Prontera
Prontera
Sie heirateten gleich am nächsten Morgen. Es waren nur Isan
und Duir anwesend, die einzigen Beiden die um diese frühe
Uhrzeit schon aufzufinden gewesen waren. Ruîn musste beinahe
kichern als ihr Blick während der Zeremonie auf ihre Freundin
fiel und sie die Worte „Na Endlich!“ schon fast hören konnte.
Nach der Trauung bestand Jeran darauf, dass sie jetzt sofort
nach Jawaii zu fahren hatten. Diese kleine Insel war das
Hauptanlaufsziel frisch verheirateter Paare und Ruîn konnte sich
ein Grinsen nicht verkneifen. Dafür das Jeran all die Jahre, die sie
sich nun schon kannten, nichts von Hochzeit, Treue und Monogamie
zu halten schien, entpuppte er sich nun doch als sehr traditionell.
Sie verbrachten zwei schöne Wochen auf der tropischen Insel
bevor sie sich dann wieder ihrer Trainingsparty und der
WoE Gilde widmeten.
Bis auf die Zeit damals vor einigen Jahren, als ihre nächtlichen
Ausflüge mit Duir und Jeran noch geheim gewesen waren, hatte
Ruîn das Gefühl nun wirklich ihre glücklichste Zeit zu erleben.
Bald schon nach der Hochzeit wollte Jeran nicht mehr im Gildenhaus
leben und sie zogen in eine kleine Dachgeschoßwohnung im
Südwesten von Prontera. Dort konnten sie nun auch endlich selber
mal Besuch empfangen und mussten sich nicht immer alle bei Isan
und Thuris treffen.
Kurz nach dem Umzug beschlossen auch Duir und Danu das es
vielleicht an der Zeit wäre sich ein Zimmer zu teilen, während Ruîn
und Isan gespannt darauf warteten ob sich nicht auch ein Ring zeigen
würde. Und kurz nach Faihus drittem Geburtstag war es dann
schließlich auch soweit! Duir und Danu heirateten in der Kirche
ihrer Heimatstadt Hugel.
Auch hörte Ruîn von einer weiteren Heirat. Etwa ein halbes Jahr
nach der Scheidung hatte Solar Deedee geheiratet. Sie freute sich
sehr für die beiden und hoffte das Solar nun auch mit der richtigen
Frau glücklich war.
Ein kleines Trübnis war schließlich Sowels Entschluss die Gilde
Ice zu schließen. Er wurde auch langsam älter und wollte sich
endlich mehr um seine Familie kümmern. Das letzte WoE wurde
angesichts der versammelten Massen von Kämpfern wohl von
sämtlichen Gilden mitverfolgt und noch viele Jahre später hörte
man ehemalige Gildenleader davon schwärmen. Ice wurde wahrlich
zu einer WoE- Legende.
Jeran sah sich danach eine Zeit lang die verschiedensten WoE Gilden
an und folgte schließlich Thuris in eine seiner ehemaligen Gilden.
Ruîn die das WoE außerhalb von Ice nicht wirklich hatte leiden
können, beschloss eine kleine Pause einzulegen bis sich Jeran sicher
war auch bei dieser Gilde zu bleiben. Auch Isan musste pausieren,
wenn auch nicht ganz so freiwillig wie Ruîn. Sie und Thuris würden
bald ein zweites Kind bekommen. Thuris war die Freude darüber
auch anzusehen und Ruîn kam nicht umhin auch bei Jeran einen
ganz gewissen Blick zu bemerken wann immer er Isan sah.
Eigentlich hatte sie bisher noch nie so wirklich über Kinder
nachgedacht. Die schief gegangene Schwangerschaft vor knapp
3 Jahren hatte ihr schon ein wenig Angst eingejagt. Allerdings hatte
ihr der Arzt damals auch versichert das sie zweifellos immer noch
ein Kind bekommen konnte. Wenn sie es halt wollte.
Nur in ihrer Ehe mit Solar hatte sie eben nicht gewollt. Sie wusste,
wenn sie mit ihm ein Kind gehabt hätte, hätte sie sich nicht von ihm
trennen können.
Schließlich beschloss Ruîn für sich selbst, das sie schon gerne mal
ein Kind haben wollte, allerdings noch nicht sofort. Sie würde noch
ein, oder zwei Jahre warten. So würde sie Gelegenheit haben mit
Isans Baby üben zu können und sie würde dann wohl auch wissen
ob ihre Ehe mit Jeran auch wirklich eine längere Zeit überdauern konnte.
Und alles schien wirklich gut zu laufen. Jeran blieb bei Thuris in
der Gilde. Ab und zu, so alle zwei Wochen ließ sich auch Ruîn
zu dem einen oder anderen WoE überreden, obwohl es ohne
Ice wirklich nicht mehr dasselbe war. Unter der Woche hatten
sie ein paar Trainingspartys am laufen, meistens mit Danu und
Duir zusammen, wenn Thuris die Männer nicht zu einer seiner,
wie Danu immer zu sagen pflegte, bösen Partys einteilte. Diese
fanden dann meist an Orten statt die Ruîn und Danu nicht wirklich
mochten, beispielsweise in der Rachel Sanctuary, einer
verwunschenen Tempelanlage im Norden der eigentlich sehr
schönen Stadt Rachel, oder in den Laboren der Rekenber Anlage
von Lighthalzen. Meist zogen die beiden Frauen dann zu Zweit los
oder hingen mit Isan am Markt herum. Hier entdeckte Ruîn auch
das schöne Hobby des Headgearmixens für sich. Es gab einige
Händler in Midgard die sich auf die Herstellung der verschiedensten
Headgears verstanden, wenn man ihnen nur die richtigen Items dazu
brachte.
Es war sehr zeitraubend, und Jeran schüttelte immer verständnislos
den Kopf wenn Ruîn ihm ihre neuesten Hüte zeigte, aber es machte
ihr auch großen Spaß. Und das war ja schließlich das Wichtigste.
Tage, Wochen, Monate vergingen, Duir und Danu zogen in ein
kleines Häuschen in Hugel, Isan und Thuris bekamen eine
bildhübsche Tochter mit denselben goldblonden Haaren ihrer
Mutter und Ruîn beschloss das es nun auch für sie Zeit wurde.
Sie waren glücklich. Es war die schönste Zeit ihres Lebens.
Alles war perfekt.
Zu perfekt.
Es begann in der dunkelsten Stunde der Nacht. Kaum eine
Menschenseele war noch unterwegs. Das leichte Zittern des
Wüstenbodens blieb außerhalb der Stadt unbemerkt. Bis der
markerschütternde Schrei der Kafraangestellten die ersten
Bewohner aus dem Schlaf riss. Das nun folgende Beben zerstörte
Alles. Die meisten Bewohner Midgards bemerkten nichts.
Die meisten schliefen tief und fest.
Dann startete der erste Überfall.
„PAYON WIRD ÜBERRANNT!“
Erschrocken fuhr Ruîn aus dem Schlaf hoch. Von draußen
hörte man zahlreiche Stimmen und Schreie.
„Was zum…, was ist da los?“
Jeran war bereits aufgestanden und am Fenster.
„Keine Ahnung, aber da draußen ist die Hölle los.“
Schnell zogen sie sich ihre Klamotten und Rüstungen an und
suchten ein Paar Waffen zusammen. Sie verließen das Haus
und folgten dem Strom der Menschen in Richtung Stadtmitte.
Von überall hörte man aufgeregte Gesprächsfetzen.
„…Payon angegriffen…“ „… keine Nachrichten mehr aus
Morroc…“ „… tausende Monster überall…“ „… alles
zerstört…“ „…alle Tot…“
Sie erreichten den großen Platz vor dem Schloss. Zahlreiche
Soldaten waren am Tor damit beschäftigt die ankommenden
Menschenmassen daran zu hindern in das Gebäude zu stürmen.
Dann trat plötzlich Stille ein als ein älterer Mann in einem
Fenster im ersten Stock erschien. Ruîn erkannte sein Gesicht
von zahlreichen Bildern die schon in vielen Städten gesehen
hatte. E
s war Tristan der 3. der König von Midgard.
„Mein Volk, meine Mitbürger! Das Schlimmste ist geschehen!
Wir werden angegriffen…“
Mit einem Mal ging ein lautes Raunen durch die Menge und
die Menschen drängten sich wieder gegen die Soldaten.
„RUHE! Bewahrt Ruhe!“
Ein etwas älterer High Wizzard war neben dem König ans Fenster
getreten und hatte die Arme erhoben. Ruîn erkannte in ihm den
Leader der derzeit größten WoE Allianz. Während er von einem
Monsterangriff auf Payon berichtete erkannte Ruîn noch einige
andere Gildenleader hinter ihm und an den weiteren Fenstern
des Schlosses. Nachdem er seinen Bericht beendet hatte und
der König nochmals zur Ruhe aufgerufen hatte, verließen die
Leader das Gebäude und drängten sich zwischen die Wartenden.
Schnell trennte sich die Menge und die einzelnen Gilden fanden
zueinander.
Obwohl sich Ice eigentlich aufgelöst hatte, waren sie nun fast
alle um ihren ehemaligen Leader versammelt.
„Die Lage ist sehr ernst.“ Begann Sowel während sie sich alle
enger um ihn zusammendrängten.
„Aus Morroc kommt nichts, die Stadt ist aufgegeben, auch
für Payon werden wir nicht kämpfen, Nein!“
Er hob die Hand um jeglichen Einwand Einhalt zu gebieten.
„Zahlreiche Gegner sind auf dem Weg hierher, wir müssen
Prontera verteidigen, die meisten Menschen und alle Flüchtenden
aus Payon sind hier. Und wir haben ein weiteres Problem.“
Während er sprach hatte sich Ruîn ein wenig umgesehen.
Und es waren nicht die drohenden Monstermassen die sie
ängstigten, vielmehr war es die Panik in den Gesichtern und
Stimmen der Leader.
„Eine große Horde ist auf dem Weg nach Juno, sie werden
die Stadt noch vor Prontera erreichen, vermutlich haben sie
es auf Ymir abgesehen, den Weg zur Valkyre…“
Das Entsetzen in den Augen der zahlreichen Kämpfer war
beinahe greifbar.
„Sollten sie das schaffen…“
Hörte Ruîn einen High Priester hinter sich sagen.
„… dann ist alles aus…“
Das Nicken von Sowel sagte mehr als es jedes unnötige Wort.
Hinter ihnen strebten die Mitglieder der Magic Allianz
auseinander. „Ihr, ihr zwei, Du und ihr alle da hinten…“
Sowel zeigte auf einige ehemaligen Ice Mitglieder. „Ihr bleibt
hier, euch brauchen sie vorne an den Stadtmauern, der Rest
von euch holt alle Waffen, Potions, was ihr tragen könnt, es
geht nach Juno. So schnell wie nur möglich.“
Ein schnelles Nicken ging durch die Runde und alle machten
sich auf den Weg.
Ruîn rannte auf Isan zu. Die Whitesmith ergriff ihre Hände.
„Wir schaffen das, wir schaffen das!“ Ruîn konnte nur Nicken
während sie zusah wie Thuris seine Frau mit sich zog und Jeran
sie selber an der Hand ergriff.
Sie stürmten in ihre Wohnung und Ruîn wollte gerade ihre
Waffenkiste öffnen als Jeran sie ergriff und umarmte.
„Ich will das du nach Lighthalzen gehst. Jetzt sofort.“
Er hielt sie so fest an sich gedrückt das sie kaum noch Luft
bekam. „Nein… du weißt ich kann das nicht.“
Jeran seufzte. Langsam ließ er sie los und strich ihr mit der
Hand über den Bauch. „Ich will nicht das dir… das euch
etwas passiert…“
„Ich weiß…“ Sie konnte die Tränen kaum noch zurückhalten
und schüttelte den Kopf.
„Ich sehe aber nicht dabei zu wie ihr euch alle in Gefahr begebt.“
Damit küsste sie ihn. So schnell sie konnten rafften sie ihre
brauchbarsten Waffen zusammen und machten sich wieder
auf den Weg vor das Schloss. Von überallher stürmten die
Leute hier zusammen, Soldaten der Palastwache errichteten
Barrikaden an der Mauer und viele First Jobs oder gerade
frisch vom Rebirth Kommende führten Ältere oder Kinder in die
noch sicheren Gebäude innerhalb des Schlosses.
„Wo sind die Warps nach Juno?“ Mehrere Kämpfer standen
etwas unschlüssig vor den Toren.
„Wir müssen noch warten bis Alle hier versammelt sind, einzeln
nach Juno zu stürmen bringt nichts.“
„Sollen wir jetzt hier rum stehen und nichts tun?“
Ein Raunen ging durch die Gruppe. „Ja, genau das.“
Der Leader der Magic Allianz drängte sich mit einigen Anderen
in die Mitte. „Egal was an den Stadtmauern geschieht ihr bleibt
hier! Wir brauchen noch mehr Leute.“
Also warteten sie.
Für Ruîn war das fast noch schlimmer als das Kämpfen selbst.
Immer mehr flüchteten hinter ihnen in das Schloss während sie
auf die restlichen Kämpfer warteten und nicht Wenige die hier
bleiben würden, marschierten nach unten an die Stadtmauern.
Flüchtig erkannte Ruîn Solar in der Menge. Er war bereits Assassin
Cross, aber noch nicht lange genug um nach Juno mitgenommen zu
werden. Mit seiner jungen Frau Deeira an der Seite liefen sie,
einigen Mitgliedern aus ihrer Gilde folgend nach Süden an die
Stadtmauern. Zahlreiche Hunter und Sniper, aber auch ein Paar
Wizards und Sages hatten die steinernen Mauern erklommen,
während sich dicht unter ihnen Priester, Monks und Acolyten
aneinander reihten.
Sie würden eine Basilika, eine letzte Festung, gegen die Monster
bilden.
Das leise Zittern des Bodens war nun deutlich spürbar, als unter
den lauten Rufen schon die ersten Pfeile über die Mauern zischten.
„SIE KOMMEN!“
Binnen einer Sekunde erschienen hunderte Safetywalls innerhalb
eines goldenen Schleiers der sich vom Boden bis weit in den
Himmel erstreckte während eine riesige Kraft die Stadttore
zerbersten ließ. Viele der Priester die direkt davor gestanden
hatten, wurden nach hinten geschleudert und zahlreiche Monster
stürmten hindurch.
„HALTET DIE BASILIKA!“
Knights und Paladine stürzten sich auf die Angreifer während
schnell mehrere Priester in die Lücken am Tor liefen und die
goldene Wand schlossen. Mehrere Storm Gusts und Meteor
Storms fegten über die Stadtmauer gegen die Angreifer und
eine Safetywall nach der anderen versuchte die Priester gegen
den Pfeilhagel der Aufmarschierten Orc Archer und Archer
Raydrics zu schützen.
Aber die Basilika hielt.
Kein Monster konnte mehr durch das Stadttor. An ein Aufatmen
war allerdings nicht zu denken. Viele der Pfeile trafen, immer wieder
fielen die Priester und Monks und die Scolare taten ihr bestes um
sie mit Soul Change zu unterstützen. Hinter ihnen arbeiteten viele
Alchemisten an Potions und wieder andere schafften Herbs,
Gemstones und Medicine Bowl herbei. Aber eines wurde
schnell klar. Sie konnten zwar die Monster vor der Stadt halten,
aber um sie zu besiegen, bevor die wichtigen Items zu Ende gingen,
mussten sie nach draußen. Hinter den Priestern sammelten sich
Paladine und Lord Knights, sie würden durch das Tor stürmen und
wenn möglich ein wenig Platz für die Wizzards schaffen, damit diese
die Möglichkeit hatten einige der Monster zu töten. Nach wenigen
Minuten ging es los. Die Reiter stürmten durch die Tore, dicht
gefolgt von ihren castenden Mitstreitern. Von den Kämpfen am
Tor bekamen Ruîn und die meisten ihrer ehemaligen Gildenmitglieder
nichts mit. Sie warteten noch vor dem Schloss bis Sowel schließlich
den Befehl gab die Warps zu öffnen.
Ein letztes Mal zog Jeran seine Frau an sich und küsste sie.
Dann betraten sie gemeinsam den Warp nach Juno.