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Wiedersehen

von

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I

Der Regen prasselte unaufhörlich an die Fensterscheibe, während eine junge Frau sich unruhig im Schlaf hin und her warf. Die blonden Haare klebten an ihrer Stirn. In ihrem Traum begegnete sie ihrer Vergangenheit, ihrer einzigen Freundin. Mit dem Grollen eines Donners saß sie senkrecht im Bett. „Verdammt!“ murmelte sie und griff beinahe automatisch nach der Wasserflasche, die neben dem Bett stand. Die junge Frau leerte fast die halbe Flasche in einem Zug und stand auf. In dieser Nacht würde sie keinen Schlaf mehr finden.

Seit Haruka vor etwa einem Monat nach Tokio zurückgekehrt war, hatte sie jede Nacht diesen Traum. Sie war in dieser Stadt aufgewachsen, hatte allerdings wenig gute Erinnerungen an ihre Kindheit. Nachdem ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren, hatte Haruka bei ihrem Onkel und ihrer Tante gelebt. Im Alter von 7 Jahren wurde sie dann aus der Familie genommen. Ihr Onkel war Haruka und ihrer Tante gegenüber gewalttätig geworden und so zog sie wieder um. In ein Kinderheim in Tokio. Sie verbrachte trostlose Tage, bis SIE kam.

Ein Lächeln huschte über das Gesicht der jungen Frau. Sie war ihre beste Freundin geworden. Michiru. Das kleine Mädchen mit dem seegrünen Haar sah schlimm aus, als sie in das Tokioter Kinderheim einzog und es gab keinen Zweifel für Haruka, dass sie Ähnliches erlebt haben musste wie sie selbst.

Die beiden Mädchen sprachen nie über Vergangenes, nur über das Jetzt. Hatte Haruka bis zu jenem Tag zu keinem der anderen Kinder Kontakt gesucht oder gar gewollt, so tat sie dies bei Michiru sofort. Die Beiden waren rasch unzertrennlich, besuchten in der Schule die selbe Klasse. Bis zu dem Tag, an dem Haruka das Heim verließ. Eine Familie aus Osaka hatte sich sofort in den kleinen Wildfang verliebt und nahm sie zu sich. Damals war Haruka mit 12 Jahren nicht mehr davon ausgegangen, in eine Familie aufgenommen zu werden, immerhin gab es viele jüngere Kinder. So war das Mädchen hin und her gerissen zwischen dem Glück, ein neues zu Hause gefunden zu haben, und der Traurigkeit, Michiru zurück zu lassen. Der Abschied war schmerzhaft und tränenreich gewesen und Haruka versprach, jeden Tag zu schreiben.

„Aber du hast nicht mehr geantwortet“, flüsterte die blonde Frau, die in den Regen hinaus sah. Als sie wieder in Tokio ankam, hatte Haruka sich direkt im Kinderheim nach Michiru erkundigt. Immerhin war es erst sechs Jahre her, aber man konnte ihr dort nichts sagen. Ihre Freundin sei mit 16 Jahren davon gelaufen und niemand wisse, wo sie jetzt sei. Als sie 16 waren, war auch der Briefkontakt plötzlich und ohne Vorwarnung abgebrochen. Haruka ballte die Hände zu Fäusten. „Verdammt!“ Sie hatte sich so sehr gewünscht, ihre alte Freundin wieder zu sehen, und jetzt hatte sie keine Ahnung, wo sie war, oder ob sie sich überhaupt noch an Haruka erinnerte. Vielleicht war Michiru ihre Freundschaft auch gar nicht so wichtig gewesen. Wut stieg in der blonden Frau auf. Rasch zog sie sich an, schnappte ihren Schlüssel und stürmte in die Nacht hinaus. Sie irrte ziellos durch die Straßen, während der Regen unaufhörlich auf sie nieder prasselte. Bis auf die Haut durchnässt betrat die blonde Frau schließlich einen American Diner, der noch geöffnet hatte. Haruka hatte sich lange nicht in dieser Gegend aufgehalten. Die Häuser waren heruntergekommen, zwielichtige Gestalten verbargen sich im Schatten. Das Restaurant, wenn man es denn so nennen wollte, hatte seine besten Tage längst hinter sich. Die roten Polster auf den Stühlen und Bänken waren abgewetzt, der Boden war zerkratzt und stumpf. Es saß ein älterer Mann in einer der Ecken und schien zu schlafen. An einem der Tische neben dem Eingang saßen ein paar Jugendliche bei Burger und Pommes. Augenscheinlich ließen sie eine lange Partynacht ausklingen. Die blonde Frau setzte sich auf einen der Hocker an der Theke. Sie wollte sich ein wenig aufwärmen, bevor sie nach Hause ging. „Sie sehen aus, als könnten Sie einen Kaffee gebrauchen“, sprach eine Frauenstimme Haruka an. Als diese sich nach der Stimme umdrehte war es, als würde ihr Herz einen Schlag aussetzen. Vor ihr stand eine junge Frau, etwa so alt wie sie selbst, in einem weißen Kleid mit Schürze, auf dem der Name des American Diner eingestickt war. Die türkisen Locken waren hoch gesteckt, so dass nur einzelne Strähnen ins Gesicht fielen. Das Haar war nass, also musste sie von draußen gekommen sein. Während Haruka sie wortlos anstarrte, begab die Kellnerin sich hinter die Theke und goss eine Tasse Kaffee ein. „Milch oder Zucker?“ fragte sie. Haruka schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter. „Zucker, danke.“ Sie konnte es kaum glauben. Hatte sie eben noch von ihr geträumt, stand sie nun wahrhaftig vor ihr. Michiru. Aber sie schien Haruka nicht zu erkennen. Oder wollte sie sie am Ende einfach nicht erkennen? „Darf es sonst noch was sein?“ Haruka schüttelte den Kopf, nickte dann. Die offensichtliche Unsicherheit der Blonden entlockte ihrem Gegenüber ein Lächeln. „Was denn nun?“ fragte sie amüsiert. „Du weisst nicht mehr, wer ich bin. Oder, Michiru?“ Die Angesprochene schien nun irritiert. „Woher kennen Sie meinen Namen?“ Haruka sah sie nun direkt an. Die blauen Augen, die kleine Narbe an der linken Augenbraue. Es war kein Zweifel möglich. „Ich bin Haruka“, entgegnete sie schlicht. „Wir sind zusammen aufgewachsen.“ Unsicher sah Michiru sich um. Der ältere Mann war inzwischen aufgewacht und schaute zu ihnen hinüber. „Keine privaten Gespräche hier“, lallte er. „Bring mir lieber noch n Bier!“ „Sicher, Gendo.“ Damit wandte die türkishaarige Frau sich von Haruka ab und tat wie ihr geheißen. Die Blonde beobachtete aus dem Augenwinkel, wie der Kerl Michiru einen Klapps auf den Po gab, als sie ihm das Bier hinstellte. Danach vermied die Türkishaarige jeglichen Blickkontakt mit Haruka und schien auch nicht an einem weiteren Gespräch interessiert zu sein. Die Blonde war wütend. Was sollte das? „Michiru, bitte! Weisst du echt nicht, wer ich bin?“ Wieder sah die Angesprochene zu dem Typen hinüber. Sah Haruka Angst in ihrem Blick? „Ich weiss nicht, was Sie meinen. Ich kenne Sie nicht.“ Enttäuscht legte Haruka etwas Geld neben die noch volle Kaffeetasse und verließ das Lokal. Jetzt war sie noch aufgewühlter als vorher. Was ging hier vor?

Michiru atmete auf, als die Blonde das Restaurant wieder verließ. Natürlich hatte sie sie erkannt. Niemals hätte sie ihre einzige Freundin vergessen können. Die grünen Augen hätte sie unter Tausenden als Harukas erkannt, aber sie wusste, dass es Ärger geben würde, hätte sie es zugegeben. Gendo war schon nicht begeistert, dass Michiru überhaupt mit dem jungen Mann – denn dafür hielt er Haruka ohne Zweifel – unterhalten hatte, und dass dieser sie zu kennen schien, machte die Sache nicht besser. Ja, das würde Ärger geben; ganz egal, was sie ihm sagen würde. Wenn Gendo zu viel Bier getrunken hatte, war er unberechenbar. Seufzend nahm Michiru die volle Tasse Kaffee und schüttete den Inhalt weg. Die ganze Zeit über spürte sie Gendos Blick auf sich.
 

***Hallo zusammen! In diesem Kapitel passiert noch nicht so viel, aber das kommt noch ;-)) So weit schon einmal danke fürs Lesen! Ich bin dankbar für Lob oder Kritik, falls ihr was dazu sagen wollt ;-)) Kokeshima***



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Tora-Bushi
2012-01-29T16:49:31+00:00 29.01.2012 17:49
Schon mal ein sehr interessanter Anfang. Werde gleich mal das nächste Kapi lesen. ^^
Von:  dreamfighter
2012-01-14T12:12:24+00:00 14.01.2012 13:12
Das ist mal eine schöne Idee. Aus dem Anfang kann man eine Menge machen. Ich bin schon gespannt, wie du die Story weiterführst.


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