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Shinigami Haken Kyoukai desu - Shinigami Dispatch Society

von

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Willkommen in der Welt von Undertaker

Die Nacht war schrecklich gewesen. So schlecht hatte Emily noch nie geschlafen. Obwohl das Bett sehr weich war, die Decke warm und mehrere Kissen auf dem Bett lagen, hatte sie kaum ein Auge zugetan.

Sie vermisste die dünne Strohmatte mit der alten geflickten Decke, die in der Hütte ihrer Eltern lag und auf der sie seit sie ein kleines Kind gewesen war, geschlafen hatte. Auch, wenn die Matte hart und unbequem war, sie hatte immer gut darauf schlafen können. Diese weiche Matratze war sie einfach nicht gewohnt. Viel zu sehr versank sie darin und fühlte sich wie eine Prinzessin, die sie nicht war. Es fühlte sich einfach falsch an.

Emily hatte zwar schon immer davon geträumt auf einer edlen und weichen Matratze zu liegen, aber nun wo sie eine Nacht darauf geschlafen hatte, wollte sie lieber wieder die Strohmatte.

Was machte ihre Familie wohl? Ob ihr Vater sehr wütend war, dass sie nicht nach Hause gekommen war? Würden sie ohne sie zu recht kommen? Sicherlich musste ihre Schwester Maria jetzt doppelt so hart arbeiten, damit die Familie versorgt werden konnte.

Emily fragte sich, wie es dem Bestatter ging. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen und das schlechte Gewissen nagte an ihr. Aber in seiner Nähe fühlte sie sich immer so komisch. Es machte ihr ein wenig Angst.

Sie drehte sich auf den Rücken und verscheuchte den Gedanken an den Bestatter. Mit jeder Bewegung federte die Matratze und Emily hatte das Gefühl die Decke lag mit jeder Minute schwerer auf ihren Brustkorb.

Mit einem genervten Seufzer warf sie die Decke zurück und strampelte sie mit ihren Beinen an das andere Ende des Bettes. Emily kämpfte sich an den Rand des Bettes und stand auf. Das lange Nachtgewand, was sich in der Nacht um ihren Körper gewickelt hatte, fiel zu Boden und hatte einige Falten vom Liegen in der Nacht bekommen.

Unsicher, was sie nun tun sollte, stand Emily einige Sekunden ratlos herum. Die dicken und dunklen Vorhänge hielten das Zimmer in Dunkelheit gehüllt.

Nur im schwachen Schein der Öllampe erkannte sie die groben Umrisse des Raumes.

Ein großer Kleiderschrank stand gegenüber dem großen Bett, dazu gab es einen kleinen Schreibtisch mit fein geschnitzten Holzmustern. Auf dem Schreibtisch stand ein Fass mit blauer Tinte und einer großen, weißen edlen Schreibfeder und feines Leinenpapier. Es gab auch eine kleine Frisierkommode mit einer Haarbürste und einem großen runden Spiegel. Dazu standen ein Krug mit Wasser und eine Schale bereit mit einem Handtuch.

An der Wand hing ein Portrait.

Das Licht warf dunkle Schatten auf das Gemälde. Die Augen der Frau darauf schienen sie anzustarren. Ihr Haar war brünett und hochgesteckt worden und das Kleid war in einem blütenreinen weiß.

Mehr war in diesem Raum nicht zu finden.

Emily ging zum Fenster und versuchte die Vorhänge zur Seite zu ziehen, doch sie bewegten sich keinen Millimeter. Sie waren einfach zu schwer und zu lang. Emily wühlte sich durch die Stoffbahnen, um das Fenster erreichen und einen Blick hinaus werfen zu können.

Sie wollte unbedingt auf die Straßen von London sehen, wie die Menschen geschäftig umher liefen und die reichen Leute in ihren Kutschen fuhren. Sie war noch nie aus dem Armenviertel von London hinaus gekommen und wollte sich die reiche Gegend genau ansehen.

Vielleicht konnte sie einen Blick auf den Tower werfen und Big Ben die große Uhr.

Emily berührte die kalte Glasscheibe und rüttelte an dem Fensterknauf. Der Holzrahmen knarrte und sie konnte nicht mehr sehen als den blauen bewölkten Himmel und eine weit reichende Wiese. Enttäuscht verzog sie das Gesicht und wühlte sich aus dem Stoff heraus.

Sie wusste nicht, wie man einen der Diener rief oder wann jemand kommen würde, um sie zu wecken und ihr zu sagen, was sie anziehen soll.

Auf nackten Sohlen ging sie zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Emily spähte in den Flur und suchte nach jemanden, den sie fragen konnte. Kein Butler oder Dienstmädchen war in Sicht.

Wenigstens waren die Vorhänge im Flur nicht zugezogen. Sie pustete die Flamme der Öllampe aus und ging in den Flur.

Leise und auf Zehenspitzen lief sie zum Fenster und spähte hinaus.

Wieder sah Emily nur Wolken und eine weite Wiese. Sie konnte aber den Ansatz zu einem weitläufigen Park erkennen, der wohl zum Anwesen gehörte.

Durch das geschlossene Fenster konnte sie lautes Hundegebell hören. Nur wenige Augenblicke später liefen die Hunde, die sie am gestrigen Abend gesehen hatte über die Wiese und tollten sich im Gras.

Aber das wollte sie nicht sehen. Sie wollte die Stadt sehen. Emily überlegte. Wenn sie vielleicht zur anderen Seite des Anwesens ging, konnte sie vielleicht auf die Stadt sehen. Vielleicht lag das Anwesen am Stadtrand und sie hatte einen Blick auf Feld, Wiese und Garten erwischt?

„Kannst du mir mal sagen, was du da treibst?“, fragte eine strenge und weibliche Stimme hinter hier.

Emily zuckte zusammen und fuhr herum

Vor ihr stand eine Frau in einem hochgeschlossenen dunkelgrünen Kleid. Ihre dunkelblonden Haare waren zu einem straffen Knoten hochgesteckt. Ihr Mund verzog sich zu einer dünnen missbilligenden Linie. Die grün-blauen Augen der Frau funkelten sie streng an. Sie musterte sie von Kopf bis Fuß und blieb an ihren nackten Füßen hängen.

Emily starrte zurück, noch zu erschrocken, um ein Wort heraus zu bringen.

„Ich habe gefragt, was du da treibst!“, fuhr die Frau sie an. „Bist du taub oder hast du deine Zunge verschluckt?“

Emily schüttelte den Kopf.

„Dann antworte!“

„J….ja, Ma‘am….“

„Was treibst du da? Dazu auch noch im Nachtgewand und Barfuß?“

„Ich…ich wollte nur die Stadt sehen….“

„Die Stadt?“ Überrascht über diese Aussage sah die Frau sie an. „Wir sind hier auf dem Land. Das hier ist der Landsitz des Barons. Von hier aus wirst du London nicht sehen können.“

„Oh…“

„Du musst das Straßenmädchen sein, was das gnädige Fräulein Rebecca gestern von den Straßen Londons aufgelesen und mit hierher gebracht hat.“

Sie war sich nicht sicher, ob es eine Frage oder Aussage der Frau war. Zur Sicherheit nickte Emily.

„Wie ist dein Name?“, fragte sie.

„Emily. Emily Layall.“

„Dein Taufname?“

„Ich habe keinen…“

Ein erschrockener Laut entfuhr der Frau und sie griff sich an die Brust, als hätte Emily etwas Böses gesagt. Die Dame brauchte einige Sekunden um sich zu fassen und klatschte ungläubig in die Hände.

„Von der Straße und auch noch Heidin! Herr im Himmel bewahre…“ Sie schüttelte den Kopf.

„Fräulein Briggs, was ist hier los?“

Emily erkannte die Stimme. Es war das Mädchen Rebecca. Sie stand im Nachtgewand und in einem langen rosa Mantel gehüllt in der Türschwelle zu ihrem Zimmer. Auch sie trug keine Schuhe.

Die Dame, die wohl Briggs mit Nachnamen hieß, stieß einen weiteren missbilligenden Laut aus.

„Jetzt sieh nur an, was du angerichtet hast! Jetzt steht auch noch das junge Fräulein unangemessen gekleidet im Flur! Was, wenn einer der Dienstboten sie so sehen würde und dich dazu? Oder der Baron! Noch schlimmer die Baroness! Was wäre, wenn sich das junge Fräulein erkälten würde? Mit ihrer Krankheit kann das tödlich enden!“

„Fräulein Briggs, beruhigen Sie sich. Es ist doch nichts passiert.“ Rebecca trat zu Emily und sah sie fragend an. „Was wolltest du denn?“

Nervös fummelte Emily an dem Stoff des Nachtgewandes, während sie antwortete: „Ich wollte London sehen. Ich dachte, wir wären noch in der Stadt.“

Rebecca lachte laut auf. „Du Dummerchen! Hast du gestern nicht auf den Weg geachtet? Wir sind aus London raus gefahren und auf das Land. Wir verbbringen hier die meiste Zeit. Der Doktor sagt, die Luft wäre hier besser für mich.“

„Achso…verstehe…“

„Hör auf mit deinem Gewand zu spielen! Der Stoff war teuer! Stell dich grade hin und hör auf zu nuscheln. Das ziemt sich nicht für eine junge Dame!“, fuhr die Frau sie an.

„Fräulein, bitte beruhigen Sie sich. Emily ist all das nicht gewöhnt. Es gibt also keinen Grund sich so aufzuregen.“

Das Fräulein neigte leicht das Haupt und deute eine Verbeugung an. „Verzeiht, junges Fräulein, aber ich wurde eingestellt, um Euch angemessenes Benehmen beizubringen. Da nun dieses junge Mädchen mit in diesem Haus ist und als Eure Begleiterin da ist, ist es meine Aufgabe auch sie zu angemessen zu unterrichten, um diesem Haus keine Schande zu bereiten. Je eher sie lernt, wie sie stehen, sitzen, gehen, reden und essen soll, umso besser. Mit Sicherheit kann sie auch nicht lesen und schreiben.“

„Verzeihung, das wusste ich alles nicht“, meldete sich Emily zu Wort und machte Anstalten zurück in das Zimmer zu gehen.

„Bleib!“, sagte Fräulein Briggs und ging zu einem kleinen Beistelltisch und läutete mit einem Glöckchen. „Du wirst dich alleine nicht zu recht finden und angemessen kleiden können.“

Die Dame wandte sich zur Treppe, wo bereits ein Butler herauf kam. Er verneigte sich kurz. Wenn Emily sich nicht irrte, war es der Butler namens Dustin, der sie gestern hierher gebracht hatte.

„Zwei Ankleidedamen!“, sagte sie kurz und knapp.

„Sehr wohl, Fräulein.“ Der Butler verneigte sich erneut und ging die Stufen wieder hinunter.

„Warum lässt sie zwei Ankleidedamen rufen?“, fragte Emily leise Rebecca.

„Damit sie dich und das junge Fräulein zurück in ihre Zimmer bringen und ankleiden.“

„Aber das ist doch nicht nötig. Das Zimmer liegt doch direkt vor meiner Nase.“

„Was nötigt ist und was nicht, entscheide ich. Immerhin übergab man mir die Erziehung des jungen Fräuleins.“ Fräulein Briggs rümpfte die Nase.

Zwei Dienstmädchen kamen die Treppe hoch geeilt. Beide trugen dieselbe Dienstmädchenuniform. Sie neigten kurz das Haupt.

„Magarete, bringen Sie das junge Fräulein in ihr Zimmer und kleiden Sie sie ein“, sagte das Fräulein. „Brigitte, Sie möchte ich bitten ein Bad für das Kind einzulassen. Baden Sie sie erneut und bringen die Haare in Ordnung. Wenn es sein muss, schneiden Sie sie ab. So zerzaust kann man das Kind niemanden zeigen. Am Ende glaubt man noch, der Baron und die Baronesse wären verarmt. Putzen Sie auch die Zähne dieses Straßenkindes gründlich. Die Zähne müssen weiß sein!“

„Sehr wohl“, antworteten die beiden Dienstmädchen im Chor.

Ohne noch ein weiteres Wort an Emily oder Rebecca zu verlieren ging die Dame die Stufen hinunter. Sofort führte eines der Dienstmädchen Rebecca in ihr Zimmer und die Andere führte sie in ihr Zimmer und in einen angrenzenden Nebenraum, in dem eine gusseiserne Badewanne stand.

Diesmal war das Wasser wärmer und das Dienstmädchen schrubbte ihre Haut nicht ganz so stark wie ihre Kollegin am vorigen Abend. Nur das Zähneputzen war etwas ungewohnt für sie. Das Dienstmädchen wiederholte die Prozedur mehrfach. Immer wieder trug sie neues Zahnpulver auf die Bürste mit einem kleinen Tropfen Pfefferminzöl. Vier oder fünfmal musste Emily das mit sich machen lassen ehe das Dienstmädchen aufhörte. Das Haare kämmen war jedoch am schmerzhaftesten und Emily befürchtete schon, das Dienstmädchen würde die Anweisung wahr machen und ihr die Haare abschneiden.

Sie benutzte lediglich verschiedene Kämme und Bürsten bis alle Knoten heraus gekämmt waren und sie es frisieren konnte.

„Das Haare schneiden werden wir dir wohl nicht ersparen können“, kommentierte sie. „Keine Sorge, viel bestimmt nicht, aber es muss ordentlich geschnitten werden. Für den Anfang wird es reichen.“

Das Ankleiden ging schnell, jedoch war es schmerzhaft in ein Korsett geschnürt zu werden. Das Dienstmädchen zog die Bänder immer fester und fester und die Stäbe des Korsetts zwang ihren Körper in eine grade Haltung. Die noch nicht vorhandene Taille wurde zusammengedrückt und hervorgehoben, so dass sich eine kleine Oberweite bildete. Die Luft entwich ihrer Lunge und mehrfach keuchte sie auf.

Wenn das der Preis war, wenn man Reich war, dann wollte sie lieber arm bleiben als sich Tag für Tag darin einengen zu lassen.

Ihr Magen rebellierte gegen die Enge und Emily hatte einige Male das Gefühl sich übergeben zu müssen. Es war kein Wunder, wenn die reichen Leute so blass waren. Das lag nicht nur an den wenigen Sonnenstrahlen, sondern auch daran, dass die Damen so wenig Luft bekamen.

Konnte man so eingeengt etwas essen oder ernährte man sich nur von Wasser?

Das Kleid, was das Dienstmädchen ihr anzog reichte bis zu den Knöcheln. Der Stoff war sehr weich und die grüne Farbe war nicht ausgeblichen, sondern noch wie frisch aus der Färberei. Die Ärmel reichten bis zu den Handgelenken und waren ungewohnt eng. Das Kleid allgemein schränkte sie sehr in ihrer Bewegungsfreiheit ein. Darin würde sie sicherlich nicht spielen und rennen können wie vor einem Tag noch. Aber ihr altes Leben war jetzt eh nicht mehr da. Ab jetzt lebte sie in diesem feinen Haus bei Rebecca und musste sich auch so benehmen.

Die weißen Strümpfe juckten ein wenig, doch Emily verkniff sich eine Bemerkung darüber. Das Dienstmädchen schien sie sowieso schon nicht leiden zu können, da sie wegen ihr viel mehr Arbeit hatte.

Das Schuhe anziehen war jedoch das unangenehmste. Noch nie in ihrem Leben hatte Emily ordentliches Schuhwerk besessen. Die meisten Schuhe, die sie besessen hatte, waren durchgelaufen oder die Sohle löste sich. Manchmal waren sie auch viel zu groß, so dass nicht wirklich damit laufen konnte ohne sie zu verlieren.

Es war Emily daher sehr unangenehm Schuhe zu besitzen, die eine feste Sohle hatten, die sich nicht löste oder durchgelaufen war. Schuhwerk saß genau richtig. Es war auch nicht zu groß. Aber grade, weil es so gut passte, waren Emilys Füße nicht daran gewöhnt und schon nach wenigen Minuten wurde es schmerzhaft.

Am liebsten hätte sie die Schuhe sofort wieder ausgezogen, doch das Dienstmädchen schärfte ihr ein, sie solle sie anbehalten und sich nicht von Fräulein Briggs erwischen lassen, wie sie sie auszog und Barfuß herum lief.

Emily nickte brav und wusste schon, dass sie das Fräulein Briggs nicht leiden konnte. Sie war viel zu streng, ganz anders als ihre Mutter, die sie liebevoll erzogen hatte.

Irgendwie tat ihr Rebecca leid, auch wenn sie tierisch verwöhnt war, unter solchen Fittichen groß geworden zu sein.

Nachdem das Dienstmädchen fertig war, wurde Emily von ihr aus dem Zimmer geführt.

Ihr fiel auf, dass jemand zwischenzeitlich das Bett hergerichtet und die Vorhänge aufgezogen hatte. Das Fenster stand offen und ließ frische Luft herein.

Sie gingen die Treppe hinunter und in einen großen Speisesaal, wo ein ansehnliches Frühstück hergerichtet war.

Es stand frisches Brot und Brötchen auf dem Tisch, eine Kanne mit Milch, eine Teekanne, ein kleiner Teller mit Butter, ein Teller mit Wurst und Käse. Eine Schale gefüllt mit Trauben, Äpfeln und anderem exotischem Obst stand in der Mitte des Tisches.

Das Silberbesteck glänzte und die Gläser waren aus feinstem Glas, genauso wie das Teeservice und die Teller aus feinstem Porzellan bestanden.

Rebecca saß bereits am Tisch, genauso wie Fräulein Briggs.

„Es wird ja Zeit, dass du kommst“, schimpfte sie sofort als sie Emily erblickte. „Merke dir eines: Frühstück gibt es pünktlich um Neun Uhr! Keine Minute später!“

Sie warf einen Blick auf die Standuhr in der Ecke. Die Uhr zeigte fünf nach neun an.

„Ja“, antwortete Emily.

„Es heißt nicht nur „Ja“, sondern „Ja, Fräulein Briggs“.“

„Ja, Fräulein Briggs“, wiederholte sie.

„Nun gut, wenigstens bist du jetzt angemessen hergerichtet“, sagte sie mit einem abfälligen Tonfall. „Setz dich und dann wollen wir mit dem Frühstück beginnen.“

Ein Butler kam herbei und zog ihr einen Stuhl hervor und schob sie an den Tisch nahe genug heran.

Emily starrte auf das Service und nahm das Tuch vom Teller. Sie schaute zu Rebecca hinüber, die ihr deutete, es auf den Schoß zu legen.

Schnell legte sie es auf den Schoß ehe die Erzieherin einen weiteren Grund hatte sie auszuschimpfen.

Ein Butler legte ihr ein Brötchen auf den Teller. „Möchtet Ihr Milch oder Tee?“

„Ähm…Tee…“, antwortete sie leise.

Der Butler nickte und goss ihr warmen Tee in die Tasse.

„Danke…“, nuschelte sie.

„Beim Personal wird sich nicht bedankt“, schimpfte die Erzieherin sofort und nahm sich ein Stück Butter vom Teller, den der Butler ihr hinhielt.

„Verzeihung…“

„Hör auf zu nuscheln! Das gehört sich nicht!“ Fräulein Briggs seufzte ergeben. „Ich sehe schon, mit dir werde ich viel Arbeit haben.“ Sie warf Emily einen vernichtenden Seitenblick zu.

„Fräulein Briggs, speisen Mutter und Vater heute nicht mit uns?“, fragte Rebecca.

„Junges Fräulein, Ihr wisst doch, dass die Baroness und der Baron viel zu tun haben. Sie haben schon längst gespeist und sind auf einer wichtigen Reise. In ein paar Tagen sind Ihre Eltern wieder da.“

Rebecca zog einen Schmollmund. „Schon wieder? Immer sind sie verreist!“

Ein Hustenanfall überkam sie.

„Fühlt Ihr Euch nicht wohl?“, fragte die Erzieherin.

„Es geht schon.“

„Dustin!“, rief Fräulein Briggs. „Bringen Sie die Medizin des jungen Fräuleins.“

„Ich will sie nicht einnehmen.“

„Junges Fräulein, ich dulde keine Widerworte. Ihr wisst, dass es wichtig ist, dass Ihr sie regelmäßig nehmt.“

Emily war erstaunt darüber, dass Rebecca bei ihrer Erzieherin nicht das verwöhnte, reiche Mädchen heraus hängen ließ wie am vorigen Abend bei ihrem Vater.

Dustin stellte Rebecca ein Glas mit Wasser auf den Tisch und ließ ein weißes Pulver darin fallen.

„Nun zu dir Emily“, sagte die Erzieherin. „Du wirst am Privatunterricht des jungen Fräuleins teilnehmen. Der Hauslehrer ist ein angesehener Universitätsprofessor. Da das junge Fräulein schon viel weiter im Unterricht ist, wirst du eine Menge aufzuholen haben. Ich werde nachher mit dem Professor darüber sprechen, damit er dich dementsprechend unterrichten kann. Ich werde auch jemanden kommen lassen, der dir die Haare anständig schneidet. Ich habe schon gehört, dass es geschnitten werden muss.“

Briggs rührte in ihrer Teetasse herum und trank einen Schluck.

Emily nickte brav.

Es gab wirklich viel zu lernen. Für alles schien es eine Regel zu geben.

Den Tee musste man so umrühren, dass man mit dem Löffel nicht gegen die Tasse schlug und der Löffel musste vorsichtig am Rand der Tasse abgestreift werden. Abgelegt wurde er auf der Untertasse.

Die Gabel für das Putenfleisch durfte nicht für die Wurst benutzt werden, die Gabel für den Salat hat vier Zinken anstatt drei.

Das Frühstück war eine reine Folter gewesen und wirklichen Appetit hatte Emily nicht gehabt. Fräulein Briggs hatte an allem etwas auszusetzen, während Rebecca sich nur mit Mühe einen Lachanfall verkneifen konnte.

Anscheinend waren fehlende Tischmanieren bei reichen Leuten, worüber man lachte. Sie kam sich vor wie ein Tier im Zirkus, das bestaunt und begafft wurde. Selbst die Diener warfen ihr abfällige Blicke zu.

Aber nicht nur Fräulein Briggs sekündliche Schimpftiraden über ihre fehlenden Manieren verdarben ihr den Appetit, das Korsett trug den Rest dazu bei. Es engte ihren Magen so sehr ein, dass sie schon nach einem halben Brötchen satt war.

Natürlich schimpfte Fräulein Briggs auch darüber.

„Du musst anständig essen! Oder willst du krank werden? Du kommst von der Straße. So feines Essen wie hier gibt es nicht, wo du herkommst! Ich erwarte, dass du zu Mittag mehr isst!“

„Das Korsett…“, versuchte es Emily.

„Was ist damit?“

„Es ist so eng geschnürt…“

„Es muss so eng geschnürt werden. Das gehört sich so.“

„Aber deswegen habe ich keinen Hunger“, sagte sie und hoffte, dass Fräulein Briggs das Korsett neu schnüren ließ. „…Fräulein Briggs“, fügte sie schnell hinzu.

„Brigitte schnürt sie ordentlich und richtig. Warte ein paar Tage ab und du wirst dich dran gewöhnt haben. Merke dir aber für die Zukunft, dass das kein Thema zu Tisch ist. Stell dir nur mal vor, wenn Herren anwesend gewesen wären. Das ist ein Skandal! Ich werde aber dieses eine Mal Nachsicht haben. Trink wenigstens ein Glas Milch und versuch noch das restliche Brötchen zu essen.“

Emily nickte brav und tat wie ihr geheißen.

Sie konnte die Frau nicht ausstehen und fragte sich, welchen Status sie in diesem Haus hatte, dass sie Rebecca so herum kommandieren konnte.

Nach dem Frühstück fing sofort der Unterricht an.

Zuerst kamen einige Stunden über vornehmes Benehmen, dass hauptsächlich Rebecca auf ein späteres Leben als erwachsene Dame vorbereiten sollte.

Für sie selbst, war das Ganze überflüssig. Viel lieber hätte sie im Hof gespielt und wäre über die saubere und gepflegte Rasenfläche gelaufen. Sicherlich hätten die anderen Kinder von der Straße, mit denen sie oft spielte, sehr viel Spaß gehabt. Es gab niemanden, der sie stören würde und jede Menge Platz.

„EMILY!“, schrie die Lehrerin sie erneut an. „Pass gefälligst auf!“

Emily zuckte zusammen und nickte. Sie hatte wieder aus dem Fenster gesehen und geträumt.

„Verbeuge dich nun und lass die Bücher nicht von deinem Kopf fallen!“

Sie nickte und nahm das Buch. Vorsichtig legte sie es auf ihren Kopf und versuchte es im Gleichgewicht zu halten.

Es wackelte bedrohlich.

Langsam ging sie in die Knie. Die Hände bereit, um das Buch jederzeit aufzufangen.

„Hände unten! Rücken gerade!“, rief die Erzieherin.

Emily verkrampfte sich und versuchte dem Drang zu wiederstehen, die Hände zu Hilfe zu nehmen.

Rebecca beobachtete sie amüsiert und ging gekonnt im Zimmer auf und ab. Sie war es seit Jahren gewöhnt, diesen Unterricht zu absolvieren.

Das Buch auf Emilys Kopf wackelte bedrohlich und fiel mit einem lauten Poltern zu Boden. Sie hatte versucht es noch aufzufangen, scheiterte jedoch kläglich.

„Emily, konzentriere dich!“, schimpfte die Lehrerin. „Bück dich und heb das Buch auf, dann machst du die Übung noch mal!“

Gehorsam nickt sie und ging ein wenig in die Hocke, um das Buch aufzuheben. Mit dem Korsett war es gar nicht so einfach sich zu Bücken. Sie wusste nun, warum so viele adelige Frauen, sich bedienen ließen. In diesem Kleidungsstück konnte man gar nichts tun außer schön auszusehen. Genervt schloss sie die Augen und wünschte sich, wieder zu Hause zu sein.
 

Verschlafen blinzelte Lily.

Sonnenlicht fiel durch ein Fenster und erhellte den Raum.

Angestrengt blinzelte sie und versuchte klare Konturen zu erkennen, wo sie sich befand. Doch der Blick wollte sich nicht klären.

Wo war nur ihre Brille?

Sie tastete ihr Gesicht ab, die Taschen, das Bett und die Kommode, doch ihre wichtige Brille, war wie im Erdboden verschluckt.

Panik stieg in ihr auf.

Wie sollte sie das nur William erklären, dass sie ihre Brille verloren hatte? Das würde mit Sicherheit ärger geben.

Wo war sie nur? Was war geschehen? Was war in der Verhandlung geschehen?

Lily konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern.

Das Letzte, was sie wusste, war, dass sie sich auf den Weg gemacht hatte und in dem Gerichtsgebäude Ronald Knox begegnet war.

Ihr Kopf schmerzte, als hätte sie ihn sich irgendwo angeschlagen. Sie konnte eine dicke Beule fühlen. Was war nur geschehen?

„Oh danke“, sagte sie erleichtert und setzte ihre Brille auf, die ihr jemand hinhielt.

Sofort nahm die Umgebung klare Konturen an.

Das Zimmer war schlicht gehalten und recht klein. Es gab nicht viele Möbel. Einen Tisch mit Stühlen, ein Schrank mit Geschirr, eine Kochstelle, das Bett, in dem sie lag und einen weiteren Schrank, der sicherlich für Kleidung gedacht war.

Neben dem Bett stand eine junge Frau. Ihre Augen waren grün-gelb und zeigten keinerlei Emotionen. Sie waren leer und leblos, wie die Augen eines Toten. Auf ihrer Nase saß eine Brille. Selbst ihr Gesicht zeigte keinerlei Regung. Ihre Haare waren weiß und hatten zwei schwarze Strähnen.

Lily entfuhr ein lauter Schreckensschrei und sie rutschte sofort ein Stück von der Frau fort. Die Kante des Bettes kam näher und Lily sprang aus diesem. Rückwärts und ohne die Frau aus den Augen zu lassen, ging sie zur Wand.

Sie wusste, dass die Frau tot war. Sie wusste es einfach, doch wie konnte sie ihr hier gegenüber stehen? War sie auch tot? Hatte die Frau einen Zwilling, der tot war?

Ihre Knie zitterten, als sie immer weiter zur Wand ging.

Die Frau machte keine Anstalten Lily zu folgen. Sie stand wie eine Säule am Bett und beobachtete sie. Dann wandte sie sich ohne weiteres von ihr ab und ging zu der kleinen Kochstelle.

„Was war das?“, fragte eine männliche Stimme mit einem Mal und Lily fuhr herum.

Undertaker stand in der Tür und sah in das Zimmer hinein.

„Ah du bist wach!“, rief er erfreut mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Als er seinen Gast jedoch genauer betrachtete, erstarb das Lächeln. „Was hast du?“

Lily deutete stumm mit dem Finger auf die Frau mit weißen Haaren, die an der Kochstelle stand und dort herum werkelte.

„Wer ist sie?“, fragte sie mit zittriger Stimme.

Undertaker folgte ihrem Blick und sein Grinsen kehrte zurück. Mit ein paar Schritten stand er neben der Frau und drehte sie zu Lily herum.

„Das ist Alyssa Campell“, stellt er die Frau vor und zog sie an der Taille zu sich.

„Aber…aber…sie ist tot!“

Undertaker kicherte. „Das darfst du Niemanden verraten, dass sie hier ist. Das ist unser Geheimnis.“

„Sie ist doch ein Shinigami, oder?“

„Du bist ein kluges Köpfchen.“

„Was haben Sie mit ihr gemacht?“

Undertaker konnte sich ein weiteres Kichern nicht verkneifen. „Alyssa und ich kennen uns schon sehr lange. Als sie starb, wollte ich sie zurück von Toten holen. Leider hatte es nicht ganz so geklappt, wie ich es erhofft hatte. Sie ist zwar am Leben, aber auch nicht wirklich. Sie ist wie eine Puppe. Eine leere, seelenlose Hülle.“

„Ein Zombie…“, flüsterte Lily ängstlich.

„Das Wort ist so unschön.“ Sein Lächeln erstarb und seine Stimme wurde ernst. „Aber so kannst du es auch nennen.“

„Das ist gegen die Natur! Das ist verboten und ein oberstes Gebot eines jeden Shinigami! Niemals Körper zum Leben erwecken, dessen Seele wir abgeholt haben!“

Undertaker ließ die Frau los.

Alyssa, wie er sie nannte, machte sich wieder am Herd zu schaffen, als wäre sie niemals unterbrochen worden.

„Ich arbeite nicht mehr für die Society“, gab Undertaker lediglich zur Antwort und zuckte mit den Schultern.

Lily blickte zu Boden. Sie konnte eh nichts dagegen tun und der Frau ihren Frieden geben. Dafür war sie noch nicht ausgebildet genug. So etwas musste ein ausgebildeter Shinigami erledigen und sie war keiner.

„Was ist passiert?“, fragte sie stattdessen. „Wo bin ich? Was ist aus der Gerichtsverhandlung geworden?“

Undertaker kicherte amüsiert. Mit einer ausladenden Geste mit den Händen wies er durch den Raum. „Du bist bei mir. Genauer gesagt über meinem Bestattungsinstitut.“

Lily sah sich in dem kleinen Zimmer kurz um. Es gab nicht viel darin, was sie nicht eben schon kurz gesehen hatte. Am meisten ging ihr jedoch noch immer ein kalter Schauer über den Rücken.

„Die Verhandlung…“, begann Undertaker und tippte sich mit dem Finger nachdenklich an die Lippen. Seine langen, schwarzen Nägel sahen unheimlich aus, so als könnte er sich jeden Augenblick damit verletzen. „Die lief nicht gut für dich. Die alt eingesessen Herren dort haben sich ziemlich leicht um den Finger wickeln lassen von dem werten Herrn Vater der Dame. Es sah nicht gut aus. Weder für dich noch für deinen Mentor.“

„Was mache ich dann hier?“

„Zu Glück habe ich noch ein wenig zu sagen und meine Worte haben immer noch Gewicht vor Gericht.“ Ein breites Grinsen ging über sein Gesicht und die Narbe spannte sich ein wenig. „Im schlimmsten Fall hättest du den Verwais bekommen und wärst aus der Society verbannt worden und der Mentor wäre versetzt worden.“

Lily nickte missmutig. „Und Sie haben uns geholfen?“

„Ein wenig.“ Wieder kicherte er und schien es zu genießen, dass er sie im Unwissen lies.

„Was haben Sie gemacht?“

„Nur die Verhandlung unterbrochen und dich hierher gebracht. Hier ist es sicherer für dich als dort. Die alten Herren sollen erst einmal ihre Vorurteile ablegen und ein anständiges Urteil sprechen. Vorher lass ich dich nicht zurück in die Society und solange wird es auch keine Verhandlung geben.“

„Was ist mit den anderen?“

„Du meinst deine Freunde?“

Lily nickte.

„Denen geht es gut. Sie haben vielleicht ein paar Kratzer abbekommen, weil ich mich ein wenig mit dir durchkämpfen musste, aber ansonsten geht es ihnen gut.

„Soll das heißen, Sie haben mich hierher entführt?“

„So würde ich es nicht nennen.“

„Wie dann?“

„Ich hab dich aus einer miesen Lage herausgeholt.“

Lily verzog das Gesicht. „Meine Freunde werden sich aber Sorgen machen!“

Undertaker zuckte mit den Schultern. „Du wirst sie wiedersehen.“

„Wann soll das bitte sein?“

„Das wird sich zeigen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Akai_Hana
2013-09-08T14:13:52+00:00 08.09.2013 16:13
Na Undertaker ist mir ja einer... -.-"
Der sagt das alles so, als wäre es Alltag und nicht der Rede wert xD
Jashin tut mir Emily leid
Bei so einer Familie, mit solchen Bediensteten würd ich nicht gern wohnen >.>"
Die Gouvernante ist schlimmer, als mancher meiner alten Lehrerinnen, die ich hatte x'D
Von:  AkaiOkami
2013-09-04T14:06:34+00:00 04.09.2013 16:06
Echt Undertaker sollte sich ein 'undertaker darf das' T-shirt machen XD
Von:  Noisa-Grellchen1992
2013-06-10T14:57:19+00:00 10.06.2013 16:57
Okeeeeeeeeeeeey? öÖ
Undy hats ja ganz schön in sich :o Hoffentlich stellt er nicht noch mehr an Lol XD
Von:  fahnm
2013-05-14T20:59:31+00:00 14.05.2013 22:59
Super Kapi^^


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