Zum Inhalt der Seite

Bitte bleib bei mir!

BBC Sherlock
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Hilfe annehmen

6.

Hilfe annehmen
 

„Ich weiß gar nicht wann ich zum letzten Mal Frühstück im Bett hatte. Danke.“

„Bedanken Sie sich nicht zu früh, wenn Sie heute Abend auf lauter Krümel schlafen, werden Sie mich sicher dafür verfluchen.“

John lachte und besah sich das Tablett mit den Überresten des Frühstücks. Sherlock hatte ihm Tatsächlich etwas zu Essen gemacht. Diese einfache Geste sagte wohl über Sherlock Holmes mehr aus, als es bei anderen Menschen der Fall gewesen wäre und John freute sich wahnsinnig darüber. Vielleicht lag diese Freude doch an den starken Medikamenten, die ihn schon ein wenig neben der Spur hielten, aber der einzige Mensch auf diesem Planeten zu sein, für den Sherlock so etwas machte war einfach…unbeschreiblich schön.
 

Doch jetzt war es Zeit zu den unangenehmen Dingen zurück zu kehren, egal wie gut sich dieser Moment gerade anfühlte.

„Ähm, Sherlock ich…also ich würde gerne auf die Toilette und Duschen sollte ich mich auch…also…“ John sah seinen Freund dabei nicht an. Wussten sie doch beide das ihnen die Situation unangenehm war. Sherlock, weil es so gänzlich seinem Wesen widersprach und er keinen Wert darauf legte, anderen Menschen – oder auch John – so nahe treten zu müssen und John weil er Sherlock nicht so weit in seine Privatsphäre eindringen lassen wollte.

„Mrs. Hudson stellt ihre Badewanne zu Verfügung. Dann müssen Sie nicht mit dem Rollstuhl unter die Dusche, sondern können sich hinlegen. Ich finde dieser Vorschlag klingt wesendlich vernünftiger.“

John atmete geräuschvoll aus, dann nickte er.

Sherlock erhob sich erneut von Johns Schreibtischstuhl und klopfte seinem niedergeschlagenen Freund kurz auf die Schulter.

„Ich geh und sage Mrs. Hudson bescheid. Dann komm ich Sie holen. Nehmen Sie doch derweil ihre Medikamente“, schlug Holmes vor und verschwand mit dem Tablett.
 

John sah ihm nach und kam sich wieder wie ein krankes Kind vor. Nur das er heute keinen Wert darauf legte eines zu sein. Da kam er wohl nicht aus…er konnte Sherlock ja auch schlecht sagen das er nicht bemuttert werden wollte. Alleine käme er ja gar nicht zu recht und müsste wohl wieder zurück ins Krankenhaus oder in eine Pflege-Anstalt. Das wollte er natürlich auch nicht und wenn er ehrlich zu sich war und genau darüber nachdachte, dann war nicht die Hilfe die er annehmen musste das größte Problem. Gut, wer wollte schon behindert sein, egal in welcher Hinsicht. Das Problem lag eher darin, Sherlock so nahe an sich heran lassen zu müssen. Irgendwie störte ihn die Vorstellung sich seinem besten Freund nackt präsentieren zu müssen. Vor allen Dingen weil er seinen Mitbewohner ja auch noch durchaus attraktiv fand.

Zwar hatte sich John in den letzten Jahren nur selten eine männliche Bettgesellschaft gewählt und seit er mit Sherlock zusammen wohnte, ganz auf diese Art von Spaß verzichtet. Schließlich hatte er von einem alten Schulkollegen Sherlocks zu hören bekommen, wie präzise er immer deduziert hatte, wer mit wem die Nacht verbracht hatte.

Wahrscheinlich störte es Sherlock zwar nicht, wenn unter Johns Affären wirklich auch mal Männer gewesen wären, aber irgendwie wollte er nicht dass sein Freund das wusste. Egal wie aufgeschlossen er sich gab…aber vielleicht wollte er auch nur nicht hören, das es Sherlock völlig egal war das John auch mit anderen Männern verkehrte. Denn das würde unwiderruflich bedeuten, dass Sherlock keinerlei Interesse an ihm hatte, zumindest in sexueller Hinsicht.
 

John schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Was dachte er hier bloß? Sherlock würde nie derartiges Interesse an ihm zeigen und sich selbst zu kasteien und auf etwas zu warten was er nie bekommen würde brachte nichts. Es würde ihn auf die Dauer nur unglücklich machen.

Trotzdem bestand die Angst, er könnte auf Sherlocks Nähe heftiger reagieren als gut für ihn war, nicht ohne Grund.

Vielleicht konnte er es, sollte dieser schlimmste Fall eintreten, auf die Schmerzmittel schieben? Ein vernebelter Geist, die ganz normalen männlichen Sex-Gelüste die er schon eine Weile nicht mehr hatte befriedigen können und die intime Nähe zwischen ihnen…würde der cleverste Mann Londons seine Ausreden als solche erkennen?

Ja und zwar zu 100%

John war geliefert.

Bemüht seinen Geist zu lehren und an nichts körperliches, ja am besten etwas vollkommen Asexuelles zu Denken könnte helfen.
 

Und so fand Sherlock seinen Freund mit geschlossenen Augen aufrecht in seinem Bett sitzend und fragte sich, an was der gute Doktor wohl so angestrengt dachte?

Behutsam um seinen Freund nicht zu erschrecken, kam Sherlock näher und setzte sich auf die Kante des Bettes. John hielt seine Augen weiterhin geschlossen.

„Haben Sie Schmerzen?“

Ein Kopfschütteln als Antwort.

„Mrs. Hudson lässt schon mal das Badewasser einlaufen. Also wenn Sie so weit sind…“

Seufzend öffnete John seine Augen und sah in das verwirrte und immer noch leicht besorgte Gesicht von Sherlock Holmes. Seine schwarzen Locken, die hellen, blauen Augen…falsch! Völlig falsche Richtung!

„Klar, bringen wir es hinter uns.“

Mit diesen Worten schob er die Decke beiseite und Sherlock hob ihn aus dem Bett.
 

„John, wie geht es Ihnen heute?“ fragte Mrs. Hudson in ihrer üblichen mütterlichen Besorgnis. John lächelte seine Vermieterin an, denn die Tatsache das Sherlock ihn tragen musste sprach doch für sich.

„Die Schmerzmittel helfen, ansonsten keine Veränderung.“

„Ach das wird schon, mein Lieber!“ versicherte sie und verließ das Bad.

Es war größer als das, welches er sich mit Sherlock teilte und es floss bereits Wasser in die große, weiße Badewanne. Sherlock setzte John auf ihrem Rand ab.

„Halten Sie sich an der Wand fest, während ich Ihnen beim ausziehen helfe“, meinte Sherlock bemüht sehr kompetent zu wirken. Leider fühlte er sich nicht so weit von den Dingen entfernt, wie er es gerne gehabt hätte.

Er zog John das T-Shirt über den Kopf, und faltete es anständig zusammen.

„Jetzt sollten Sie sich an mir fest halten, sonst kann ich ihre Hose nicht…“

„Schon klar“, sagte John etwas zu schnell und schlang seine Arme halt suchend um Sherlock. Der war darauf bedacht, das John auf keinen Fall seine Beine belastete, um die Schwellung an seiner Wirbelsäule nicht noch zu verschlimmern. Um das ganze möglichst schnell hinter sich zu bringen, zog er die Jogginghose samt Unterwäsche in einem über Johns Hüfte und setzte seinen Freund dann wieder auf der Wanne ab.

Bemüht seinen nunmehr nackten Freund überhaupt nicht anzusehen, zog er ihm die Sachen ganz aus, legte sie Zusammen und stapelte sie in einem ordentlichen Häufchen auf dem Waschbecken.

Als er sich umdrehte konnte er sehen, wie John sich bemühte seine Socken selbst auszuziehen und dabei gefährlich auf dem schmalen Wannenrand saß.

„John!“ tadelte er ihn und kniete sich sofort hin um zu helfen.

„Ich kann das!“ kam es protestierend zurück.

„Natürlich können Sie das, aber mir ist es lieber Sie bleiben ruhig hier sitzen und halten sich fest. Die meisten Haushaltsunfälle passieren im Bad und weitere Verletzungen können Sie gewiss nicht gebrauchen.“

Schnaubend lies es John über sich ergehen. Zumindest half die Wut gegen andere unerwünschte Gedanken und als er jetzt völlig entkleidet auf dem kalten Wannenrand saß, fühlte er sich zwar wirklich unbehaglich, aber das war’s auch schon.
 

„Sherlock, ich würde noch gerne auf die Toilette. Also wenn es Ihnen nichts aus macht…“ John ließ den Satz gewollt offen, lag doch die Betonung ohnehin auf dem nicht ausgesprochenen Teil.

„Selbstverständlich, warum sollte mir das etwas ausmachen?“ fragte er, noch immer bemüht John nur in die Augen zu sehen und seinen Blick ja nicht tiefer wandern zu lassen. „Wollen wir?“ fragte er, als der ihn nur verdattert anblickte und trat zu seinem Freund, um ihn erneut hoch zu heben.

Dieser reagierte jedoch aggressiv und schob Sherlock bestimmt zur Seite.

„Das schaff ich allein“ schnauzte er und deutete zur Tür. „Würden Sie jetzt bitte gehen?“

Völliges Unverständnis lag in Sherlocks Blick, als er Johns ausgestrecktem Finger Richtung Tür sah.

„Was soll das?“ bemühte er sich mit ruhiger Stimme zu fragen. „Ich hab Sie bereits nackt gesehen und falls es Ihnen entfallen sein sollte, Belastung ist Kontraproduktiv, ja möglicherweise sogar schädlich für Sie.“

„Sherlock!“ zischte John. „Ich kann allein aufs Klo gehen und…“

„Oh natürlich können Sie das, aber hier spricht niemand von können. Sie dürfen es nicht ist das denn so schwer zu begreifen? Sonst sind Sie doch auch nicht ganz so begriffsstutzig!“ Jetzt wurde auch Sherlock lauter. Diese Diskussion war nicht nur sinnlos, sondern auch noch völlig lächerlich!

„Nicht ganz so begriffsstutzig?! Danke, aufbauend, wirklich sehr aufbauend Sherlock und jetzt raus!“ Den letzten Teil hatte er geschrieen, völlig egal ob das Mrs. Hudson hören konnte.

„Ich darf also nicht?“ hakte er nach, noch bevor Sherlock den Mund öffnen, und zum Kontra ansetzen konnte. „Wer will es mir denn verbieten, Sie?“ John lachte trocken.

Jetzt reichte es Sherlock, warum suchte John Streit? Und dann auch noch wegen so einer Lächerlichkeit!

„Ja, wenn Ihnen der Arzt aus dem Krankenhaus diesbezüglich nicht gereicht hat und Sie einfach glauben fachkompetente Meinungen in den Wind schlagen zu können, dann bin eben ich die Stimme der Vernunft und ich werde nicht zulassen, dass Sie sich aufgrund von völlig deplazierter Scham und Medikamentenbedingter Unvernunft selber schaden!“

„Ich bin verdammt noch mal Arzt!“ schrie John. „Ich weiß genau…“

„Sie wissen gar nichts! Sie sind immer noch unter dem starken Einfluss von Schmerzmitteln, die, wie Sie als Arzt sehr wohl wissen dürften, die Urteilskraft beeinflussen. Sonst würden Sie nicht so fahrlässig Ihre Genesung auf Spiel setzen! Besonders nicht wegen so einer dummen Sache und nein“, er sah John durchdringend an und dieser schloss seinen bereits zum Protest geöffneten Mund wieder, „egal was Sie jetzt sagen, nichts wird mich dazu bewegen Sie hier allein zu lassen!“
 

John hatte seinen Mund wieder zugeklappt und Sherlocks Geschreie innerlich brodelnd, aber stumm über sich ergehen lassen. Es war zwar typisch für das Genie Sherlock, das er alle Leute belehrte und sich allwissend gab, aber da biss er heute auf Granit.

„Was bilden Sie sich ein mich zu belehren? Sie, gerade unter all den Menschen predigen Sie von Einsicht und Vernunft?“

Sherlock schnaubte, warf in einer Hilfe suchenden Geste seine Hände in die Luft und rang um seine Fassung. Es dauerte einige Minuten, bis er sich wieder beruhigt hatte. Langsam fuhr er sich mit der flachen Hand kurz über die Augen. Dann wieder ganz Herr seiner Selbst – selbstredend auch über die ganze Situation – ging er zur Badewanne, prüfte die Wassertemperatur und drehte dann den Hahn zu.

John beäugte ihn zwar misstrauisch, sagte aber nichts, stand auch nicht wie angedroht auf, um sich zu erleichtern. Gut, das war ein Anfang. Fraglos verstand Sherlock warum John sich dieses letzte bisschen Privatsphäre nicht auch noch nehmen lassen wollte, aber schließlich drängte sich Sherlock ihm nicht auf, weil es ihm ein Vergnügen war. Er konnte sich auch weit angenehmere Beschäftigungen vorstellen und es war ja auch nicht so das er eine perverse Befriedigung aus Johns Hilflosigkeit zog. Es war wichtig dass John das verstand, sonst würden sie nicht weiter kommen.
 

Langsam flaute die Wut wieder ab, oder war das ganze Theater hier doch Johns Schamgefühl zuzuschreiben? Er seufzte, sah Sherlock dabei zu wie dieser das Wasser aus stellte und die Handtücher vorbereitete.

Verdammt, warum war ihm diese Situation so unangenehm? Beim Militär hatten sie Duschräume gehabt und jeder hatte alles gesehen, was der andere hatte – oder nicht hatte – und das war ihm kein einziges Mal peinlich gewesen. Schön, die Natur hatte es gut genug mit ihm gemeint, um bei allen scherzhaften Vergleichen nicht schlecht da zu stehen.

Gott, was hatte er mit seinen Kameraden alles gescherzt? Ihnen war wirklich immer nur Blödsinn eingefallen, so bald die Last einer Mission von ihren Schultern geladen war und kein Vorgesetzter sie mehr hören konnte. Das Lachen und Scherzen, das hatte nach einem Tag da draußen so unendlich gut getan. Als könnte man sich des Drecks der Welt mit dem Wasser, und der schrecklichen Bilder mit dem Gelächter einfach entledigen.

Tja, als Soldat fand man nicht mal auf dem Klo seine Ruhe, denn in einem militärischen Feldlager an der Front gab es wenig Privatsphäre. Nicht mal für die intimsten Dinge.

Also warum störte es ihn bei Sherlock? Nein, es lag nicht an Sherlock, es scheiterte an der ganzen Problematik selbst. John war unzufrieden, hatte Angst davor diese Art von Hilfe den Rest seines Lebens zu brauchen, das war das Problem. Er wollte es testen, seine Füße auf den Boden stellen und sehen, ob sie wirklich unter ihm nachgeben würden…natürlich würden sie das, er hatte die Berichte gelesen, alles Berichte. Sein rechtes Bein konnte Ihn nicht tragen, aber er wollte es dennoch versuchen. Egal wie unvernünftig es auch war, er wollte es einfach selber sehen!
 

„Das Wasser wird kalt, sind Sie jetzt zur Besinnung gekommen?“ fragte Sherlock ruhig.

Ein schnauben als Antwort, dann ließ John sich zur Toilette helfen.

„Fall ich nie wieder werde Laufen können, kann sich zumindest keine Frau mehr darüber beschweren, dass ich nicht im sitzen pinkle.“

Sherlock musste lachen, drehte sich dann aber zur Wand, um John wenigstens zu demonstrieren, dass er ihm hier nicht absichtlich seiner Privatsphäre berauben wollte. Und während John mit sich selbst beschäftigt war, krempelte Sherlock seine Hemdsärmel nach oben und als die Spülung rauschte, hob er John in die Badewanne.

Dieser legte sich zurück, zuckte kurz zusammen, als ihm eine falsche Bewegung Schmerzen bereitete und ließ sich dann in das warme Wasser sinken. Für mehre Minuten blieb er reglos liegen, genoss die Wärme und entspannte sich.
 

„Wollen Sie jetzt die ganze Zeit hier stehen bleiben?“ fragte er Sherlock, der mit verschränkten Armen an einen der Badschränke gelehnt da stand und auf das kleine Milchglasfenster blickte, als könnte er hindurch und hinaus auf die Straße sehen.

„Ja“, war seine Antwort. Dann schwieg er wieder.

„Sie müssen das nicht, ich verspreche ich rufe wenn ich hier raus will.“

„Sie könnten aufgrund des warmen Wassers müde werden, oder Ihr Kreislauf könnte schlapp machen.“

„Sie haben Angst ich könnte in der Badewanne ertrinken?“ John stellte diese Frage mit spöttischem Ton und tatsächlich sah Sherlock zu ihm, doch er lächelte nicht. Sein Gesicht war unlesbar, trüb wie das Glas des Badezimmerfensters.

John seufzte, tauchte seine Hände ins Wasser und wusch sich damit das Gesicht. „Wir müssen darüber reden, nicht war?“

Was erhoffte er sich von dieser Frage? Etwa das Sherlock nein sagte? Klar redete der sonst so rationale Mensch nicht gerne über Gefühle und Stimmungsschwankungen, aber das betraf sie beide und vieles war noch nicht ausgesprochen worden.
 

„Ja das müssen wir, wenn Sie jetzt nicht wollen dann…“

„Jetzt und hier ist genauso gut wie später und woanders. Was spielt es jetzt noch für eine Rolle?“

„Stört es Sie wirklich dermaßen, dass ich Ihnen keine Privatsphäre mehr lassen kann?“

„Ja“, kam es kleinlaut von John.

„Warum? Ich weiß, ich verstehe oft nicht was sich in den kleinen Gehirnen meiner Mitmenschen abspielt aber…“

„Es liegt nicht allein an meiner Eitelkeit oder so was. Bitte halten Sie mich nicht für Prüde, aber…“

„Aber?“ hakte Sherlock nach als John verstummte.

„Ich befürchte…nein ich fühle…ach was soll das? Wahrscheinlich gibt ein kleiner, nicht rationaler Teil von mir Ihnen doch die Schuld an dem Ganzen. Ich weiß Sie fühlen sich ebenfalls schuldig und deshalb bemühen Sie sich auch so. Dafür bin ich ja dankbar, aber…“

„All das hier mit demjenigen teilen zu müssen, dem Sie die Schuld an allem geben ist nicht einfach“ beendete Sherlock den Satz.

John sah ihn über den Rand der Wanne an, sein Gesicht war ausdruckslos und sein Blick verlor sich in der Ferne. So konnte und wollte er das nicht stehen lassen.

„Der rationale Teil meiner Selbst weiß natürlich das nichts von alledem Ihre Schuld ist. Sie haben das alles nicht so geplant, und Unfälle passieren.“

„Nein Sie haben Recht, ich hätte es planen sollen! Es wäre meine Pflicht gewesen, ich, gerade ich hätte es besser wissen müssen! Verstehen Sie nicht? Ich hätte Sie beschützen müssen, meinen Plan so gut durchdenken das nichts ihn hätte in wanken bringen können. Das gelingt mir sonst immer, warum es mir in jener Nacht nicht gelang, das frag ich mich selbst immer wieder! Sie dürfen mir ruhig die Schuld geben, ich gebe sie mir ja selbst.

Ich werde für Sie da sein, nicht nur jetzt, immer, John. Und was geschehen ist tut mir wirklich sehr leid.“

„Das muss es nicht, denn ich würde es wieder tun. Sie retten, meine ich. Auch wenn ich wütend auf Sie bin, ich bereue nicht das Sie noch leben. Währen Sie in dieser Nacht gestorben und ich hätte nicht alles in meiner Macht stehende getan um Sie zu retten, ich würde an meinen Selbstzweifeln, am der Schuld die ich mir danach gemacht hätte viel mehr leiden als jetzt unter den Schmerzen.

Wenn Sie gerne die Schuld für sich beanspruchen, dann bitte. Ich persönlich glaube nicht, das Sie es hätten verhindern können.“

„Also sprechen Sie mich frei von meiner Schuld?“

„Denke schon, vielleicht könnten wir uns drauf einigen, dass Sie mir in Zukunft einfach sagen was Sie vorhaben und nicht hoffen das ich irgendwann allein drauf kommen. Je besser wir zusammen arbeiten, desto besser können wir einander beschützen. Einverstanden?“
 

Sherlock schwieg wieder, dachte über das Gesagte nach und John ließ ihm Zeit. Sherlock war eben ein Mensch, der nicht leichtfertig etwas versprach, oder gerne etwas an seiner Einstellung änderte. Worüber auch immer das Genie gerade brütete, John bediente sich derweil an Mrs. Hudsons Flüssigseife, die einen angenehmen Duft nach Oliven und Zitrone hatte und begann sich zu waschen. Zumindest soweit wie es ihm die Schmerzen erlaubten.
 

„Ich denke zu schnell“, kam es völlig Zusammenhangslos von Sherlock. John blickte auf, dachte kurz über den Satz nach und wartete dann gespannt ob dieser Erkenntnis noch eine Erklärung folgen würde.

„Wann immer ich arbeite, da durchdenke ich in Sekundenschnelle mehr Details als Ihnen und dem Rest der Menschen überhaupt auffallen. Das soll keineswegs eine Beleidigung sein, nur eine Erklärung warum es mir schwer fallen wird, Sie über jeden nächsten Schritt zu informieren. Obwohl ich es gerne versuchen würde, solange das bedeutet, dass Sie wieder an meine Seite zurückkehren.“

Ein Lächeln schlich sich auf Johns Gesicht, „als Ihr Freund und Blogger. Immer, Sherlock. Immer.“
 

„Da wir uns jetzt beide besser fühlen, oder möchten Sie sich noch etwas von der Seele reden? Nein? Gut, dann sollten wir aber ein paar Regeln aufstellen.“

„Gut, fangen Sie an“, obwohl Sherlock dabei nicht all zu wohl zu mute war. Befürchtete er doch Johns Wünsche zu kennen.

„Erstens möchte ich auch ein wenig Zeit für mich. Sie brauchen auch Ihren Freiraum, also sollten wir uns den gönnen. Und bevor Sie jetzt dagegen sind, ich will ja nicht allein das Haus verlassen, sondern nur mein eigenes Zimmer zum zurückziehen. Ich werde mein Handy stets bei mir haben und anrufen wenn ich Hilfe brauch. Keine Sorge, ich verspreche nicht aufzustehen oder etwas zu riskieren. Ist das so akzeptabel?“

„Damit bin ich einverstanden“, kam es von Sherlock der froh war, das John offensichtlich langsam Vernunft annahm. Und die Aussicht Zeit für sich und seine Gedanken zu haben, das war ihm nur recht.

„Zweitens würde ich gerne – sofern das Wetter mitspielt – jeden Tag ein wenig frische Luft schnappen. Ohne diesen Tapetenwechsel würde mir bald die Decke auf den Kopf fallen! Wenn Sie keinen Wert drauf legen mit mir Spazieren zu gehen, dann werde ich Mrs. Hudson darum bitten. Obwohl Ihnen das sicher nicht schaden würde.“

„Ich werde mich mit Mrs. Hudson absprechen. Falls ich nichts zu tun habe, kann ich dieser Bitte gerne nachkommen. Sonst noch etwas?“

„Ja in der Tat, da gibt es noch etwas. Ich möchte es nicht sehen, dass Sie die Nacht noch einmal vor meinem Bett sitzend verbringen. Das ist für Ihre Haltung höchst schädlich und außerdem sind die Nächte nicht mehr warm genug für solche Dummheiten.“
 

Sherlock war überrascht, hatte er doch tatsächlich nicht mitbekommen das John noch mal erwacht war und ihn auf seinem Stuhl vor dem Bett sitzend gesehen hatte.

„Der letzten Bedingung kann ich leider nicht nachkommen. Ich werde Sie nicht noch einmal so hilflos sich selbst überlassen.“ Das stellte er sogleich mit fester Stimme klar.

„Dann sollten wir uns einen Kompromiss überlegen“, schlug John vor. „Mein Bett ist groß genug, teilen wir es uns?“

Kaum war das ausgesprochen, erschien es John wie eine sehr, sehr schlechte Idee. Auch Sherlock schluckte im ersten Moment, aber er nickte tapfer. John der jetzt nicht mehr zurückrudern konnte, ergriff Stellung für seinen Vorschlag.

„Ich meine, Sie haben von mir jetzt alles gesehen, und wir sind erwachsene Männer…“

„Natürlich, an diesem Angebot gibt es für mich nichts auszusetzen, im Gegenteil, es ist sehr vernünftig. Nur dürfte ich noch etwas anmerken?“

„Klar“, sagte John um gute Laune und Lässigkeit bemüht.

„Wir sollten mein Bett nehmen. Es ist vom Wohnzimmer aus mit dem Rollstuhl für Sie erreichbar und ich muss Sie nicht jeden Tag die Treppen hinauf tragen. Außerdem kann ich mich dort beschäftigen, falls ich keinen Schlaf finde und bin trotzdem in Ihrer Nähe.“
 

Das Angebot war wirklich vernünftig und so gab es keinen Grund es abzulehnen. Auch wenn John etwas Mulmig bei der Vorstellung war, Sherlock hatte mit seinen Argumenten recht.

„Gut, dann hätten wir alles geklärt?“ fragte John in der Hoffnung das Bad bald verlassen und mit sich und seinen gerade höchst widersprüchlichen Gedanken ein wenig allein sein zu können.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück