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Die Nacht ist mein Käfig...

Einen Vampir zu lieben, ist Selbstzerstörung...
von

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Erste Erkenntnisse


 

„Sisters ich befürchte, dass das Haus einen eigenen Willen hat – der Wille, so hässlich zu bleiben wie es ist!“ beschwor Chandra die anderen.

Doch Rue, Raven und Lucine grinsten sie nur an und Rue sagte: „Komm schon – sei ehrlich, Chandra. Würde es dich umbringen, einfach einen Besen zu nehmen und den Staub wegzukehren?“

Sie hatten die letzten Stunden des Tages genutzt und waren tatsächlich mit dem zweiten Stock fertig, es lag nur noch am Boden der Staub von Jahren und Chandra schnappte sich schließlich doch aufseufzend einen großen Besen und kehrte den Staub zusammen, den Lucine auf eine Schaufel putzte und in den großen Müllsack warf. Darin lagen bereits angestaubte, längst vergessene Krimskrams Sachen, von alten Vorhangstoffen bis zu angelaufenen Tellern, die grausam verklebt waren – keiner wollte sich ausmalen WOVON es verklebt war.

Sie hatten insgesamt zehn Müllsäcke zusammen, was beachtlich bei einer Fassweite von 60l war. Grinsend und müde schleppten die Mädchen die Säcke nach unten und stellten sie neben die Mülltonnen im Garten.

„Gott – ich hoffe die Putzerei lohnt sich am Ende!“ sagte Chandra und wischte sich angeekelt den Schweiß von der Stirn.

„Weißt du was uns aufheitern würde? Ein Gespräch mit Mum!“ sagte Rue und blinzelte Lucine verräterisch zu.

„Gute Idee!“ stimmten Lucine und Raven zu, doch Chandra blickte missmutig drein: „Nein, zu gefährlich. Heute ist kein guter Zeitpunkt. Morgen okay?“

Aufseufzend ergaben sich die anderen und Rue sagte leise: „Okay – hast du Angst wegen dem was ich aufgeschrieben habe?“

„Nein natürlich nicht, Süße!“ seufzte Chandra auf und umarmte ihre Schwester, strich ihr beruhigend über die langen roten Haare, während sie sich gegenseitig fest hielten. Lucine, Raven blickten betrübt vor sich hin. Lucine spürte einen feinen Tropfen auf ihrem Gesicht, griff sich an die Wange und sah verdutzt des ihre Finger nass waren. Sie blickte hoch in den Himmel – düstere, schwarze Gewitterwolken waren aufgezogen und es roch nach Regen und Donner.

„Leute – es zieht etwas auf…“ sagte Lucine und die anderen blickten ebenfalls in den Himmel. Es war klar, dass Lucine nicht das Gewitter gemeint hatte – da draußen lauerte etwas, etwas, was stark war.

„Kommt gehen wir ins Haus – reden wir lieber mit Onkel Jeremy, mhm?“ sagte Chandra und Raven nickte lächelnd, Rue lächelte ebenfalls und Lucine nickte aufmunternd.

Während die drei nach drinnen gingen, spürte Lucine wieder so ein Prickeln in ihrem Genick und sie drehte sich blitzschnell um. Misstrauisch ließ sie ihren Blick über die weiten grünen Hügel huschen und sie spürte ein ungutes Gefühl in ihrem Magen.

„Lu?“ rief Chandra und sie war schneller bei Lucine als ihre Schwester gedacht hätte. Chandras Augen waren groß und sie blickte ebenfalls düster in die Gegend. Sie blickte Lucine an.

„War es wie heute in der Schule?“ fragte Chandra.

„Nicht so stark, aber ja – es war die gleiche Aura!“ sagte Lucine leise.

Chandra schnalzte missbilligend mit der Zunge und sagte: „Ich mach den Bannkreis – geh nach drinnen!“

„Okay…“ sagte Lucine und trat einen Schritt zurück und drehte sich um. Sie lief zu ihren Schwestern. Ohne sich erneut umzudrehen gingen die drei nach drinnen und schlossen die Tür.

Chandra blickte sich um und hob ihren Blick. Sie spürte, dass Lucine richtig lag – es war eine ähnliche Aura, nicht so stark wie heute in der Mensa, aber immer noch präsent. Na ja, was soll es, dachte Chandra. Sie streckte sich und dehnte sich. Dann hob sie ihre Hand und streckte sie gegen den Himmel.

„Im Namen der Kraft die in unseren vier Körpern inne wohnt, spreche ich einen Schutz über diesen Ort aus. Ahnen schützt eure Töchter der Magie und bewahrt sie vor Schaden!“ damit tippte sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger, der Hand die sie gegen den Himmel gestreckt hatte, auf den Boden und zeichnete ein weißes Pentagramm. Tatsächlich leuchtete die Wiese weiß auf, wo Chandra das Pentagramm einzeichnete. Als würde eine unsichtbare Kraft sich ausdehnen, wanderte ein winziger kleiner Lichtstrahl aus dem Pentagramm blitzschnell einmal um das gesamte Cottage.

Chandra stand auf und klopfte sich die Hände ab: „So das müsste reichen!“ sie streckte sich erneut und ging ins Haus. Doch bevor sie sich abwandte, sah sie noch einmal nach hinten und sah wie ein Schatten verschwand.

„Womit haben wir eigentlich dauernd Stress?“ dachte sie düster und schloss die Eingangstür ab.

„Und?“ fragten Rue und Lucine. Raven hatte sich schon in die Mitte der Sofas gesetzt und streckte sich. Bereitete sich vor.

„Ist weg – allerdings gefällt mir die Schattengröße nicht.“ Sagte Chandra.

„SO groß?“ fragte Rue unwohl.

„Hey vor was hast du Angst, Sister – wir sind vier. Wir sind vier Schwestern. Du weißt doch, wie stark wir sind!“ lächelte Lucine.

Ein wohliges Lächeln legte sich auf alle Lippen und Rue grinste: „Sorry – leichte Panikschübe!“

„Kein Thema – die letzten waren auch lästig genug wieder loszuwerden. Tisch-rücken sollten wir eine Zeitlang lassen!“ sagte Chandra.

„Okay – dann rufen wir mal Onkel Jeremy!“ sagte Lucine.

Die anderen drei nickten.
 

Raven setzte sich auf ihre Knie und faltete die Hände wie im Gebet. Lucine, Rue und Chandra hatten sich im Dreieck um sie herum aufgestellt. Jeweils eine Kerze zur rechten und zur linken, stand neben ihnen und beleuchteten die vier. Die drei streckten sich die Hände zur Seite, so knapp das sie fast einander berührten – das fast war hierbei wichtig.

„Onkel Jeremy – deine Nichten brauchen deinen Rat – hörst du mich?“ sagte Raven in den Raum hinein.

Zunächst rührte sich nichts. Dann bewegte sich schwach der Kerzenschein. Raven lächelte: „Er kommt schon!“ Damit trat sie aus dem Kreis und reichte ihren Schwestern die Hände, sie hielten sich aneinander fest, während sie aus der Mitte, wo gerade eben noch Raven gestanden hatte, eine perlweiße Gestalt materialisierte. Zunächst war es nur eine durchsichtige Erscheinung, die immer stärker und stärker wurde. Dann flackerten die Kerzen noch einmal auf und die Gestalt war vollendet. Es war ein großer, bärtiger Mann mit einem sanften Lächeln und noch gütigeren Augen. Er streckte sich und gähnte ausgiebig.

„Na so was – meine Süßen – schön euch zu sehen!“ sagte der Mann.

„Onkel Jeremy – wie geht es dir?“ rief Rue erfreut.

„Gut Rue, sehr gut – ein wenig Langweilig ist es manchmal da drüben!“ sagte Jeremy und schüttelte seine Beine aus.

„Wie geht es Mum?“ fragte Lucine.

„Gut sie lässt euch grüßen – und euren Vater wieder einmal eine Kopfnuss geben – er sollte euch nicht immer herumziehen lassen!“ sagte Jeremy.

„Wissen wir!“ kam es im Viererchor zurück.

„Onkel wir brauchen deinen Rat!“ sagte Chandra.

„Ich dachte mir schon, dass ihr es schon wieder geschafft habt euch in Schwierigkeiten zu bringen. Worum geht es dieses Mal?“ fragte Jeremy und zog eine alte Pfeife aus seinem Umhang. Er zündete sie sich und blies Rauchringe gegen die Decke.

„Jemand beobachtet uns und Lucine wurde heute fast in einen Tiefschlaf geschickt! Reiner Augenkontakt nicht mehr!“ sagte Chandra eindringlich.

„Oha – nur durch Augenkontakt?“ überrascht zog Jeremy eine Augenbraue nach oben, während er weitere Rauchringe ausblies.

„Ja!“ kam es zurück.

„Beeindruckend im negativen Sinn, versteht sich – nur erhabene, mächtigere magische Wesen sind dazu im Stande!“ sagte Jeremy nachdenklich.

„Kommt noch ein produktiver Ratschlag?“ fragte Rue.

„Nun, beobachtet weiterhin, die nächsten drei Tage würde ich sagen und Chandra verstärke ruhig den Bannkreis. Nimm ruhig Weihrauch – das schreckt sie ab. Rue du wirst bitte so oft es geht deine Schwingungen nutzten – versuch alles aufzuschreiben – ich bin mir sicher, früher oder später bekommt ihr dann eine Antwort auf eure Fragen. Und du Lucine-“ Onkel Jeremy drehte sich warnend zu seiner Nichte um.

Abwehrend hob diese die Hände: „Schon gut – ich verhalte mich unauffällig und still!“

„Genau das tust du – deine Kräfte sind nicht kontrollierbar. Raven halt dich für die nächste Zeit auch aus der Metaebene draußen. Wer auch immer euch was anbieten will – geht nicht drauf ein. Wir können noch gar nichts mit Sicherheit sagen. Aber wenn diese Wesen Lucine einschläfern wollten, dann gibt es nur zwei Gründe.“ Paffte Jeremy seine Pfeife.

„Die wären?“ fragte Rue.

„Erstens – wir könnten sie in Panik versetzt haben. Sie könnten unsere Magie gespürt haben. Vor allem mein Potential könnte sie erschreckt haben. Wenn es ein Clan ist, dann wollen sie die Gefahr gleich bannen!“ sagte Lucine.

„Und die zweite Version?“ fragte Raven.

„Aus Spaß!“ sagte Jeremy.

„Spaß?“ Raven sah perplex drein.

„Viele Wesen die hier so herumspuken, verspüren öfters Langeweile, dann nerven sie andere Mitmenschen und wollen ein wenig manipulieren. Kein großes Vergehen, aber auch nicht gerade freundlich!“ sagte Jeremy.

„Okay – danke Onkel Jeremy!“ sagte Chandra.

„Dann meine süßen Nichten, passt auf euch auf und macht keinen Quatsch. Augen und Ohren offen halten!“ sagte Jeremy, während er wieder zu weißen Nebel wurde und schließlich verschwand.

„Raven verschließ bitte gleich die Lücke – sonst kommen noch ungebetene Gäste rein!“ sagte Lucine.

„Schon gemacht!“ sagte Raven, „Ich habe genauso wenig Lust, wieder ewig von perversen Poltergeistern genervt zu werden, die nur auf ein wenig Spaß aus sind.“

„Na dann – gute Nacht Sisters – morgen werden wir alles genau im Auge behalten. Schließlich steht unser Ruf als die Vierlingshexen auf dem Spiel!“ sagte Chandra.

„Jetzt komm runter. Mutter war eine echte Hexe – wir sind jämmerliche Abklatsche. Wir haben nicht einmal vollentwickelte Kräfte – jede hat einen schwachen Zugang zur Metawelt. Nur Lucine hat mehr Kraft und die kann sie nicht mal kontrollieren!“ sagte Rue und klatschte Chandra fest auf den Po.

„Autsch. Schon gut – ich geh schlafen! Nacht!“ sagte Chandra.

„Nacht!“ sagte auch Rue.

Raven sah Lucine an und lächelte: „Lust auf ein bisschen Klassik?“

„Ja – du auch?“ fragte Lucine und startete bereits Richtung Klavier – das einzige Möbelstück, das sie immer bei jedem Umzug mitnahmen.

„Ja – ich brauch Entspannung. Krieg ich was von Tschaikowsky?“ fragte Raven und legte sich müde auf das weiche Sofa.

„Ja – warum nicht. Grand Pas de Deux?“ fragte Lucine.

„Bitte!“ murmelte Raven zurück, bereits völlig entspannt.

„Na dann!“ sagte Lucine und begann zu spielen.
 

Am nächsten Morgen waren alle gelinde gesagt, abgeneigt in die Schule zu gehen. „Dann bleiben wir halt zu Hause!“ sagte Rue müde und wollte sich bereits wieder in ihr Bett fallen lassen, als Lucine die Decke wegzog auf der Rue lag und sie somit aus dem Bett katapultierte.

„Du furchtbare Rabenschwester!“ sagte Rue klagend.

„Kommt schon auf!“ sagte Lucine kühl und schmiss eine Schwester nach der anderen aus ihren Betten.

„Seit wann bist du zu einer Streberin mutiert?“ fragte Chandra unglücklich.

„Bin auch nicht – aber ich will zur Schule!“ sagte Lucine ruhig.

„Darf man auch fragen warum?“ gähnte Raven, die die Nacht auf der Couch im Sofa verbracht hatte.

„Ganz einfach – wenn wir nicht auftauchen, glaubt derjenige von gestern wir geben uns bereits geschlagen und darauf habe ich null Bock!“ sagte Lucine grimmig und stand bereits angezogen und geschminkt vor ihren Schwestern.

Ungläubig starrten die anderen zurück, da stand Chandra auf und sagte sich streckend: „Na wenn du meinst – ich geh mich duschen!“ damit war sie im Badezimmer und schon plätscherte es rhythmisch dahin.

„Ich weiß zwar nicht, warum der noch einmal angreifen sollte – aber wenn ihr meint. Dann eben Schule!“ gähnte Raven weiter und schlenderte halb im Dämmerschlaf Richtung Küche. Lucine hatte bereits das Frühstück gerichtet, und der wohlige Duft von frischem starken Kaffee erfüllt den Raum.

„Ich bin so mü-mü-mühühühde!“ gähnte Raven und verschüttete fast ihren Kaffee, als sie dankbar eine Tasse von Lucine entgegen nahm.

„Also ehrlich – glaubst du wirklich, dass wir einem Angriff ausgesetzt sind, Lu? Ich meine wer würde uns was antun wollen – wir haben, bis auf Chandra die Bäuerin, keinen verhext und sind erst vor zwei Tagen angekommen – wenn könnten wir so schnell verärgert haben!“ fragte Rue, die ein Brot mit Butter bestrich.

Lucine, gerade aus einem Glas Orangensaft trinkend, setzte das Glas ab und sagte ruhig: „Ich bin mir nicht sicher, kein Stück. Aber denkt an Onkel Jeremys Worte!“

„Ja, ja – schon gut. Das sagt er doch jedes Mal wenn Raven ihn ruft – passt auf, macht keinen Blödsinn!“ sagte Rue gelangweilt.

„IMMER WACHSAM!“ bellte auf einmal Chandra und alle fuhren zusammen und kicherten.

„Falscher Film!“ belehrte Lucine ihre Schwester und reichte ihr einen schwarzen Kaffee. Chandra schüttelte sich den Kopf trocken und Rue startete Richtung Dusche. Raven sah aus, als würde sie gleich mit dem Gesicht in ihr Müsli fallen, wo sie die Augen kaum noch offen halten konnte.

„RAVEN!“ zischte Chandra laut, sofort riss ihre Schwester erschrocken die Augen auf.

„Ja?“

„Wenn du das Müsli ausschüttest, schaufle ich persönlich dein Grab. ICH habe gestern erst diesen beschissenen Boden aufgewischt!“ sagte Chandra warnend und nahm der Schwester zur Sicherheit das Müsli weg und gab ihr nur einen Kornspitz.

„Dan-Dah- DANKE!“ gähnte Raven erneut.

„Komm iss und beeil dich mit dem wach werden, wir haben nur eine halbe Stunde und Rue überschwemmt jedes Mal das Badezimmer. Ergo muss sie noch zusammenwischen und dass du dich dann noch duschst, ist relativ negativ möglich.“ Sagte Chandra und schob ihre Schwester Richtung Zimmer und half ihr gleich in die Klamotten, bevor Raven sich noch einmal ins Bett legen konnte.

„Ach ja… was wäre die Welt doch ohne schwesterliche Liebe!“ sagte Lucine lächelnd und strich sich Marmelade auf eine weiße Semmel.
 

Schließlich waren sie doch noch alle fertig und wankten müde aus dem Cottage, nur Lucine war hellwach. Antreibend wie ein Major von der Bundeswehr zog Lucine ihre Schwestern Richtung Schule. Dort wurden allerdings auch die anderen drei wieder wachsam, immerhin waren sie gestern bedroht worden. Eingehackt zu zweit gehend, schlenderten sie in die Schule und ins Klassenzimmer. Immer noch starrten sie einige an, der Rest hatte sich wohl heimlich entschlossen die Neuen zu ignorieren. Was den Vieren nur allzu Recht war.

„Und? Habt ihr was gespürt?“ fragte Raven.

„Nö…“ sagte Rue müde.

„Kein Stück!“ schüttelte Chandra den Kopf.

„Nicht einmal einen Hauch- wer auch immer es war, die Aura ist nicht da!“ sagte Lucine.

Da betrat der Lehrer den Klassenraum und begann mit Mathematik.
 

„Uff!“ seufzte Lucine und wusch sich das Gesicht unter fließendem Wasser, während ihre Schwestern beim Sportunterricht waren. Abgesehen von Raven betrieb keiner einen Sport. Sie waren zwar alle schlank, zierlich schon fast, aber hatten keine Kondition, geschweige denn eine Begabung für den Sport.

Raven hingegen amüsierte sich glänzend und lief gerne gegen die anderen Schülerinnen um die Zeit und sprang weiter als sonst eine.

Lucine hatte sich auf die Toilette geflüchtet und sah ihr weißes Gesicht, das sie sorgsam vor allzu viel Sonne schützte, im Spiegel an. Sie sah nicht gut aus – im Gegenteil müde und abgespannt.

„Kein Wunder. Ich hab kein Auge zugemacht!“ seufzte sie innerlich. Sie hatte weit über Mitternacht Klavier gespielt und war erst um halb vier Uhr morgens ins Bett gefallen. Schlaf hatte sie trotzdem keinen gefunden. Immer waren diese dunkelbraunen Augen da gewesen.

Aufseufzend und sich streckend verließ Lucine das WC. Als sie die Tür öffnete, spürte sie erneut die Aura von gestern.

Lauernd blieb sie stehen und versuchte die Energie zu lokalisieren. Sie war nicht weit weg. Lucine rannte los – sie rannte den Korridor entlang, Treppe hoch und weiter nach links. Sie kam in die oberen Klassenräume, die vornehmlich den Reichen und Adligen Schülern vorbehalten war. Sie sah sich abwartend um, da spürte sie erneut die Energie, hinter sich. Sie drehte sich blitzschnell um. Hinter ihr stand ein junger Mann, vielleicht Anfang 20, er war groß und hatte lange schwarze Haare, die er zu Rasterlocken gebunden hatte. Er lächelte sie charmant an und seine Augen bohrten sich in ihr Herz.

„Entschuldige, habe ich dich erschreckt?“ fragte er höflich.

Lucine blieb stumm und versuchte die Quelle der Aura des Mannes auszumachen. Doch genauso schnell wie die Aura aufgetaucht war, war sie schon wieder verschwunden.

Er sah sie ebenfalls an und wartete ab. Lucine schüttelte den Kopf.

„Gut – weil ich nicht gerne süße Mädchen erschrecke. Bist du Neu?“ fragte er weiter.

Lucine nickte kurz.

„Schön ich hoffe es gefällt dir hier. Ich bin Tom!“ er hielt ihr die Hand hin. Lucine blieb wo sie war und rührte sich nicht.

„Sehr gesprächig bist du ja nicht – oder bist du stumm?“ fragte Tom, immer noch die Hand hin haltend.

Zögernd reichte Lucine ihm ihre Hand und schüttelte den Kopf.

„Gut!“ lächelte Tom charmant und nickte kurz den Kopf.

Lucine spürte eine gewaltige Druckkraft aus seiner Handfläche schießen, ließ sich aber nichts anmerken. Sie sah lange in seine Augen zurück.

Dann ließ er sie los und steckte die Hände lässig in die Hosentasche der Schuluniformhose, schwarz mit einem weißen Streifen auf der Seite. Er ging an Lucine vorbei und sagte: „Hoffentlich sieht man sich bald wieder! See ya!“ und ging mit der rechten Hand winkend vorbei.

Lucine starrte auf ihre Handfläche und dann hob sie den Blick. Er war verschwunden. Lange stand Lucine noch reglos im Schatten. Dann ging sie zu den anderen zurück.
 

Einen Korridor entfernt lehnte der Junge gegen die Mauer und grinste vor sich hin. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und es war nicht mehr charmant, es war wissend und ein wenig mystisch.

„So, so…“ dachte er und blickte aus dem Fenster und sah zu wie Lucine zu ihren drei Schwestern lief, die gemeinsam unter einem Baum im Schatten saßen. Sie setzte sich dazu und begann auf sie einzureden. Ernst hörten die Schwestern ihr zu und eine Blonde mit einer Kurzhaarfrisur antwortete ruhig. Er beobachtete sie, da schnellten ihre Augen in seine Richtung und für mehrere Sekunden blickten sie einander fest in die Augen. Sie unterbrach den Kontakt und stand auf. Sie gingen Richtung Umkleide.

„Interessant!“ sagte er.

Er leckte sich mit der Zungenspitze die Oberlippe ab und grinste dunkel: „Wirklich interessant. Vier kleine Hexen, das wird noch lustig werden!“ damit ging er und verließ den Korridor.
 

„Er war da!“ sagte Chandra, während sie sich umzogen – die Lehrerin hatte sie nicht einmal versucht aufzuhalten.

„Dieser Tom?“ fragte Rue.

„Ja – er hat uns beobachtet. Gerade eben. Er war im dritten Stock und sah aus dem Fenster. Ich spürte seinen Blick und habe zurückgesehen!“ sagte Chandra.

„DU hast den Kontakt erwidert?“ fragte Raven fassungslos.

Lucine blickte auf: „Wir sollen das nicht tun – Onkel Jeremy sagte, wir sollen uns ruhig verhalten!“

„Hast du auch nicht getan – ich finde wir sollten sie ruhig ein wenig reizen – vielleicht kommen sie so aus ihrem Versteck!“ sagte Chandra und hob betont langsam ihren schwarzen Rucksack auf ihren Rücken.

Nachdenklich blickte Rue vor sich hin und sagte: „Ich werde was ausprobieren. Lucine bring mich in den Korridor wo du diesen Tom getroffen hast!“

„Okay…“ sagte Lucine.

Wenig später standen sie genau dort, wo Tom Lucine die Hand gereicht hatte. Rue packte ihren Notizblock aus und legte ihn auf den Boden. Sie nahm einen Stift in die Hand und begann wie neulich kleine Kreise zu malen.

„Was willst du bewirken?“ fragte Raven.

„Ich will Antworten!“ sagte Rue, da zuckte ihre Hand und wie von einem anderen Menschen geführt, vor ihre Hand zunächst in unruhigen Zickzacklinien über das Blatt, dann begann sie Worte aufzuschreiben.

„Hallo!“ schrieb Rue auf.

Chandra nahm ebenfalls einen Stift und schrieb: „Was wollt ihr?“

Rues Hand glitt wieder über das Papier und schrieb: „Euch kennenlernen!“

„Vergesst es!“ schrieb Chandra zurück.

„Nicht gleich so unhöflich!“

„Welche Wesen seid ihr?“ fragte Chandra mittels Stift.

Längere Zeit zog Rues Hand Kreis, dann „Ihr seid Hexen – schwarze oder weiße Magie?“

„Was jetzt?“ fragte Chandra ratlos. Lucine nahm ihr den Stift aus der Hand.

„Kommt auf euch an!“ schrieb sie.

„Mhm…. Wir werden uns demnächst treffen… bis bald…“dann fiel Rue der Stift aus der Hand.

„Na super – viel schlauer sind wir nicht gerade!“ meinte Raven.

„Doch wir wissen, dass sie wissen, was wir sind!“ sagte Rue erschöpft. Ihre Kräfte waren sehr anstrengend und sie sollte sie nicht allzu oft einsetzten.

„Außerdem bin ich mir sicher, dass es dieselbe Aura war, wie vorhin!“ sagte Lucine.

„Mhm und was jetzt?“ fragte Chandra.

„Sie werden uns treffen, ob wir wollen oder nicht!“ sagte Rue und stand mit buttrigen Knien auf, Raven stützte sie.

„Dann sollten wir uns wappnen – wir müssen mehr herausfinden!“ sagte Lucine kühl.

„Und wie?“ fragte Raven.

„Ganz einfach – ich treffe den Kerl noch einmal!“ sagte Lucine.

Ihre Schwestern nickten zögerlich: „Gut, aber wir werden in der Nähe sein!“ sagte Chandra.

„In Ordnung, dass wird ihn nicht nerven. Da bin ich mir sicher. Ziemlich selbstsicherer Typ!“ sagte Lucine.

„Gehen wir nach Hause – Rue braucht jetzt Ruhe!“ sagte Raven und Rue nickte müde.

„Natürlich. Gehen wir!“ sagte Lucine und hob Rues Rucksack hoch und schulterte ihn, während Raven Rue Huckepack nahm und sie kehrten ins Cottage zurück.
 

Spät am Abend saßen sie alle zusammen bei einem Glas Weißwein. Lucine spielte verträumt vor sich hin und Chandra kam gerade zur Tür herein.

„Bannkreis verstärkt – war auch gut so. Sie hatten einige Siegel gebrochen!“ sagte sie. Lucine sah nicht vom Klavier auf und erwiderte: „Wisst ihr was?“

„Was?“ fragte Rue zurück. Raven las ein Buch über das alte Rom und blickte ebenfalls auf.

„Ich glaube sie sind gefährlicher als wir glauben!“ sagte Lucine.

„Dämonen?“ fragte Chandra.

„Nein – stärker!“ sagte Lucine und drehte sich schwungvoll um, das Klavier spielte weiter, obwohl sie die Tasten losgelassen hatte.

„Und wie stark meinst du?“ fragte Raven.

Lucine stand auf, die Melodie spielte weiter und kam dem Finale näher. Es wurde lauter und beim letzten Akkord sagte Lucine: „Samaels Kinder!“

Klirr.

Rue hatte ihr Weinglas fallen gelassen und gleichzeitig hatte das Klavier geendet. Lucine drehte sich um und blickte in drei fassungslose, bleiche Gesichter.

„Was?“ flüstere Chandra.

„Hast mich schon verstanden!“ sagte Lucine kalt.

„Das ist Schwachsinn – Irrsinn du bist völlig irre!“ sagte Rue heißer und Raven zitterte.

„Ihr wisst genauso gut wie ich, dass es möglich wäre.“ Sagte Lucine.

„Nein in 100 Jahren nicht – das ist Quatsch!“ sagte Chandra wütend. Der Zorn war ihr ins Gesicht geschrieben.

„Nur weil ihre euch vor dem Gedanken ängstigt!“ sagte Lucine leichthin.

BAMM.

Chandra hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen – so zornig hatte Lucine ihre Schwester schon sehr lange nicht mehr gesehen.

„Und das WUNDERT dich?“ Chandras Lippe bebte, „Du weißt genauso gut wie wir, dass wir gegen Samaels Kinder MACHTLOS wären. Wir könnten gleich unser Testament aufsetzten!“

„Das müssten wir auch bei einem höheren Dämonenfürsten!“ sagte Lucine knapp.

Schwer atmend ließ sich Chandra auf den Sessel sinken: „Ich sage du spinnst! Es sind sicherlich keine Kinder Samaels!“

„Und was wenn doch?“ fragte Lucine, sie drehte sich um und blickte hinaus in die Nacht. „Chandra du und ich wissen genau, dass da draußen etwas lauert, etwas verdammt Gefährliches. Du hast die Präsenz heute auch gespürt. Sie hat die eine Gänsehaut verpasst nicht wahr?“ Lucine blickte ihre Schwester über einen Schulterblick an.

Chandra kaute auf ihrer Unterlippe und nickte zögerlich.

Rue und Raven starrten ängstlich zwischen der Ältesten und Jüngsten hin und her.

„Dann lasst uns die Sache hypothetisch betrachten!“ sagte Lucine. Sie sah weiterhin in die Nacht.

„Rein hypothetisch… wenn es Samaels Kinder sind, dann haben wir ohnehin keine Chance sie abzuwehren. Dann wären auch die entstandenen Risse in dem Bannkreis von gestern geklärt und wir könnten uns auch die Präsenz erklären. Die Aura die dieser Kerl ausstrahlte war gewaltig, sie war schier überwältigend. Als er mir nur die Hand gereicht hat, hat mich die plötzliche Druckkraft fast zu Boden gedrückt.“ Lucine drehte sich um und sah wie Chandra ruhiger geworden war und Rue und Raven noch ängstlicher aussahen.

„Gut, rein hypothetisch, dann müssten wir diese Auren doch auch gespürt haben!“ sagte Raven.

„Rue hat sie gespürt, zwar nur gestreift aber greifbar!“ sagte Lucine. Raven sah Rue an und diese nickte langsam, traurig – unglücklich.

„Sie war stark – so stark habe ich es noch nie erlebt!“ sagte Rue leise.

Stille.

„Aber wenn wir wirklich davon ausgehen, dass es Samaels Kinder sind, dann haben wir ohnehin keine Chance!“ sagte Raven.

„Richtig, Sister. Aber normalerweise ignorieren Samaels Kinder gewöhnliche einfache Magier – wir sind nicht stark, aber die Kraft die in unseren Adern strömt ist alt – sehr alt. Seit über Jahrhunderten fließt in unserer Familie in der weiblichen Seite Hexenblut. Natürlich wurde es schwächer mit der Zeit, versinkt im Blut der neuen Generationen und kann nicht wirklich vollentwickelt seine Kraft zeigen – es ist leider so. Vor allem als wir geboren wurde, war die Kraft aufgeteilt – auf vier Schwestern!“ sagte Lucine.

Rue, Raven und Chandra blickten starr vor sich hin.

„Wenn sie was von uns wollen, dann muss es einen Grund geben. Samaels Kinder müssen einen Grund haben, einfache Hexen wie uns anzusprechen!“ sagte Lucine bestimmt und hart.

Chandra blickte betrübt drein: „Ja aber warum? Was soll das für ein Grund sein?“

Die Schwestern sahen sich an.

„Tja, Chandra – du hast gerade des Pudels Kern gefunden!“ sagte Lucine kalt.



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