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New Texas Story

Bravestarr
von

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Montags in Fort Kerium

Der restliche Sonntag verlief ruhig und ich nutzte diese Ruhe um den Rundgang durch die Stadt zu machen, den ich mir schon so lange vorgenommen hatte. Allerdings gab es tatsächlich nicht das allermeiste zu sehen und so war ich schnell zurück im Saloon. Ich legte mich auf mein Bett und döste dann fast den ganzen Nachmittag vor mich hin. Erst jetzt begannen sich so wirklich die Strapazen der letzten Tage zu zeigen und ich realisierte erst einmal richtig, was alles in den vier Tagen passiert war und was ich alles erlebt hatte.

Vor allem realisierte ich aber auch, dass ich anfing meine Freunde und meine Familie zu vermissen. Ich fragte mich immer wieder, was bei mir, in meiner Zeit passierte. Ich hoffte inständig, dass dort nun einfach die Zeit irgendwie still stand und mein Verschwinden gar nicht auffiel.

Am Abend dann versuchte ich Handle Bar noch ein wenig zur Hand zu gehen, durfte aber nur die Kasse machen, da Handle Bar mich mit meiner verletzten Hand fast gar nichts machen ließ. Ehrlich gesagt fand ich das etwas übertrieben. Das Gelenk tat zwar nach wie vor weh, aber dennoch konnte ich es bewegen und außerdem hatte ich ja zwei Hände. Aber es brachte nichts. Und so verbrachte ich den Abend hauptsächlich damit die Leute zu beobachten und zu kassieren, bis es gegen zehn dann Bettzeit hieß.

Obgleich ich fast den ganzen Nachmittag vor mich hingedöst hatte, schlief ich doch schnell ein und erwachte am anderen Morgen auch erst relativ spät. Erschrocken sah ich auf die Uhr. Neun Uhr morgens? Verflucht, ich konnte doch keine elf Stunden durchgeschlafen haben!

Ich sprang aus dem Bett und beeilte mich, fertig zu werden. Heute gab es einiges zu tun. Ich musste in die Mienen und Nachmittags war die Gerichtsverhandlung für die beiden Dingos angesetzt, wo ich als Zeugin aussagen musste. Ich war schon echt gespannt, wie das werden würde. Zudem hatte ich mir vorgenommen mal bei einem Waffenhändler vorbei zusehen. Zumindest wollte ich mal ausloten, wie viel ein gutes Kampfmesser hier kosten würde. Der kleine Vorfall gestern hatte mir gezeigt, dass es besser war hier eine Waffe zu tragen und wenn es auch nur ein Messer war. Ich wusste nicht, wie es sich hier mit Schusswaffen verhielt und außerdem konnte ich mit denen auch nicht wirklich umgehen.

Nachdem ich mich angezogen hatte, lief ich nach unten. Handle Bar hatte schon alles aufgeräumt und für den Tag bereit gemacht. Zudem stand sogar schon ein reichhaltiges Frühstück auf einem der Tische für mich bereit.

„Guten Morgen!“ sagte ich mit schlechtem Gewissen. „Tut mir leid, dass ich so lang geschlafen habe.“

„Ach, das macht doch nichts! Nachdem was gestern passiert ist, ist das auch kein Wunder, Kleines!“ lachte Handle Bar jedoch nur fröhlich.

„Nun frühstücke erst mal und dann sehen wir weiter.“

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und haute ordentlich rein. Als ich fertig war, begann ich den Tisch abzuräumen, wurde aber von Handle Bar unterbrochen.

„Mädchen, Mädchen! Du sollst doch deine Hand schonen!“ tadelte er mich und nahm mir die Teller ab.

„Ist nicht schlimm! Tut auch kaum noch weh!“ erwiderte ich.

Es entsprach sogar den Tatsachen. Ich hatte so überhaupt keine Schmerzen und auch das Bewegen war nicht mehr so schmerzhaft wie gestern.

„Und trotzdem! Doc Slim hat gesagt, du sollst die Hand schonen.“

Ich beschloss, dass es besser war keine Wiederworte zu geben. Statt dessen wechselte ich das Thema.

„Sag mal, ihr habt doch auch einen Waffenhändler hier. Kann man bei dem auch gute Messer kriegen?“

Handle Bar sah mich verdutzt an.

„Ja, schon. Aber was willst du mit nem Messer?“

„Na, nach dieser Aktion gestern dachte ich, es wäre besser wieder eins zu haben. Mit Messern kann ich umgehen und außerdem weiß ich nicht, wie hier eure Gesetzte bezüglich Schusswaffen sind.“ antwortete ich ehrlich.

„Nun, es darf erst einmal jeder eine Waffe besitzen, aber du musst dir einen Waffenschein bei Bravestarr holen und zudem darfst du sie auch nicht ohne Sondergenehmigung in der Öffentlichkeit tragen.“ erklärte Handle Bar.

„Und wie siehts mit einem Messer aus? Das gilt da doch nicht, oder?“ fragte ich.

„Nein. Und dennoch solltest du das nicht leichtfertig zücken.“ sagte er.

„Das hab ich auch nicht vor, aber ich will mich im Falle eines Falles wenigstens damit verteidigen können.“ sagte ich.

Handle Bar runzelte die Stirn, gab dann aber keine Wiederworte.

„Du kannst ja mal gucken gehen. Aber die Dinger sind nicht billig, soviel weiß ich.“ sagte er dann noch und verschwand mit dem schmutzigen Geschirr in der Küche.

Das hatte ich auch nicht erwartet. Ein wirklich gutes Messer kostete was. Ich würde mir die Dinger erst einmal ansehen. Aber vorher musste ich zur Miene. Die Jungs warteten mit Sicherheit schon auf mich und so machte ich mich davon.

Tatsächlich war an der Miene schon reges Treiben und wie ich sehen konnte, gab es wohl auch Probleme.

Denn etwa drei der Jungs, unter ihnen auch Billy Bob standen an dem Bohrer und diskutierten lautstark.

Der wird doch wohl nicht wieder kaputt sein, dachte ich und ging näher.

Als Billy Bob mich sah, kam er freudestrahlend und sichtlich erleichtert auf mich zu.

„Moin, Jungs!“ rief ich. „Gibts Probleme?“

„Morgen, Bianca. Allerdings! Der Bohrer läuft nicht mehr, der Treibstoff ist uns ausgegangen. Aber wir bekommen auch keinen neuen nach.“ sagte Billy Bob und wir gingen zusammen zu dem Bohrer zurück.

„Oje! Tja, also was den Treibstoff angeht, kann ich euch auch nicht helfen.“ sagte ich dann.

Am Bohrer angekommen wurde ich auch von den anderen begrüßt.

„Sag mal, du warst doch gestern bei dem Überfall in Sawtooth dabei!“ sagte dann Jack.

Er war so mit Schmutz bedeckt gewesen, dass ich ihn erst jetzt erkannte.

„Ja, war ich!“ sagte ich und hob meine Hand. Der Verband an meinem Oberarm war gut zu sehen.

„Hab auch ein paar Souvenirs mitgebracht.“ sagte ich dann scherzend.

„Pass bloß auf dich auf, Mädchen! Mit der Carrion Bunch ist wirklich nicht zu scherzen!“ sagte Joseph, der mittlerweile dazu gekommen war.

„Das hab ich gemerkt! Aber so einfach entführen lasse ich mich auch nicht!“ erwiderte ich.

„Außerdem ist unser Gast ziemlich wehrhaft!“ hörte ich dann plötzlich eine Stimme hinter mir und dann erst vernahm ich die Hufschläge.

Bravestarr kam auf uns zugeritten und hielt dann kurz bei uns an.

„Zumindest hat sie einen sehr eindrucksvollen Kampf gezeigt. Und das gegen Vipra!“

Die Männer zogen laut die Luft ein und starrten mich und Bravestarr dann ungläubig an.

„Gegen Vipra?“ keuchte Jack ungläubig.

„Ja, gegen Vipra! Und ich schwöre, das nächste Mal drehe ich dieser hinterhältigen Schlange den Hals um!“ sagte ich.

Bravestarr lachte.

„Nun, erst einmal solltest du dich im Kampf wohl zurück halten. Soweit ich weiß, hast du Schonzeit verschrieben bekommen.“ sagte er dann und deutete mit einem Kopfnicken auf meine Hand.

Ich grummelte leise.

„Musst du mich schon wieder daran erinnern? Außerdem ist es gar nicht mehr so schlimm.“

„Außerdem brauchen wir dringend ihre Hilfe.“ sagte Billy Bob dann und deutete auf den Bohrer.

„Wir bekommen diesen Treibstoff nicht mehr und ohne den läuft der nicht!“ sagte er dann an Bravestarr gewandt.

„Tja, da werde ich aber auch nichts machen können, Billy!“ sagte ich noch einmal.

„Treibstoff herstellen kann ich nicht.“

Die Männer sahen mich sofort niedergeschlagen an.

„Kannst du denn gar nichts tun?“ fragte Jack dann noch einmal verzweifelt. „Wir wollen uns nicht wieder so abplagen müssen. Und außerdem schürfen wir jetzt das dreifache an Kerium wie zuvor.“

Ich seufzte und sah den Bohrer an. Ich wollte den Jungs ja wirklich helfen. Außerdem musste ich mir auch noch etwas Kerium verdienen, um mir ein gescheites Messer kaufen zu können.

Plötzlich hatte ich eine Idee.

„Nun...ich könnte versuchen ihn auf Keriumbetrieb umzurüsten. Aber ich kann nicht versprechen, dass es geht.“ sagte ich dann langsam und nachdenklich.

Billy Bob sah aus, als wolle er mich gleich küssen.

„Du schaffst das mit Sicherheit! Du hast das Ding auch wieder zum laufen gebracht!“ rief er begeistert aus und auch die anderen Männer begannen zu strahlen.

„Na schön, na schön! Ich versuchs. Aber dafür muss ich mir erst einmal das nötige Werkzeug und die Teile beschaffen. Ich hab ehrlich gesagt kaum eine Ahnung, was ich da brauche. Ihr müsst mir schon etwas Zeit geben.“ sagte ich dann beschwichtigend.

„Kein Problem! Wir haben ja immer noch den Presslufthammer und der leistet auch ganz gute Dienste.“ sagte Joseph.

Frohlockend zogen Joseph, Jack und der andere dann von dannen und ich blieb mit Billy Bob allein zurück.

„Sag einfach, was du brauchst! Ich besorge es dir.“ sagte dieser dann eifrig.

„Na, ich bräuchte ein Anschauungsmodell von einem mit Kerium betriebenen Motor. Dann muss ich sehen, ob ich den alten umrüsten kann, oder gar ein komplett neuer Motor rein muss.“ sagte ich.

„Kein Problem!“ sagte Billy Bob und lief in Richtung Barracke, wo wohl auch das Büro drin war.

„Sieht so aus, als hättest du die Lage mal wieder gerettet!“ hörte ich dann Thirty-thirty sagen.

„Abwarten! Ich sagte ja, ich kann nicht dafür garantieren, dass ich es auch schaffe.“ beschwichtigte ich.

„Na, ich teile die Zuversicht der Männer. In der Beziehung scheinst du ja genauso ein geschicktes Händchen wie beim Kämpfen zu haben!“ sagte Bravestarr und ich spürte wieder, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.

„Übrigens, vergiss den Gerichtstermin heute Nachmittag nicht. Drei Uhr, wäre besser, du wärst etwas früher da.“ fügte er dann noch hinzu.

„Keine Panik! Ich bin da!“ versprach ich und Bravestarr wandte sich mit Thirty-thirty ab und sie ritten davon in die Wüste.
 

Nachdem ich mit Billy Bob noch einiges geregelt hatte, machte ich mich auf zu dem Waffenhändler. Der Laden lag etwas versteckt in einer Seitenstraße und war auch nicht sehr groß. Irgendwie genau, wie auf der Erde. Waffen wurden gebraucht, waren aber gleichzeitig verpönt. Aber was solls. Ich betrat den Laden und musste feststellen, dass der Laden zwar klein war, aber genug Waffen hatte um einen Kleinkrieg anzufangen. Staunend blickte ich mich um Pistolen, Gewehre, diverse andere Schusswaffen. Und dann fiel mein Blick auf das, was ich gesucht hatte. In einem kleinen Schrank an der Wand lag ein Messersortiment von ca. 20 Stück. Sofort begann ich mir sie anzusehen. Ein Teil davon waren wahrscheinlich Laserklingen, denn ich konnte nur Griffe sehen. Doch ich sah tatsächlich auch ein wirklich sehr schönes Kampfmesser, mit Zierätzungen unterhalb des Griffes. Der Griff bestand aus schwarzem Kunststoff, genau wie die Scheide. Ich versuchte einen Preis für dieses wunderbare Stück auszumachen, konnte jedoch keine Preisschilder erkennen.

Plötzlich hörte ich Schritte und eine sehr heisere Stimme.

„Kann man behilflich sein, junge Frau?“

Ich richtete mich auf und sah zu dem Sprecher hinüber. Und war mehr als überrascht einen Dingo zu sehen. Einen ziemlich alten, wie es schien, denn er ging gebückt, sein Fell war dünn und fast weiß. Außerdem war er auf einem Auge blind. Das andere sah mich jedoch sehr aufmerksam und auch leicht misstrauisch an. Er trug eine Art altes Holzfällerhemd und eine abgewetzte Jeans. Und auch seine Schuhe hatten definitiv schon bessere Tage gesehen. Entweder lief das Geschäft nicht so gut, oder aber bei den Dingos verhielt es sich genauso wie bei manchen Menschen und mit dem Alter kam so eine gewisse Gleichgültigkeit, was die Kleidung anging.

„Ähm, ja. Ich interessiere mich für dieses schöne Stück hier!“ sagte ich und deutete auf das Kampfmesser.

Der Dingo kam auf mich zugehumpelt und folgte meinem Finger.

„Ah, ja! Ein besonderes Stück! Eine Rarietät, wie ich sagen muss.“ knurrte er rauh.

Dann blickte er mich mit seinem einen verbliebenen Auge an.

„Und sie interessieren sich tatsächlich dafür?“ fragte er dann etwas erstaunt.

Ich nickte.

„Ja. Was soll es denn kosten?“ fragte er.

Ein breites Grinsen begann sich auf seinem Gesicht auszubreiten.

„Nun, wie ich schon sagte, es ist ein wirklich seltenes Stück. Die werden kaum noch hergestellt, was sehr schade ist. Man findet immer nur noch diese Laserwaffen.“ sagte er.

Ich sah ihn weiterhin fragend an.

„Wieviel?“

„Fünftausend Galaxie-Dollar. Oder fünf Kilo und vierhundert Gramm Kerium!“ antwortete der Dingo.

Ich schluckte. Ich hatte mit viel Geld gerechnet. Aber so viel? Zerknirscht sah ich zu Boden.

„Das kann ich mir nicht leisten. Jedenfalls nicht auf die Schnelle.“ sagte ich dann.

„Bedauerlich!“ sagte der Dingo und drehte sich so, dass er nun direkt vor mir stand.

„Gestatten sie mir die Frage, was wollen sie mit dem Messer? Sammlerin sind sie nicht, oder? Ansonsten wären sie mit den Preisen vertraut.“

„Nein. Ich...nun ich trainiere Messerkampf und nach einer ziemlich ungemütlichen Geschichte gestern habe ich mir gedacht, es wäre besser mir eines zu zulegen.“ sagte ich offen.

Der Dingo sah mich überrascht an.

„Sie...haben Messerkampf gelernt?“

Ich nickte.

Sein Blick wurde in der Gesamtheit etwas freundlicher. Dann zog er plötzlich einen Schlüssel aus seiner Jeans und schloss den Schrank auf. Fast erfürchtig nahm er das Kampfmesser heraus und hielt es mir vorsichtig hin.

„Gestatten sie mir eine kleine Demonstration?“ fragte er dann.

Ich sah ihn verwundert an. Wieso wollte er das unbedingt sehen? Aber gut, wenn er wollte. Vielleicht sprang eine Preisermäßigung für mich dabei raus.

Vorsichtig legte ich meine rechte Hand um den Griff und nahm ihm die Klinge aus der Hand. Prüfend wiegte ich es in der Hand. In einem hatte ich mich in keinem Falle getäuscht, das Ding war kein Billigteil. Es war hervorragend ausbalanciert und der Griff lag sehr gut in der Hand.

Und dann ließ ich es blitzschnell vor seinen Augen erst um meinen Finger wirbeln und dann wirbelte ich es vor mir in gekonnten Achterschleifen herum, obgleich sich mein Handgelenk dabei doch mit heftigen Schmerzen zu Wort meldete. Aber das Gefühl die Waffe in den Händen zu halten war zu erhebend und ich achtete nicht großartig darauf.

Das sehende Auge des Dingos weitete sich noch mehr vor Erstaunen und schließlich gab ich ihm das Messer zurück.

„Sehr beeindruckend, junge Dame!“ sagte er dann und legte es vorsichtig in den Kasten zurück.

„Könnten...wir über den Preis nicht noch einmal reden? Ich mein...“ setzte ich dann vorsichtig an.

Doch er schüttelte sofort den Kopf.

„Tut mir leid!“ sagte er dann „Aber das ist wirklich das mindeste, was ich dafür nehmen muss.“

Er schloss den Schrank wieder ab und wandte sich dann aber mit einem versöhnlichen Lächeln wieder mir zu.

„Aber ich könnte ihnen einen anderen Vorschlag machen.“ sagte er dann.

„Und der wäre?“ fragte ich, bemüht den misstrauischen Unterton in meiner Stimme zu unterdrücken.

„Ich könnte ihnen die Waffe zurück legen, bis sie das Geld zusammen hätten. Ich glaube zwar nicht, dass sie ihnen jemand wegkaufen würde, aber so wären sie sicher.“ antwortete er.

Ich sah in überrascht an.

„Das könnten sie tun?“ fragte ich.

Er nickte.

„Ja.“

„Nun, es könnte aber noch einige Wochen dauern, bis ich das Geld zusammen habe.“ sagte ich dann.

„Das macht nichts. Irgendwie finde ich es schön, dass es in die Hände von jemandem kommt, der damit noch richtig umzugehen weiß und bei dem es nicht einfach in einem Schrank vergammelt!“ sagte er.

Ich strahlte ihn an.

„Ich danke ihnen. Ich beeile mich, das Geld zusammen zu bekommen!“

„Keine Ursache, junge Dame.“

Fröhlich verabschiedete ich mich von dem Verkäufer und verließ das Geschäft. Wenn ich das gute Stück auch nicht schon in den Händen hielt, so hatte ich es mir doch gesichert. Und ich würde jeden Cent, oder viel mehr jedes Keriumstück darauf sparen, so gut es ging.

Ich kehrte zum Saloon zurück. Es war mittlerweile ein Uhr mittags und so wie ich Handle Bar kannte, wartete er mit Sicherheit schon mit dem Mittagessen auf mich.
 

Um halb drei fand ich mich an dem Gerichtsgebäude ein. Langsam ging ich die Stufen hoch und betrachtete dabei die merkwürdige Architektur. Ich musste schmunzeln. Man hatte sich alle Mühe gegeben den alten Gerichtsgebäuden nachzueifern aber es wirkte dennoch komisch, vor allem mit den nachgeahmten griechischen, bzw. römischen Säulen davor. Während ich das Gebäude betrat kam ich nicht umhin mich zu fragen, ob hier überhaupt jemand hier noch etwas von den alten Griechen oder Römern wusste. In einer Welt, in der man nicht einmal mehr Motorradräder und sowas kannte. Wahrscheinlich wussten nur die eingefleischten Geschichtsfans noch etwas darüber. Mein Blick fiel auf eine Tür, die offen stand und ich konnte die Richterin davor sehen, wie sie mit dem Bürgermeister sprach. Ich konnte auch einige Zuschauer in dem Raum sehen, der nicht sehr groß wirkte. Vor Kopf stand der riesige Richterpult, an dessen Seiten jeweils niedrigere Sitzplätze zu finden waren. Wahrscheinlich für die Angeklagten, oder die Zeugen. Ich ging weiter auf die Richterin zu, die sich nun mir zuwandte.

„Ah, Bianca! Gut das sie kommen, wir fangen bald an.“ sagte sie dann und betrat mit mir zusammen den Gerichtssaal. Ich sah mich unauffällig um. Tatsächlich hatten sich wohl schon alle Zuschauer eingefunden, denn die Sitze waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Ich sah rechts vom Richterpult noch einen Sitzblock, der ein wenig wie Kinositze angeordnet waren. Jeder Platz war mit Leuten besetzt. Aus den guten alten John Grisham-Schinken wusste ich, dass es die Jury war. Also hatten sie hier ein ähnliches Rechtssystem wie in Amerika. Passte mal wieder irgendwie.

Vor dem Zuschauerreien waren noch zwei Tische, an denen Leute platz nehmen konnten. Auf der rechten Seite konnte ich die anderen Leute sitzen sehen, die bei dem Banküberfall dabei waren. Ich beschloss mich zu ihnen zu gesellen und ging den Gang durch die Zuschauerreihen zu ihnen. Während ich die Reihen passierte, drehten sich einige Leute nach mir um und ich hörte Getuschel hinter mir. Scheinbar hatte dieser Tex Hex recht gehabt und ich war tatsächlich eine Berühmtheit geworden. Ich versuchte das Getuschel zu ignorieren, denn eigentlich war mir sowas unangenehm. Ich ließ mich bei den anderen Zeugen an dem einzigen freien Tisch nieder und wartete gespannt. Pünktlich um drei Uhr setzte sich McBride an den Richterpult und schlug mit einem Hammer darauf, worauf gleich Ruhe in dem Saal herrschte.

„Die Gerichtsverhandlung gegen Dix und Barko beginnt!“ ließ sie ihre Stimme hören.

Im selben Moment konnte ich das Klirren von Ketten hören und ich sah den Gang rauf, den Bravestarr gerade herunter schritt, die beiden Gefangenen an einer Kette hinter sich herführend. Er führte sie zu dem freien Tisch, die wohl die Anklagebank war und kettete sie an die Stühle fest.

„Danke, Marshall.“ sagte J.B. und Bravestarr trat mit einem Kopfnicken zurück.

„Dix und Barko. Ihr seid angeklagt des versuchten Raubes und des unerlaubten Führens von Schusswaffen. Wollt ihr zu euch zu den Anklagepunkten äußern, oder von eurem Recht zu Schweigen gebrauch machen?“ fragte J.B. die beiden.

Diese schwiegen grummelnd.

„Nun gut! Dann rufe ich die erste Zeugin in den Zeugenstand. Miss Bianca Harker.“

Ein Raunen ging durch die Zuschauer und auch durch die Jury, als ich mich langsam erhob und zu dem Zeugenstand ging, auf den die Richterin deutete, links von ihr. Gehorsam ließ ich mich auf dem Stuhl nieder, sah die beiden Dingos an, deren Blicke mich nahezu töteten. Trotz des dichten Felles konnte ich sehen, dass die gesamte Gesichtshälfte des einen Dingos geschwollen und wahrscheinlich auch blitzeblau war. Zumindest war sein Auge zugeschwollen. Dann traf ich Bravestarrs Blick, der mir aufmunternd zulächelte. Ich lächelte ganz sacht zurück.

„Miss Harker, schwören sie, dass sie die Wahrheit sagen und nichts als die Wahrheit, so heben sie die rechte Hand und sagen sie: „Ich schwöre.“

Ich hob gehorsam die Rechte.

„Ich schwöre!“ sagte ich laut und deutlich.

„Nun, Miss Harker, schildern sie dem Gericht die Geschehnisse des 15 Juni 2249.“ forderte sie mich dann auf.

„An dem Morgen schickte Handle Bar mich mit den Einnahmen des Freitages zur Bank, um diese dort abzugeben. Ich traf so gegen zehn Uhr in der Bank ein. Nebst mir waren noch vier weitere Personen in der Bank...“

„Um welche Personen handelte es sich dabei genau?“ unterbrach mich die Richterin.

„Um die Personen, die dort am Tisch sitzen!“ sagte ich und deutete mit der Hand auf den Schürfer, die Frau mit ihrem kleinen Sohn und den Geschäftsmann.

„Was geschah dann?“ fragte J.B.

„Ich war als letzte dran und stellte mich an die Schlange. So nach etwa zwei Minuten kamen dann die Angeklagten herein, riefen, dass dies ein Überfall sei und bedrohten uns mit Schusswaffen. Dem Roboter am Schalter haben sie dann den Schädel weggepustet, als dieser Alarm geben wollte. Und dann haben sie uns aufgefordert Geld und Kerium herauszugeben.“

„Stimmt es, dass die Angeklagten den Abend zuvor schon auf sie in Handle Bars Saloon gestoßen waren und sie dort bedroht hatten?“ unterbrach sie mich.

„Ja, das stimmt. Sie wollten mich einschüchtern und wurden von Handle Bar herausgeworfen. Sie erkannten mich bei dem Überfall auch wieder und verlangten die Kasse des Saloons von mir.“

„Stimmt es, dass sie die beiden Angeklagten überwältigten?“ fragte sie mich dann und die Blicke der Dingos wurden noch tödlicher.

„Ja, das stimmt!“ sagte ich nickend. „Ich bin, wie soll ich sagen, im Nahkampf trainiert und habe unter anderem auch gelernt, wie ich mich in solchen Situationen zu verhalten habe. Ich bin auf den vordersten der beiden zugegangen, habe ihm die Kasse zugeworfen und er hat sie im Reflex gefangen. Dadurch ließ er natürlich auch seine Waffe fallen und ich trat ihm in den Magen, worauf er zu Boden ging. Der andere war von meiner Gegenwehr scheinbar sehr überrumpelt und reagierte zuerst nicht. Ich nutzte die zeit, um ihm die Waffe zu entreißen und ihn damit nieder zuschlagen. Und das war es dann eigentlich auch schon. Zwei Sekunden später erschien dann der Marshall.“ schloss ich meinen Bericht ab.

„Danke, Miss Harker. Sie sind hiermit aus dem Zeugenstand entlassen!“

Ich stand auf und ging zum Tisch der Zeugen zurück.

Dann wurde die Frau in den Zeugenstand gerufen, danach der kleine Junge, den J.B. mit Samthandschuhen bei der Befragung anfasste. Der Kleine hatte aber mehr damit zu tun, davon zu schwärmen, wie ich die Dingos erledigt hatte. Die Leute amüsierten sich königlich darüber, ich konnte Bravestarr lächeln sehen und die Dingos sahen noch wütender drein. Und zuletzt der Schürfer. Als letztes machte der Geschäftsmann seine Aussage.

„Nun möchte ich den Angeklagten ein letztes Mal die Gelegenheit geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern.“ sagte dann die Richterin.

Die beiden schwiegen jedoch eisern.

„Nun gut. Dann möchte ich die Jury bitten ihr Urteil abzugeben.“

Es lautete einstimmig schuldig.

„Hiermit verurteile ich die Angeklagten zu Gefängnisstrafen von je sechs Jahren auf dem Gefängnisplaneten FG 161.“ verkündigte sie dann das Urteil.

„Marshall, führen sie die Gefangenen ab!“

„Jawohl, Richterin!“ sagte Bravestarr und machte sich daran, die beiden von ihren Plätzen zu lösen und sie aus dem Saal zu führen.

Nun erhoben sich auch die restlichen Leute und ich wollte mich auch auf dem Weg nach draußen machen, als ich von der Frau, die ebenfalls als Zeugin ausgesagt hatte, mich zurück hielt.

„Ich wollte dir nur noch einmal danken, für deinen Einsatz und...“ sie deutete mit einem Kopfnicken auf ihren Sohn. „...mein Junge nervt mich ständig, er will sowas auch lernen. Könntest du ihm vielleicht...nun, ich würde es dir auch entlohnen.“ sagte sie dann etwas schüchtern.

Das wurde immer verrückter! Jetzt wurde ich schon Kampfsporttrainerin! Aber es freute mich ja auch.

„Gern. Aber sie müssen mich nicht bezahlen. Ob ich nun allein trainiere, oder ihrem Jungen nebenher noch was beibringe, das macht zeitlich keinen Unterschied.“

„Nein, nein, wenigstens eine Kleinigkeit!“ entgegnete sie entschieden. Wenn ich ehrlich sein soll, dann bin ich sogar sehr froh darüber. Du hast ja wohl schon selbst am eigenen Leibe erfahren, wie es auf diesem Planeten manchmal zugeht! Ich bin froh, wenn ich weiß, dass mein Junge sich wenigstens in ein paar Situationen behaupten kann!“ sagte sie dann.

Der Kleine trat neben sie und sah mich fröhlich an.

„Kann ich dann auch bald Dingos so verhauen wie du?“ fragte er mich hibbelig.

Ich lächelte und ging vor ihm etwas in die Knie.

„Nun, wie ich dir bereits sagte, das muss man lange trainieren. Aber wenn du fleißig bist und regelmäßig trainierst, dann kannst du das in ein paar Jahren auch.“ sagte ich ihm ehrlich.

„Mache ich! Mache ich! Ich will auch Dingos verhauen können!“ rief er begeistert.

Ich lachte.

„Na wenn dem so ist, dann bist du jetzt mein Schüler, Brad!“ sagte ich.

Seinen Namen wusste ich von seiner Vernehmung her.

„Oh, toll! Toll! Wann fangen wir an?“ jubelte er.

„Wenn du möchtest, schon heute!“ antwortete ich lächelnd.

„Darf ich, Mama!“ rief der Kleine sofort.

„Ja, okay.“ sagte sie dann lachend.

„Wann wäre es dir denn passend?“ fragte sie dann an mich gewandt.

„Nun, sieben Uhr, denke ich ist ne gute Zeit. Eine Stunde.“ antwortete ich.

Sie nickte.

„In Ordnung. Wo?“

„Im Saloon. Er soll leichte Sportkleidung tragen. Wir werden zwar erst mal langsam anfangen, aber für jemanden, der ungeübt ist, wird das schon hart. Und außerdem...“

Ich hob meine rechte Hand und zeigte den Verband.

„Nach der Sache gestern muss ich so oder so mit den leichten Sachen anfangen.“

„Das macht nichts.“ beschwichtigte sie.

„Na dann sehen wir uns heute Abend, Brad!“ sagte ich an den Jungen gewandt.

Danach verließen wir alle das Gericht. Ich konnte es nicht unterlassen mich in Richtung des Marshall-Büros umzusehen.

Doch dann beeilte ich mich zum Saloon zurück zukommen. Handle Bar wollte sicher wissen, wie die Verhandlung ausgegangen war.

„Und? Was haben diese dreckigen Ratten bekommen?“ fragte er auch prompt, als ich in den Saloon kam.

Ich erzählte ihm alles und er nickte zufrieden.

„Gut! Dann sind wir diese dreckigen Ratten die nächsten Jahren los!“ sagte er dann zufrieden. „Darauf trinken wir!“

Er nahm zwei Gläser aus dem Regal und stellte sie auf die Bar. Dann kippte er zwei doppelte Starblazer ein. Wir stießen an.

„Sag mal, Handle Bar, hast du einen Platz, wo ich ein bißchen trainieren könnte? Ich muss mich wieder ein bißchen üben und außerdem...“ ich sah ihn etwas verlegen an. „...hab ich einen Schüler, der heute Abend zum ersten Mal kommen wollte.“

Er sah mich mit großen Augen an.

„Du hast schon Schüler?“ fragte er überrascht.

Ich nickte verlegen.

„Ja. Der Junge, der bei dem Überfall dabei war. Seine Mutter meinte, er sei nicht mehr zu halten, was das anging. Und ich muss auch sagen, dass ich mich freue, wenn ich das weitergeben kann. Schaden kann es dem Jungen in keinem Falle.“

Handle Bar überlegte sichtlich.

„Nun, ich habe den Hinterhof. Der müsste eigentlich, was den Platz angeht, groß genug sein.“ sagte er schließlich.

Dann ließ er das Wischtuch fallen, mit dem er schon wieder hantiert hatte.

„Komm! Ich zeig ihn dir!“ sagte er und ich folgte ihm durch eine Hintertür.

Wir kamen nach einem kurzen Gang in einen schattigen Hinterhof, den Handle Bar scheinbar für alles mögliche nutzte. Ich konnte Schrott sehen, Mülleimer und diverse andere Sachen. Aber es war Platz.

„Das ist perfekt!“ sagte ich.

Handle Bar nickte.

„In Ordnung. Ich bin echt gespannt auf deinen Schüler. Und wie du als Lehrerin bist.“ sagte er dann lächelnd.

Da war er nicht der einzige.



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