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24 Std. Alltag am anderen Ende der Welt
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Dessauer Nachmittag

Okinawa, 21 Uhr

Yoshihiko war wie berauscht. Das Konzert lief blendend, und seine Bandmitglieder waren zur Höchstform aufgelaufen. Gerade beendete er den Song <Yurikago> und überlegte, ob er den albernen Spruch nachquatschen sollte, den K von Moi dix Mois immer nach der Hälfte den Konzertes zu bringen pflegte: „Der nächste Song ist für euch!“ - Genau, und die vorherigen 10 Songs haben sie nicht für die Fans gespielt, sondern für ihren Manager, der mit den Konzerten eine mega Kohle machte. Yoshihiko schmunzelte dezent und beschloss, den Spruch doch lieber bleiben zu lassen.

Verwundert sah er sich um, als die Bühnenbeleuchtung komplett aus ging und es stockdunkel wurde. Das war mit dem Lichttechniker so nicht abgesprochen gewesen. Die Gitarre und der Bass verstummten ebenfalls. Nur das Schlagzeug polterte noch ein paar Sekunden weiter, bis auch Kiri merkte, daß etwas nicht stimmte. Kurz darauf flackerte eine dumpfe Notbeleuchtung an den Wänden auf. Yoshihiko sah sich nach dem Backstage-Bereich um. <Stromausfall>, gab ihm jemand zu verstehen. Na toll, und dabei war das Konzert bisher so gut gewesen. Er stand noch eine Weile unschlüssig auf der Bühne herum und wartete, daß der Strom wiederkam, aber es passierte nichts. Irgendwann setzte er sich auf den Bühnenrand, ließ die Beine baumeln und begann mit den Fans in seiner unmittelbaren Umgebung zu quatschen.
 

Als nach einer guten halben Stunde immer noch kein Strom da war, erhob sich der Sänger wieder von seiner Bühnenkante. „Hey, wenn ihr ganz leise seid, spielen wir weiter!“, verkündete er laut.

„Ach ja? Und verrätst du mir auch mal, wie ich ohne Strom auf ner E-Gitarre spielen soll?“, maulte Nao, der sichtlich genervt war.

„Nimm deine Accoustic-Gitarre! Du auch, Kohsuke, nimm eine Accoustic!“, wies er seine beiden Saitenzupfer an, welche grummelnd loszogen. Sie konnten zwar durchaus Accoustic spielen, aber das hatten sie noch nie auf einer Bühne versucht. „Kommt schon, seid doch mal Profis!“, bat Yoshihiko scherzhaft.
 

zur gleichen Zeit in Dessau, 13 Uhr

„Ich hätte gern ein Buch.“

„Das trifft sich gut. Zufällig ist das hier eine Buchmesse.“, scherzte Hiro und deutete in die Runde. „Was darf es denn sein?“

„Naja ... irgendwas ernsthaftes ... aber witzig muss es sein. ... und ... kreativ!“, begann die Kundin laut zu überlegen. „Es muss viele Seiten haben, damit man es nicht gleich an einem Tag durchliest. Aber es darf nicht so viel kosten.“

„Herrje.“, murmelte Hiro und sah sich um.

„Welche Bücher haben Sie denn schon gelesen und toll gefunden? Haben Sie vielleicht einen Lieblingsautor?“

„Ich weiß nicht ... ich lese die Chroniken von Narnia.“

„Ah, also Fantasy!“, schlussfolgerte Hiro.

„Mein Vater liest aber kein Fantasy.“

„Ihr Vater?“

„Ja, ich will das Buch meinem Vater schenken.“

Hiro musste sich beherrschen, nicht mit den Augen zu rollen. Konnte die das nicht gleich sagen? „Was liest Ihr Vater denn stattdessen?“

„Ich hab keine Ahnung. ... die Tageszeitung!“

Oh, dann wird er Krimis lieben, dachte Hiro zynisch und fuhr sich durch das Gesicht. Dann sah sie sich seufzend in ihrem Messestand um, ob sie annähernd etwas ernst-witziges mit viel-für-wenig-Geld fand.

„Ah ja, und Bilder müssen drin sein!“, warf die Kundin ein.

Gut, das schränkte die Auswahl natürlich erheblich ein. Blieben ja nur noch ... Kinderbücher, vielleicht!
 

Okinawa, 23 Uhr

„Schluss jetzt, ich bin am Ende!“, raunte Nao Yoshihiko zu. Der Strom war bis jetzt nicht wiedergekommen, aber die Band hatte inzwischen solchen Spaß an Accoustic gefunden, daß sie eine Zugabe nach der anderen spielten. Nao hatte sich an seiner Gitarre trotz Plektrum die Finger wundgespielt, und auch Kiri ging am Schlagzeug langsam spürbar die Kondition aus.

„Nichts dagegen, ich hab auch keine Luft mehr.“, gab Yoshihiko zurück und wandte sich den Fans zu, deren Zugabe-Rufe schlagartig verstummten, um zu hören was er zu sagen hatte. Er hatte ja kein Mikro mehr, um sie zu übertönen. Der Sänger leitete die Dank- und Abgangszeremonie ein, dann verließen sie die Bühne.
 

„Man, was für ein geiles Konzert! Wir sollten eine Accoustic-Tour machen!“, meinte Kohsuke hinter der Bühne, stellte seinen Bass zur Seite und begann sich aus den durchgeschwitzten Showklamotten zu schälen. Sie alle waren am Ende, und von Styling war auch bei keinem mehr etwas zu sehen.

„Ohne mich!“, krächzte Yoshihiko. Ohne Mikro zu singen, war wahnsinnig anstrengend, weil er viel lauter sein musste als sonst. Er fühlte sich jetzt schon stockheißer und morgen würde er sicherlich gar nicht mehr reden können. Nur mit viel Mühe hatte er bis zum Ende des Konzertes eine halbwegs klare Stimmlage halten können.

„Los, lasst uns noch einen trinken gehen!“, beschloss der Schlagzeuger.

„Jetzt noch, muss das sein? Ich will nicht mehr ...“, jammerte Yoshihiko wehleidig. Dann wanderte seine Hand unwillkürlich zum Bauch. „Obwohl ... ich hätte nichts gegen was zu essen. Die paar Nudeln haben nicht lange gehalten.“

„Was glaubst du, welches Restaurante um die Zeit noch auf hat?“, meinte Nao.

„Ach, in Kneipen kriegt man in der Regel auch belegte Brote und Wiener und so´n Zeug.“, warf Kohsuke ein.

Der Sänger seufzte innerlich. Er war hin und hergerissen zwischen seinem Bett und der Aussicht auf etwas nahrhaftes.
 

zur gleichen Zeit in Dessau, 15 Uhr

Hiro schulterte ihre Tasche und stach sich am PC aus der Arbeitszeit aus. Wer früh später kam, durfte nachmittags eher gehen, oder so ähnlich. Sie hatte genug für heute. Die Messe war fast leer, es kamen keine Kunden, und Kanji lernen machte auf den ganzen Tag verteilt auch irgendwann keine Laune mehr. Sie würde die Stunden am Wochenende nacharbeiten, da war auf der Messe auch viel mehr los. Zufrieden schloss sie ihren Stand ab und stolzierte davon.
 

An der Kasse des Lidl´s wurde Hiro gefragt, ob sie zu Hause misshandelt werde, weil die Kratzer in ihrem Gesicht wohl echt gefährlich aussahen. Abgesehen davon kam sie mit dem Einkauf recht zügig voran. Trotzdem war sie erst über eine Stunde später, weit nach 16 Uhr daheim.

Ihr großer Kater begrüßte sie, wie schon seit Jahren, fröhlich an der Wohnungstür und Hiro wuschelte ihn erstmal so richtig durch. Dann sah sie sich skeptisch um. Eigentlich hätte das fiese schwarze Mini sie auch an der Tür begrüßen sollen. Wo war der hin? War was passiert? Lag der krank oder verletzt in irgendeiner Ecke? Mit gemischten Gefühlen machte sie sich auf die Suche, fand den Kater aber nirgends. Erst als sie nach ihm rief, hörte sie im Bad die Plastik-Wäschebox klappern. Der hatte also in ihrer Wäsche gepennt. Sehr nett, ihr so einen Schrecken einzujagen, dachte sie und wuschelte auch ihn nochmal gründlich durch. Danach hängte sie ihre Jacke weg, tat so als würde sie die immer noch in der Küche herumliegenden Töpfe gar nicht sehen, und schaltete den PC an. Das Ding brauchte mal wieder verdammt lange zum Hochfahren.

Auf Animexx stellte sie fest, daß ihr Yoshihiko-Lineart bereits freigeschalten war und schon drei Kommentare hatte, unter anderem einen englischen, der darum bat, die Bildbeschreibung zu übersetzen, da derjenige wohl kein Deutsch verstand.

In Yoshihikos Weblog fand sie eine schwammige Antwort auf ihre Frage nach Konzerten in Deutschland. Er schrieb, sie würden sich durchaus freuen, nach Europa kommen zu dürfen, könnten es aber nicht versprechen. Trotzdem war Hiro glücklich, überhaupt eine Antwort bekommen zu haben.
 

zur gleichen Zeit in Okinawa, 0 Uhr

„Okay, Leute, nehmt es mir bitte nicht übel, aber ich werde jetzt ins Hotel gehen. Sonst schlafe ich euch hier auf der Tischplatte ein.“, meinte Yoshihiko. „Ihr könnte gern noch bis in die Morgenstunden hier sitzen bleiben. Aber ich kann einfach nicht mehr. Ich wünsche euch noch viel Spaß.“ Er pappte einen ausreichend großen Geldschein auf den Tisch und ging dann winkend davon. Nao lachte, verkniff sich aber einen Kommentar à la <du Weichei>. „Na, lange werden wir auch nicht mehr bleiben. Der Tag war hart genug.“, rief er dem Schwarzhaarigen noch nach.
 

Okinawa, 2 Uhr

Verhältnismäßig leise schloss der Bassist das Hotelzimmer auf, das er mit Yoshihiko teilte. Er wusste, daß dieser definitiv schon schlafen würde, und erwartungsgemäß war es auch überall stockdunkel. Er tappte vorsichtig ins Zimmer hinein und knippste die kleine Leselampe über seinem Bett an.

„Man, guckt euch das an! Wenn wir Kreidestriche drumziehen, gibt er ne tolle Leiche ab!“

„Nao!“, tadelte Kohsuke den Gitarristen, der hinter ihm eingetreten war.

„Was denn?“, gab der nur unschuldig zurück. Und zugegeben, er lag nicht unbedingt falsch. Yoshihiko lag auf dem Bauch im Bett, noch in voller Straßenklamotten-Montur, einen Arm nach oben abgewinkelt, und einen nach unten. Er sah aus, als hätte er es gerade noch mit Müh und Not bis ins Hotelzimmer geschafft und sei dann dort im Bett einfach zusammengebrochen.

„Kommt schon, wir sollten ihn wenigstens zudecken.“, meinte Kiri.

„Womit denn? Auf seiner Decke liegt er drauf.“

„Ich geb ihm meine. Ich schlaf sowieso ohne Decke.“

Yoshihiko schlief so fest, daß er nichtmal merkte, wie seine Bandkollegen ihn auf den Rücken drehten und aus der dicken Winterjacke schälten. Dann zog Kohsuke ihm seine Decke bis über die Ohren. „Morgen sollten wir Yosh´ wirklich mal ausschlafen lassen.“, meinte er besorgt.
 

zur gleichen Zeit in Dessau, 18 Uhr

„Macht´s mal gut, Leute, ich geh mich ein bischen rumkloppen!“, erklärte Hiro ihren beiden Katzen und winkte ihnen zum Abschied, als seien sie Menschen. Dann schulterte sie ihre sperrige Kendo-Ausrüstung. „Stellt keinen Unsinn an, ja?“, meinte noch und zog die Tür hinter sich zu. Oh ja, zur Abwechslung freute sie sich mal wieder so richtig auf´s Training. Und vielleicht hatte sie ja, bis sie zurück war, auch eine Antwort von dem Typen, der die Übersetzung ihrer Yoshihiko-Lineart-Beschreibung wollte ...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2012-01-31T18:16:56+00:00 31.01.2012 19:16
@Tesla

Ja, daß man in Japan keine belegten Brote und Würstchen kriegt, weiß ich auch. Das war ein Joke von Kohsuke. ^^
Von:  Tesla
2012-01-30T23:08:32+00:00 31.01.2012 00:08
lach das ist klasse. ist Heidi hier noch unbekannt genug das es so weing fanarts gibt? Oh und dann hab ich noch einen Anmerkung dazu :

Obwohl ... ich hätte nichts gegen was zu essen. Die paar Nudeln haben nicht lange gehalten.“

„Was glaubst du, welches Restaurante um die Zeit noch auf hat?“, meinte Nao.

„Ach, in Kneipen kriegt man in der Regel auch belegte Brote und Wiener und so´n Zeug.“, warf Kohsuke ein.

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Also ich bin mir sicher das es in Japan keine Kneipe gibt die Brote und Wiener haben... aber dafür gibt es ja auch da die Suppenküchen an der straße und soviel ich weiß haben da etliche Restaurance ewig auf^.^ aber das ist mir nur so am rande aufgefallen^.^


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