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Shinigami Haken Kyoukai desu - Shinigami Dispatch Society

von

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Verraten

Wie ein Vorhang hingen die grau-schwarzen Regenwolken über einem kleinen Dorf nahe der Stadt London und verdunkelten den Tag.

Die Bäume ächzten und krümmten sich unter der Kraft des Windes. Jede Pflanze schien sich vor dem bevorstehenden Sturm zu ducken. Kein Tier war weit und breit zu sehen. Deutlich konnten diese den bevorstehenden Sturm wahrnehmen.

Auch die weniger feinfühligen Menschen trauten sich nicht mehr aus ihren kleinen Hütten. Sie versteckten sich lieber in der Nähe des wärmenden Kamins. Vereinzelt konnte man noch jemanden sehen, der versuchte, die Fensterläden zu schließen, an denen der Wind rüttelte. Eine rundliche Frau nahm noch schnell die Wäsche von der Leine, ehe diese davongetragen werden konnte.

Aus dem dunklen Himmel fielen leise und unbemerkt einzelne Regentropfen, die sich schnell vermehrten und zu einem kräftigen Schauer wurden.

Ein Blitz erhellte den nachtdunklen Himmel und ein Donnergrollen ließ nicht lange auf sich warten, gefolgt von weiteren Blitzen.

Am Rande des nahegelegenen Waldes wurde der Umriss einer Person im kurzen Licht des Blitzschlags sichtbar.

Reglos stand sie dort mit verschränkten Armen.

Aus dem Wald kam das Geräusch knackender Äste und Zweige aus dem Unterholz.

Die Person wandte den Kopf und sah jemanden auf sich zukommen.

„Wieso müssen Menschen nur bei so einem miesen Wetter sterben?“, schimpfte die zweite Person und schob sich einen tief hängenden Ast aus dem Weg, während sie gleichzeitig über einen Baumstamm kletterte.

Im weichen und durchnässten Boden gab es jedes Mal ein schmatzendes Geräusch, wenn sie weiter ging.

„Schimpf nicht, Alyssa“, gab die erste Person zurück und sah wieder zu dem kleinen Dorf, „Das ist unsere Arbeit.“

Ein weiterer Blitz erhellte den Himmel, gefolgt von dem tiefen Grollen des Donners.

Die zweite Person, die Alyssa hieß, rollte mit den Augen und seufzte genervt auf.

„Das weiß ich selbst“, brummte sie und sah ihren Kollegen an.

Er trug einen langen dunklen Mantel, der bereits durchnässt war. Seine langen weißen Haare klebten feucht an seiner Kleidung und in seinem Gesicht. Wassertropfen liefen über seine Haut. Die Brillengläser waren übersät von Tropfen und in seiner Hand hielt er eine weiße Sense. Zum Ende hin bildete sie die Wirbelsäule eines Menschen mit den Rippen, Halswirbeln und einem Schädel, der einen zweifachen Dornenkranz trug. Aus dem Hinterkopf ragte die breite Klinge heraus.

„Sei vorsichtig, du kleiner Tollpatsch. Der Boden ist rutschig“, meinte er plötzlich, sah sie jedoch nicht an.

Alyssa knurrte leise. „Hör auf mich Tollpatsch zu nennen, Undy!“

„Dann nenn mich nicht Undy“, erwiderte er und drehte sich zu ihr um. Er grinste breit. „Außerdem sage ich nur die Wahrheit. Du bist ein kleiner Chaot, Alyssa.“

Das Mädchen stieg über einen alten Baumstamm und rutschte auf dem nassen Boden aus.

Ein überraschter Laut entfuhr ihr und ihre Beine glitten auseinander als würde sie einen Spagat machen wollen.

Ihr Kollege fing sie gerade noch rechtzeitig auf, ehe sie im Schlamm gelandet wäre.

„Da siehst du es. Du bist ein Tollpatsch.“

Alyssa streckte ihm die Zunge raus und richtete sich auf.

Ihr Mantel war ähnlich dem ihres Kollegen und hatte sich durch den Sturm schnell mit Wasser aufgesaugt. Er war schwerer geworden. Ihre langen weißen Haare mit den zwei schwarzen Strähnen vorne hingen ihr kalt und nass im Gesicht. Unaufhörlich liefen ihr Wassertropfen übers Gesicht. Durch das viele Wasser konnte sie kaum etwas durch die Brille sehen.

Genervt strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und drückte das Wasser daraus.

„Man bin ich froh, wenn wir wieder im Warmen sind“, seufzte sie sehnsüchtig und spürte deutlich die kalte und nasse Kleidung auf der Haut.

„Gib es zu, du willst doch nur wieder Kekse futtern.“

„Verdammt!“, kicherte sie, „Durchschaut!“

„Und du willst ein ernstzunehmender Shinigami sein“, seufzte ihr Kollege und schob seine Brille höher.

Alyssa hob eine Augenbraue. „Als ob du es nicht auch willst. Bevor du mich kanntest, hast du nicht einmal gelacht. Im Gegenteil! Du hattest einen Stock im Arsch und Spaß war ein Fremdwort!“

„Der Beweis! Du tust mir nicht gut.“

Alyssa zuckte mit den Schultern. „Selbst schuld, wenn du dich in mich verliebst, Undy.“

„Alyssa, Undertaker nicht Undy! Wie soll ich dir das jemals beibringen?“

Ein breites Grinsen bildete sich auf ihrem Gesicht. Es erinnerte an das Gesicht einer Katze.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, griff Alyssa nach der Mappe in Undertakers Händen. „Also, wer ist es heute?“

„Ein junger Mann.“

Alyssa nickte und las sich die wichtigsten Daten durch.

Das Papier auf der Mappe weichte durch den Regen schnell auf.

Undertaker nahm sie wieder an sich und blätterte zur nächsten Seite. Er warf nur einen flüchtigen Blick darauf und ließ dann die Mappe verschwinden.

„Sieht nach einer leichten Arbeit aus“, merkte Alyssa an.

„Ja, er hat nicht viel geleistet und es sieht nicht danach aus, als würde er weltbewegende Veränderungen machen.“

Zustimmend nickte sie. „Ich frage mich, wieso die vom Personalbüro uns beide schicken. Das kann doch auch nur einer erledigen.“

Undertaker verschränkte die Finger und grinste sie frech an. „Wer weiß schon, was die sich denken. Aber vielleicht haben die mich auch mitgeschickt, nur damit du kleiner Tollpatsch die Arbeit richtig machst.“

„Du weißt, wie ich arbeite. Da ist mir noch nie ein Fehler passiert.“ Mit beleidigtem Blick schaute sie Undertaker an.

Er erwiderte ihren Blick mit traurigen und sehnsüchtigen Augen. Auf seinen Lippen bildete sich ein bitteres Lächeln.

„Was hast du denn auf einmal? Wieso siehst du mich so komisch an?“, fragte Alyssa, als sie seinen Blick bemerkte.

„Nichts.“ Schnell sah er zurück zu dem Dorf.

„Das glaub ich dir nicht. Du weißt etwas, was ich nicht weiß und ich will wissen, was es ist!“

„Sei nicht so neugierig. Sei einfach still und komm her!“ Undertaker nahm Alyssas Handgelenk und zog sie an seine Brust. Seine Wangen hatten sich leicht gerötet. Er strich ihr sanft, fast schon zärtlich die nassen Haare aus dem Gesicht und über die Wange.

Der Duft der Vergänglichkeit umgab sie, aber auch der Geruch des Parfüms vom frühen Morgen.

„Was hast du?“, fragte Alyssa misstrauisch, „Sonst machst du das nie während der Arbeitszeit.“

Sie studierte Undertakers Gesicht, ehe sie sanft Lächelte und über seine Wangen strich, während er ihr nur unentwegt in die Augen sah und darin zu versinken schien.

Er lächelte zurück und näherte sich ihrer Nasenspitze, während von seiner ein Wassertropfen hinunter lief.

Sie standen Stirn an Stirn einfach so mitten im Regen und Gewitter am Rand des Waldes und sahen sich in die Augen.

Undertaker legte den Kopf ein wenig schief und legte seine Lippen auf ihre.

Es war ein scheuer, sanfter Kuss, so wie der, den er ihr als allererstes gegeben hatte.

Kurz berührten sich die Lippen, lösten sich kurz voneinander und suchten erneut die Nähe des anderen.

Alyssa erwiderte diesen Kuss nur zu gerne, denn Undertaker war es gewesen, der ihr gezeigt hatte, was es bedeutete, innig zu lieben. So wie sie ihm gezeigt hatte, wie man lachen konnte und wie lecker doch Kekse waren.

Sie genoss jede Berührung von ihm, doch dieser Kuss kam ihr wie ein Abschied vor. Ein Abschied für immer.

Nur ungern löste sie sich von ihm und ihr Gesicht war gerötet.

„Wir sollten uns um das kümmern, wofür wir hier sind und danach schnell ins Trockene verschwinden. Ich hab sogar noch Kekse da!“

Undertaker nickte ein wenig betrübt, strich ihr eine schwarze Strähne aus dem Gesicht und straffte dann seine Schultern.

Alyssa sah ihren Freund und Kollegen nachdenklich an, sagte aber nichts. Ein Blick zur Straße sagte ihr, dass die Zeit gekommen war, in Aktion zu treten.

Sie trat aus dem Wald heraus und ging auf die am Boden liegende Person zu.

Ohne den Schutz der Bäume und der Blätter schien das Unwetter sogar noch um einiges schlimmer zu sein.

Blut bedeckte den Boden und in der Lache lag ein junger Mann. Sein Gesicht war in eine Pfütze gesunken, während aus dem Loch in seinem Kopf immer weiter Blut rann.

„Wie kann man nur so dumm sein und sich den Kopf an einem Stein aufschlagen und dann in einer Pfütze ertrinken?!“

„Sagt gerade die richtige Person. Das klingt nach dir, Alyssa.“

„Gar nicht wahr!“, gab sie empört zurück und beschwor ihre Death Scythe.

Es war eine schlichte und einfache Sense, die genauso lang war wie sie groß war. Die Klinge war lang und scharf.

Sie hob die Waffe an und machte einen sauberen Schnitt durch die Cinematic Records, die sich aus dem Körper des Mannes in die Luft streckten und dort verträumt tanzten.

Die Seele des Mannes hatte sich schon von alleine aus dem Körper gelöst. Sie musste sie nur noch einsammeln.

Alyssa rümpfte mit einem mal die Nase.

Es roch gar nicht gut.

Der Geruch erinnerte an faule Eier, verbranntem Fleisch und Rauch.

Sofort richtete sich Alyssa auf und sah sich um.

Ihre Haltung spannte sich an und mit beiden Händen umfasste sie ihre Sense.

Ihre Augen suchten wachsam die Umgebung ab und warfen einen Blick zu Undertaker, der in der Mappe blätterte und noch immer am Rand des Waldes stand.

Er schien nichts zu spüren.

Sie straffte die Schultern und richtete sich auf. Alyssa streckte ihre linke Hand aus und ein Licht breitete sich in ihrer Handfläche aus. Es wurde größer und bildete mehrere Kreise um den Menschen und sie.

Gerade noch rechtzeitig, denn im nächsten Moment ertönte ein lautes Kreischen.

Alyssa drehte sich schnell herum. Ihr Mantel schlug ihr unangenehm gegen die Beine.

Sie umfasste ihre Sense fester.

Nur wenige Meter von ihr entfernt öffnete sich der Boden und heraus kamen kleine Wesen.

Sie hatten die Größe von Kleinkindern. Ihre Haut war rötlich und die blauen Adern waren unter der Haut deutlich sichtbar, als wäre sie nur dünnes Pergament. Der Kopf war viel zu groß für den kleinen, abgemagerten Körper. Anstatt Hände hatten diese Wesen lange scharfe Klingen.

Sie stürmten mit einem lauten Kreischen auf sie zu.

„Ungetaufte Kinder…“, murmelte Alyssa, verlor aber keine Zeit und schwang die Sense über ihren Kopf auf die Wesen nieder.

Sofort lösten sich die ersten auf und die Seelen wurden in ihre Sense gezogen.

Sie drehte sich herum und stieß ihre Waffe auf die nächsten nieder.

Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass sich der Boden weiter geöffnet hatte und weitere Wesen heraus kamen.

„Auch noch die Grey Child!“, stieß sie hervor und sprang nach oben, nur um den Griff ihrer Sense zu verlängern und mehrfach auf ihre Gegner einzustoßen.

Geschickt landete sie auf dem matschigen Boden und sofort stürmten die restlichen ungetauften Kinder und die Grey Child auf sie zu.

Beide Wesen hatten einen lauten hohen Ton, wenn sie kreischten, der ihr in den Ohren schmerzte.

Im Gegensatz zu den ungetauften Kindern, sahen die Grey Child noch furchteinflößender aus.

Ihre Hautfarbe war normal, doch übersät von blauen Adern. Die Finger waren lang, fein und spitz. Das Gesicht war bizarr verzogen. Es sah aus, als hätte es jemand zur Seite gezogen. Der Mund stand weit offen und reichte bis zur Brust. Ein Hals war nicht zu sehen. Es wirkte, als wäre der Kopf direkt mit dem Torso verwachsen.

Ein lauter Schmerzensschrei entfuhr ihr. Wütend drehte sich Alyssa um und die Klinge ihrer Sense durchschnitt den Körper eines Grey Child.

Mit einem lauten Schrei löste sich der Körper auf und ihre Sense nahm die Seele auf.

Sie sank auf die Knie und berührte ihre schmerzende Wade, dort, wo das Wesen sie berührt hatte.

Ihre Haut schmerzte und brannte.

Der Stoff ihres Mantels hatte ein Loch und ihre Haute war versenkt.

Das Wesen hatte versuchte sie zu verbrennen.

Alyssa richtete sich auf und sah sich um.

Es war nichts mehr zu sehen und der Körper des Mannes war noch sehr gut durch ihre Schutzkreise geschützt.

Sie wischte sich die Haare aus dem Gesicht und einige Wassertropfen. Ihr Blick glitt zum Waldrand.

Undertaker war fort.

„Wo…?“, weiter kam sie nicht, denn hinter ihr ertönte ein tiefes Stöhnen.

Sofort fuhr sie herum und umklammerte ihre Death Scythe.
 

Ihr Herz pochte lautstark und kalter Schweiß rann ihre Stirn hinunter. Ihr Körper zitterte und sie wagte nicht, die Augen zu öffnen.

Zu groß war die Angst, dass nicht irgendwo ein Dämon auf sie lauerte.

Lily zog die Beine an und die Decke höher.

Was sie nicht sehen konnte, würde sie mit Sicherheit auch nicht sehen.

Etwas strich ihr über die Hüfte und kitzelte sie.

Lily zuckte zusammen und kicherte auf. Sie griff nach dem Handgelenk und merkte erst jetzt, dass jemand neben ihr lag.

Sofort schlug sie die Augen auf und ihr Herz machte einen Aussetzer.

Ihr erster Gedanke war, dass Ronald neben ihr lag, aber es war Nakatsu.

Wieso lag er überhaupt neben ihr? Lily hatte keine wirkliche Erinnerung mehr an den gestrigen Abend.

Sie ließ sein Handgelenk los, was sich als riesengroßer Fehler herausgestellt hatte.

Sofort umschlang er sie und zog sie eng an sich. Seine Hände fuhren ihren Rücken entlang.

„Nakatsu, was machst du da?“, fragte sie zittrig und hatte das Gefühl, in einem schrecklichen Déjà-vu gelandet zu sein.

Erst gestern hatte ihr, nun ehemaliger, Mentor auch über den Rücken gestrichen.

Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, wenn sie an ihn dachte.

„Ich suche den Wecker“, brummte Nakatsu.

„Den Wecker? An meinem Rücken?“

„Dein Wecker hat Angst im Dunkeln und ist Tierarzt. Deshalb muss ich ihn suchen.“ Seine Hand lag auf ihrem Po und kniff hinein.

Lily zuckte zusammen und prustete los, doch Nakatsu schien es in seinem Schlaf wenig zu stören. Sie nahm seine Hand von ihrem Hintern und legte sie wieder auf ihren Rücken, doch sofort wanderte sie dahin zurück.

Genervt seufzte Lily. Was für ein Morgen.

„Lily, mach schnell das Fenster zu.“

„Hä?“

„Siehst du es nicht!? Es schneit rein!“

„Was redest du da?!“

„Lily, mach schnell das Fenster zu, sonst schneit es rein und die Fliesen frieren zu. Dann zieht dir Will das vom Gehalt ab.“

„Alter, werde mal wach! Wir haben Spätsommer!“

„Ja, ich weiß! Deshalb beeil dich!“

„Nakatsu, du spinnst.“

„Wo ist die Wurst?“

„Welche Wurst?“

„Na, die Große! Siehst du die nicht?! Die läuft doch da! Hey, Mettwurst-Klaus!“

Lily konnte ein Lachen nicht unterdrücken und prustete los. Sie befreite sich aus seiner Umarmung und rollte sich zur Seite. Das Gesicht tief ins Kissen gedrückt, lachte sie los.

Nakatsu hatte wirklich einen tiefen Schlaf.

Sie versuchte nicht allzu laut zu lachen, konnte es aber kaum unterdrücken.

Die Luft ging ihr aus und Lily drehte sich um, schnappte nach Luft und lachte weiter.

„Lily, ist alles ok?“, fragte eine verschlafene Stimme.

Kurz hielt sie die Luft an und versuchte ruhig zu atmen, was mehr an eine Schnappatmung erinnerte. Sie sah in Nakatsus verschlafenes Gesicht und fing erneut an zu lachen.

„Mettwurst-Klaus…“, stieß sie hervor und rollte sich mit dem Oberkörper aus dem Bett.

Die Matratze bewegte sich und Nakatsu legte sich neben sie.

„Was redest du da? Erzähl! Wieso lachst du?“

Anstatt zu antworten, kicherte sie weiter.

Schmollend sah Nakatsu sie an und piekte sie in die Hüfte. „Erzähl!“

„Nein…nicht…ich kann nicht mehr…hör auf…“, brachte sie hervor.

„Dann erzähl!“

„Ja, ja…aber nicht kitzeln!“

„Ach du bist kitzlig?“

„Ja, aber nicht…ich kann nicht mehr vor Lachen…“

„Menno!“

Lily atmete schnell ein und aus. Ihr Gesicht war vom Lachen gerötet. „Nicht dran denken…nicht dran denken…Stuhl! Es ist nichts Lustiges an einem Stuhl! Stuhl! Stuhl! Stuhl!“

Verwirrt sah Nakatsu sie an. „Jetzt erzähl schon!“

„Moment noch…“

„Wenigstens geht es dir besser als am Vorabend.“

Mit einem Schlag war Lily wieder ernst. „Was war gestern Abend?“

Überrascht sah Nakatsu sie an. „Das weißt du nicht mehr?!“

Lily schüttelte den Kopf. „Nein. Ich weiß nur noch, wie Mr. Knox gegangen ist.“

Resignierend seufzte der junge Shinigami auf. „Als ich gestern vom Abendessen gekommen bin, hast du auf dem Boden gesessen und dir die Seele aus dem Leib geheult. Ich hab dich mit Ach und Krach ins Bett bekommen, wo du irgendwann eingeschlafen bist vor lauter Weinen und du hast mich gebeten, dich nicht alleine zu lassen.“

„Oh…“, brachte sie nur hervor und setzte sich im Bett auf. „Danke.“

„Lily, wenn du…“

„Schon gut“, unterbrach sie ihn. „Mir geht es gut. Wirklich. Wir sollten…aufstehen und uns anziehen, wenn wir noch was essen wollen.“

Lily wartete keine Antwort ab, sondern stand auf und verzog sich ins Badezimmer.

Ein Blick in den Spiegel zeigte deutliche Spuren der vergangenen Nacht.

Dunkle Augenringe hatten sich gebildet und machten sie älter. Sie würde sie mit Make-up abdecken müssen.

Schnell ging sie unter die Dusche und zog sich an.

Danach wartete sie auf Nakatsu.

Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es höchste Zeit war, zu gehen, wenn sie noch etwas essen wollten.

Auf dem Weg zur Mensa begegneten sie einigen Kollegen und Kolleginnen.

Freundlich, als wäre gestern nichts Besonderes vorgefallen, begrüßte Lily diese. Doch als Nakatsu und sie vorbeigegangen waren, konnte sie hören, wie einige anfingen zu tuscheln.

Es war schwer zu verstehen, was gesagt wurde. Sie redeten sehr leise miteinander, aber genug, um zu hören, dass alle wussten, dass Ronald Knox fort war.

Lily ging weiter als würde sie nichts hören und ignorierte Nakatsus besorgten Blick.

Natürlich fragte sie sich, woher es alle wussten und wie schnell die Neuigkeit an die Ohren der Anderen gekommen war.

Wer hatte geredet? Wer hatte es allen erzählt?

Ihre Hand ballte sich zur Faust.

Sie wollte nicht daran denken, wie kühl Ronald Knox sie am Abend behandelt hatte und wie kalt seine Stimme gewesen war. Auch wollte sie nicht daran denken, dass er nicht mal ein Abschiedswort für sie übrig gehabt hatte, geschweige denn eine Erklärung.

Lily fragte sich, ob er ihretwegen gegangen war. Hatte sie etwas Falsches gesagt oder getan? War sie so schlecht als Schülerin, dass er sie nicht unterrichten konnte?

Doch wenn sie so schlecht war, wieso hatte er sich dann erst die Mühe, gemacht mit ihr schwimmen zu gehen? Er hätte es genauso gut Grelle Sutcliffe überlassen können.

Aber vielleicht gab es für alles eine gute Erklärung und sie machte sich nur unnötige Sorgen?

Die Stimmen um sie herum und die gehässigen Blicke sagten jedoch etwas anderes.

„Mach dir keinen Kopf, Lily, das wird schon wieder“, unterbrach Nakatsu ihre Gedanken, „Ronald Knox ist ein Idiot, wenn er dich einfach so stehen lässt ohne irgendwas zu erklären und dann auch noch auf eiskalt macht.“

„Er ist kein Idiot!“, widersprach Lily, „Vielleicht ist das alles nur ein Missverständnis.“

„Missverständnis? Das glaubst du doch wohl selbst nicht?!“ Kritisch zog Nakatsu eine Augenbraue nach oben. „Ich versteh nicht, wie du ihn nach gestern noch in Schutz nehmen kannst. Der Typ ist einfach abgehauen und wenn ich mir die Blicke und das Tuscheln so ansehe, ist da eindeutig noch mehr.“

„Nakatsu“, seufzte Lily, „Lass uns jetzt bitte nicht streiten, ja? Ich hab dafür einfach nicht den Kopf. Mir ist es egal, was die anderen denken. Lass uns einfach nur schnell frühstücken und zur Arbeit gehen.“

Widerstrebend nickte er und betrat mit ihr zusammen die bereits überfüllte Mensa.

Es war dort laut, voll und die Aussicht auf einen Platz schien gering.

Schnell stellten sich die beiden Lehrlinge an der Essensausgabe an und ergatterten die letzten zwei belegten Brötchen und den letzten Pudding.

„Setzen wir uns?“, fragte Nakatsu und spähte durch den Raum.

„Wohin denn?“

„Bei Mr. Humphries und Mr. Slingby wieder?“

„Na gut.“

Gemeinsam gingen sie zu dem Platz, an dem sie die letzten Tage auch gesessen und gegessen hatten.

„Guten Morgen“, grüßten Lily und Nakatsu wie aus einem Munde.

„Morgen“, gab Eric zurück und blickte auf den Artikel.

Auch Alan mied den Blick der beiden und sah gespannt über Erics Schulter auf die Zeitung.

„Morgen“, war seine knappe Begrüßung.

„Dürfen wir uns setzen?“, fragte Nakatsu.

Eric sah nur kurz von seiner Zeitung auf. Sein Blick war kühl und abweisend. Er nickte kurz, während Alan gar kein Zeichen der Zustimmung von sich gab.

Lily sah die beiden verwirrt an und setzte sich mit Nakatsu.

Was war denn nun kaputt? Waren die beiden etwa mit dem falschen Fuß aufgestanden?

Besorgt sah sie zu Nakatsu und an ihm vorbei durch die Mensa.

Alle starten zu ihrem Tisch herüber und flüsterten leise miteinander.

„Das ist ja nicht zum Aushalten!“, empörte sich Nakatsu mit lauter Stimme und stand auf. Lily zuckte kurz zusammen. Alle Augen der Mensa starrten ihn an. „Habt ihr nichts Besseres zu tun als zu tuscheln! Ja, Ronald Knox ist fort, aber das ist kein Grund uns anzuglotzen! Herr Gott noch mal! Wir wollen hier in Ruhe was essen!“

„Es ist nicht das Hauptproblem, dass Knox fort ist, Junge“, brummte Eric und trank einen Schluck Kaffee.

Verwirrt sahen Nakatsu und Lily den Shinigami an.

Beschämt ließ sich Nakatsu wieder auf seinen Sitz fallen.

„Was ist dann das Problem?“, fragte Lily vorsichtig.

„Es gibt Gerüchte“, antwortete Alan kühl, „Ziemlich böse Gerüchte.“

„Und was für welche?“, hakte sie nach und schauderte unter den kalten Blicken von Alan und Eric. Sie hatte sie bisher nur freundlich erlebt, doch diese Augen machten ihr Angst.

Aber noch ehe einer der beiden antworten konnte, trat Carry an den Tisch und beugte sich mit einem süffisanten Lächeln zu Lily herunter.

„Stell dich nicht dümmer als du bist. Jeder weiß, was du mit Ronald Knox getan hast. Jeder hier weiß, dass ihr miteinander geschlafen habt. Nun musste er die Konsequenz tragen und gehen! Für immer!“, sagte sie leise, aber ihre Stimme war deutlich zu hören und klang gefährlich. Sie war wie ein Löwe kurz vor dem tödlichen Sprung.

„Nur deinetwegen werde ich ihn nie wieder sehen und glaube mir, ich werde dafür sorgen, dass du bezahlst“, flüsterte sie so leise, dass nur Lily es hören konnte.

Lilys Herz pochte.

Das konnte nicht wahr sein. Glaubten etwa alle, sie hätte mit Ronald Knox geschlafen?

Wie kamen sie nur darauf? Wer hatte es verbreitet? Warum trauten es ihr alle zu? Sie hatte niemanden etwas getan! Wieso schenkten alle dem Glauben?

Ihre Hände gruben sich in den Stoff ihres Rockes.

Ihr Kopf schwirrte und Wortfetzen der Tuschelnden drangen an ihr Ohr, was sie doch alles mit ihrem Mentor angestellt hätte, wie billig und schlecht sie doch sei.

„Glauben…glauben Sie das auch?“, fragte sie vorsichtig und wagte Alan und Eric anzusehen.

Nur mit Mühe konnte sie sich zurück halten, um nicht in Tränen auszubrechen. Diese Genugtuung wollte sie Carry nicht geben.

„Natürlich glauben sie das auch, Schätzchen“, antwortete Carry stattdessen, „Alle glauben das.“

„Hey, sie hat nicht dich gefragt, sondern jemand anderes. Also verzieh dich!“, brauste Nakatsu auf und funkelte Carry mit wütenden Augen an. Er war von seinem Platz aufgesprungen.

„Oh, da spielt sich aber jemand auf“, gab sie hochnäsig zurück.

„Carry, verzieh dich. Das ist ein Gespräch unter uns“, mischte sich nun Alan ein und seine Stimme war genauso kalt und abweisend wie sein Blick.

Schmollend verzog die Frau ihre Lippen. „Na gut. Aber nur weil du es bist, mein Süßer.“

Mit diesen Worten tippelte sie auf ihren hohen Schuhen davon.

Alan rollte mit den Augen und sah wieder auf Lily.

Nakatsu gab ein Knurren von sich und sah auf Alan und Eric herab. „Sagen Sie jetzt nicht, dass Sie dem Unsinn glauben wollen, den die Trulla verbreitet!“

„Setz dich hin und beruhige dich“, erwiderte Eric gelassen und faltete seine Zeitung zusammen.

„Beruhigen? Bei dem Mist, den die Alte hier abzieht! Und Sie sitzen hier einfach rum und trinken Kaffee!“

„Wir haben mit keinem Wort gesagt, dass wir dem Gehör schenken“, lenkte Alan mit kühler Stimme ein.

Lily sah überrascht auf, denn mit dieser Aussage hätte sie nicht unbedingt gerechnet. „Sie glauben es nicht?“

„Es gibt immer drei Seiten einer Münze“, sagte Eric abweisend.

„Was? Ich versteh kein Wort. Du, Lil?“ Verwirrt ließ sich Nakatsu auf seinen Platz sinken.

„Es heißt, dass man nicht nur auf einen hören sollte. In diesem Fall sollte man nicht nur auf Carry hören, sondern auch auf Lily und Ronald.“, erklärte Alan und wandte sich Lily zu, „Also?“

„Es stimmt überhaupt nicht!“, sagte sie, „Ich habe niemals was mit Mr. Knox gehabt! Dieser Gedanke ist absurd! Ihr habt doch alle selbst gesehen, was sie gestern für eine Szene gemacht hat, als sie erfahren hat, dass Mr. Knox mich als Schülerin hat!“

„Genau!“, pflichtete Nakatsu ihr bei.

Eric brummte nur.

„Das ist kein Grund“, sagte Alan und musterte sie mit emotionslosen Augen, „Carry hätte auch eine Szene gemacht, wenn Sie nur eine Bekannte wären oder gar Schwester.“

„Was wollen Sie dann hören?!“, fragte sie aufgebracht, „Er ist mein Mentor. Nicht mehr und nicht weniger. Von mir aus kann er auch nackt durch die Society laufen und es wäre mir so was von egal! Er interessiert mich körperlich nicht im Geringsten! Obendrein hasse ich solche Typen, die jeden Tag eine andere abschleppen! Mit so jemanden würde ich nicht mal im Traum was anfangen!“

„Okay, okay…das mit dem nackt durch die Society laufen, stell ich mir jetzt einmal nicht vor“, sagte Alan und verzog das Gesicht.

Eric konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Das nenn ich doch mal ein Argument. Gut gebrüllt Löwe.“

Auch Alan konnte sich ein leichtes Lachen nicht verkneifen. „Okay, nach der Reaktion glaub ich dir wirklich, dass du nichts von ihm willst.“

Erleichtert atmete Lily auf und sah beide an, froh, dass wenigsten sie ihr Glauben schenkten.

„Hey, McNeil!“, schallte es mit einem mal durch die Mensa und alle drehten sich in die Richtung, aus der der Ruf kam. Lily war kurz zusammengezuckt. „Hast du es so nötig, dass du dich schon an meinen Mentor ranmachen musst?! Bleib bei deinem! Ach, ich vergaß, der ist ja weg!“

„Kayden Bloom!“, sagte Eric bestimmt und laut genug, dass Kayden zusammenzuckte, „Auf ein Wort!“

Er stand vom Platz auf und ging direkt auf Kayden zu. Ohne groß etwas zu sagen, packte er ihn am Kragen seines Hemdes und zog ihn aus der Mensa.

„Miss McNeil, bevor Sie zu Mr. Sutcliffe gehen, will ich Sie in meinem Büro sprechen. Seien Sie pünktlich“, sagte plötzlich eine männliche Stimme hinter Lily und sie schrak auf.

Schnell drehte sie sich um und sah in das Gesicht von William T. Spears, der sie kalt musterte.

„Ja…natürlich“, sagte sie und schrumpfte unter dem Blick ihres Vorgesetzten zusammen.

William schob seine Brille zurecht und verließ die Mensa.

„Das klingt nicht gut“, meinte Alan und sah auf die Uhr, „Sie sollten besser gehen. Wir reden später weiter und dann können Sie uns alles erzählen.“

„Wenn ich nachher noch hier bin. Ich hab kein gutes Gefühl.“

„Ganz ruhig. William ist zwar streng, aber fair. Es wird schon schief gehen.“

„Danke. Ich geh dann besser. Wir sehen uns später.“ Lily stand auf und ging schnell aus der Mensa, um zum Büro von William T. Spears zu gehen.
 

Es war fast eine ganze Stunde vergangen, die sie im Büro von ihrem Vorgesetzten verbracht hatte und in der sie versucht hatte, die Situation zu klären. Das Ende vom Lied war, dass sie nun auf die Entscheidung der obersten Shinigami warten musste, ob diese den Antrag auf eine Untersuchung auch bewilligten.

Seufzend lehnte sich Lily an die Wand des Flures und atmete tief ein und aus.

Immerhin durfte sie ihre Ausbildung weiter fortführen bis der Antrag bewilligt und die Untersuchung abgeschlossen sein würde.

Mit den ganzen Gerüchten, die im Umlauf waren, würde es nicht leicht werden.

Fast schon konnte sie ihre Mutter hören, wie sie sagte: „Das kommt nur daher, dass du an einem fremden Ort bist, Liebling. Das wird schon. Du musst dich einfach nur anstrengen, dann findest du schnell Freunde. Vielleicht lässt sich das Problem ja mit einem klärenden Gespräch ganz schnell aus der Welt schaffen.“

Ihre Mutter sagte immer solche Sachen und Lily hatte immer ihr Bestes getan, nicht zu zeigen, wie schwer es ihr fiel, diesem Rat zu folgen.

Manchmal war ihre Mutter zu naiv und behandelte sie, als wäre sie ein kleines Kind, dessen Leben so einfach und unkompliziert war.

Aber die Welt der Erwachsenen war kompliziert und dieser Rat half nicht. Man konnte sich nun mal nicht mit allen gut vertragen.

Es blieb wohl nichts anderes übrig, als die Zähne zusammen zu beißen und das durchzustehen, bis sich alles geklärt haben würde.

Lily schluckte noch einige Male hart, fuhr sich über die feuchten Augen und rieb sich die Brille am Jackett sauber, ehe sie sich auf den Weg zu Grelle machte.

Sie starrte auf den Boden und dachte über die Worte von William T. Spears nach.

Ihr Kopf schwirrte und eigentlich wollte Lily sich nur noch in ihrem Zimmer verstecken bis alles überstanden war. Aber ein Rückzieher wäre genauso wie ein Schuldeingeständnis und würde die Sache nicht besser machen.

„Sieh mal einer an“, sagte eine leise, zufriedene Stimme vom anderen Ende des Flures her, „Wen haben wir denn da? Die kleine Hure.“

Lily hielt inne. Ihre Hand lag bereits auf dem Geländer der Treppe.

Irgendetwas sagte ihr, dass sie weglaufen sollte, aber sie war nicht der Typ, der feige davonlief und sich versteckte.

Fressen oder gefressen werden. Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Langsam drehte sie sich um, als sie die klackernden Schritte auf dem Fußboden des Flures hörte und Carry auf sie zukam. Neben ihr lief ihre kleine Eskorte aus Klonen.

Carry warf sich in Pose. Sie hatte eine Hand fest in die Hüfte gestemmt. Die langen, gepflegten Nägel sahen gefährlich aus, während sie Lily aus dichten und dunkel geschminkten Wimpern ansah.

Innerlich musste Lily zugeben, dass Carry eines gut konnte und zwar in Pose zu stehen.

Immerhin war die Frau größer als sie, hatte perfekte Haut und ein Gesicht wie ein Model. Ihr Körper bestand aus Kurven, keine Ecken oder Kanten.

Dennoch wusste sie, dass hinter der braven Mädchen-Fassade und den sexy Posen ein gefährlicher Charakter lag.

Carrys Augen leuchteten vor Freude bei dem Gedanken, Lily noch ein wenig weiter zu piesacken und sie alleine erwischt zu haben.

„Solltest du nicht lieber warten, bis zu du deine ersten Tage bekommen hast, ehe du dich durch die Society schläfst?“, fragte Carry mit einem geringschätzigen Unterton.

„Vielleicht sucht sie sich gerade den nächsten Freier“, setzte ein Mädchen ganz links außen hinzu und lachte. Die anderen lachten mit ihr.

Lily hätte schwören können, ein schadenfrohes Leuchten in Carrys Augen zu sehen, weil sie es geschafft hatten, dass sie sich so elendig und verletzt fühlte.

„Shinigamihure!“

„Ich kann kaum glauben, dass mein Ronilein auch zu ihren Freiern zähl!“ Carry jammerte gespielt auf.

„Ich würde es mit der nicht mal auf dem dreckigsten Männerklo treiben, geschweige denn in einem Bett!“

Carry wandte sich ihrer Freundin zu und gab ihr einen kleinen Stoß. „Du weißt aber ganz schön viel über das Männerklo! Hattest du dort nicht was mit dem Vertreter der Buchhaltung bei der letzten Weihnachtsfeier?“

Alle lachten wieder, auch wenn die angesprochene Freundin ein unbehagliches Gesicht machte. Ihren Ärger richtete sie natürlich gegen Lily. Sie trat auf sie zu und versetzte ihr einen Schubs näher zur Treppenstufe hin.

„Nun geh schon den nächsten Shinigami vögeln! Du widerst mich an mit deinem blassen Gesicht!“

„Schon mal was von Sonne gehört?!“

Carry rollte mit den Augen. „Ich gebe dir einen Rat. Halte dich fern von mir und meiner Beute. Ronald Knox gehört mir.“

„Dem eigenen Ratschlag zu folgen, ist sicher der beste Rat“, gab Lily trocken zurück und schaute Carry unverwandt in die Augen, die ein abschätziges Geräusch von sich gab.

„Ich kann nicht glauben, dass ich auch mal so naiv war.“

„Sicher“, erwiderte Lily und konnte nicht anders als sie herausfordernd an zu sehen. Ihr Herz pochte und das Adrenalin strömte durch ihre Adern. „Aber das war vor langer, langer, langer, langer Zeit.“

Carry kam mit schnellen Schritten auf sie zu und packte sie an den Haaren.

„Pass bloß auf“, fuhr sie Lily an und zog fester an ihren Haaren, so dass ihr Kopf im Nacken lag, „Ich werde dafür sorgen, dass du untergehst. Ich werde dich vernichten.“

Lily biss die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerz auf zu keuchen. So viel Genugtuung wollte sie dieser Carry und ihren Klonen nicht geben.

Ohne groß darüber nachzudenken, ließ Lily ihre Hand vorschnellen und packte ihr Gegenüber an den kurzen Haaren.

Carry stieß einen erschrockenen Schmerzensschrei aus und wich von Lily zurück.

Ihr Blick war ungläubig, so als hätte es noch nie jemand gewagt, sich gegen sie zu stellen.

„Du kleines Aas, wie kannst du es wagen?!“, schrie sie mit schriller Stimme, „Was denkst du, was wir noch mit dir machen, wenn du dich so aufführst!?“

Sie trat ganz dicht an Lily heran und schlug ihr so hart ins Gesicht, dass ihre langen Nägel tiefe Kratzer auf ihrer Wange hinterließen.

Lily konnte spüren, wie das warme Blut über ihre Wange lief. Für den Bruchteil einer Sekunde sah sie kleine Sternchen und Fünkchen.

Sie ließ das Geländer los und wischte sich das Blut mit dem Handrücken. Ohne große Vorwarnung schlug sie zurück. Es fühlte sich gut an, aber nur für einen kurzen Augenblick.

Carry fauchte wie eine Katze, die sich die Pfoten verbrannt hatte und Lily wusste, dass diese Reaktion ein Fehler gewesen war.

Sie kam auf sie zu und Lily stolperte nach hinten.

Instinktiv griff sie nach dem Geländer und hielt sich fest.

Carry packte sie am Handgelenk und grinste süffisant. Ihre Nägel gruben sich in ihre Haut und Lily ließ das Geländer vor Schmerz los. Mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen stieß Carry sie nach hinten und die Treppe hinunter.

Sie versuchte noch einmal nach dem Geländer zu greifen, berührte es aber nur kurz mit den Fingerspitzen. Lily schlug auf jede einzelne Stufe auf bis sie unten ankam. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit bis sie auf den Boden aufschlug und zum Stehen kam, was dadurch geschah, dass ihr Kopf mit einem unschönen Geräusch gegen eine Wand knallte.

Oben jubelten und johlten Carry und ihre Klone auf. Sie gaben sich gegenseitig ein High Five, aber das sah und hörte sie nur in kleinen unzusammenhängenden Ausschnitten, so als hätte ein Film eine Störung oder einen schlechten Schnitt gehabt.

„Du wirst schon noch sehen, zu was ich alles fähig bin. Das war erst der Anfang, du kleine Hure!“, flüsterte Carry boshaft und dunkel.

Lily keuchte vor Schmerz auf und versuchte sich aufzurichten.

Ihre Gelenke schmerzten und ihre Sicht war verschwommen. Alles drehte sich und sie sank zu Boden, während sich die erlösende Ohnmacht über sie senkte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  AkaiOkami
2013-09-03T15:33:31+00:00 03.09.2013 17:33
Oha jetzt ist die P5 viiiiiiel zu weit gegangen, Und das alles wegen Ronald, dabei gehört Ronald mir XD
Von:  MissKatharina
2012-10-03T19:38:32+00:00 03.10.2012 21:38

Hey, :)
das Kappi ist zwar schon online, aber ich geb jetzt trotzdem noch meinen Senf dazu ab, ich hoffe das ist okay. ;)
Erstmal mag ich den Anfang sehr gerne. Das ist doch die erste Hälfte aus der FF Undertakers Schwur, ne? ;) Passt sehr gut rein finde ich und macht neugierig auf mehr. Schreibst du an Untertakers Schwur eigentlich noch weiter? :)
Hihi, und wie Nakatsu im Schlaf spricht ist sehr süß. Da hat Lily wenigstens noch ein bisschen was zu lachen, was ja nicht lange anhalten wird ...
Du, was mir allerdings fehlt ist die Erklärung warum es so schlimm wäre, wenn zwischen Lily und Ronald was gelaufen wäre. Ist das generell verboten oder schickt es sich einfach nicht und wird deswegen so kritisch von den anderen Shinigami beäugt? Gelten die Auszubildenden noch nicht als erwachsen in der Gesellschaft und wäre es deswegen schlimm? Ich hoffe du verstehst meinen Standpunkt, so ne Begründung fehlt mir irgendwie. ;)
Und Carry, hach ... hab ich dir schon gesagt, dass ich sie liebe? :D Ja, ich fresse immer einen Narren an den Bösen und sie ist wirklich ein fieses Miststück und du stellst sie gut dar. ^^ Und noch ein kleines Kompliment am Rand, man kann soooo gut mit Lily mitfühlen, wenn Lily Carry gegenübersteht. Man möchte einfach nur, dass sie aufhört weil es so gemein und unfair ist. Ich konnte echt mitfühlen. Und es ist so typisch Lily, dass sie nicht einfach wegläuft sondern Carry die Stirn bietet, wäre sie doch weggelaufen ...
Ich finde es aber sehr schön, dass du deine Charas vor solche Probleme stellst, die sich nicht innerhalb von ein paar Seiten wieder lösen und unter denen sie auch wirklich zu leiden haben. Wir sprachen ja schon über andere Romane, in denen sich Probleme ganz schnell in rosa, fluffige Wölkchen auflösen. ;)
Alan und Eric sind wieder wunderbar IC, das kann ich einfach nur wieder bewundern. :) Und ich bin gespannt wie sich Kayden noch entwickeln wird. :D
Und der Rat ihrer Mutter ist so süß naiv. Ich bin echt gespannt was wir noch so über ihre Eltern erfahren werden, wie gesagt, ich freu mich drauf. :)

Sooo, das wars hier erstmal von mir. Werde noch Kapitel 11 reviewen und mich dann an Kapitel 13 und die folgenden machen. :)
Ganz liebe Grüße.

Von:  fahnm
2012-09-30T20:16:41+00:00 30.09.2012 22:16
Hammer Kapi^^
Von:  Jestrum_Cosplay
2012-09-30T15:29:14+00:00 30.09.2012 17:29
Waaaaaaaaah das Kapitel war total toll *-*
nur diese Carry nervt mich ò.ó das ist ein Charakter mit dem ich mich nie anfreunden werde.
Dein Schreibstil ist total toll <3 und auch die ganzen Beschreibungen und soo *_*

Lg Kei_Chan ~ ^^


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