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16

Kapitel 16
 

„Nein, Finn!“
 

„Aber Mom lässt mich Essen stibitzen, wenn sie darauf wartet, dass andere Dinge fertig werden!“
 

„Nein, Finn!“
 

Finn zuckte mit den Schultern, beugte sich einfach über Kurt (schließlich war er ein Riese) und holte sich einen Löffel voll Maccaroni mit Käse.
 

„Geh. Weg. Finn!“ Kurt drückte ihn halbherzig weg, aber beide Junge wussten, dass ihn das nirgendwohin bringen würde. Zumindest nicht bis Kurt ein paar Zentimeter wachsen würde. Er hatte allerdings das Gefühl, dass er schon fast ausgewachsen war.
 

„Alter, ich dachte dein Freund wäre cool, bis ich hoch gegangen bin, um meinen Kram abzulegen.“
 

„Ich rede nicht mit dir.“, sagte Kurt hochmütig und bewegte sich, um ihm den Ellbogen reinzurammen. Finn konnte unerträglich sein, besonders, wenn jemand Abendessen machte. Es war einer vieler Gründe, warum er aufgehört hatte jeden Abend Essen zu machen. Er half natürlich noch immer Carole, aber er war keine geduldige Person, wenn es darum ging, dass Finn sich alle zwei Minuten über ihn beugte und Essen klaute. Geduld war am Ofen erforderlich.
 

„Wusstest du, dass er Katy Perry mag?“, schnaubte Finn, griff hinüber und nahm sich einen weiteren Löffel voll Maccaroni und Käse.
 

„Ekelhaft! Das war in deinem Mund! Und – oh mein Gott, Finn! Du stinkst nach Rauch!“, seine Stimme hob sich und er drehte sich den Kochlöffel erhoben zu Finn um.
 

„Puck raucht jetzt. Er war vorhin in meinem Zimmer.“, sagte Finn mit einer eher ruhigen Stimme, aber der ursprüngliche Ausdruck auf seinem Gesicht verriet ihn. Er sah Kurts ungläubiges Gesicht und ging zurück. „Sag es nicht Mom! Sie wird wieder ausflippen! Nein, wirklich, Kurt, bitte! Das letzte Mal ist sie wegen zwei unterschiedlichen Socken ausgeflippt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es werden würde, wenn sie wüsste – .“ Er sah sich sorgfältig um, um sicher zu gehen, dass seine Mutter nicht den Raum betrat und fügte flüsternd hinzu „– dass ich rauche. Ich weiß nicht was für ein Baby sie kriegt, aber es macht sie verrückt und, Kumpel, ich habe das Gefühl Aliens sind beteiligt.“
 

„Hast du schon mal etwas von Lungenemphysem gehört? Oder Lungenkrebs? Herzversagen? Weißt du wie so etwas dein Footballspiel beeinflussen kann, Finn? Wenn du Rachel schwängerst und Herzversagen kriegst und stirbst, dann wird dein Nachwuchs... oh Gott, ich will nicht einmal über die Kinder nachdenken, die ihr zwei produzieren könntet.“, erschauderte Kurt.
 

„Vertraue mir, dass wird auf keinen Fall passieren. Sie lässt meine Hand kaum – “
 

„Schwuler Junge, Finn. Schwuler Junge. Wenn ich etwas über Heterosex hören wollte, wäre ich hetero.“ Kurt legte seine Hände über seine Ohren und begann zu singen. „Lalalala!“
 

„Uh oh, jemand spricht über Sex.“, sang Blaine, als er den Raum betrat.
 

„Oder dessen Nicht-Vorhandensein.“, murmelte Finn. „Gut, Kurt.“ Als Kurt seine Hände sinken ließ, fuhr er fort. „Aber wirklich, Bruder, was soll ein Junge tun? An diesem Punkt würde ich – .“
 

"Don't cry for me Argentinaaaa, the truth is I never left youuuuuu!" Kurt legte seine Hände wieder über seine Ohren und begann lauthals zu singen.
 

„Nein, wirklich, Blaine, du bist cool – “
 

„Und hundertprozentig schwul. Wenn du wissen möchtest wie du eine Handynummer eines Typen kriegst, ohne es auch nur zu probieren, komm zu mir.“, sagte Blaine schnell, lächelte ihn aber charmant an.
 

„Du kriegst viele Telefonnummern, oder nicht, Blaine?“, gluckste Burt als, er das Haus durch die Tür zur Küche betrat. Er legte seinen ölverschmierten Hut ab und sah nach einem Blick zu Kurt zwischen den anderen beiden Jungs hin und her. „Oh nein, ihr sprecht alle über Sex. Er tut wieder diese Sache. Hey Kind, du verbrennst besser nicht das Essen. Ich hab Hunger.“
 

"I kept my promiiiiise, don't keep your distaaaance.", sang Kurt.
 

“Was auch immer. Wenn du etwas neu machen musst, geh ich zu KFC.“ Burt strich durch Kurts Haar und verließ das Zimmer.
 

„Katy Perry, Alter? Wirklich?”, fragte Finn Blaine ansehend. Seine Stimme sank als Kurt aufhörte zu singen. „Du hast gerade so viele Coolheits-Punkte verloren.“
 

„Ich liebe Katy Perry!“, schnappte Blaine nach Luft. „Wie kann man Katy Perry nicht lieben?“
 

„Kurt mag Katy Perry nicht.“, murmelte Kurt und starrte das Kartoffelpüree an.
 

„Nein, aber du tolerierst sie und dafür bin ich dankbar.“ Blaine ging zu ihm und küsste ihn auf die Wange. „Das riecht wunderbar.“
 

„Danke. Und jetzt erzähl Finn bitte, warum er aufhören muss zu rauchen, Blaine. Er sieht es nicht ein.“ Kurt drehte sich um und küsste ihn schnell, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem Essen schenkte.
 

„Ah, du machst Kartoffelpüree! Super! “, grinste Blaine „Ihh, Erbsen“
 

"Dad mag sie, weshalb auch immer. Jetzt, red bitte mit Finn. Er denkt, dass du cool bist, vielleicht hört er auf dich.“
 

„Er weiß es bereits, Bruder.“ Finn steckte seine Hände in die Jeanstaschen.
 

„Was?“ Kurt legte den Löffel hin und drehte sich um, um Blaine anzusehen.
 

„Eigentlich.“, sagte Blaine, streckte den Arm aus und stellte den Ofen ab. „Habe ich es vergessen.“
 

„Wie kannst du vergessen, dass jemand sich umbringt?“, fragte der Jüngste ungeduldig. Blaine presste seine Lippen zusammen und antwortete nicht. Kurt wusste, dass das hieß, dass es etwas mit seinem Angriff zu tun hatte und bohrte nicht weiter nach. Stattdessen fügte er hinzu: „Kannst du mit ihm reden? Sonst muss ich es Carole sagen und nach dem Fenstervorfall letzte Nacht möchte keiner von uns sie aufregen.“
 

„Fenstervorfall?“, fragte Finn.
 

„Ich habe aus Versehen mein Autofenster einen Spalt offen gelassen und es hat geregnet.“, zuckte Blaine mit den Schultern. „Anscheinend war es sehr unverantwortlich und ich hab deshalb verabsäumt auf meine Dinge auf zu passen. Ich kann noch immer nicht glauben, dass sie mich ausgeschimpft hat. Ich habe mich wieder wie sieben gefühlt. Burt hat versucht ihr zu sagen, dass es mein Auto sei und ich machen könnte was ich wollte, doch – .“
 

„Doch es ist eine gute Sache, dass Dad keinen Handabdruck mehr auf seinem Gesicht trägt, weil die Arbeit ansonsten sehr interessant gewesen wäre.“, flötete Kurt und drückte Blaine sanft weg. „Ich muss das Hähnchen aus dem Ofen holen, rutsch rüber.“
 

„Ja, Sir.“ Blaine ging seinem Freund aus dem Weg und versuchte sehr hart nicht daran zu denken wie seine Hose seinen Hintern umspielte, als er sich vorbeugte um das Hähnchen aus dem Ofen zu holen.
 

Finn setzte sich, als Carole hereinkam, auf der Theke. Ihre Augen verengten sich. „Finn Hudson! Warum sitzt du auf der Theke?“
 

„Oh Gott, nicht schon wieder.“, stöhnte Finn als er von der Theke sprang. „Bitte Mom, schrei nicht wieder mich an. Schrei Kurt an! Schau, sein Schuh ist offen. Ist das nicht super gefährlich? Das ist total gefährlich, Mann.“
 

„Versuche nicht, das auf Kurt zu schieben! Weißt du wie viel diese Theke kostet? Wir bezahlen noch immer dafür!“
 

„Entschuldige Mom.“ Finn steckte seine Hände in die Taschen und sah sie beschämt an.
 

Carole sah ihn böse an und ging dann zu Kurt. „Danke, dass du das Abendessen machst, Schätzchen. Das sieht wirklich lecker aus.“
 

Kurt lächelte sie an. „Ich denke es wäre gut, wenn ich wieder anfange zu kochen. Ich hab das Gefühl, dass ich das im Juni sehr oft machen werde.“
 

„Ich kann nicht glauben, dass es bereits Mitte März ist.“, seufzte sie und strich durch Blaines Haar. „Ihr zwei werdet bald ausziehen.“
 

„Hey, ich bin schon ausgezogen!“, runzelte Finn die Stirn.
 

„Ja, aber dein College ist zwanzig Minuten entfernt, Finn und du kommst immer nach Hause wenn du nichts zu tun hast, dass Football betrifft. Kurt wird zwei Stunden entfernt sein und wir werden ihn nicht zu Gesicht bekommen. Oder Blaine.“
 

„Oh, ihr werdet uns sehen.“, versicherte ihr Blaine. „Ich denke Burt würde Kurt nicht gehen lassen, wenn er sich nicht sicher wäre, dass wir mindestens ein Mal die Woche hierher zurückfahren würden.“
 

„Seid ihr euch sicher, dass ihr nicht zur OSU gehen wollt? Sie ist in Lima und ihr könnt zu Hause leben, nicht arbeiten, Geld sparen...“ Diese Frage wurde in den letzten Wochen immer öfter gestellt. Und es wurde noch öfter gefragt, seitdem die beiden zu dem Katy Perry Konzert gefahren waren und in einem Hotel übernachtet hatten – weil Burt nicht wollte, dass sie so spät noch zurück fuhren. Carole mochte das Haus schon nicht, ohne einen der drei, aber wenn sie alle weg waren, war das schrecklich.
 

„Carole.“, sprach Kurt mit sanfter aber strenger Stimme. „Wir sind sicher, dass wir nicht zur OSU gehen wollen. Blaine liebt die UK. Er mag sein Englischprogramm, er hat Freunde gefunden und er hat bereits zwei Jobs, die auf ihn warten. Und ich studiere Modedesign. Das kann ich nicht an der OSU und die CCAD ist das nahste College, dass mir genug Praxis bietet um es in der Zukunft zu schaffen.“
 

Carole seufzte. „Ich mag es nicht, dass ihr zwei so weit weg sein werdet. Ihr seid beide so winzig. Was wenn etwas passiert?“
 

„Ich bin ein exzellenter Kicker.“ Blaine lächelte sie bezaubernd an.
 

Sie rollte mit den Augen und strich wieder durch sein Haar. „Du bist zu bezaubernd, Blaine. Hat dir das schon einmal jemand gesagt?“
 

„Hey, Mom, das ist nicht fair!“, runzelte Finn nur noch mehr die Stirn. „Vor einer Minute warst du total gemein zu mir und dann gehst du rüber zu den kleinen Jungs und bist total nett!“
 

„Tja, Finn.“, starrte Carole ihn an. „Vielleicht bin ich auch netter zu dir, wenn deine Literaturnote sich verbessert.“
 

„Es ist nur Literatur. Bücher und Essays sind sowieso dumm.“, murmelte Finn.
 

Blaine Mund öffnete sich und seine Augen weiteten sich. „Was hast du gerade gesagt?“
 

„Dass Essays dumm sind?“
 

„Finn, weißt du was Blaines Hauptfach ist?“, fragte Kurt süß als er auf seinen Zehenspitzen in den Schrank griff und fünf Teller vom zweiten Regal nahm. Dieses Gespräch würde so gut werden.
 

Finn zuckte mit den Schultern. „Musical Theater oder so? Ich weiß es nicht.“
 

„Englisch, eigentlich. Jetzt kannst du dich auf einen Monolog über die 100 Gründe, warum Literatur so wichtig ist, vorbereiten. Du machst es dir lieber bequem, es ist ein sehr langer Monolog. Frag einfach Wesley.“ Kurt strahlte, als er die fünf Teller auf den Tisch stellte und Blaine anfing zu reden.
 

"Literatur ist ein Weg Kultur zu gewinnen und das Leben zu bereichern, Finn! Sie ist extrem wichtig! Sie gibt dir einen besseren Sinn für Vorstellungskraft, lässt deine Argumente in Gesprächen besser klingen, sie erweitert dein Wissen über Dinge um dich herum – wie Kultur und Politik und Menschenrechte und alles! Sie hilft dir, Verbindungen mit dem Rest der Welt einzugehen auf Arten, die du sonst nie erreichen könntest! Literatur lässt dich Dinge aus anderen Perspektiven sehen und sorgt für Toleranz – “
 

Als Blaine weitersprach, zählte Kurt die Punkte an seinen Fingern ab. Finn starrte ihn bloß an, als ob er keine Ahnung hätte wovon der Junge sprach. Allerdings hätten außer Kurt die meisten Jungs Probleme ihn zu verstehen, wenn er so leidenschaftlich über Dinge sprach. Nicht einmal Carole hatte Blaine zuvor in so einer erhitzten Diskussion erlebt. Das war etwas worauf Kurt stolz war, dass er Blaine in diesen Momenten verstand. Ganz davon abgesehen, dass etwas daran, wie er wild mit den Händen gestikulierte, wenn er aufgeregt war, wirklich extrem sexy war.
 

„Und Toleranz, stoppt in unserer Gesellschaft solche Dinge, wie sie mit Kurt passiert sind. Toleranz könnte Kriege verhindern, Finn. Literatur hilft uns mit den Dingen um uns herum klar zu kommen. Literatur zu untersuchen, macht dich zu einem besseren Schreiber, Redner und Denker! Ohne sie gäbe es keine Einsicht oder Verständnis der... der menschlichen Natur! Umso mehr du verstehst, umso mehr weißt du! Wie kann das nicht wichtig sein?“
 

„Du sagst also, dass mein Buch schlimme Dinge davon abhält zu passieren?“, fragte Finn skeptisch.
 

„Nicht das Buch an sich, aber was das Buch erschafft. Es ist Grund und Effekt!“
 

“Klingt er nicht klug?“, sagte Kurt stolz und drückte Blaine sanft in Richtung Tisch.
 

Blaine fuhr mit seiner Verteidigungsrede fort, als er hingesetzt wurde. „Weißt du warum ich klug klinge, Finn? Ich lese. Ich lese Bücher mehrfach. Und wenn ich nicht weiß was etwas bedeutet, schlage ich es nach. Und lese ein Essay darüber. Siehst du? Literatur ist wichtig.“
 

Carole setzte sich neben ihn und klopfte ihm auf die Schulter. „Siehst du Finn? Du solltest versuchen dich in deinem Kurs zu verbessern. Blaine hat das sehr deutlich gemacht.“
 

„Entschuldige.“, murmelte Blaine, plötzlich beschämt über seinen Ausbruch. Er beschäftigte sich selbst mit dem Trinken seines Wassers als Kurt einen Teller vor ihn stellte. „Danke.“
 

„Entschuldige dich nicht, es ist süß!“ Kurt küsste seine Wange. „Ist er nicht süß?“
 

„Sehr süß.“, nickte Carole und Burt grunzte nur.
 

“Nein, wirklich. Was ist los mit dir Hast du eine Störung?“
 

Kurt stellte zwei weitere Teller hin, hob seine Augenbraue und setzte sich schließlich neben Blaine. „Störung?“
 

„Mann, du weißt schon, das Eine, wo man verschiedene Personen ist?“
 

Die Tür klingelte und Burt stand schnaubend auf. „Ich denke du meinst Multiple Persönlichkeitsstörung, Kind. Ich geh schon.“
 

„Ja, das. Hat zum Beispiel das sportliche Du einen anderen Namen? Welcher ist Blaine?“
 

„Finn, er hat keine Multiplen Persönlichkeiten. Nur weil er nicht zu deinen Stereotypien passt, heißt das nicht – “, begann Kurt, wurde aber unterbrochen.
 

„Kurt, ich brauch dich hier draußen!“
 

„Mercedes muss hier sein wegen den 20 Dollar, die ich ihr schulde. Ich bin gleich zurück.“ Kurt stand auf und ging rufend in die Küche. „Beleidige nicht meinen Freund, während ich weg bin, Finn!“
 

Er betrat das Wohnzimmer und sah seinen Dad und zwei ihm bekannte Polizisten. Seine Handflächen begannen sofort zu schwitzen, sein Herzschlag wurde schneller und das Atmen etwas schwerer.
 

„Hi, Kurt.“ Der Größere der Beiden begrüßte ihn mit einem Nicken. „Wie geht es dir?“
 

„Uhm... gut.“, murmelte Kurt und sah ängstlich zu seinem Vater. Er war sehr dankbar als sein Vater seine Schulter drückte und dicht bei ihm stand. Wie hatte er all die Wochen so gemein zu seinem Vater sein können? Er hatte wirklich den besten Vater der Welt.
 

„Du möchtest dich vielleicht setzen, Kurt.“, sagte der Polizist freundlich.
 

Kurt holte tief Luft und sprach mit einer überraschend festen Stimme: „Mir geht es gut. Was brauchen sie?“
 

Burt drückte wieder seine Schulter.
 

„Es... ist wegen der Verhandlung. Du musst nicht aussagen, Kurt.“
 

Kurt seufzte erleichtert.
 

„Gott sei Dank.“, auch Burt seufzte. „Gott sei Dank.“
 

„Da ist noch... etwas. Es ist wegen dem Jungen, der direkt nach dir angegriffen wurde, Kurt. Er... ist letzte Nacht gestorben.“
 

Kurts Magen drehte sich um und Burts Hand drückte auf ein Mal seine Schulter so hart, dass es schmerzhaft war. Jede Erleichterung verließ sofort seinen Körper und er fühlte sich als könne er nicht atmen. „Ich muss mich setzen.“
 

„Carole, bitte komm hier her!“, rief Burt und führte Kurt zur Couch. „Alleine!“
 

Carole rauschte hinein. „Was um Himmels Willen ist los – Kurt? Geht es dir gut?“
 

„Dieser Junge. Er ist gestorben.“, sagte Burt mürrisch, als Kurt bloß ausdruckslos geradeaus starrte.
 

Carole setzte sich sofort neben Kurt und zog ihn nahe zu sich. „Oh, Schatz... Schätzchen.“, flüsterte sie, sein Haar streichelnd.
 

“Was... was heißt das für...“, begann Burt, aber er wusste nicht wie er den Satz beenden sollte. Er fühlte sich plötzlich überfordert. Die Leute, die seinen Sohn verletzt hatten, hatten jemanden getötet. Was, wenn Kurt derjenige gewesen wäre, der gestorben wäre nach einigen Monaten an lebenserhaltenden Maschinen?
 

„Mom, was ist los?”, rief Finn besorgt aus der Küche.
 

„Nicht jetzt, Schatz!“, rief Carole zurück.
 

„Ich möchte zu Blaine.“, flüsterte Kurt mit heiserer Stimme. „Kann... ich... Ich hole Blaine und etwas... etwas Wasser oder so. Okay?“
 

Carole sah zögerlich zu den Polizisten, aber der Mann nickte, also nickte sie ebenfalls. „Geh, Schätzchen.“
 

Kurt stand auf und ging mit Beinen, die sich wie Wackelpudding anfühlten in die Küche. Er brauchte bloß eine Umarmung und alles würde gut werden. Er wollte Blaine neben sich spüren, die Arme um ihn geschlungen und er würde sich sicher fühlen. Er brauchte nicht weit zu gehen, weil Finn und Blaine bereits in der Tür standen.
 

„Kurt, was ist los? Kurt?“, fragte Blaine mit blassem Gesicht.
 

„Kannst du mir Wasser holen, Finn?“, murmelte Kurt und warf sich in Blaines Arme.
 

„Kurt, Baby... was ist los?“ Blaines Stimme war nun voller Sorge, als er seinen festen Freund umarmte.
 

Kurt wusste nicht, wie er in diesem Moment sprechen sollte. Er dachte zurück an jeden Moment mit Blaine seit seinem Angriff, alles was ihn stärker gemacht hatte und wie glücklich er war, diese gehabt zu haben. Er klammerte sich an Blaine, zitternd aber noch nicht weinend. Er atmete den Geruch seines Freundes ein. Schokolade, natürlich – und klammerte sich noch fester an ihn und murmelte: „Schokolade hat noch nie so gut gerochen.“
 

Finn sah Blaine besorgt an, als Kurt die Tränen nicht länger bekämpfen konnte und zu weinen begann, keuchend und alle möglichen Wörter murmelnd, die keiner der beiden Jungs verstehen konnte.
 

„Kurt, Kurt... Kurt, beruhige dich und rede mit mir.“, flüsterte Blaine ihn schaukelnd. „Was ist los? Geht es dir gut?“
 

Kurt löste sich aus der Umarmung und rieb seine Augen, sehr schnell seine Gelassenheit zurück gewinnend. Es machte Blaine nervös. Kurt nahm sein Wasser und ergriff Blaines Hand mit seiner Freien und zog ihn ohne ein Wort ins Wohnzimmer. Finn folgte ihnen, er sah verwirrter aus als sonst. Carole öffnete ihre Arme und Kurt setzte sich auf seinen vorherigen Platz, erlaubte es ihr, in die Umarmung gezogen zu werden. Es war okay. Alles war gut. Er war in seinem Haus, mit seiner Familie und zwischen seiner Stiefmutter und seinem Freund. Es ging ihm gut. Er fuhr fort, sich das einzureden und fühlte sich ein wenig besser. Er war okay. Er war okay.
 

Die drei haben freiwillig auf Todschlag und damit auf eine geringere Strafe plädiert. Sie werden zwei bis zwanzig Jahre im Gefängnis verbringen.”, sagte einer der Polizisten als Caroles Arme sich um ihn schlangen.
 

„Warte, ihr sagt mir, dass sie eine längere Strafe gekriegt hätten bevor der Junge gestorben ist?“, sagte Burt laut.
 

Blaine schnappte nach Luft und sah zu Kurt. Seine haselnussbraunen Augen waren geweitet und sein Mund klappte auf. Dann legte er eine Hand auf Kurts Bein und drückte es, geradeaus starrend. Kurt hatte das Gefühl, dass er dasselbe dachte wie er, vor der Umarmung. Was wenn Kurt gestorben wäre und sie sich nicht so nahe gekommen wären? Was für ein Leben wäre das für Blaine gewesen?
 

„Das... Das ist worauf... es hinaus laufen könnte.“, sagte der Mann langsam.
 

„Sie haben eine Jungen umgebracht.“, sagte Burt langsam. „Warum würde irgendein Richter das zulassen? Das ist nicht richtig.“
 

„Ich verstehe ihre Gefühle, aber sie müssen es in einem größeren Zusammenhang sehen. Natürlich werden der Fall ihres Sohnes und die anderen in Betracht gezogen... doch...“
 

„Aber da es normalerweise schwule Jungs sind, interessiert es sie nicht? Ist es das was sie sagen wollen? Sie wollen ihnen die mildeste Strafe geben die möglich ist, da die Kinder es verdient hatten? Nein, mein Sohn hatte es nicht verdient!“ Der Mann zeigte auf Kurt. „Sieht er so aus, als hätte er es verdient fast zu sterben, nur weil er zu seinem verdammten Auto gegangen ist?“
 

„Das hab ich nicht gesagt.“, sprach der Polizist sehr ruhig. „Ich sage bloß, dass der Mord der Fall ist, der am meisten in Betracht gezogen wird.“
 

„Das ist verrückt. Sie sagen mir, dass die Männer, die das getan haben, nach zwei Jahren schon wieder aus dem Gefängnis kommen könnten?“
 

„Mit den sich addierenden Strafen, wird es mehr sein. Ohne Zweifel.“, unterbrach der andere Polizist. „Diese zusätzlichen Strafen werden schon noch verhängt werden."
 

“Ja, was ist die Mindeststrafe dafür?”
 

„Fünfzehn Monate für jeden.“
 

„Unglaublich.“, begann Burt hin und her laufend, seine Hände zu Fäusten geballt. „Also sagen sie mir, dass sie zwei Jahre bekommen, für den Mord und fünf weitere für den Angriff auf Kurt und die restlichen Drei? Das sind sieben Jahre. Das ist nicht genug. Denn dann gibt es noch frühere Entlassung wegen guter Führung und – .“
 

“Burt, bitte.“, sagte Carole mit beschwichtigender Stimme und schaukelte Kurt, der sehr leise war.
 

„Nein, Carole! Das ist nicht genug für das, was sie getan haben! Er hätte sterben können, wenn das Mädchen ihn nicht gefunden hätte! Das hätte mein Sohn sein können!“
 

Carole stand seufzend auf. Kurt beugte sich zu Blaine, er brauchte ihn, als Carole seinen Vater aus dem Zimmer drängte. Sie hörten gedämpftes wütendes Geflüster aus der Küche. Die Tatsache, dass sein Vater nicht im Raum war, machte ihn ein wenig nervös, aber Blaines Hand, die seinen Rücken hinauf und hinunter strich, nahm ihm ein wenig sie Angst. Blaines Herz schlug wild und Kurt fühlte sich deshalb zusätzlich schuldig. Er wollte nicht, dass Blaine sich schon wieder aufregte oder aufgebracht war wegen ihm.
 

Finn setzte sich auf Kurts anderer Seite auf den Platz seiner Mutter und tätschelte seine Schulter. Schließlich kamen ihre Eltern zurück ins Zimmer, aber Burt sah kein bisschen weniger wütend aus. Trotzdem fühlte sich Kurt besser und ruhiger, wenn sie im Zimmer war.
 

„Also sagen sie mir, dass sie für sieben Jahre ins Gefängnis kommen könnten?“
 

„Mindesten sieben höchstens achtzig.“, sagte der Polizist ruhig.
 

„Was ist realistisch?“, drängte Burt.
 

„In zwei Fällen mussten die Kinder nicht einmal in ein Krankenhaus. Kurts Fall wird großen Einfluss haben, genauso wie der Junge, der starb. Das andere Kind hatte einen gebrochenen Arm und ein, zwei Arztbesuche. Realistisch gesehen... nicht mehr als zwölf.“

Blaine begann Kurt zu schaukeln, da seine Hände sich ballten und er nicht weiter seinen Rücken streicheln konnte. Kurt machte Geräusche des Protests, sprach aber noch immer nicht.
 

„Warum muss man dann vor Gericht gehen? Wenn die Strafe dem Verbrechen nicht angemessen ist?“, fragte Blaine leise, aber Bitterkeit war in seiner Stimme zu vernehmen. „Wegen des Geldes, das in den Fall investiert wird. Realistischerweise haben sie vor den Angriffen nie etwas getan. Also kommen sie früher raus. Oder sie kriegen Bewährung. Kein Schaden, keine Straftat, richtig? Oder sie finden einen Weg, die anderen Fälle herunter spielen. Kurt ist einfach gegen den Pfahl gelaufen oder gegen das Knie, dass seine Rippe in seine Lunge getrieben hat. Das Mädchen hat sie provoziert, als sie sie angriffen. Das Kind mit dem gebrochenen Arm hielt seinen Arm komisch als sie ihn beim Vorbeigehen aus Versehen anstießen. Die anderen Kinder interessieren sie nicht, weil sie nicht im Krankenhaus waren. Warum die Familie das alles durchmachen lassen für nichts? Man lässt die anderen Vorwürfe fallen, klagt sie an wegen Mord an einem unschuldigen Fünfzehnjährigen und dann landen sie zwei Jahre im Gefängnis. Was soll das bringen?“
 

Keiner sprach für einige Minuten, aber Kurt setzte sich gerade auf und holte tief Luft. „Das ist dumm. Das ist so dumm.“
 

„Was machen wir jetzt, Officer?“, fragte Carole und streichelte Kurts Haar.
 

„Die Klagen werden einzeln eingereicht, aber alle Verurteilungen werden gemeinsam erteilt.“, sagte der kleinere Polizist. „Sie müssen Klage einreichen, wenn die Kurts Arztkosten erstattet bekommen wollen und eventuell auch Schmerzensgeld."
 

“Oh, das werden wir. Machen sie sich keine Sorgen.“, grummelte Burt. „Ist das alles?“
 

„Weil sie von sich aus darauf plädiert haben, wird niemand aussagen müssen, aber sie werden wegen allen fünf Punkten vor den Richter gestellt. Es ist... geöffnet für die Öffentlichkeit. Es wird am siebten Juni sein.“
 

Der siebte Juni war der Tag, an dem sie nach Cincinnati ziehen würden, weil Blaines Kurse am zwölften begannen. Natürlich musste der Angriff, der letzten Oktober passiert war, einen Dämpfer darauf setzen. Es schien immer wieder zurück zu kommen und sie heim zu suchen.
 

„Gut. Vielen Dank.“, sagte Burt wütend und hielt ihnen die Tür auf. Er schloss sie lauter als nötig und stürmte dann davon. Carole fuhr fort Kurts Haar zu streichen als sie seine Wange küsste . Blaines Arme waren eng um ihn geschlungen und er klopfte immer wieder seinen Rücken. Finn starrte bloß vor sich hin, die Zähne zusammen gebissen und aus dem Fenster sehend, als die Polizisten davon fuhren.
 

“Oh Kurt, komm her!“, sagte Carole schließlich, Tränen füllten ihre Augen. Kurt stand auf und ließ sich in eine feste Umarmung ziehen, ihr Babybauch war ein wenig im Weg. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht, Schatz. Ich bin so froh. Und du gehst so gut und erwachsen damit um, Süßer. Gott sei Dank geht es dir gut.“
 

Kurt wollte sagen, dass er nicht fand, dass er erwachsen damit umging. Denn jetzt wünschte er sich, dass sein Vater zurückkäme. Er erwiderte langsam die Umarmung, vorsichtig um nicht gegen ihren Bauch zu drücken und seufzte leicht.
 

„Wirklich. Du machst das wunderbar.“, flüsterte sie, seinen Rücken reibend. „Wie fühlst du dich?“
 

„Ich... ich... es ist einfach nicht fair.“, sagte er schließlich sanft und hob seinen Blick um Blaine anzusehen. Blaine sah ihn ebenfalls an und lächelte schwach und ziemlich gezwungen. Er erinnerte sich wage an diesen Ausdruck letztes Jahr, als er im Krankenhaus gewesen war. Er hasste das falsche Lächeln. Er hätte es, um ehrlich zu sein, lieber, wenn Blaine ihn ausdruckslos anstarren würde.
 

„Es ist jetzt vorbei. Du musst nichts tun, Kurt. Du musst nicht aussagen.“, flüsterte sie sie beide leicht schaukelnd. „Es ist jetzt alles vorbei.“
 

Kurt starrte zu Blaine, und kaute auf der Innenseite seiner Wangen herum.
 

Es ist jetzt vorbei.
 

Aber war es das wirklich? Kurt hatte nicht das Gefühl, dass das hier ein Abschluss war. Er war nicht erleichtert, weil er nicht aussagen musste. Vielleicht wollte ein Teil von ihm, ein sehr kleiner Teil, den Männern in die Augen sehen, die ihn fast getötet hatten. Und gerade vor ihnen stehen um ihnen zu zeigen, dass sie ihn gebrochen hatten, ja, doch dass er noch immer ziemlich heil war. Vielleicht wollte er ihnen in die Augen sehen, wenn er dem Richter sagte, was sie ihm angetan hatten.
 

So sehr Kurt das auch fürchtete und obwohl er hören wollte, dass er nicht aussagen müsste... vielleicht wollte er es. Zumindest wollte er auf keinen Fall so die Nachricht bekommen. Es wäre ihm lieber, wenn der Junge leben würde und er aussagen müsste, als dass der Junge starb und er nicht aussagen müsste. Es war schwer zu glauben, dass der Junge gestorben war. Kurt hatte gehofft, dass der Junge einfach eines Tages aufwachen würde und die zweite Chance bekommen würde, die Kurt gekriegt hatte... Es war nicht fair, dass ein Junge eine zweite Chance bekam, ein junger Erwachsener, aber ein Teenager musste sterben. Er hatte mehr gelebt, mehr gesehen... es erschien ihm einfach nicht fair.
 

„Oh, Kurt.“ Carole begann gegen seine Schulter zu weinen. Er konnte ihre Schultern zittern fühlen. „Du armer, toller, süßer Junge. Ich f-fühle mich schrecklich das zu sagen, aber ich b-bin froh, dass du es nicht warst!“
 

„Mir geht es gut.“, flüsterte Kurt und umarmte sie ebenfalls. „Mir geht es gut.“ Umso öfter er es sagte, desto besser fühlte er sich. Es zu sagen, gab ihm Kraft. Dann erinnerte er sich daran, dass sie schon in zwei Jahren wieder aus dem Gefängnis kommen könnten und all diese Sicherheit verschwand wieder.
 

Sie standen für einige Minuten so dort, bis Carole sich schließlich löste. Sie berührte seine Wange und schniefte, mit geschwollenen Augen. „Kurt, wenn du reden möchtest, ich bin hier, dass weißt du, Schatz. Und dein Vater, Finn und Blaine.“
 

“Ich weiß“, nickte Kurt. „Ich verspreche es. Ich werde reden.“
 

Sie drückte seine Schulter und nickte. „Okay. Okay. Jetzt, müssen wir alle essen. Wir werden das Essen in der Mikrowelle aufwärmen. Ich hole deinen Vater.“
 

Kurt nickte und holte tief Luft, als Carole den Raum verließ. Blaine rannte zu ihm, schlang seine Arme um Kurt und legte sein Gesicht an Kurts Schulter.
 

„Oh mein Gott, oh mein Gott.“, flüsterte er immer wieder, während er den jüngeren Jungen an sich drückte. „Ich liebe dich so sehr, Kurt. Bitte vergiss das nie.“
 

“Das werde ich nicht.“, versprach Kurt und erwiderte die Umarmung genau so fest.
 

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„Blaine?“ Kurt kam später am Abend in ihr Schlafzimmer, nachdem er geduscht und sich eingecremt hatte. Er hatte sich mehr Zeit genommen, als unbedingt nötig, weil er über die Verhandlung nachgedacht hatte und wie nervös ihn all das machte. Gleichzeitig war er verdutzt von seiner Reaktion. Vor etwas mehr als einem Monat, als er herausgefunden hatte, dass seine Angreifer gefasst wurden, war er leicht zusammengebrochen. Er hatte geweint, sich stundenlang an Blaine geklammert, er war untröstlich gewesen und er hatte auf Blaine gezählt, das dieser ihm sagte, was er tun sollte.
 

Dieses Mal war es allerdings etwas anders. Kurt hatte nur einmal geweint und er dachte, dass das eher am Schock über die Nachricht lag, als an der Angst. Nachdem er getröstet worden war, war er okay gewesen. So okay wie man unter diesen Umständen sein konnte. Er hatte das Gefühl, dass es ihm besser gehen würde, wenn nicht alle um ihn herum sich so verhalten würden, als ginge die Welt unter. Ja, dieses Mal war ganz anders. Er hatte einige Fragen, jede komplizierter als die andere und er fühlte sich, als würde er zwischen einem Stein und einem harten Platz feststecken. Aber er bettelte nicht darum, dass sein Partner ihm sagte was er tun sollte. Er dachte selbst darüber nach, ruhig und für sich in seinem Badezimmer. War das ein wenig zermürbend? Ja, weil er monatelang mit jedem kleinsten Problem zu Blaine gerannt war. Dieses Mal fühlte er sich allerdings, als ob er seine eigene Entscheidung treffen musste. Er wollte Sicherheit, doch er wollte es so erwachsen wie möglich behandeln. Schließlich war das doch der Punkt in dem Gespräch mit seinem Vater gewesen, dass er erwachsen werden müsste? Nun respektierte er das und versuchte es. Weil er erwachsen werden musste.
 

Sobald er ins Zimmer kam, sah er, dass das Licht noch immer an war – es war erst knapp neun Uhr – aber Blaine war mit seinem Laptop im Bett und starrte ausdruckslos auf den Bildschirm. Er konnte, seinem Ausdruck nach zu urteilen, nicht darüber nachdenken, was er tippen sollte, er war zu steif. Kurt fühlte sich schlecht, ihn so emotionslos zu sehen, weil er wusste, dass das hieß, dass Blaine wahrscheinlich sehr aufgebracht war. Aufgebracht oder wütend. Er versuchte immer noch herauszufinden, was diese Gesichter bedeuteten. „Ich dachte, du wolltest einen Aufsatz schreiben.“
 

„Ich kann mich nicht konzentrieren.“ Blaine schloss seinen Laptop und gab ein frustriertes Seufzen von sich. Er schüttelte seinen Kopf, während seine Mimik von ausdruckslos zu wütend wechselte. Diesen Blick konnte man nicht missverstehen. Die letzten drei Stunden waren für alle in diesem Haus schwer gewesen. In einer Minute war alles okay und im nächsten Moment sahen sie aufgebracht oder wütend aus. Die Stimmungsschwankungen waren drastisch – besonders bei Finn, der in einem Moment über seinen Cartoon lachte und im nächsten seine Schuhe oder Rucksack mit verengten Augen durch die Gegend trat. Nun, fast jeder. Sein Vater war der einzige, der keine Stimmungsschwankungen erlebte. Seine Stimmung war die ganze Zeit gleich schlecht und würde wahrscheinlich auch noch am nächsten Tag so bleiben.
 

Burt war der einzige, der eine ständige Emotion hielt- und diese war Mürrisch. Der einzige Moment, in dem sie für ein paar wenige Minuten sanfter wurde, war, als Kurt während sie die Nachrichten über den toten Jungen sahen seinen Kopf auf die Schulter seines Vaters legte. Burt schlang einen Arm um seinen Sohn, zog ihn nahe zu sich und küsste kurz seine Stirn. Danach legte er sein Kinn auf Kurts Kopf und starrte auf den Fernsehbildschirm, bis er schließlich ging um nach Carole zu sehen, für die das alles etwas zu viel Stress war für einen Tag und die verständlicherweise ins Bett gegangen war. Die Tatsache, dass ihre Morgenübelkeit sich in Morgen-, Mittag- und Abendübelkeit verwandelte, half auch nicht.
 

„Ich bin so sauer…“, fuhr Blaine fort seinen Kopf zu schütteln. „So sauer.“
 

„Blaine?“, fragte er wieder leise, krabbelte auf das Bett und setzte sich neben ihn. Er zögerte sich ihm zu nähern, da er wusste, wie Blaine werden konnte, wenn er wütend war, aber gleichzeitig meinte er, dass er seinen Freund lieber ablenken sollte, bevor er noch wütender wurde. Außerdem wollte er wirklich seine Gefühle mit dem Jungen diskutieren. Es war nicht so, dass er Input wollte oder so. Er wollte bloß die Möglichkeit haben zu reden. Wenn Blaine ihm Feedback anbot, gut. Wenn nicht war das auch okay, da er nicht danach suchte.
 

„Ja?“ Blaine sah ihn an, haselnussbraunen Augen trafen Blaue.
 

Kurt presste seine Lippen zusammen und sah hinunter, plötzlich unsicher, ob er wirklich sagen sollte, worüber er nachdachte. Er war sich nicht sicher, wie Blaine reagieren würde und er war sich auch nicht sicher, ob es das war, was er wirklich empfand. Aber dann entschied er ‚pfeif drauf‘ und hob seinen Kopf. Er würde sich erwachsen verhalten. Zumindest würde er es versuchen. „Blaine… meinst du… dass ich hingehen sollte?“
 

„Wohin gehen?“
 

„Die Verhandlung. Die Anhörung. Die Sache. Meinst du ich sollte gehen?“, wiederholte er. Seine Stimme zitterte leicht, aber zumindest hatte er die Frage gestellt, die zu dieser Diskussion führen würde. Es war viel besser, als es für sich zu behalten und sich selbst später davon kaputt machen zu lassen.
 

„Natürlich nicht. Du wolltest erst nicht aussagen. Warum solltest du?“
 

Kurt lehnte sich zurück gegen das Kopfteil, zog seine Knie zu seiner Brust, und legte sein Kinn darauf ab. „Weil ich… denke, dass ich es möchte.“
 

Blaines Antwort kam sofort und scharf. „Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist, Kurt.“
 

Kurt ärgerte es, dass Blaine die Idee so schnell verurteilte. Schließlich betraf es ihn und nicht Blaine. Er machte ein Gesicht, dass Blaine sich sofort leicht schuldig fühlen ließ und dann fragte er die Frage, die ihn wirklich beschäftigte. „Wie soll ich mich jetzt fühlen? Soll ich mich freuen, dass das Kind tot ist und ich nicht aussagen muss? Erleichtert? Soll ich weinen, obwohl ich ihn nicht kenne? Soll ich einfach sagen ‚Okay, das ist erledigt, nächster Schritt: Abschluss‘? Soll ich damit einverstanden sein, dass sie vielleicht nur für zwei Jahre ins Gefängnis gehen? Soll ich teilweise wütend sein, so wie du und Finn oder ständig wütend wie Dad? Bin ich nur geschockt?“ Er holte tief Luft. „Ich weiß nicht, was ich tun soll, Blaine. Ich… ich weiß nicht, was ich denken oder fühlen soll.“
 

Blaine nahm seine Hand und sein Ausdruck wurde sanfter. „Ich weiß auch nicht was ich denken soll…“
 

Kurt hatte Probleme Worte zu finden, aber er fühlte sich besser, weil Blaine seine Hand fest hielt. Er fühlte sich fast sicher. Er versuchte seine Gefühle zu erklären, aber er war sich selbst nicht sicher was genau er fühlte. „Ich fühlte keinen Abschluss… Ich fühle mich als…“ Er drückte Blaines Hand und sah zur Tür. „Ich weiß nicht was ich fühle, aber… aber ein Teil von mir möchte sie sehen. Auch wenn sie nur für zwei Jahre ins Gefängnis gehen… Ich möchte sie einfach… sehen. Blaine, ich weiß es einfach nicht. Ich weiß es nicht. Warum weiß ich es nicht?“
 

Blaine rutschte näher und schlang seine Arme um ihn. „Ich weiß es nicht, mein Liebster.“, wisperte er. „Aber wenn… wenn du sie wirklich sehen willst, wenn sie ihre Strafe bekommen… dann solltest du es. Auch wenn ich nicht denke, dass das die beste Idee ist. Ich habe Angst, dass deine Albträume zurückkommen. Du hast mehrfach gesagt, dass du ihre Gesichter nicht sehen möchtest, Kurt. Ich denke nicht, dass du das einfach ignorieren solltest.“
 

Kurt sprach sehr langsam und ruhig. „Sie haben mich fast getötet… Ich wurde wegen ihnen zwei Mal operiert. Ich habe fast die Hälfte meines Senior-Jahres verpasst. Manchmal habe ich noch immer Schmerzen in der Brust, wenn ich mich zu schnell aufsetze. Sie haben mir das angetan. Sie haben mir all das getan. Und… und ich möchte ihnen gegenüber stehen und ihnen zeigen – und mir selbst – dass sie mir nicht alles wegnehmen können… Sie haben mir genug genommen, Blaine, und ich möchte sehen, wie sie dafür bezahlen, was sie getan haben. Auch wenn sie nur zwei Jahre kriegen, ich möchte… es sehen. Und ich möchte, dass sie sehen, dass... Dass ich nicht mehr gebrochen bin.“
 

Sein Freund biss sich auf die Lippe, seufzte sanft und sah weg. „Schau, ich weiß, dass du die richtigen Motive hast… aber, Baby… du bist durch den halben Raum gesprungen, als du sie sprechen gehört hast. Ich möchte nicht, dass du dich selbst soweit bringst, bevor du bereit dafür bist, Kurt, denn das ist schlimmer als es gar nicht zu tun.“
 

„Du solltest das verstehen.“ Kurt zog seine Hand zurück und stand aus dem Bett auf. „Du bist die Person, die es verstehen sollte, mich verstehen.“
 

„Ich verstehe es, Kurt. Ich möchte nur nicht, dass du wieder verletzt wirst… ich kann nicht unendlich oft die Teile aufsammeln und dich wieder zusammen flicken. Und ich möchte diese Grenzen nicht austesten. Ich möchte nicht, dass du dich selber verrückt machst mit den Gesichtern dieser Typen im Kopf. Ich würde an deiner Stelle nicht wissen wollen, wie sie aussehen.“
 

„Nun, ich bin nicht du.“ So sollte das nicht laufen. Blaine sollte seinen Arm um Kurt legen und ihm sagen, dass er seine Angreifer sehen sollte. Dass es eine gute Idee war und er ihn vollkommen unterstützte. Warum tat Blaine nicht was er tun sollte?
 

„Werd nicht abweisend oder wütend, Baby.“ Blaine krabbelte zur Ecke des Bettes und griff nach Kurts Händen. „Mach was immer du möchtest. Wenn du gehen möchtest, dann solltest du das natürlich. Aber ich sage dir meine Meinung, weil ich mich um dich sorge... also bitte werd nicht wütend. Wenn du gehen möchtest, bin ich direkt neben dir. Wann habe ich jemals nicht neben dir gestanden? Sag mir, wann.“ Er ließ eine von Kurts Händen fallen und legte sie leicht lächelnd an sein Gesicht. „Du weißt, dass ich bei dir sein werde.“
 

Kurt seufzte und setzte sich aufs Bett. Er legte seine Hand ans Gesicht und schüttelte einfach seinen Kopf auf geschlagene Art. „Ich bin nicht wütend auf dich… Ich bin wütend, weil ich bereits über alles nachgedacht habe, was du gesagt hast und dass ist, was mir Angst gemacht hat und mich denken lässt, dass ich nicht gehen sollte…“ Er drehte sich um und sah seinen festen Freund an, drückte seine Hand. „Ich wünschte, dass ich wüsste, was das Richtige wäre…“
 

Blaine lehnte sich gegen ihn, legte seinen Kopf auf die Schulter seines Freundes und griff nach seiner Hand. „Ich denke nicht, dass es hier etwas Richtiges und Falsches zu tun gibt… Wenn du gehen möchtest, solltest du gehen. Wenn du nicht gehen möchtest, dann solltest du wirklich nicht gehen. Aber keine Wahl wird die Falsche sein, außer du möchtest es nicht wirklich.“
 

„Was wenn ich nicht weiß was ich möchte?“, wisperte Kurt und lehnte sich ebenfalls gegen ihn.
 

„Es ist März. Die Anhörung ist im Juni. Du hast noch lange Zeit darüber nachzudenken, mein Liebster… und du könntest in dieser Zeit deine Meinung noch einige Male ändern, aber das ist okay. Am Morgen der Anhörung wirst du wissen was die richtige Entscheidung ist.“ Blaine rutschte in eine liegende Position, zog Kurt sanft mit sich. „Ich kann nicht glauben, dass das Kind gestorben ist, Kurt… Ich … denke darüber nach wie du ausgesehen hast, als ich dich das erste Mal sah und – .“ Er brach ab, doch Kurt hörte ihn tief seufzen. „Ich hoffe sie werden in der Hölle verrotten, für das, was sie getan haben, Kurt. Ich hoffe wirklich, dass sie es tun.“
 

„Es… erscheint mir nicht fair, dass er gestorben ist und ich nicht.“, wisperte Kurt, rollte sich ein und legte seinen Kopf auf Blaines Brust. „Er war so jung…“
 

Es gab ein lautes Grummeln und Kreacher sprang auf das Bett. Er quetschte sich zwischen die beiden Jungs (was ein wenig harte Arbeit war, weil sie so nahe zusammen gepresst waren) und machte es sich selbst bequem.
 

„Ugh, dieser Hund.“, stöhnte Blaine. „Er macht mich verrückt, Kurt. Er hat wieder auf meinem Telefonladegerät herumgekaut.“
 

„Ich habe dir gesagt, dass du es auf dem Tisch lassen sollst.“, antwortete Kurt, setzte sich auf und zog Kreacher auf seinen Schoß. Kreacher begann sein Gesicht abzulecken und bellte aufgeregt, schwanzwedelnd. „Ich habe dich auch vermisst! Daddy nicht! Ich habe dich auch vermisst! Sag, Blaine, es tut mir wirklich Leid, dass ich dein Ladegerät gegessen habe, aber ich liiiiiebe dich. Siehst du, Blaine? Es tut ihm Leid.“ Er hob den Hund an, der laut bellte und versuchte in der Luft zu rennen.
 

Blaine rollte bloß mit den Augen, aber lächelte etwas. „Der Hund ist eine Plage.“
 

„Genau wie dein Schnarchen, aber ich lasse dich nicht in einem Käfig schlafen. Ist das so, Kreacher? Ist das nicht so?“ Der Jüngere kuschelte mit dem Hund. Er wusste, dass es dumm war, aber das Hündchen machte wirklich jede Situation besser. Kurt interessierte es nicht, wie viel Eigentum Kreacher zerstörte, da sein Hündchen sein Herz komplett für sich gewonnen hatte.
 

„Ich kann niemanden außer mich selbst beschuldigen und das ist das Traurige daran.“, seufzte Blaine und reichte schließlich hinüber um den Hund zu streicheln. „Er wird so dick, Kurt. Wir müssen aufhören ihn so viel zu füttern.“
 

„Er mag seine Leckerlies.“, gurrte Kurt und schaukelte Kreacher, als wäre er ein Kind. Der Hund wurde überraschenderweise sehr still, nur fröhlich schnaufend. „Gutes Hündchen.“
 

Blaine rollte wieder mit den Augen. „Ich mochte es lieber, als er sich unter dem Bett versteckte.“
 

Kreacher knurrte, legte seinen Kopf schräg um Blaine anzusehen und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder Kurt, der noch immer gurrte. „Oh, Daddy meint es nicht so. Ignorier den alten Mann.“
 

„Ich nehme zurück, dass wir nach dem Schulabschluss einen zweiten Hund kriegen. Wir holen eine Katze. Eine ganz Gemeine.“
 

„Shh.“, wisperte Kurt und schoss ihm einen ungeduldigen Blick zu. „Er wird einschlafen wenn du leise bist.“
 

„Ich glaube nicht, dass du das teuflische Tier in den Schlaf schaukelst.“, murmelte Blaine, aber er zog einfach die Decke bis zu seinem Kinn.
 

Kurts Augen trafen Blaines als er den Hund schaukelte. Er hatte wirklich keine Ahnung wie er mit jemandem so unglaublich bezaubernden wie Blaine Anderson zusammen gekommen war, aber wenn es eine Art Gott gab, dankte Kurt ihm definitiv. Es war verrückt wie Blaine in sein Leben gekommen war, anscheinend zufällig und dennoch würde es nie wieder dasselbe sein. War es Schicksal gewesen, dass ihn die zwei Stunden zur Dalton hatte fahren lassen um zu spionieren? Oder war es bloß dummes Glück? Was auch immer es war, Kurt war sehr dankbar für seinen festen Freund. Er konnte sich kein Leben ohne ihn vorstellen.
 

Er sah hinunter und sein Hündchen schlief endlich. Er legte ihn sanft an das Fußende des Bettes und kuschelte sich dann an Blaine. Er wusste, dass ihr Gespräch abgebrochen wurde vor ihrem unablässigen Hund, aber er meinte, dass er nicht mehr über die Verhandlung oder den Tod des Jungen sprechen wollte. Er war heimlich froh für die Entschuldigung nicht mehr reden zu müssen, denn das erste Mal hatte das Reden mit Blaine ihn sich nicht besser fühlen lassen. Er fühlte sich nicht schlimmer… aber er fühlte sich nicht besser und wollte, dass die Diskussion beendet wurde, bevor es schlimmer wurde. Vielleicht würden sie morgen oder ein anderes Mal das Gespräch fortsetzen und hoffentlich würde es nach einer Nacht voll Schlaf besser werden. Aber im Moment wollte er sich bloß an Blaine kuscheln und einfach alles vergessen. Und das tat er auch.
 

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Spoiler
 

Im nächsten Kapitel taucht Blaines Bruder auf. Wir können nur hoffen, dass zumindest ein Familienmitglied von Blaine einigermaßen vernünftig ist. Außerdem lernen seine Freunde, dass es nicht gut ist über eine Überraschungsparty bei Facebook zu posten.



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