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Bitte bleib bei mir!

BBC Sherlock
von

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Die Sehnsucht der leeren Tage

19.

Die Sehnsucht der leeren Tage
 

„Geht es Ihnen gut?“ Mollys leise gestellte Frage ließ Sherlock für einen Moment inne halten. Dann beschloss er, sie einfach zu ignorieren und widmete sich wieder seinem Mikroskop.

„Ich meine ja nur, Sie sehen so…na jeden Falls wollte ich fragen ob Sie mich noch brauchen, sonst würde ich nämlich jetzt nach Hause gehen.“

„Gehen Sie ruhig, Molly. Gute Nacht.“ Sherlock sah nicht auf, doch er wusste dass sie ihn noch aufmerksam musterte. Toll, noch jemand der glaubten sich Sorgen um ihn machen zu müssen. Dämlich, überflüssig und er wusste nie, wie er auf diese ihm zuteil gewordene Besorgnis angemessen reagieren sollte. Anfangs hatte er mit Wut und ähnlichen Gefühlen aufgetrumpft, jetzt war strikte Ignoranz seine neuste Taktik und sie war viel versprechend in der Probephase. Er wollte nicht für so schwach gehalten werden, dass er die Hilfe anderer bedurfte. Außerdem war das was Privates und er hasste nichts mehr als über solche Probleme sprechen zu müssen. Was mitunter daran lag, dass er private Probleme gerne ignorierte, in der Hoffnung sie würden irgendwann von selbst verschwinden. Schlimm genug das er oft nur mit einem Blick das Gefühlsleben anderer erkennen konnte. Er wollte lieber als Gefühllos und Kaltherzig gelten, als unterstellt zu bekommen, er würde wie alle anderen Empfinden. Nein, er hoffte inständig Molly würde jetzt gehen und ihn allein lassen.
 

„Haben…“ sie räusperte sich. „Haben Sie John schon angerufen? Hat er sich gut eingelebt?“

Gott, wie er das hasste!

„Nein, und ich würde es vorziehen nicht mehr über John reden zu müssen. Eigentlich würde ich es vorziehen, wenn Sie jetzt wie geplant gehen und mich in Ruhe arbeiten lassen würden“, sagte er mit fester Stimme.

Natürlich entging Molly die Schärfe die in diesem Satz schlummerte nicht. Sie nickte ein wenig unsicher und zupfte nervös am Kragen ihrer Bluse. „Ich wollte nur mal fragen, weil ich John eigentlich sehr nett fand und…weil der Detektiv Inspektor gesagt hatte, Sie wären ziemlich herzlos gewesen. Ich meine…“ Sie stockte. Offenbar in ihre eigenen Worte verheddert, nicht wissend was sie sagen sollte oder durfte. Dann endlich sammelte sie sich, und versuchte es mit wackliger Stimme erneut. „Sie haben Ihm wehgetan, nicht wahr?“

Glücklicherweise sah Sherlock sie noch immer nicht an. So konnte sie ihren Mut zusammen nehmen und weiter reden. „Ich merke dass mit Ihnen etwas nicht stimmt. Wir alle merken das, weil Sie uns nicht egal sind. John fehlt Ihnen und deshalb geht es Ihnen schlecht. Wäre es da nicht das logischste mit John darüber zu reden? Wieder alles zu…ich meine…Sie brauchen einander.“

Jetzt hob Sherlock doch seinen Kopf, ruckartig wandte er sich Molly zu, der das eben noch vorhandene Selbstvertrauen sofort abhanden kam. Sie kämpfte gegen den Drang an aus dem Labor zu flüchten, versuchte Sherlocks Blick stand zu halten, was ihr allerdings kläglich misslang.

„Wollte mich nicht einmischen“, meinte sie mit einem verunglückten Lächeln und ging ohne ein weiteres Wort hinaus.
 

Sherlock sah ihr noch lange nach. Er wusste, dass all die Menschen mit denen er in seinem Leben Kontakt hatte, ihn seit Johns Weggang genau beobachteten. Nicht das er ihr deduktives Talent als überhaupt vorhanden anerkannt hätte, aber offenbar waren Menschen die oft Gefühlen ausgesetzt waren für die entsprechenden Signale sehr empfänglich. Oder aber sie schlossen von sich auf ihn. Töricht, aber leider lag keiner von ihnen wirklich falsch. Es kostete nämlich unglaublich viel Kraft, sich nichts anmerken zu lassen. Egal wie schlecht es ihm ging, wie sehr er John auch vermisste, er wollte das niemandem zeigen. Denn sonst hätte er darüber reden müssen und das wollte und konnte er nicht.

Aber eines konnte er zumindest sich selbst gegenüber nicht leugnen und zwar wie schlecht es ihm wirklich ging. Es war ein Elend, welches mit nichts vergleichbar war. Es zu ignorieren viel schwer, es zu vergessen schien unmöglich, es mit Arbeit zu überlagern funktionierte kurzfristig und war seine einzige Option im Moment. Zumindest bis er eine bessere gefunden hatte. Jeden Abend verbrachte er seine Zeit mit der Geige und genau diesem Problem. Was war zu tun, wie kam er aus diesem Fiasko heraus, ohne sein Gesicht zu verlieren? Irgendetwas musste ihm einfallen und das möglichst schnell. Dieser Zustand war kaum zu ertragen!

Wie lebte wohl der Durchschnittsmensch mit – ja mit was? – Liebeskummer? Nein, nein! So weit würde er nicht gehen. Schließlich fehlten ihm die Anhaltspunkte an denen man so eine Aussage hätte festmachen können. Er wusste nicht wie es war zu lieben oder im Umkehrschluss, wie es sich anfühlen würde unglücklich verliebt zu sein.

Sherlock Holmes, du Narr! Du willst es n ur nicht wahr haben! Beschimpfte er sich in Gedanken. Klar hatte er genügend Informationen darüber, er hatte sie während seiner Schulzeit gesammelt und auch wenn es nur auf Bücherwissen und Beobachtungen von Pärchen begründet war, hatte er das Wissen. Und allein die Beobachtung all seiner Probleme, Gefühle und Regungen reichte aus, um selbst den dümmsten Menschen auf die richtige Spur zu führen. Er war gefangen, gefangen in seiner eigenen Gefühlswelt genau wie jeder andere – dumme – Mensch auf diesem Planeten. Es half eh nichts mehr, er würde nicht noch länger vor dieser Tatsache fliehen können.

Verdammt!

Sherlocks Gedanken schweiften ab, verließen das Labor und ignorierten die Proben unter dem Mikroskop. Glitten zurück zu jenem Schicksalhaften Abend in den Docklands.

Seit John an diesem Tag ins Krankenhaus gekommen war hatten sich seine Gefühle für ihn verändert. Als erstes war nur ein Schuldgefühl hinzugekommen, dann begann das Vermissen. Den Kampf um John halten zu können, die gemeinsam verbrachte Zeit, die Szene im Bett, der geklaute Kuss…ja er hatte sich die Begierde John gegenüber eingestanden – übrigens ein weiteres Indiz.

Seine körperliche Reaktion auf den Freund war ebenfalls Teil der Beweiskette und natürlich die Tatsache die alle anderen in den Schatten stellte – John vermochte ihn in jeder Hinsicht aus dem Konzept zu bringen. Seine Gedanken hielt er gefangen und nur unter enormer Anstrengung von Seiten Sherlocks vermochte er sich auf das wesentliche zu konzentrieren. Das war ein weiterer Punkt und der wohl dramatischste in dieser Beweisführung. Immerhin hatte ihn diese Tatsache John vor den Kopf stoßen lassen, was zu seinem augenblicklich schlechten Zustand erst geführt hatte.
 

Obwohl er doch frei von John und allen Ablenkungen sein wollte, tat er es schon wieder! Sich selbst für seine Unkonzentriertheit hassend, schüttelte er den Kopf und versuchte die Gedanken, welche von solch unerwünschter Schwere und Intensität waren, aus seinem deduktiven Verstand zu verbannen. Zumindest bis das Experiment beendet und der aktuelle Fall gelöst war.
 

Das Geräusch seine Handys kündete eine neue SMS an, Sherlock besah sich gerade die letzte Probe und griff nach dem neben ihm liegenden Telefon. Die Nachricht war von Lestrade. Er überflog sie kurz:
 

Wo steckst du?

Verdammt, vor einer Stunde schon wolltest du im Yard sein!

Viel länger kann ich den Verdächtigen nicht mehr hier behalten!

Melde dich!!

Lestrade
 

Wieder einmal hatte Sherlock die Zeit aus den Augen verloren gehabt. Aber was machte das schon? Wenn Lestrade seine Fälle nicht selbst lösen und seine Hilfe in Anspruch nehmen musste, dann würde er auch mit Sherlocks Zeit vergessender Art leben müssen. Doch gerade hatte der gute DI Glück. Noch ein letztes Mal überprüfte Sherlock all seine im Kopf gespeicherten Details, schaute ein letztes Mal durch das Mikroskop und begann dann zu tippen.
 

Du kannst Ihn laufen lassen.

Die Beweise sind eindeutig, es war die Ehefrau.

Überprüf das Reifenprofil des Sportwagens.

Anklage: Mord aus Eifersucht – auf ein Auto.

SH
 

So begann Sherlock seine Sachen zu packen und verließ das Büro, gerade als die Uhr im Gang Mitternacht einläutete. Ja, wieder ein Fall gelöst. Einer der John sicher gefallen hätte. Zumindest wäre es diese Art von Fall gewesen, über die zu schreiben der gute Doktor sicher seinen Spaß gehabt hätte. Schon allein des Sachverhaltes wegen. Bestimmt hätte diese kleine Geschichte regen Anklang bei der Leserschaft gefunden. Kurz ließ sich ein Lächeln auf Sherlocks Lippen blicken. Es blitze bei den Gedanken auf, welch künstlerisch und schwammigen Titel John diesem Fall wohl verliehen hätte.
 

Alleine ging er durch die kalte Nacht. Die Luft roch schwer nach Schnee und dicke Wolken überzogen den Himmel. Der Wind war böig und kalt. Sherlock klappten den Kragen seines Mantels nach oben und eilte zur Hauptstraße. Dort würde auch noch um diese Uhrzeit ein Taxi aufzutreiben sein. London schlief nicht, es gab viele die wie er noch unterwegs waren. Doch die Kälte füllte ganz von selbst die Taxis mit Gästen, die sonst sicher nichts gegen einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft eingewendet hätten. So jedoch wollte jeder möglichst schnell an seinen Bestimmungsort. Auch wenn Sherlock dann ganz alleine in seiner, jetzt viel zu großen und leer wirkenden Wohnung sitzen würde, die Kälte trieb auch ihn schneller voran.

In seiner Jackentasche meldete sich sein Handy. Klamme Finger zogen es heraus. Eine Nachricht von Lestrade.
 

Danke, wir werden das Überprüfen.

Ich fahr morgen zu John, willst du mitkommen?
 

Sherlock schnaubte, ließ das Smartphone wieder in der Manteltasche verschwinden und ging ungerührt weiter. Was wollte er bei John? Was hätte er sagen sollen? Klar, eine Entschuldigung kam bei den meisten Menschen immer gut an, aber was dann? Solle er John bitten wieder bei ihm einzuziehen und dann hoffen, er würde zustimmen? Was wenn er ablehnen würde?

Außerdem war er der Lösung des eigentlichen Problems noch keinen Schritt näher gekommen. Noch immer wusste er nicht, wie er mit den Gefühlen für John umgehen sollte und diese Notlage würde sich nur vergrößern, wenn er dem Freunde jetzt schon gegenübertreten würde.

Wieder breitete sich dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit und des unbeschreiblichen Elends in ihm aus. Natürlich meinte es Gregory auch nur gut. Schließlich hatte er damals dem Drängen nachgegeben und mit dem Inspektor über seine Gefühle gesprochen. Sherlock erinnerte sich deutlich an das Gespräch im Büro. Gregory hatte ihm damals schon erklärt, dass er John lieben würde und er sich mit diesen Gefühlen auseinanderzusetzen hatte. Doch er hatte ihm nicht geglaubt. Er hatte es nicht glauben wollen.
 

„Ich weiß was Liebe ist, zumindest weiß ich über alle körperlichen Reaktionen bescheid und auch über die Definition dieses Wortes kenne ich alle Fakten. Glaub mir, ich weiß mehr über das was als Liebe bezeichnet wird als all die Menschen, die täglich davon reden.“
 

Oh wie ihn diese Aussage plump und naiv vorkam, jetzt da sie in seinem Kopf widerhallte und nicht verklingen wollte. Erst in der letzten Zeit war ihm klar geworden, dass er zwar Liebe besser beschreiben und definieren konnte als sonst jemand, er aber von den dazugehörigen Empfindungen nie einen wirkliche Ahnung gehabt hatte. Wissen allein schenkte wohl doch keine Weißheit.

Wie hatte er über all das Wissen verfügen und dann doch so lange brauchen können, um die richtigen Schlüsse zu ziehen? Oder hatte er insgeheim das alles schon gewusst? Hatte er gespürt wie nahe dran er war, sich in Gefühlen zu verlieren die die Liebe ihm bringen würde? Hatte er John deshalb von sich gestoßen? Aus purer Angst vor dem was er fühlte und was mit Johns Nähe noch alles gekommen wäre?
 

„Bücherwissen?“ Hatte ihn Gregory gefragt.
 

„Mehr als dieses Wissen brauche ich nicht. Es reicht all die Reaktionen deuten zu können, dafür muss man sie nie selbst gefühlt haben. Es ist mein Job Menschen zu lesen und darin bin ich ungeschlagen und das obwohl ich mich den Gefühlen nicht hin gebe. Also halt mir hier keine Predigten von wegen ich sollte mich ändern, über meine Empfindungen philosophieren und zu solch einem Spielball der Gefühle werden, wie du einer bist? Danke, aber nein danke.“
 

Welch glorreiche Aussage, damit schien ihm sein Geist zu verspotten. Als wäre jetzt schon sein Verstand auf Seiten seines Herzens. Jetzt hatte er das nötige Wissen durch Eigenstudien erfahren, er wusste wie sich die Liebe und der Schmerz anfühlten. Nichts davon war schön oder erstrebenswert. Nichts war so, wie er es zu wissen geglaubt hatte. Die Liebe hatte in Wahrheit nur ein hässliches Gesicht!

Trotzdem gab es kein entkommen. Egal wie lange es ihm auch gelungen war sie zu vermeiden, jetzt war er gescheitert. Jetzt überlegte er tatsächlich wie er etwas verändern konnte, er philosophierte über all die erschreckenden Gefühle und war ein Spielball seiner eigenen Gedanken. Alles was er immer gefürchtet hatte, war jetzt Teil seiner Realität und das machte ihm angst.

Ob Lestrade das wusste? Konnte er ihn gut genug lesen um all das herausgefunden zu haben? Sicher nicht. Bestimmt war die Einladung mit zu John zu kommen nur eine Höflichkeitsfloskel oder ein verzweifelter Versucht zu helfen. Ohne Hintergrund entstanden und völlig bar jeder Deduktion.

John…

Aber eines fragte sich Sherlock ständig. Wenn es ihm so schlecht ging, konnte es da sein, dass es John genauso elend war? Schließlich besaß John das ganze Gefühlsspektrum. Hatte er ihn verletzt und litt sein Freund jetzt ebensolche Qualen? Nicht auszudenken! Das hatte er nämlich nicht gewollt! Vielleicht litt John sogar noch mehr unter der ganzen Geschichte wie er. Ja, möglicherweise sah John noch mehr Fassetten, fühlte noch mehr Schmerz und Zorn über Dinge die er – Sherlock Holmes – im unbewusst angetan hatte.

Bei diesen Gedanken wurde Sherlock augenblicklich übel. Er wollte nicht dass John litt! Schlimm genug wie es ihm ging, John konnte doch für all das gar nichts! Er hatte ihn da mit hineingezogen.

John, der liebe, gute, treue John…
 

Ist alles vorbei, John? Hat meine Angst vor Gefühlen alles zerstört? Gibt es ein zurück oder sind wir dazu verdammt uns immer weiter von einander zu entfernen? Und alles nur weil ich geflohen bin, sag mir John, gibt es ein Zurück? Sag mir das es okay ist angst zu haben, sag mir das du mich verstehst…
 

Seine Gedanken schweiften ab, verloren sich im Wind und trieben hinauf zum dunklen, sternlosen Himmel.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Purrgatory
2012-09-26T14:05:19+00:00 26.09.2012 16:05
Huh endlich durch! Hab deine FF heute entdeckt und in einem Rutsch durch gelesen. :)
Ich bin total begeistert! Die Story ist echt gut konzipiert und man kann sich super in die Charaktere hineinversetzen!
Hoffentlich geht es schnell weiter!! :)
Von:  Sisilia11
2012-09-16T17:35:20+00:00 16.09.2012 19:35
So, du wirst es nicht glauben, aber ich habe heute in einem Rutsch deine Geschichte gelesen. Was zeigt das? Ganz einfach: spannend, super und gut zu lesen, auch wenn sich öfters mal kleinere Rechtschreibfehler eingeschlichen haben. Aber wie hast du am Anfang geschrieben: wer sie findet, darf sie behalten :) Dennoch ein kleiner Tipp: Gestalt schreibt man mit einem l. Aber wie gesagt: dein Stil und deine Geschichte finde ich super und ich hoffe, dass es bald weitergeht.
LG
Sisilia
Von:  Nara-san
2012-08-28T21:25:23+00:00 28.08.2012 23:25
Ich hab irgndwie sehr lange gewartet das Kapi zu lesen, weil der Anfang irgendwie schon so traurig war... Und ich mich immer noch irgendwie über Sherlock geärgert hab. Aber ich habe mich aufgerafft xD
Und es ist toll das er es letzten endes einsieht! OMG, es hat auch lange genug gedauert ^^
Ich bin gespannt wie es mit den Beiden wietergeht!


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