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Sein Butler, Zirkusleben

von

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Ein dichter Nebel lag über dem Hafen der Stadt. Außer dem gleichmäßigen Klang des Meeres, das auf Stein traf, war fast nichts zu hören. An einem Landungssteg war jedoch ein schwaches Licht zu erkennen, wenn man sich dort in der Nähe aufhielt. Ein fülliger Mann ging mit einer Laterne den Steg entlang, auf die Rampe des dort vor Anker liegenden Schiffes zu. Begleitet wurde er von zwei bulligen, finster dreinblickenden Männern. Als sie die Rampe erreichten, trat ein schmieriger Mann aus dem Nebel hervor.
 

„Habt Ihr das Geld?“, fragte der Mann, der das Schiff verlassen hatte und anscheinend der Kapitän war.
 

„Habt Ihr meine Ware?“, erkundigte sich sein Gegenüber.
 

„Natürlich. Zuerst das Geld, dann die Ware.“
 

Der dicke Mann brummte und zog einen Geldbeutel aus seiner Tasche, den er dem Kapitän zuwarf.
 

Der erfahrene Seemann öffnete den Beutel, zählte seinen Inhalt im schwachen Licht der Laterne und schnalzte anschließend zufrieden mit der Zunge.
 

„Immer wieder ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen Ferguson.“
 

Er pfiff einmal und kurz darauf kamen zwei Männer die Rampe herunter, die eine sperrige Kiste heruntertrugen.
 

„Bitte, Ihre Ware. Benehmen müssen Sie ihm schon selber beibringen, der tut nämlich nicht immer das, was man ihm sagt“, grinste der Kapitän.
 

Ferguson warf einen Blick in die Kiste, die oben mit einem Gitter statt einem Deckel verschlossen war. Im Inneren konnte er trotz des schwachen Lichtes der Laterne eine Gestalt ausmachen. Sie kauerte in der zu kleinen Kiste, die Beine an den Körper gezogen und zitterte. Die Haut wirkte schuppig und bei der Gestalt schien es sich um ein Kind zu handeln.
 

„Sehr gut. Bis zum nächsten Mal.“
 

Ferguson gestikulierte seinen Männern, die Kiste zu nehmen, wandte sich um und ging. Am anderen Ende des Hafens wartete ein Pferdekarren auf sie. Die beiden bulligen Männer hievten die Kiste mit ihrem Inhalt auf den Karren, um anschließend selber aufzusteigen. Ferguson hatte inzwischen ebenfalls Platz genommen und trieb nun die Pferde mit der Peitsche an.

Bereits nach kurzer Zeit hatten sie den Hafen hinter sich gelassen und schlugen die Straße zum Stadttor ein. Außer ein paar streunenden Hunden und einem Bettler nahm niemand von den nächtlichen Reisenden Notiz. Die Gestalt in der Kiste verhielt sich ruhig, nur wenn der Karren durch ein Schlagloch fuhr, war ein leises Wimmern zu hören.
 

„Sei still, sonst gibt´s was mit der Peitsche!“, blaffte Ferguson.
 

Das Wetter an diesem Abend war für sie ein echter Glücksfall. Selbst die sonst recht aufmerksamen Gesetzeshüter nahmen es in diesen Nächten mit ihrer Patrouille nicht so genau.

Sie passierten das Stadttor. Ihr Ziel lag weit von der Stadt entfernt auf einem alten, heruntergekommenen Hof. Sie würden erst im Morgengrauen dort ankommen.
 

******
 

„Hey Jack, der Boss kommt zurück. Pack mal mit an!“
 

Ein ziemlich kräftiger, hochgewachsener Mann in einem blau-weiß gestreiften Hemd signalisierte einem anderen, der gerade mit einem Bärenfell im Arm vorbeikam und ging zum Hoftor.
 

Jack, der Tierbändiger des Wanderzirkus, folgte Vincent, dem Gewichtheber.
 

Ferguson hielt den Pferdekarren an. Seine beiden Begleiter übergaben die Kiste an Jack und Vincent, welche ihre neue Attraktion zum Zelt des Zirkusdirektors trugen. Im Zelt angekommen stellten die beiden Männer die Kiste ab, öffneten sie mit einem Schlüssel, den Ferguson ihnen zugeworfen und den dieser vom Kapitän bekommen hatte. Anschließend packte Vincent den Neuankömmling grob an den Armen und zog ihn aus der Kiste.
 

Der Junge, schätzungsweise etwa acht oder neun Jahre alt und nur mit einer dünnen Hose bekleidet, stand nun zitternd vor Ferguson. Im Licht des anbrechenden Tages war nun deutlicher die schuppenartige Haut zu erkennen.

Ferguson sah ihn streng an und hatte noch immer die Peitsche in der Hand, mit der er zuvor noch die Pferde angetrieben hatte.
 

„Hör zu Kleiner, du gehörst jetzt mir. Wenn du nicht tust, was ich dir sage oder du versuchst abzuhauen, wirst du das bitter bereuen. Wenn du tust, was ich sage, dann kriegst du was zu essen und musst nicht im freien schlafen. Kapiert?“
 

Unsicher sah ihn der Junge an, antwortete aber nicht. Ferguson schlug ihn so hart mit der Peitsche, dass der Junge zu Boden fiel und die Peitsche einen blutigen Striemen auf seiner Schulter hinterließ.
 

„Antworte gefälligst!“, brüllte der Zirkusdirektor.
 

„Ja“, kam es kaum hörbar von dem Jungen.
 

„Wie heisst´n der Bengel?“, fragte Jack und sah abschätzig auf selbigen hinab.
 

„Schlangenjunge reicht. So eine Mißgeburt verdient keinen richtigen Namen. Steckt ihn in den alten Affenkäfig, dann können wir ihn heute schon den Leuten zeigen.“
 

Erneut wandte sich Ferguson an den Jungen, der ihn aus angsterfüllten Augen ansah.
 

„Hör zu, Freundchen. Wage es ja nicht, einen unserer zahlenden Kunden auch nur schief anzusehen, sonst lernst du mich richtig kennen!“
 

Mit einer abschätzigen Geste bedeutete der dicke Mann, dass Jack und Vincent den Jungen wegbringen sollten. Wie befohlen steckten sie ihn in den alten Affenkäfig, der eigentlich ein Käfig auf Rädern war. Früher hatte der Zirkusdirektor hier 4 Affen eingepfercht, die aber innerhalb der letzten Wochen einer nach dem anderen gestorben waren.
 

Die Zirkusleute hatten bereits am Vortag alles soweit aufgebaut, dass die Leute aus dem nahegelegenen Dorf schon bald erscheinen würden. Ferguson hatte im Dorf eine Sensation angekündigt. Nachdem die Affen einer nach dem anderen starben, hatte er sich etwas ausdenken müssen und in einer heruntergekommenen Schenke in London erfahren, dass der Kapitän, einer seiner verlässlicheren Geschäftspartner, mal wieder etwas Exotisches an Bord hätte. Der Junge würde sicherlich gutes Geld bringen, wenn er erst mal ein paar Tricks gelernt hatte. Solange warten und ihn durchfüttern war allerdings nicht Fergusons Art. Der Junge würde erst mal Teil der Attraktionen außerhalb des Festzeltes. Für die Dorfbewohner reichte das. Der Käfig stand zwischen dem Wagen der bärtigen Frau und dem Zelt der Wahrsagerin.
 

„Du hast gehört, was der Boss gesagt hat. Lass die Besucher in Ruhe und du bekommst heute Abend vielleicht was zu essen“, fauchte Vincent den Jungen an.
 

Es dauerte nicht lange, bis die übrigen Zirkusangehörigen sich nach und nach den Neuzugang ansahen.
 

Kurz nach der Mittagszeit kamen dann auch die ersten Besucher und Jack befestigte eine schon recht zerschlissene Decke am Gitter des Jungen, damit nicht erkennbar war, wer oder was sich in dem Käfig befand.

Ferguson begrüßte die Dorfbewohner lauthals und führte sie herum, bevor er schließlich nach der bärtigen Frau zum Käfig des Jungen kam.
 

„Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kinder, in diesem Käfig befindet sich nun eine der wundersamsten und zugleich gefährlichsten Kreaturen der Welt! Ich habe sie eigenhändig in einem fernen Land aufgespürt und hätte fast mein Leben dabei gelassen! Glauben Sie mir, so harmlos diese Kreatur aussieht, so gefährlich ist sie zugleich! Gegen hunderte Schlangen musste ich mich verteidigen, bevor ich ihn überwältigen konnte!“
 

Aus dem Publikum kamen die ersten „Iiih, Schlangen!“-Rufe, ganz wie er erwartet hatte.
 

„Ich versichere Ihnen meine Damen, Ihnen kann hier nichts geschehen. Die Kreatur ist sicher eingesperrt in diesem Käfig und Jack, unser erfahrener Tierbändiger, wird auf sie aufpassen!“, rief Ferguson und Jack schwang demonstrativ neben dem Käfig eine Peitsche.
 

Neugieriges Gemurmel und Gekicher setzte ein und die Leute drängten sich näher an den Käfig heran, um auch etwas sehen zu können.
 

„Meine Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen aus dem fernen Indien, den Schlangenjungen!“
 

Mit diesen Worten riss Ferguson den provisorischen Vorhang herunter und gab so den Blick auf den schuppenhäutigen Jungen frei.

Neben überraschten und erstaunten Ausrufen ertönten auch vereinzelte entsetzte Schreie. Der Junge zuckte zusammen und versuchte sich vergebens, vor den Augen des Publikums zu verstecken.
 

„Wie ist so was möglich?“, fragte eine Frau angewidert.
 

„Meine Dame, diese Kreatur ist das Ergebnis der Untreue einer Frau des indischen Königs. Der Herrscher bat seine Götter um die Bestrafung seiner Frau, als er von ihrer Untreue erfuhr. Nur kurze Zeit später gebar sie ein Kind, zum Teil Mensch, zum Teil Schlange“, erzählte Ferguson. Die Menschen glaubten und hörten gerne derartige Geschichten, ob sie nun stimmten oder nicht. In diesem Fall war es besonders einfach, sich etwas Passendes einfallen zu lassen.
 

„Hey, Kleiner, kannst du auch sprechen?“, grölte einer der Männer und warf einen angebissenen Apfel nach dem Jungen. Einer der Bauern stocherte mit einem Stock nach ihm.
 

„Seien Sie vorsichtig! Er mag harmlos aussehen, aber er ist äußerst gefährlich!“, warnte Jack.
 

Wie um dessen Worte zu bekräftigen, griff der Junge in einem Reflex nach dem Stock und nach einer kurzen Rangelei um selbigen, ließ er ihn plötzlich los, sodass der Stock den Bauern im Gesicht traf und dieser zu Boden fiel.

Schon war Jack zur Stelle und Schlug demonstrativ mit der Peitsche nach dem Jungen.

Geschrei brach unter den Besuchern aus und einige ergriffen bereits die Flucht. Allen Versuchen zum Trotz schaffte der Zirkusdirektor es nicht, die Leute auf dem alten Hof zu halten.

Nachdem auch der letzte Besucher schimpfend den Hof verlassen hatte, lief Ferguson wutentbrannt zum Käfig des Schlangenjungen zurück. Jack hatte bereits die Käfigtür geöffnet und den Jungen herausgezerrt, als der dicke Mann ihm die Peitsche aus der Hand riss und damit auf den wehrlosen Jungen einschlug.
 

„Das wirst du mir büßen, du dreckiges Gör! Wie kannst du es wagen, die Leute anzugreifen? Dir wird ich Benehmen beibringen!“
 

Als Ferguson nach einer Weile aufhörte, lag der Junge blutüberströmt und weinend auf dem Boden, während die übrigen Zirkusangehörigen der Bestrafung zum Teil mit Schaudern zugesehen hatten.
 

„Du bekommst heute nichts zu essen und wirst hier draußen schlafen!“, fauchte er den Jungen an und wies Jack an, ihn an dem Käfig festzuketten, damit er nicht noch davonlaufen könnte.
 

„Packt eure Sachen, hier gibt’s nichts mehr zu holen dank dem da! Wir ziehen morgen früh weiter“, rief der Mann und stampfte zu seinem Zelt. Einige der Zirkusangehörigen spukten oder traten nach dem Jungen, da auch sie durch den Ausraster Nachteile erleiden mussten.
 

Nach dieser Aktion würden die Dorfbewohner nicht mehr in seinen kleinen Zirkus kommen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zum nächsten Dorf weiterzuziehen. Das war nun mal das Problem mit derartigen Attraktionen und ihren erfundenen Geschichten. Ging die Sache einmal schief, konnte es ihnen das das ganze Geschäft verderben.

Dem Jungen würde er noch Manieren beibringen. Immerhin hatte sich seine Vermutung bestätigt, der Junge war eine gute Attraktion. Aber er musste ihn erst mal brechen.
 

Keiner der Zirkusangehörigen kümmerte sich um den Jungen mit der Schlangenhaut. Die meisten hatten nur zornige Blicke oder abfällige Worte für ihn übrig, wenn sie vorbei kamen. Dank ihm hatte Ferguson ihnen ihre Tagesrationen halbiert, weil sie ja so nicht gearbeitet hatten und nicht ihre volle Ration verdienen würden. So jedenfalls argumentierte der dicke Mann.
 

Am nächsten Tag brachen sie auf, um im nächsten Dorf ihr Glück zu versuchen. Den Neuzugang hatten sie in den Käfig gesperrt, da er sie noch zusätzlich aufgehalten hätte, wenn sie ihn hätten laufen lassen.

Als sie schließlich im nächsten Dorf hielten, ließen sie den Neuen trotz seiner Verletzungen hart arbeiten. Am nächsten Tag kamen die Dorfbewohner und erneut verkaufte Ferguson ihnen den Jungen als Resultat der Bestrafung einer untreuen Ehefrau. Die Geschichte kam gut an bei den Leuten. Die Verletzungen erklärte der Zirkusdirektor mit der wilden, gefährlichen Natur und der dadurch nötigen Zähmung.
 

Dieses Mal kam es zu keinen Zwischenfällen und so kam es, dass man dem Schlangenjungen nun auch mal etwas zu essen gab. Der Junge gewöhnte sich schnell daran, dass er besser das tat, was man von ihm verlangte, wenn er nicht noch mehr Prügel beziehen wollte. Während er die erste Zeit nur im Käfig zur Schau gestellt wurde, ließ Ferguson ihn bald als Jacks Helfer arbeiten und im Festzelt auftreten. Es verging etwa ein Jahr, bis Jack ein paar Schlangen erstehen konnte und sie dem Jungen gab. Ferguson wollte ihn zum Schlangenbeschwörer machen. Es dauerte auch nicht lange, bis sie feststellten, dass die Schlangen ihn anscheinend auf Anhieb zu mögen schienen. Ein Grund mehr für Ferguson, dem Jungen noch mehr Tricks abzuverlangen. Genauso schnell stellte sich jedoch heraus, dass die kleinen Tiere ihn zu beschützen schienen, wenn er mal wieder Prügel beziehen sollte. Der dicke Mann beschloss, nicht mehr als zwei Schlangen in die Obhut des Jungen zu geben.
 

Der schlangenbeschwörende Schlangenjunge, wie Ferguson ihn von nun an nannte, wurde schnell zur Hauptattraktion und sorgte für gute Einnahmen. Für den Jungen änderte sich allerdings nicht sehr viel, Außer das er einen größeren Käfig bekam und er nicht mehr so oft Prügel bezog. Seine beiden Schlangen nannte er Oscar und Goethe, mit denen er sich auch ständig unterhielt. Wenn er seine Worte an jemand anderen richtete, dann nur, um das wiederzugeben, was die Schlangen zu sagen schienen.
 

So vergingen einige Jahre, in denen sich nicht besonders viel für den schweigsamen, schlangenhäutigen jungen Mann änderte. Nur Ferguson hatte es mittlerweile zu einem wohlhabenden Mann gebracht und seinen Wanderzirkus aus- und umgebaut, um mehr wohlhabende Leute anzulocken.
 

Als Ferguson mit seinem Wanderzirkus erneut nahe London gastierte und eine Sondervorstellung für die Wohlhabenderen gab, befanden sich unter den Zuschauern auch zwei auffällige Gestalten. Eine junge Frau mit sehr freizügiger Kleidung und roten Augen, sowie ein junger Mann mit rotem Haar und violetten Augen.
 

„Sehr verehrte Damen und Herren, wir präsentieren Ihnen nun unseren Schlangenbeschwörer, der selbst zur Hälfte eine Schlange ist! Gibt es unter Ihnen einen Freiwilligen, der gerne Teil dieser Vorführung sein möchte? Wie wäre es mit Ihnen, mein Herr?“, rief Ferguson und deutete auf einen vornehm gekleideten Mann im Publikum. Der Mann erhob sich und betrat die Manege.
 

„Bitte bleiben Sie während der Vorführung ruhig und bewegen Sie sich nicht. Ihnen kann nichts passieren“, versicherte er.
 

„Wetten, der arrogante Schnösel verdirbt die Nummer?“, wandte sich die junge Frau mit den roten Augen an ihren Begleiter.
 

„Nein, die Wette würde ich nur verlieren, würde ich gegen dich wetten“, erwiderte der junge Mann lächelnd und reichte seiner Begleiterin eine Blume, die er aus seinem Ärmel zog.
 

Ihn störte der dicke Mann in der Mitte. Ein Großmaul war er und er hatte keine Ahnung, wie man einen Zirkus leitete. Das war ihm schon aufgefallen, als sie das Gelände betreten hatten. Obwohl die Vorstellung schon an wohlhabendere Leute gerichtet war, war der Zirkus selbst doch eher heruntergekommen und die Tiere in zu kleinen Käfigen eingepfercht.
 

Inzwischen war ein junger Mann mit zwei Schlangen auf dem Arm in die Manege getreten.
 

„Es sieht tatsächlich aus, als habe er eine Schlangenhaut“, meinte die junge Frau erstaunt. So etwas hatte sie bisher noch nicht gesehen und das mochte schon etwas heißen, wo sie doch mittlerweile schon allerhand seltsames gesehen hatte.
 

Während sich der vornehme Mann auf einen Schemel in der Mitte der Manege setzte, setzte der Schlangenbeschwörer die Schlangen neben selbigen ab. Im Zelt war es nun totenstill. Nach einem kurzen Moment, in dem der Schlangenbeschwörer mit seinen Schlangen zu reden schien, begann er auf einer Flöte zu spielen. Die Schlangen richteten sich zunächst auf, um sich dann an den Armen des vornehmen Mannes hinaufzuschlängeln und sich anschließend wie eine Kette um dessen Hals legten. Dem vornehmen Herrn war sichtlich unbehaglich.

Der junge Mann änderte die Melodie und die Schlangen begannen nun sich, noch immer um den Hals des Mannes liegend, langsam aufzurichten. Anscheinend sollten sie als nächstes auf den Kopf des Mannes, als dieser jedoch anfing nervös herumzuhampeln.
 

„Halten Sie still!“, ermahnte ihn der Zirkusdirektor, doch es war bereits zu spät.
 

Panisch sprang der Mann auf und schlug nach den Schlangen, die sich ihrerseits gegen den Mann wandten. Der Schlangenbeschwörer brach das Flötenspiel ab und rief den Schlangen etwas zu, aber auch im Publikum war nun Panik ausgebrochen und die Leute stürmten nach draußen.

In der ganzen Aufregung bekamen auch die beiden ungewöhnlichen Besucher nicht mehr alles mit. Sie sahen nur noch, wie die Schlangen zu Boden fielen, der Mann schreiend herausrannte und sich eine Hand mit der anderen hielt und der Zirkusdirektor noch versuchte, die Menge am Verlassen des Zeltes zu hindern.

Der Schlangenbeschwörer indes hatte seine beiden Schlangen schon wieder an sich genommen, womit die größte Gefahr eigentlich schon gebannt war, wie die junge Frau wusste.
 

„Diese Narren! Die hätten lieber jemanden aus ihren Reihen nehmen sollen“, kommentierte der Rothaarige das Geschehen. Sie wollten sich beide gerade zum Gehen wenden, um sich die Situation draußen zu begutachten, als sie den Zirkusdirektor mit einer Peitsche auf den Schlangenbeschwörer zu rennen sahen. Noch bevor sie reagieren konnten, schlug er bereits auf den jungen Mann ein. Schockiert sahen sie, wie auf der schlangenartigen Haut blutige Striemen sichtbar wurden und auch die Schlangen getroffen wurden, die ihren Beschwörer anscheinend zu schützen versuchten.
 

„Du Narr! Du hast alles ruiniert! Kannst du nicht besser auf deine verdammten Viecher aufpassen? Das Essen kannst du dir heute Abend abschminken und du wirst erst dann in deinen Käfig zurückgehen, wenn du den ganzen Platz aufgeräumt hast, der deinetwegen verwüstet wird!“, schrie der dicke Mann.
 

Gerade wollte er wieder zuschlagen, als ihm plötzlich jemand seine Peitsche entriss.
 

Wutentbrannt stand die junge Frau dem Zirkusdirektor gegenüber. Ihre Augen funkelten feurig rot und unterstrichen ihren zornigen Ausdruck.
 

„Ich werde dir mal zeigen, wie man eine Peitsche richtig benutzt, alter Mann!“
 

Mit diesen Worten holte sie aus und schlug nun ihrerseits auf Ferguson ein, der sich verzweifelt versuchte zu schützen und von ihr wegzukommen.
 

„Na, wie gefällt dir das, wie ein Tier behandelt zu werden?“
 

Während sie den Zirkusdirektor weiter zusammenschlug, hatte sich ihr Begleiter dem Schlangenbeschwörer genähert, hielt aber respektvollen Abstand zu den ihn anzischenden Schlangen.
 

„Keine Sorge, ich will weder euch noch eurem Freund etwas tun. Ich will ihm nur helfen“, versuchte er die Tiere zu beruhigen.
 

„Helfen?...fragt Oscar“, sagte der junge Mann am Boden.
 

Etwas irritiert ob der seltsamen Art zu sprechen wandte sich der Rothaarige nun direkt an ihn.
 

„Ja, ich möchte dir helfen“, sagte er und reichte dem am Boden Liegenden langsam seine Hand.
 

Die Schlangen hörten auf zu zischen und der Verletzte ergriff zögernd die Hand.
 

„Beast, lass den Versager. Wir verschwinden!“
 

„Aber wir nehmen ihn mit…und seine beiden Freunde, Joker“, antwortete Beast, die nur widerwillig aufhörte, den Zirkusdirektor auszupeitschen.
 

„Natürlich nehmen wir ihn mit. Und wenn wir gehen, können wir ihm beim…aufräumen…behilflich sein“, lächelte Joker.
 

Die beiden stützten den jungen Schlangenbeschwörer, dessen Schlangen sich bereits an ihm hochschlängelten, und verließen zusammen mit ihm das Zelt. Auf dem Zirkusplatz liefen noch immer Leute in Panik herum. Als die drei an einem Käfig mit der Aufschrift „Schlangenmann“ vorbeikamen blieb Beast kurz stehen.
 

„Haben die dich etwa die ganze Zeit da drin eingesperrt?“, fragte sie entrüstet.
 

„Ja…sagt Goethe“, antwortete der junge Mann und sah nicht auf.
 

Joker tauschte einen erzürnten Blick mit Beast, sah sich kurz um und nahm dann eine der Fackeln, die den Weg zum Festzelt beleuchtet hatten.
 

„Räumen wir hier mal auf, Beast. Ich kümmere mich um unseren neuen Freund und den Müll, und du um die Tiere.“
 

Mit diesen Worten begann Joker, noch immer den Verletzten stützend, die Zelte und Buden anzuzünden, während Beast die Tiere freiließ.

Es dauerte nicht lange und der ganze Zirkusplatz brannte lichterloh, Menschen liefen schreiend umher und die drei beobachteten die Szene aus sicherer Entfernung.
 

„Das haben sie nun davon. Ein heißer Abend möchte ich meinen“, grinste Joker.
 

„Verdient haben sie es“, sagte Beast.
 

„Wie heißt du eigentlich?“, wandte sich Joker nun erneut an ihren Begleiter.
 

„Schlangenmann…sagt Oscar“, antwortete dieser.
 

„Wie bitte? Das ist doch kein Name. Wie ist dein richtiger Name? Der, den deine Eltern dir gegeben haben?“
 

Der junge Mann schwieg.
 

„Dann geben wir dir eben einen richtigen Namen. Ich finde, Snake passt gut zu dir. Ich bin übrigens Beast und das ist Joker. Wir arbeiten in Noahs Ark.“
 

„Das ist auch ein Zirkus, aber wesentlich besser als das da unten. Wenn du möchtest, kannst du mitkommen. Einen Schlangenbeschwörer haben wir noch nicht und wir haben jede Menge Platz. Du kannst dann auch in einem Bett schlafen.“
 

„Und deine beiden Freunde kannst du natürlich mitnehmen“, ergänzte Beast und lächelte.
 

Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich der junge Mann mit der Schlangenhaut willkommen und lächelte vorsichtig.
 

„Gerne…sagen Oscar und Goethe“, antwortete er.
 

„Dann komm. Redest du eigentlich immer so? Verstehen dich die Schlangen denn auch?“, begann Joker ihn auszufragen, während sie sich vom brennenden Zirkusplatz fortbewegten.
 

Fortan würde sich der junge Mann in dem neuen Zirkus wie zu Hause fühlen. Snake war auch bei den übrigen Mitgliedern von Noahs Ark willkommen und hatte schon bald noch mehr Schlangen, darunter Wilde und Emily.

Der Schlangenmann war in jener Nacht im Feuer gestorben, während Snake geboren worden war.
 

******
 

„Das ist also seine ganze Geschichte?“ Der Junge trank seinen Tee, während ihm sein Butler half, sich fürs Bett fertig zu machen.
 

„Alles, was ich noch über ihn erfahren konnte, junger Herr.“
 

„Schön. Sorg nur dafür, dass seine Schlangen nicht durch die Gegend streifen. Sonst zerbricht Mey-Rin noch mehr.“
 

Gähnend legte sich Ciel ins Bett.
 

„Natürlich. Ich wünsche eine angenehme Nachtruhe, junger Herr.“
 

Leise verließ Sebastian das Zimmer. Er sollte wohl noch einmal nachsehen, ob Snake seine Schlangen auch wirklich bei sich im Zimmer hatte. Eine davon in der Küche und er würde noch zerbrochenes Geschirr wegräumen müssen, wenn Mey-Rin noch nicht zu Bett gegangen war.
 

Als Butler der Phantomhives war der Tag länger als der eines normalen Butlers. Aber er wäre dann auch sicher kein teuflisch guter Butler, wenn er mit solch einer Situation nicht fertig werden würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Fine-Chan
2012-02-07T18:54:57+00:00 07.02.2012 19:54
find deine fanfic super gelungen ^___^ die story passt und dein schreibstyle liest sich auch gut *favo geb*

Von: abgemeldet
2012-02-03T19:03:12+00:00 03.02.2012 20:03
endlich mal ne fanfic mit den zirkusmitgliedern :) danke. <3
Von:  Schangia
2012-02-03T15:19:37+00:00 03.02.2012 16:19
Auch nach dem zweiten, dritten Mal Durchlesen finde ich die Story immer noch wunderbar. Nur Ferguson wird mir nicht sympathischer; nicht, dass ich es darauf anlege. ;)
Armer Snake. Das kann ich immer nur wiederholen. Hoffentlich hat er das nicht wirklich durchmachen müssen. D:
Und weil ich es doof fände, jetzt den ersten Kommentar hier noch mal rein zu kopieren, ende ich mit einem erneuten "Dankeschön". <3


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