. „Diese Jugend heutzutage…viel zu übermütig. Du bist genau, wie Lily. Sie ist auch so stürmisch.“

Wieder knurrte Nakatsu und konnte sich vor Schmerzen kaum Rühren. Er konnte sich nicht daran erinnern jemals so wütend auf jemanden gewesen zu sein.

„Was haben Sie mit Lily gemacht? Wo ist sie?“

Das Lächeln aus dem Gesicht seines Gegenübers verschwand.

„In Sicherheit“, war die knappe und eintönige Antwort. Er hatte diese Stimme noch nie so ernst gehört. Nur wenige Sekunden später war aber das Kichern zurückgekehrt. „Sie scheint sich aber bei mir sehr wohl zu fühlen. Mein Bett scheint ihr zu gefallen. Es ist sehr bequem und mit ihr darin ist es gleich noch viel angenehmer. Ich habe eine so gute Nacht schon lange nicht mehr gehabt.“

Nakatsus Augen weiteten sich. Er konnte nur schwer seine Wut unterdrücken. Wäre dieser Shinigami nicht stärker als er, wäre er schon längst auf ihn los.

So blieb ihm nichts weiter als zu knurren.

„Du wirst doch wohl nicht…?“ Nakatsu wollte den Gedanken nicht zu Ende führen und schüttelte den Kopf, um die Bilder zu vertreiben, die sich in seinem Kopf breit machten. „Vergreifst du dich schon an wehrlose Schülerinnen?“

Undertaker kicherte wieder, was ihn umso wütender machte.

Fand er es etwa lustig? Hatte er Gefallen daran?

„Nicht so stürmisch, Kleiner“, sagte er. „Pass auf, was du für Anschuldigungen anstellst. Sind es nicht genau solche von dieser einen Dame, die genau zu dieser Situation geführt haben? Denk besser nach….“ Er hielt kurz inne. „Aber ich muss sagen, die Nacht scheint ihr gefallen zu haben. Sie hat geschlafen wie ein Baby. Ich kann es ihr aber nicht verdenken bei dem, was hier in letzter Zeit passiert ist. Zu meiner Zeit hat es das nicht gegeben…“ Kurz seufzte Undertaker auf und sah zu Boden.

„Was haben Sie mit ihr gemacht?“

„Ihr nur geholfen, Ruhe zu finden, ihr etwas zu Essen gemacht und Tee. Sie ist völlig erschöpft und der viele Gewichtsverlust bekommt ihrem Körper auch nicht. Sei froh, dass ich ihr helfe.“ Das Lächeln war nun gänzlich aus seinem Gesicht verschwunden.

Nakatsu konnte seine Wut nicht mehr Zügeln, doch statt den Shinigami mit seiner Faust zu treffen, landete er bäuchlings auf dem nächsten Krankenbett. Er keuchte auf und hörte ihn kichern.

„Ich sagte doch, nicht so stürmisch. Hat dir meine kleine Lektion nicht gereicht?“ Tadelnd schnalzte er mit der Zunge. „Willst du denn nicht begreifen, dass ich deiner Freundin helfe?“

„Als ob!“

„Stimmt. Ich handle auch nicht ganz ohne Eigennutz.“

„Was willst du also von ihr?“

Undertaker ging nicht auf seine Frage ein, sondern sprach einfach weiter, als hätte er seine Frage nicht gehört.

„Nicht einmal gefragt hat sie nach dir. Wie Schade, dass sie dich nur als Freund ansieht. Sie hat nur gefragt, wo dieser….wie hieß der Junge Bursche noch gleich? Ronald Knox! Genau. Sie hat nur gefragt, wo dieser Knox sei und ob es ihm gut ginge.“ Undertaker kicherte und legte einen Finger an die Lippen. „Ihr Mund ist so weich…“

Nakatsus Herz schlug bei dem letzten Satz schneller und die Farbe wich ihm aus dem Gesicht. „Sie haben sie geküsst? Warum machen Sie sich an eine Schülerin ran?“

„Selbst wenn, was willst du tun? Wir wissen beide, dass du nicht an mich heran kommen wirst. Außerdem war ich da nicht der Erste.“

„Was?“

„Zuerst war da dieser Humphries, aber das weißt du ja selbst und dann Knox. An dem Morgen als er neben ihr wach geworden ist.“ Undertaker kicherte erneut.

Nakatsus Blick verfinsterte sich. Sein Körper zitterte vor Wut. „Was? Er hat was getan?“

„Aber das bleibt schön unter uns, verstanden? Immerhin haben die zwei schon genug Ärger. Da brauchen die zwei nicht noch mehr Ärger wegen diesem kleinen Missverständnis, was sie ohnehin geklärt haben.“

Er wusste nichts weiter zu erwidern als knurren.

Ihm gefiel dieser Gedanke ganz und gar nicht und Nakatsu hoffte, dass dieser alte Shinigami log.

Er blickte den Grauhaarigen an. „Sag mir endlich, wieso Sie sie mitgenommen haben! Kommen Sie mir nicht mit Sicher und Ruhe! Ich will eine Erklärung!“

Undertaker kicherte. „Ich konnte einfach nicht mit ansehen, wie schlecht man sie behandelt. Und da habe ich mich erbarmt.“

„Wann bringen Sie Lily zurück?“ Seine Stimme klang ein wenig Verzweifelt, aber das war ihm egal.

Undertaker hatte sich bereits zum Gehen abgewandt, hielt jedoch noch einmal inne. „Wenn es wieder sicher für sie hier ist“, antwortete er und wandte sich endgültig von ihm ab.

Nakatsu sprang vom Bett auf und sprintete zur Tür. Als er in den Flur sah, war der Shinigami verschwunden und Eric Slingby kam ihm entgegen.

Besorgt sag der ältere Shinigami ihn an.

„Mr. Shinamoto, was ist passiert? Sie sehen so blass aus!“

„Dieser Kerl war da….“, keuchte er vor Schmerz und krümmte sich ein wenig.

Eric stützte ihn und brachte ihn zurück in das Zimmer. Er ließ ihn auf ein Bett nieder.

„Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal.“ Eric machte mit den Händen eine beruhigende Geste und deutete Nakatsu, dass er tief ein- und ausatmen sollte.

Nakatsu tat wie Mr. Slingby es ihm vormachte und wiederholte seine Worte von eben mit ruhigerer Stimme.

„Was? Genau hier?“ Erstaunt sah Eric ihn an und er nickte zustimmend, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Was hat er gesagt?“

Er erzählte dem älteren Shinigami was Undertaker zu ihm gesagt hatte und Eric hörte schweigend zu. Nakatsu ließ jedoch die Stelle aus, dass Ronald Lily geküsst haben soll. Das wollte er erst selbst recherchieren.

Ein Seufzen entfuhr ihm am Ende.

„Sie müssen Lily finden, bitte.“ Ein Flehen lag in seiner Stimme.

Eric nickte nur und sah sich kurz über die Schulter im Raum um, als hoffe er, dass der Shinigami zurück kommen würde.

„Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden McNeil finden.“ Er legte Nakatsu eine Hand auf die Schulter. Sie fühlte sich warm an und gab ihm ein beruhigendes Gefühl. „Ruhen Sie sich aus. Vertrauen Sie uns. Wir schaffen das und wir haben auch schon einen Plan, wie wir ihre Freundin finden können.“

„Ich hoffe, es geht ihr gut“, seufzte er und sah zu Boden.

„Das hoffen wir alle. Aber wir schaffen das!“ Eric lächelte ihm aufmunternd zu. „Ruhen Sie sich aus und lenken Sie sich etwas ab. Wir halten Sie schon auf dem laufenden.“

Nakatsu nickte und erhob sich langsam vom Krankenbett.

„Danke“, sagte er noch und verließ dann die Krankenstation.

Auch wenn der Arzt ihm Ruhe verordnet hatte, ging er mit schnellen Schritten ins Erdgeschoss und bog n die Abteilung ab, die zu den Lebensbüchern führte.

Er musste unbedingt in das Lebensbuch von Ronald Knox oder in Lilys schauen. Egal, in wessen er schauen würde. Es würde in einem von beiden drin stehen. Auch wenn es ihm widerstrebe in Lilys Buch zu lesen, so musste er die Wahrheit wissen.

Der Satz von Undertaker ließ ihn nicht in Ruhe und er musste wissen, ob es stimmte, dass er sie geküsst hatte.

Nakatsu wusste nicht, wie lange er beim Arzt gewesen war und ob die Lebensbuchabteilung schon auf hatte, aber wenn Eric Slingby schon auf den Beinen war, war es sicherlich spät genug.

Nakatsu hatte Glück: Die Abteilung hatte seit einer halben Stunde auf und durch die Gänge waren mehrere Shinigamis zu sehen, die neue Lebensbücher einsortierten und alte wegbrachten.

Der Geruch von Tinte lag in der Luft und das Rascheln von Papier war zu hören. Nicht einmal ein Wort von einem der hier arbeitenden Shinigamis.

Obwohl er die Abteilung durch die erste Führung von seinem ersten Tag her kannte, fühlte er sich ein wenig unbehaglich und fehl am Platz.

Langsam ging er durch den Eingang und begrüßte die Frau am Empfang, die ihn nur mit einem kurzen Nicken begrüßte.

Vorsichtig sah er sich um und wich einem Bücherwagen aus, der von einem zierlichen Mädchen mit kräftigen goldblonden Locken geschoben wurde. Er sah viel zu schwer aus für sie. Das Mädchen war auch um ein paar Köpfe kleiner als Lily, so dass sie noch zerbrechlicher wirkte.

Er ging schnell einen Schritt zur Seite und lächelte ihr zur Begrüßung zu.

Sie murmelte ein Hallo und schenkte ihm ein entschuldigendes und schüchternes Lächeln.

Nakatsu folgte ihr in die Abteilung der Lebensbücher der Shinigami.

Sein Herz klopfte lautstark.

Er ging an dem Bücherwage vorbei, wo das Mädchen anfing die Bücher wieder einzusortieren.

Jedes Buch sah identisch aus und er schritt die Reihen entlang, um das von Ronald Knox zu finden.

Nakatsu legte den Kopf schief, um die Namen besser lesen zu können und murmelte leise vor sich hin.

Am Ende des Regals blieb er stehen und sah verwirrt in den Gang zurück.

Das Buch Knox war nicht da, genauso wie das von McNeil.

Unzufrieden brummte er und ging die Regale noch einmal durch.

Das konnte doch nicht sein, dass ausgerechnet dieses Buch nicht an seinem Platz war!

Unzufriedenheit machte sich in ihm breit.

Nakatsu seufzte auf und ging auf das Mädchen zu, das noch immer die Bücher einsortierte.

„Hallo…ähm…entschuldigen Sie bitte…“, sprach er und wartete bis er ihrer Aufmerksamkeit sicher war. „Ich suche das Lebensbuch von Ronald Knox und Lily McNeil und kann es nicht finden.“ Sein Blick fiel auf das Namensschild des Mädchens.

Isabelle Olivia Morgan.

Sie nickte. „Ich komme mit und schau mal. Vielleicht ist es noch beim Gericht. Da ist jemand vor zwei Tagen gekommen und hat beide für die Verhandlung mitgenommen.“

„Oh…“ Mehr brachte Nakatsu nicht heraus. Soweit hatten sich die Gerüchte schon getragen.

„Ja, die Gerüchte gibt es hier schon seit ein paar Wochen, dass dieser Knox was mit seiner Schülerin haben soll.“ Sie schüttelte den Kopf. „Hast du es nicht mitbekommen? Oh Verzeihung…ich meine Sie.“

Nakatsu winkte ab. „Du ist ok. Ich bin noch Schüler in der Seelensammlungsabteilung.“

Isabelle lächelte. „Freut mich. Ich bin hier Lehrling.“ Sie reichte ihm die Hand zur Begrüßung. „Aber dann hast du die Gerüchte doch sicherlich mitbekommen, oder? Immerhin arbeiten die beiden doch in deiner Abteilung!“

Nakatsu scharrte nervös mit dem Fuß. „Ja, hab ich. Um ehrlich zu sein, dieses Mädchen ist meine beste Freundin und wenn du über sie herziehen willst, dann….“

„Oh…“ Isabelle machte große Augen und unterbrach ihn schnell. „Nein, das wollte ich gar nicht! Ich wollte nur sagen, dass ich die Gerüchte totalen Unfug finde und es viel zu sehr von Carry aufgebauscht wird!“

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht anfahren….Ich bin nur fertig mit meinen Nerven…“

Isabelle nickte. „Kann ich verstehen. Wenn diese Lily wirklich deine beste Freundin ist, dann hast du es ja auch irgendwo mit abgekriegt. Was ist denn eigentlich genau im Gericht passiert? Da kursiert ja alles Mögliche im Moment. Tut mir leid, wenn ich so neugierig bin.“

„Schon gut.“ Nakatsu überlegte kurz, ob er ihr davon erzählen sollte und entschied sich für die kurze Version.

„Verstehe und jetzt willst du in seinem Lebensbuch nachlesen?“ Isabelle kletterte auf eine kleine Leiter, um im oberen Regal nach zu sehen, ob das Buch nach hinten gerutscht war und so aus dem Blickfeld.

„So ungefähr“, antwortete er ihr.

„Ich hoffe wirklich, dass das bald vorbei ist.“ Sie kletterte die Leiter herunter und schob die Brille etwas höher. „Tut mir leid, es ist nicht im Regal. Auch das von deiner Freundin nicht. Schauen wir mal vorne beim Empfang nach. Da liegt die Liste mit den ausgeliehen und zurück gegeben Büchern.“

„Wieso?“

„Weil Carry seitdem hier mehr ein und ausgeht als sonst. Eine ihrer Mode-Tanten arbeitet auch hier.“ Sie deutete mit dem Finger in Richtung des Empfangs. „Sie muss irgendwo in den Hinterräumen sein und sich die Nägel machen, wie sonst auch.“

„Eine von ihren Tanten arbeitet hier?“

„Ja, aber glaub bloß nicht, dass die schon mal ein Blick in eines der Bücher geworfen hat. Ich glaube, die kann gar nicht lesen.“ Isabelle kicherte. „Aber Carry geht hier seit diesen Vorfällen mehrfach ein und aus und vor ein paar Tagen hat sie sich ein Lebensbuch ausgeliehen.“

Nakatsu folgte ihr nach vorne und sie ging hinter den Tresen.

Die Frau sah nur kurz auf und widmete sich dann wieder ihren Aufgaben.

Isabelle nahm zwei schwere Bücher zur Hand. Eine dicke blonde Locke fiel ihr ins Gesicht und sie strich sie nach hinten.

Mit dem Finger fuhr sie die Tabelle entlang.

„Da haben wir es ja…“, sagte sie und Nakatsu horchte auf. „Das Lebensbuch Ronald Knox wurde vor der Verhandlung von einem Gerichtsdiener ausgeliehen und ihm dann gestern nach der Verhandlung zur persönlichen Aufbewahrung überhändigt. Das Lebensbuch deiner Freundin McNeil wurde jedoch nach beiden Verhandlungen wieder zurück gegeben.“

„Dann müsste es doch da sein.“

Sie nickte und sah auf die zweite Liste. „Aber es wurde heute früh von Adrian Crain ausgeliehen.“

„Crain? Wer ist das?“ Nakatsu hatte diesen Namen noch nie gehört.

Isabelle zog die Schultern hoch. „Hier steht, er arbeitet in deiner Abteilung. Mehr nicht und Carry hat vor ein paar Tagen ihr eigenes Lebensbuch ausgeliehen.“

Nakatsu nickte. „Danke.“

„Bitte sehr…“ Isabelle biss sich auf die Lippe. „Wenn du mal Lust auf einen Tee hast, würd ich mich sehr freuen!“

Nakatsu nickte. „Gern. Bis dann.“

Sie verabschiedete sich von ihm und er ging zurück in die Society.

Er dachte über den Namen nach und was dieser Mann mit dem Lebensbuch von Knox wollte.

Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken.

„…wie konnte er nur! Das wegen dieser seltsamen Lily! Dabei ist sie nicht mal hübsch!“, sagte eine Frauenstimme, die er in den letzten Wochen viel zu oft gehört hatte, Carry.

„Ja, du bist viel hübscher als sie, Carry! Sie hat ihn nicht verdient. Knox ist blind, wenn er dich für so eine sitzen lässt!“

„Knox muss geistig umnachtet gewesen sein. Anders kann man es sich nicht erklären!“

Nakatsu spähte um die Ecke und dort stand Carry mit ihren Klonen.

Die Klone umschwärmten sie förmlich und Carry genoss es sichtlich, dass man sie so anhimmelte.

„Dabei wisst ihr noch gar nicht das Beste!“, flötete die Anführerin der Mode-Mafia.

„Was denn, Carry?“

„Spann uns nicht auf die Folter!“

„Ich habe ein Date!“

„Mit wem?“

„Na mit wem wohl!“

„Wie lange hast du ihn zappeln lassen bis du zugestimmt hast?“

„Drei Mal.“

„Drei Mal? Vorhin hast du mir erzählt nur einmal…“

„Wie dem auch sei. Heute Abend kommt er zu mir und dann haben wir endlich unsere heiß ersehnte Verabredung!“ Carry klang mehr als aus dem Häuschen.

„Mit dir wird er viel mehr Spaß haben“, versicherte eines der Klone.

„Natürlich wird er das“, sagte sie.

„Sie ist keine Konkurrenz für dich!“

„Genau! Wie erbärmlich muss man sein, sich an seinen Mentor ran zu machen und dann am Ende alles leugnen. Sie tut doch nur so, als wäre sie die Unschuld vom Lande!“

„Und dann ist sie auch noch so blöd und lässt sich entführen!“

Carry lachte und ihre Freundinnen lachten mit. „Wie sagte man? Des einen Leid, des anderen Freud.“

Nakatsu lehnte sich gegen die Wand. Dieses Gespräch mit anzuhören tat weh. Dabei kannten diese Frauen die Wahrheit ganz genau und drehten sie so, wie es ihnen passte!

Tränen stiegen ihm in die Augen und er war froh, dass Lily nicht hier war, um das zu erleben.

Wie konnte Knox nur so Falsch sein? Er schwor hoch und heilig Keuschheit und schmiss sich nun nach nicht mal einer ganzen Woche wieder an Carry ran!

Hatte dieser Mann nichts aus dieser Situation gelernt?

Es würde Lily das Herz zerreißen, wenn sie davon erfahren würde. Wie gut, dass sie gerade fort war.

Am liebsten würde er ihm gerade den Hals umdrehen.

Nakatsu versuchte das Gespräch auszublenden, doch es ging nicht.

„Habt ihr sie diese Woche gesehen?“

„sie sah furchtbar aus. Es sollte verboten werden, Mitternachtscocktails zu trinken, wenn man am nächsten Tag wieder arbeiten muss. Besonders für Schüler.“

„Da sprichst du ein wahres Wort.“

„Und jemand sollte ihr mal sagen, dass ihr die Uniform nicht steht. Schwarz macht sie blass und es gibt etwas, was man Haarschnitt nennt. Sie sollte ihren Frisör verklagen.“

„Vielleicht ist sie auch nur hier, weil sie mit der Uniform Pölster verstecken will. Sie ist der totale Versager. Es würde mich nicht wundern, wenn sie nicht bald vom Dach der Society springt, nur um Aufmerksamkeit zu erregen und damit sie sich weiter an meinen Ronilein ran machen kann.“

„Das ist auch alles. Sie will nur Aufmerksamkeit. Warum sonst arbeitet sie in der Seelensammlung?“

„Weißt du, manchmal denke ich, sie hat das mit meinem Ronilein genau geplant seitdem er ihr Mentor wurde. Nur damit sie Aufmerksamkeit bekommt! Sonst würde doch keiner auf sie achten. Sie ist eine viel zu große Niete, als das…

„Halt die Fresse, Carry!“, platze Nakatsu heraus und er trat um die Ecke hervor. Seine Wut brodelte im inneren und alles an ihm war auf Kampf gepolt. Sein Blick war kühl und er hatte große Mühe seine Stimme ruhig zu halten.

Carry drehte sich herum. Ihre Augen weiteten sich. „Oh Schnuckelchen, tut mir leid. Ich wusste gar nicht, dass du zuhörst. Das tut mir aber leid. Aber naja…“ Sie zog die Schultern hoch und kam auf ihn zu. „Es ist nun mal die Wahrheit. So leid es mir auch tut, dass ich dein schönes Bild von deiner Freundin kaputt mache.“

Carry kam immer weiter auf ihn zu.

Instinktiv wich Nakatsu zurück. So wütend er auch auf Carry war, er konnte keine Frau schlagen.

„Nenn mich nicht Schnuckelchen!“, fuhr er sie an. Er war richtig sauer.

„Aber, aber….sag doch einfach, dass du neidisch auf meine Verabredung heute Abend bist und du auch gern eine mit mir hättest. Vielleicht können wir ja was zu dritt arrangieren?“, kicherte Carry und trat näher an ihn heran, so dass sie nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war. Mit einem Finger fuhr sie ihm über die Wange.

Nakatsu schauderte.

„Das reicht, Carry. Lass den Jungen in Ruhe!“ Grelle trat näher an die Gruppe heran und Nakatsu atmete erleichtert über die Hilfe auf.

Der rothaarige Shinigami stellte sich, mit in die Hüfte gestemmten Händen, zwischen Carry und ihm.

„Was soll das, Grelle?“, fauchte Carry, „Tu bloß nicht so, als wäre er dein Eigentum! Du hast William!“

Grelle hob eine Augenbraue und lächelte. Er sah kurz über die Schulter zu Nakatsu, der noch immer an der Wand stand.

Er zwinkerte ihm zu, so dass Carry es nicht sah.

„Und wenn es so wäre, Carry?“, fauchte Grelle zurück.

„Dann will ich aber einen Beweis! Seit wann machst du dich an Kinder ran?“

Nakatsu glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können. Half Mr. Sutcliffe ihm aus der Klemme, in dem er behauptete, er wäre mit ihm zusammen und Carry wolle einen Beweis dafür sehen?

Nakatsu schluckte hart und schwer. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

„Und wie?“, fragte Grelle gelangweilt zurück und klang dabei missmutig.

„Küsst euch!“, verlangte Carry prompt.

„Lieber kuschle ich mit einem Kaktus!“, entfuhr es Nakatsu.

„Der Kaktus wäre auch die bessere Wahl!“, kicherte eines der Klone und erntete sofort einen kalten Blick von Grelle.

„Ich bin viel hübscher als der Kaktus!“, rief er lauthals mit seiner schrillen Stimme.

„Beweist du es nun oder gehst du weg und lässt mich mit dem Jungen alleine?“ Carry klang ungeduldig.

Grelle drehte sich zu Nakatsu um und schluckte.

So sehr Nakatsu Grelle dankbar war für die Hilfe, ein Kuss ging doch zu weit.

Er wollte sich schon wegdrehen und flüchten, als er zwei Hände an seinen Schultern spüre, die ihn zurück an die Wand drückten. Nur eine Sekunde später spürte er wie Grelle seinen Mund auf seinen presste.

Er sah Grelles rote Haare und wie dieser die Augen zusammen gekniffen hatte.

Die Lippen des Shinigamis waren weich und unweigerlich schloss Nakatsu die Augen. Innerlich betete er, dass der Kuss bald vorbei sein würde.

Grelles Hand wanderte in seinen Nacken und zog ihn näher, doch seine Lippen bewegten sich nicht.

Nakatsus überraschtes aufkeuchen, ging im Kuss unter.

„Sieht mir eher nach einem gezwungen Kuss aus….“, kam es von Carry.

Nakatsu verdrehte innerlich die Augen und tat es Grelle nach. Er legte ihm die Hand in den Nacken und begann den Kuss zu erwidern.

Vorsichtig bewegte er die Lippen und saugte an Grelles Unterlippe. Seine Zunge fuhr in dessen Mund und umspielte die andere.

Er konnte die spitzen Zähne fühlen und hoffte, dass er sich nicht daran verletzten würde.

„Ja, ist ja schon gut. Ich glaub es euch ja, jetzt hört auf damit! Das wird ja ekelhaft!“, hört er Carry sagen und Nakatsu löste sich langsam von Grelle, der ihn mit rotem Gesicht anstarrte.

Schnell wandte sich der Shinigami Carry zu.

„Beweis genug, Carry?“, fuhr Grelle sie an. „Jetzt lass uns in Ruhe!“

Nakatsu merkte, wie sein Gesicht glühte und sich eine Röte gebildet hatte.

Carry winkte ihnen beiden ab. „Schon gut. Ich glaube es ja. Ich hab kein Interesse an kleinen Schwuchteln wie euch. Außerdem will ich meinem Ronilein nicht untreu werden, wo er mich doch heute Abend zu einem Date eingeladen hat!“ Den letzten Satz flötete sie förmlich und rauschte fröhlich und gut gelaunt mit ihren Klonen davon, während Grelle und Nakatsu auf dem Flur mit hochroten Gesichtern zurück blieben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  AkaiOkami
2013-09-04T14:20:13+00:00 04.09.2013 16:20
Ahahahaha wo grell und uNakatsu sich küssen XD ich konnt nicht mehr haha ^^ ich hätte aber auch angst mir an grells Zähnen wehzutun...XD
Antwort von:  Noisa-Grellchen1992
04.09.2013 21:08
Ja ich muss schon sagen ! Ich rühr nie wieder einen Schüler an x.x auch nicht um zu Helfen.. ich war entsetzt als er diesen Kuss auch noch erwiedert hat sowas geht doch nicht
Von:  fahnm
2013-08-27T01:26:59+00:00 27.08.2013 03:26
Klasse Story^^


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