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Die Nacht ist mein Käfig...

Einen Vampir zu lieben, ist Selbstzerstörung...
von

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Die Beute wird zum Jäger

WÄMM!

„Oha – noch wer so gut gelaunt?“ hob Raven interessiert den Kopf.

Lucine stand mit sprichwörtlich rauchendem Kopf in der Tür. Weder Raven, noch Rue hätte es in diesem Moment gewundert, wenn Dampf aus den Ohren ihrer Schwester gewichen wäre.

„Äh – Lucine, alles in Ordnung?“ fragte Rue vorsichtig.

„NEIN! IST ES VERDAMMT NOCH MAL NICHT!“ knurrte Lucine innerlich, doch nach außen hin setzte sie plötzlich ein strahlendes Zahnpasta-Lächeln auf, das Rue und Raven eine Gänsehaut über den Rücken jagte: „Aber natürlich – hat nur gerade zufällig jemand eine Axt bei der Hand. Ich würde gerne sinnlos etwas in kleine Stück zerhacken.“

Lucine schmiss die Schultasche auf den Sesseln neben Rue, die erschrocken zusammen zuckte und stapfte in die Küche davon. Wenige Sekunden später begann es darin zu rumoren und Raven zuckte die Schultern und vertiefte sich wieder in ein Geschichtebuch über die Französische Revolution.

Das Hämmern, Klopfen und zeitweiliges Knallen aus der Küche ignorierten die Schwestern so gut es ging. Da flog wenig später erneut die Tür auf und dieses Mal stand Chandra zornig in der Türschwelle.

„Hallo – auch einen tollen Tag gehabt?“ fragte Rue kühl.

Chandra ließ sich aufseufzend in den Sessel fallen, setzte sich dabei prompt auf Lucines Schultasche und sah noch ein wenig böser drein.

„Zerstört Lucine gerade unsere Küche?“ fragte Chandra, als sie das Toben in der Küche hörte.

„Jepp – du kennst das ja!“ Raven sah grinsend auf: „Ihre Art der Stressbewältigung.“

„Solange sie die Küche nicht wieder in die Luft jagt, und hinterher wieder begehbar macht und hinterlässt, habe ich damit kein Problem!“ meldete sich Rue zu Wort und Chandra nickte.

Sie saßen eine Zeitlang ruhig in ihren Sesseln oder auf den Sofas und lasen, zeichneten oder hörten Musik, da öffnete sich eine Stunde später die Tür zur Küche und Lucine kam mit einem Teller frischer Kuchenstücke zurück.

„Ahhh – weißt du, wenn ich nicht deine Schwester wäre, würde ich sagen – flipp ruhig öfter aus. Dann gibt es immer so leckeren frischen Kuchen!“ freute sich Raven und alle nahmen sich ein Stück des leckeren Schokokuchens. Er dampfte noch leicht und schmeckte vorzüglich.

Stöhnend ließ sich Lucine niedergeschlagen auf ein Sofa sinken. Rue, die ebenfalls dort lag, zog sofort die Beine ein, um Lucine Platz zu machen.

„Weshalb so traurig?“ fragte Raven desinteressiert.

„Traurig trifft es nicht ganz – entnervt und völlig überfordert schon eher!“ sagte Lucine müde, und rieb sich dabei die Augen.

„Na toll – das heißt, nach unseren Mienen zu urteilen, hatte jede von uns heute einen männlichen Störenfried an der Seite!“ sagte Rue.

Chandra, Raven und Lucine nickten im Takt mit dem Kopf.

„Na großartig – neue Taktik der Vampire. Nerven wir unsere Erzfeinde einfach solange bis sie von selbst die Pistole nehmen und abdrücken!“ stöhnte Rue.

„Jetzt beruhigen wir uns erst einmal. Raven – was ist bei dir heute passiert?“ fragte Lucine und bemühte sich um Objektivität. Nach ihrem Abreagieren in der Küche war sie wieder ansprechbar.

„Tja – das war eigentlich alles sehr nervig. Ich habe mich ja in den Kurs für Geschichte der Absolventen und Maturanten eingeschrieben, was eigentlich eine sehr kluge Idee war. Die sind wirklich alle sehr interessiert in Geschichte.“ Ravens Augen bekamen einen gefährlichen Glanz, „Stellt euch vor, heuer machen wir das Thema frühe Hochkulturen mit Schwerpunkt auf die Maya! Ach ich bin so aufgeregt, weil-“

„RAVEN!“ sagten die drei Schwestern im Chor.

„Was?“

„DU schweifst ab!“ sagte Lucine müde.

„Oh… sorry, jedenfalls waren wir gerade dabei uns in Gruppen zu teilen, weil es eben Gruppenprojekt war und da öffnete sich die Tür und ein Kerl kam herein. Er sagte. „Sorry – hab das Klingeln überhört.“ Das hat mich ja nicht genervt – nur ein wenig. Aber egal. Jedenfalls, kam dann dieser Typ tatsächlich frech wie er war, zu mir herüber geschlendert und setzt sich beinhart neben mich an meinen Tisch. Erst wollt ich ihn anfauchen, dass er sich gefälligst verpissen soll – aber der Typ hat mich gar nicht zu Wort kommen lassen. Er hat einfach gesagt: „Tagchen – ich bin Gustav. Und du bist?““

Lucine grinste innerlich, blieb aber nach außen hin ruhig und fragte: „Weiter?“

„Na ja, da bin ich erst mal ausgetickt, hab ihn mit meinem liebenswürdigsten Lächeln angefauchte: „Verzieh dich Penner – ich arbeitete grundsätzlich allein. Außerdem sitzt du auf meinem Geschichtebuch.“ Na ja, das hat ihn nicht wirklich beeindruckt, er hat einfach das Buch hervorgeholt, darin geblättert und gesagt: „Sieht ja ganz spannend aus. Also… mit Einzelarbeit kannst du hier nicht punkten.“ Und ehe ich was sagen konnte, hat dann die Geschichteprofessorin gesagt: „Gut, dann wären die Teams fertig. Oh Gustav, du und Raven – ausgezeichnet. Ihr arbeitet bitte an der Architektur der Maya!“ und weg war sie. Ich hab ihr nur blöd hinterher geglotzt und dann hat dieser Kerl – Gustav oder wie auch immer – einfach meinen offenstehenden Mund zu geklappt und schmunzelnd gesagt: „Mund zu – sonst verschluckst du noch eine Mücke. Wobei du noch viel schönere Dinge mit dem Mund anfangen könntest!““

Raven sah kurz vor einer Explosion aus.

Chandra grinste und sagte: „Was hast du gemacht?“

„Ihm eine geknallt, raus aus dem Kurs und weg war ich. Dann hatte dieser Kerl doch tatsächlich noch den Nerv mir hinterher zu gehen und fängt mich ab. Ich wollte ihm eigentlich eine in die Intimsphäre treten, aber anstatt das zu schaffen, hält er mich fest, drückt mich gegen die Wand und sagt noch: „Interessantes neues Projekt – das wird Spaß machen!“ und dann…“ Raven blickte plötzlich sehr betreten.

„Und dann?“ fragte Rue naiv.

„ER hat dich geküsst, stimmt’s?“ fragte Chandra.

Lucine beobachtete ihre Schwester genau, diese wurde tatsächlich rot. Eine Seltenheit.

„Ja…“ geknickt ließ sie den Kopf sinken.

„Und was hast du gemacht?“ fragte Chandra weiter.

„Na ja…ehrlich gesagt…“ Raven verknotete ihre Finger in einander und blickte ein wenig drucksend herum.

„Du hast zurückgeküsst?“ fragte Rue fassungslos.

„Mein Gott – warum nicht – er war ein guter Küsser!“ sagte Raven verzweifelt, „Und außerdem war der letzte Kerl mit dem ich was hatte, 14 Jahre alt – da wird man mal schwach. Gott verzeihe mir meine Sünden!“ sagte Raven fauchend.

„Schon gut – schon gut!“ Chandra hob die Hand, und lächelte plötzlich gezwungen: „Nicht nur du wurdest heute erniedrigt!“

„Du auch?“ fragte Rue neugierig.

„Ja!“ Chandra schlug voller Zorn in den Holztisch vor ihnen und eine Delle blieb im Mahagoniholz zurück.

„Erzähl!“ sagte Lucine.

„Na ja – ihr kennt doch noch den Kerl – diesen Tom oder?“ fragte Chandra und holte tief Luft, während die drei nickten: „Dieser miese kleine Rattenknilch – er hat mich doch tatsächlich im Gesangskurs gestört – dieser Mistkerl. Er hat sich einfach eingeschrieben und da wir nur zu dritt waren, war das für die Gesangslehrerin kein Thema und sie hat nur lieb genickt und geheuchelt: „Klar, komm ruhig dazu!“ GOTT WIE ICH SIE HASSE!“ Chandras Stirn begann rot zu werden vor Zorn.

„Weiter!“ sagte Lucine.

„Jedenfalls hat der Typ mich die ganze Zeit gestört oder zweideutige Sprüche abgelassen – ich war so knapp davor –“ Chandra hielt die Finger bis auf 2mm auseinander und sagte: „-ihm eine reinzuhauen. Aber…“ sie seufzte und ließ die Schultern hängen: „Das Singen hat mir gefehlt und ich wollte die Lehrerin echt nicht stören – die ist nämlich wirklich gut darin. Jedenfalls hab ich die Stunde durchgezogen – so gut es jedenfalls ging und anschließend wollte ich diesen Tom zur Rede stellen. Deshalb hab ich gewartet bis alle draußen waren und hab mich umgedreht und gesagt: „Wenn du es noch ein einziges Mal wagen solltest mich dermaßen zu nerven, kannst du dich nach neuen Geschlechtsteilen umsehen!““

„Was hat er gesagt?“ fragten Raven und Rue im Chor, Lucine ahnte die Antwort.

Chandra wurde rot vor Zorn: „Na was wohl – der Arsch hat nur gegrinst, mich an sich gezogen und geküsst. So schnell konnte ich gar nicht schauen, da hatte er mich schon festgehalten. Dieser arrogante kleine Mistkerl!“ schrie sie wütend und neben Lucine explodierte eine dritte Glasvase.

Als die drei wieder aus ihrer Deckung hervorgekrochen waren, sagte Lucine trocken: „Ganz ruhig – wegen uns beiden, wird es irgendwann keine Glasvasen mehr in diesem Haus geben!“

„Sorry – Beherrschung verloren!“ sagte Chandra.

„Jedenfalls hast du ihm dann wenigstens eine geklebt oder?“ fragte Rue.

„Ja das auf jeden Fall, der Mistkerl war ja dreister als dreist. Die fünf Ohrfeigen haben ihm zumindest für einen kurzen Moment das blöde Grinsen aus dem Gesicht gewischt.“ Fauchte Chandra.

„Rue – wie war das bei dir?“ fragte Lucine.

„Na ja – eigentlich auch nicht viel anders. Ich war im Malkurs und wir hatten heute Stillleben als Thema. Der Kerl war mir völlig fremd und jedenfalls hat er sich neben mich gesetzt und hat zu Beginn einfach nur gemalt. Das hat mich also nicht gestört. Dann zum Abschluss, als die anderen schon rausgegangen sind, hat er sich zu mir gebeugt und gesagt: „Schönes Bild.“ Ehrlich gesagt, hat mich das sogar gefreut und ich wollte sagen: „Danke!“ da hat er sich noch weiter vorgebeugt und mich einfach auf den Mund geküsst. Ich war so perplex, dass ich einfach stocksteif sitzen geblieben war. Dann hat er seine Malsachen gepackt, sein Bild weggestellt und hat sich bei der Tür noch umgedreht und gesagt: „Bis bald!“ und ist dann verschwunden!“ sagte Rue.

„Du hast nichts getan?“ fragte Chandra verdutzt.

„Nö – war zu verblüfft. Ich bin einfach sitzen geblieben und hinterher habe ich mich natürlich dermaßen geärgert, dass ich einen dezenten Wutschrei-Anfall bekommen habe!“ sagte Rue und zuckte gelassen mit der Schulter.

„Okay…“ sagte Chandra und Raven sah ihre Schwester fassungslos an.

„Und du?“ fragten die drei, ihre Köpfe zu Lucine gedreht.

Diese seufzte auf: „Tja – längere Story.“ Lucine erzählte von der Musikstunde, die eigentlich positiv anfing, dann das Auftauchen von Bill, und später dem Gespräch im Wald.

„Okay damit ist es amtlich!“ Chandra stand auf und ihr Gesicht zeigte eine grimmige Maske: „Die Jungs wollen Krieg – den können sie gerne haben!“

„Und wie genau hast du dir das vorgestellt?“ fragte Lucine ruhig. Raven und Rue sahen ihre Schwester interessiert an.

„Ganz einfach!“ Chandra grinste diabolisch: „Wir steigen auf ihr dummes Spiel ein!“

„WIR!“ rief Lucine.

„SPIELEN!“ rief Rue.

„MIT?“ rief Raven verdattert.

Die drei sahen sich äußerst irritiert an und Chandra setzte sich mit einem gerissenen Lächeln hin und nickte: „Ja – wir spielen einfach ihr Drecksspiel mit und dann wollen wir mal sehen, WER hier WEN verführt. Weil, das ist ganz eindeutig – die wollen uns verführen, ein wenig mit uns spielen und Spaß haben und so unser Vertrauen erschleichen. Wenn unsere Kräfte sich aktivieren sollten, können sie uns dann ganz gemütlich ausschalten!“

„Aha und wie hast du dir das mit dem Mitspielen so gedacht?“ fragte Lucine interessiert, „Immerhin habe ich wortwörtlich das Gegenteil versprochen – Auflehnung und Krieg!“ sagte sie.

„Kein Problem – wir Frauen gelten doch sonst immer als sentimental und wankelmütig. Du gehst einfach Stück für Stück auf ihn ein. Egal was sie wollen, wir spielen mit – und zum Schluss sind wir die Siegerinnen!“ lächelte Chandra verschlagen.

„Du weißt schon, dass man einem Vampir das Herz nicht brechen kann – der hat nämlich keines mehr!“ sagte Rue trocken.

„Das hat man von Davy Jones auch behauptet!“ wedelte Chandra den Einwand ab.

„Das ist eine FILMFIGUR!“ meinte Raven.

„Der Punkt ist!“ erhob Chandra ihre Stimme, „Der Punkt ist, dass sie vorhaben uns zu vernichten – Mädels wir müssen das verhindern. Denn irgendeiner von diesen Drecksäcken!“ Chandra blickte auf und ihre Augen wurden kalt und schmal: „Hat unsere Mutter auf dem Gewissen!“

Das richtete alle Mädchen auf und Lucine nickte als erste: „Ja, das ist uns klar – aber…“ sie sah auf und sah allen fest in die Augen und blieb bei Chandra hängen: „…das war keiner dieser vier Kerle – die sind noch nicht so alt. Man spürt, dass sie junge Vampire sind. Vielleicht genauso alt, wie sie sich ausgeben.“

„Lucine hat Recht!“ meldete sich Raven zu Wort. „Ich habe keinen Todeshauch bei ihnen wahrgenommen – die haben noch keinen Menschen umgebracht. Besonders noch keine Hexe. Die sind genau genommen „Frischlinge!“.“

„Mhm… das heißt wir müssen uns Zutritt verschaffen!“ sagte Chandra.

„Zutritt?“ fragte Rue.

„Ja – irgendeiner aus ihrer Sippschaft hat Mutter getötet. Diesen Vampir will ich tot sehen!“ sagte Chandra und ihre Augen leuchteten kalt auf.

„Mhm gefällt mir – nur du hast ein winziges Detail vergessen!“ sagte Lucine liebevoll.

„Der wäre?“

„WIR SIND NICHT STARK GENUG!“ betonte Lucine jedes Wort stark, „… auch wenn wir Hexen des Draco – Clans sind, unsere Kräfte haben sich durch die Geburt zur Neumondzeit verschoben. Ergo wissen wir nicht wann sie ihre vollständige Energie entladen. Also sind wir so was wie tickende Zeitbomben. Was passieren, wann und wie es geschehen wird, können wir nicht wissen.“ Sagte Lucine.

„Ich HASSE es wenn du so redest!“ sagte Rue, „Objektiv und auch noch Recht habend.

„Egal, ob ich Recht habe oder nicht – Fakt ist-!“ sagte Lucine und sah ihre Schwestern an: „Was werden wir tun, wenn unsere Kräfte erwachen?“

Lange Zeit schwiegen sie, dann sagte Raven ruhig: „Ganz einfach…“ ihre Augen glänzten spitzbübisch auf: „Wir werden alle Söhne und Töchter Samaels töten, die wir töten können. Und wenn wir dabei drauf gehen – ganz ehrlich, dann soll es wahrscheinlich so sein!“

Daraufhin breitete sich eine Stimmung voller Übermut und Trotz aus: „Genau!“ stimmte Rue zu.

„Bin dabei!“ nickte Chandra.

Alle sahen Lucine an und diese lächelte böse: „Wenn wir tatsächlich drauf gehen – dann nehmen wir so viele von diesen Drecksarschlöchern mit wie es nur geht!“

Chandra, Raven und Rue sahen Lucine stolz an und sie legten die Hände übereinander: „Die Macht der vier kann keiner trennen!“ sagten die vier Mädchen und so war es auch.
 

Am nächsten Tag – Freitag
 

„AHH!“ streckte sich Raven gemütlich im Schatten des großen Baumes auf dem Schulcampus: „Herrlich morgen ist endlich Samstag – Ladys Wochenende-Zeit!“

„Ah ja – endlich ausspannen!“ sagte Rue und legte ihren Kopf auf Lucines Schoß, die leicht im Schatten döste.

Doch ein leises Flüstern erreichte sie, das sie schlagartig die Augen aufschlagen ließ: „LUCINE!“

Sie blickte gerade aus und sie spürte wie eine Aura sie lockte, sie umwarb wie ein Seidentuch.

„Lucy?“ fragte Raven und Chandra blickte sie ebenfalls an.

„Bill ruft nach mir!“ sagte Lucine gelassen.

„Mhm…“ Chandra nickte kaum merklich und sagte: „Geh zu ihm – wenn was ist…“ sie bedachte Lucine mit einem ruhigen Blick: „Ruf uns!“

„Okay.“ Sagte Lucine und stand auf. Sie sah sich nach den Professoren um, doch keiner beobachtete sie und so lief Lucine wieder in den Wald, den sie bereits gut zu kennen schien. Sie trug an diesem Tag einen weißen Rock, ein dunkelblaues Top, das im Kreuz auf den Rücken gebunden wurde. Sowie auch weiße schlichte Ballerinas, mit einem dunkelblauen Netzmuster. Sie ging weiter. Wie das letzte Mal verschwand die Sonne je weiter sie ging und schließlich erreichte sie den Platz von wo aus, sie das gewaltige Schloss auf den Felsen sah.

„Schön dass du gekommen bist!“ ließ sie eine Stimme hören, sie drehte sich nach links und sah nach oben. Auf einem dicken Ast lag Bill ausgestreckt und seine Augen waren geschlossen.

„Was willst du?“ fragte Lucine.

Bill öffnete nicht einmal die Augen und sagte: „Reden – mir ist langweilig!“

„Zum Reden holst du mich her?“ fragte Lucine verblüfft, doch dann zuckte sie die Achseln und begann auf den Baum zu klettern. Sie setzte sich auf einen Ast neben seinem und ließ die schlanken, weißen Beine elegant überschlagen.

„Okay – dann rede!“ sagte Lucine.

Bill hielt weiterhin die Augen geschlossen und sagte: „In drei Wochen ist Weihnachten!“

„Aha…“ sagte Lucine. „Wusste gar nicht, dass Vampire das Fest feiern!“

„Wieso nicht?“ fragte Bill.

Darauf fiel Lucine keine Antwort ein: „Egal – also was willst du sagen?“

„Da gibt es in der Stadt einen großen Weihnachtsball, in der Schule findet er jährlich statt. Soll ganz nett sein, alles weiß und mit Kunstschnee verziert!“ sagte Bill ruhig.

„Aha…“ sagte Lucine wieder.

„Du wirst mit mir hingehen!“ sagte Bill.

„Ach so – du bestimmst das jetzt schon?“ fragte Lucine amüsiert – was Vampire sich alles erlaubten.

„Ja… eigentlich schon, denn…“ er öffnete verschlagen ein Auge. „…. Ich habe null Lust mit meinen Eltern zusammen Weihnachten zu feiern.“

„Aha und warum nicht?“ fragte Lucine.

„Sie nerven und sind peinlich…“ sagte Bill schläfrig.

„Das habe ich auch immer von meinen Eltern gedacht…“ sagte Lucine kichernd, dann aber fügte sie kühl hinzu: „… als Mutter allerdings starb, habe ich anders gelernt darüber zu denken. Nun vermisse ich einfach die gemeinsamen Weihnachten.“ Sagte Lucine.

Bill hatte die Augen wieder geschlossen und eine Zeitlang sagte keiner etwas. Dann fragte Bill: „Meine Familie fährt jedes Jahr zu Weihnachten in ein altes Schloss hoch oben im Norden. Das bedeutet wir sind für etwa eine Woche nicht hier- da könnt ihr euch von uns erholen!“ lächelte Bill.

„So, so…“ sagte Lucine leichthin.

„Scheint dich ja nicht wirklich zu interessieren!“ sagte Bill.

„Sagen wir mal – es haut mich jetzt nicht gerade um!“ sagte Lucine trocken.

Daraufhin begann Bill herzlich zu lachen und Lucine spürte, dass ihr das Lachen gefiel. Es war dunkel, und warm. So warm…

„Sag mal… ihr verschwendet keine Zeit, kann das sein?“ fragte Lucine.

„Wie meinst du das?“ fragte Bill.

„Na ja, abgesehen davon, dass jeder von euch – also warte mal, Tom – dein Zwillingsbruder und deine zwei Cousins Georg und Gustav…“ Bill hob eine Augenbraue, „… und natürlich auch du – gerade mal vor schätze ich ein oder zwei Tagen beschlossen habt uns nicht von der Seite zu weichen, und schon markiert ihr euer „Eigentum“ ganz lässig mit erotischen Küssen!“ sagte Lucine und sie lehnte sich müde gegen den Baumstamm.

„Tja, man muss als Mann tun, was man tun muss!“ lächelte Bill.

„Als Mann und Vampir!“ fügte Lucine hinzu.

„Stimmt!“ nickte Bill.

Erneut betrachten sie stumm das Schauspiel von verschwindender Sonne hinter den dicken Regenwolken und schließlich brach Bill das Schweigen: „Wieso bist du eigentlich gekommen?“

„Du hast mich gerufen!“ sagte Lucine.

„Möglich aber …“ jetzt setzte Bill sich auf und lehnte sich gegen den Baumstamm, zog ein Bein lässig an und ließ das zweite nach unten baumeln, „… wieso auf einmal so… brav und gehorsam?“

„Wer sagt, dass ich es tue, weil du es mir befohlen hast. Könnte doch sein, dass ich selbst einfach mit dir reden wollte!“ sagte Lucine lächelnd.

„Mhm…“ Bill neigte sich zu ihr und betrachtete ihr ebenmäßiges Gesicht, sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut und wartete bereits darauf, dass sich sein Lippen auf ihre legten.

„Glaub ich dir nicht!“ sagte Bill und zog sich wieder zurück und schloss genüsslich die Augen.

„Ach nicht?“ fragte Lucine und fühlte sich in ihrer Ehre gekränkt. „Wieso nicht?“ sie sah ihn interessiert und gereizt an.

„Weil du nicht falsch oder hinterhältig bist – die Eigenschaften liegen dir nicht!“ sagte Bill.

„Ach nein, wie gut du mich schon kennst, nach ZWEI Tagen!“ sagte Lucine trocken und ließ sich vom Ast heruntergleiten und sprang elegant zu Boden.

„Gehst du schon?“ fragte er.

„Ja – im Gegensatz zu dir, habe ich nicht eine ganze Ewigkeit Zeit nur um Sonne und keine Sonne anzusehen. Mein Leben ist mir etwas zu kostbar, um meine Zeit hier zu verschwenden!“ sagte Lucine und drehte sich um.

Kaum hatte sie kehrtgemacht, stand Bill nur wenige Zentimeter hinter ihr und sah ihr fest in die Augen: „Tja,… dann wollen wir doch was dagegen tun, dass du das hier nicht als „Zeitverschwendung!“ siehst!“ lächelte er und zog sie an sich. Er hob ihr Kinn sanft an und küsste Lucine sanft auf den pfirsichfarbenen Mund.

„Ha!“ grinste Lucine innerlich. „Ob Vampir oder Sterblicher – Männer sind ja so vorherseh- kontrollier- und manipulierbar.“

Bill hingegen dachte während er Lucine küsste: „Momentmal – war heute nicht die Taktik „Kein Küssen“ angesagt?“ doch als er ihre süßen Lippen spürte, schob er den Gedanken beiseite. „Ach – egal! Das ist einfach zu gut, um aufzuhören!“



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