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Harmonie

von

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Das große Nichts

Nach diesem unvermuteten Ausbruch von Gesprächigkeit verstummte Draco für den Rest des Tages wieder.
 

Er saß noch eine Weile an diesem Fenster und Hermine gab es irgendwann auf, auf weitere Gespräche zu hoffen und widmete sich stattdessen wieder ihren Prüfungsvorbereitungen. Gegen Nachmittag ließ sie ein Flattern und das Gurren eines Vogels aufhorchen.

Sie sah, dass Pure zu Draco in die Hütte gefunden hatte und ihm, wie es schien, eine Nachricht überbrachte. Draco sagte weder etwas über den Inhalt oder den Absender dieses Briefes noch darüber, was in der Antwort stand, die er kurz darauf an Pures Bein band, als er den Uhu wieder zurück schickte.
 

Hermine merkte wohl, dass es etwas Wichtiges gewesen sein musste, denn Draco war danach sehr unruhig, ging ewig im Zimmer auf und ab und trippelte mit den Fingern an der Wand. Sie wagte nicht, ihn nach der Ursache seiner Unruhe zu fragen, da sie ahnte, ja, eigentlich fühlte, dass die Antwort zu den Dingen gehören würde, die sie, zu ihrem eigenen Schutz, lieber nicht wissen wollte.
 

Nachdem sie vier Tage und fünf Nächte in der Hütte verbracht hatten, ging die Schule wieder los.
 

Als Hermine am Morgen des fünften Tages aufwachte - es war noch recht früh und die aufgehende Sonne leuchtete so rot und golden im Raum, dass Hermine im ersten Moment glaubte, ein Feuer sei ausgebrochen - war Draco weg.
 

Xxx
 

Sinneseindrücke und Wahrnehmung sind Dinge, die uns in einem immerfort währenden Fluss sensorischen Inputs umspülen und erfüllen.

Das erste, was Hermine bewusst im Schloss wahrnahm, war ein nicht näher beschreibbares Gefühl von Leere. Es fing damit an, dass viel weniger Kutschen ankamen als sonst, die die Schüler vom Bahnhof zur Schule fuhren. Gut, so überlegte Hermine, es könnte auch damit zusammenhängen, dass viele Eltern ihre Kinder auf anderem Weg zur Schule schickten. Wegen der aktuellen Unruhen…
 

Die aktuellen Unruhen…
 

Hermine beschloss, dass das auch der Grund war, warum sich auf dem Schlossgelände nicht so viele Schüler tummelten wie sonst und wieso im Gryffindorgemeinschaftsraum irgendetwas zu fehlen schien, als sie ihr Gepäck wegstellte.
 

Wenn alle Schüler zu unterschiedlichen Zeiten ankamen, dann konnten sie ja auch nicht alle dasselbe tun. Sie würden nicht alle zur selben Zeit das Tor mit dem geflügelten Eber durchschreiten, sie würden sich nicht alle zur selben Zeit in der Eingangshalle unterhalten oder gleichzeitig in die Gemeinschaftsräume gehen, um dort ihre Sachen auszupacken und sich für das Abendessen vorbereiten.
 

Trotzdem war es irgendwie zu… leer. Da fehlte was. Irgendetwas fehlte hier.
 

Hermine umarmte Harry und Ginny, sprach dieser ihr Beileid aus und konnte dennoch, so unpassend das in Gegenwart Ginnys auch war, einen kleinen Freudenjauchzer nicht unterdrücken, als ihr Neville entgegenkam.
 

Auf dem Weg zum Abendessen steckten sie die Köpfe zusammen und diskutierten über die jüngsten Ereignisse. Schlimme Zeiten standen laut Harry bevor. Hermine seufzte und nickte. „Da hast du wohl recht, und findest du nicht, dass es in der Schule irgendwie… leer ist? Hier fehlt etwas!“
 

Xxx
 

Draco war gestern Abend vom Ruf des Males geweckt worden. Er war zuerst nicht ganz sicher gewesen, ob die Schmerzen echt oder eingebildet gewesen waren, aber als sein Arm nach etwa zwanzig Minuten einzuschlafen begann, beschloss er, dass es sich hierbei nicht um Phantomschmerzen handelte.
 

Der Ruf führte ihn zu einem Haus, das er nicht kannte. Ein Cottage, das Draco wegen der wolkenverhangenen Nacht jedoch kaum erkennen konnte. Wie sich herausstellte, wohnte hier ein Ministeriumsbeamter, der wohl schon längere Zeit mit den Todessern sympathisierte und nun eine erste Belohnung verdient hatte. Er würde der neue Direktor in Hogwarts werden.
 

Der Mann war mittleren Alters, hatte dichtes, doch bereits eisgraues Haar und eine Gier in den Augen, die die Sehnsucht nach beruflichem Aufstieg verriet. Albert Runcorn war sein Name. Draco nickte ihm zu, da ihm Lucius unsanft in den Rücken stieß und ihm zuraunte, dass er bereits mehrere Male im Manor gewesen war.
 

Voldemort erklärte, dass die Regierung mehr oder weniger in seiner Hand wäre. Der momentane Minister würde tun, was immer auch Voldemort verlangte und ihn dann zu seinem Stellvertreter bestimmen. Sowie das getan war, Voldemort plante noch etwa einen Monat zu warten, würde der aktuelle Schattenminister einen tragischen Unfall erleiden.
 

Alle Todesser lachten. Shacklebolt lag blutend zwischen ihnen.
 

Bellatrix erklärte mit fiebrigem Blick, dass es nun darum ging, das „danach“ zu planen. Treue Todesser – hier strahlte Bellatrix mit so viel Zärtlichkeit zu ihrem Herrn, dass Draco nur mühsam ein Lachen unterdrücken konnte - würden in Voldemorts neuem Regime alle einen Platz finden.
 

Draco hatte nicht so ganz verstanden, wie diese neue Regierung aufgebaut sein würde, aber sein Vater, Snape und die Lestranges würden wohl die höchsten Stellungen einnehmen. Abgesehen vom Meister selbst natürlich, der zweifellos absolut herrschen würde.
 

Viel interessanter war, dass Voldemort ihm die Hände auf die Schultern legte und ihm sagte, dass er sich im letzten Jahr als nützlich erwiesen hätte und deswegen hier und jetzt zum Anführer der Neutodesser ernannt würde.
 

Draco hatte tief durchgeatmet und beschlossen, sich darüber zu freuen.
 

Shacklebolt lag am Boden und stöhnte.
 

Draco würde also nach der Schule Einsätze der jüngeren Todesser leiten und dann, wenn er sich dort ebenfalls beweisen würde, jede Stellung im Ministerium bekommen, die er sich nur wünschte. Draco hatte gelächelt und sich zu seiner Familie umgedreht. Seltsamerweise sah er weder Lucius, noch Rodolphus oder Snape bei diesem Versprechen lächeln. Einzig Bellatrix strahlte, denn ihr strich Voldemort über die Wange und sagte, dass die neue Zeit zum Greifen nahe war und dass sie alle, die hier im Raum waren, von ihm bedacht werden würden.
 

Nach einer ausgesprochen pathetischen Ansprache über diese bevorstehenden Zeiten, war Voldemort wieder praktisch geworden. Er wies Draco an, Shacklebolt auf seinem Rückweg mitzunehmen und ihn in den Verbotenen Wald zu bringen. Danach erklärte er die Sache mit der Schule genauer.
 

Nach den Sommerferien, wenn Draco schon kein Schüler mehr wäre, würde sich in Hogwarts einiges ändern. Jetzt sah es erst einmal so aus, dass Draco dort offiziell als Todesser eingesetzt werden sollte, um die Schule zu bewachen. Genau genommen, um Potter und andere Ordensmitglieder zu bewachen. Außer Runcorn würde Dolores Umbridge an die Schule zurückkehren, da man Remus Lupin gekündigt hatte. Ihn würde man nicht töten, da man die Werwölfe im Land nicht gegen sich haben wollte.
 

Dracos Aufgabe bestand darin, gemeinsam mit den Neutodessern weitere Schüler auf ihre Seite zu ziehen, und, wie gesagt, die Schule zu bewachen. Voldemort hatte dafür extra einen Artikel in den Tagespropheten setzen lassen, der vor den Gefahren der Phönixorden- und Muggelsympathie an dieser Schule warnte. Die Schule hätte sich als Nest der feindlichen Bewegung herausgestellt, weshalb Draco auch die Erlaubnis hätte zu tun, was er auch immer für nötig hielte, um weitere terroristische Aktivitäten zu verhindern.
 

Es war ihm also erlaubt, all diejenigen loszuwerden, die den Todessern Grund gaben, sie nicht leiden zu können.
 

So wie Shacklebolt.
 

Danach durfte Draco gehen.
 

Zurück in der Heulenden Hütte schaffte er es nicht, Hermine noch einmal zu wecken, um sich von ihr zu verabschieden. Sein Kopf war zu voll, um Fragen zu seinem nächtlichen Ausflug auszuhalten.
 

Er saß neben ihr auf dem Bett, streichelte ihre Locken und schob ihr die heruntergerutschte Decke über die Schultern. Ein Abschiedskuss noch, ein letzter Blick, dann schlich er sich so leise wie ein Dieb vom Schauplatz des Verbrechens, aus der Heulenden Hütte hinaus.
 

Es tat gar nicht weh, dieses Ende zu akzeptieren.
 

Voldemort hatte ihm eine Zukunft geschenkt und Draco hatte sich in dem Moment damit abgefunden, als der Meister ihm lobend die Hände auf die Schultern gelegt hatte. Das war nun sein Leben und Draco akzeptierte es.
 

Er freute sich nicht wirklich, aber es machte ihm auch keine Angst mehr.
 

Draco ging und fühlte gar nichts.
 

Xxx
 

Draco gähnte und schob seinen Teller weg. Er hatte keinen Hunger und es war ihm egal, ob er schon etwas gegessen hatte oder nicht. Er war nur hier, weil er hier sein durfte. Gerade hatte sich Runcorn erhoben, um sich der fassungslosen Menge vorzustellen. Selten war es während einer Rede so still gewesen.
 

Immerhin hatten sie Sekunden vorher noch laut und lebhaft darüber debattiert, dass die Haustische nun nur noch halb so lang waren, und man dafür einen weiteren langen Tisch in die Halle gestellt hatte. Den „Muggelgeborenentisch“.
 

Den rein- und halbblütigen Schülern musste von ihren Vertrauensschülern gesagt werden (Runcorn hatte sie per Imperius dazu gezwungen), dass das eine reine Vorsichtsmaßnahme, zu ihrer Sicherheit sei. Bei den aktuellen Unruhen wäre etwas Distanz hilfreich.

Den Schlammblütern wurde gesagt, dass man auch um ihre Sicherheit besorgt sei und dass es doch sowieso irgendwie netter wäre, wenn sie unter sich sein könnten, um sich wegen ihrer „Andersartigkeit“ nicht ausgeschlossen fühlen müssten. Hier könnten sie ungestört über alles reden was auch immer die Muggelwelt zu bieten hatte.
 

Dieser Tisch stand parallel zum Lehrertisch ganz vorne. Sichtbar für alle, um sie im Auge behalten zu können und um den anderen Schülern die Möglichkeit zu geben, den Raum, im Falle eines Angriffes, zuerst zu verlassen.
 

Draco kratzte sich am Kinn und grinste, als er der mörderischen Blicke gewahr wurde, die Potter ihm vom Gryffindortisch aus zuwarf. Potter tuschelte schon die ganze Zeit mit Longbottom und einer aufgebrachten Weaselin. Draco grinste ein wenig breiter, hob einen Becher in Richtung Gryffindortisch und prostete den Protestlern genüsslich zu.
 

Er hatte doch schließlich gewonnen.
 

Die Weaselin hatte sich vorhin an Hermine festgeklammert, als der neu ernannte Vertrauensschüler der Gryffindors das Mädchen weggezogen hatte, um sie zu ihrem Tisch zu bringen. Potter hatte getobt, Longbottom argumentiert und die Weaselin geschrieen. Hermine hatte den Vertrauensschüler nur lange angesehen, dann genickt und ihren Freunden irgendetwas zugeraunt, woraufhin die sich ebenfalls gefügt hatten.
 

Dieses Schauspiel war auch an allen anderen Tischen zu beobachten gewesen. Da man einige Schüler jedoch mit dem Cruciatus dazu hatte überreden müssen, endlich ihren rechtmäßigen Platz aufzusuchen, hatten die anderen am Ende doch gespurt.
 

Draco drehte sich von Potter weg und warf dem Mädchen einen verstohlenen Blick zu. Sie hatte sich so hingesetzt, dass er genau in ihrer Richtung sah, wenn sie den Kopf hob. Auch jetzt sah sie ihn an. Draco senkte den Blick schnell wieder, stopfte sich stattdessen ein wenig Kartoffelpüree in den Mund und spülte es hastig mit Kürbissaft hinunter.
 

Runcorn redete immer noch und erklärte all die Änderungen, die es nun in der Schule gab. Zum Beispiel, dass Dolores Umbridge nun Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichtete und dass ein weiterer neuer Lehrer, James Thatcher, ein junger Ministeriumsangestellter, Verwandlung übernommen hätte.

Er hatte vorhin nebenbei erwähnt, dass Lupin wegen seiner terroristischen Verbindungen entlassen und Kingsley Shacklebolt bei einem Angriff von Muggeln bedauerlicherweise getötet worden sei. Der darauf losbrechende Tumult wurde mit Beinklammern und einem Silencio-Bann befriedet.
 

Etwas Weiches traf ihn am Kopf. Draocs Zauberstab schnellte so hastig in die Richtung, aus der es gekommen war, als gelte es, den Angriff galoppierender Zentauren zu stoppen. Blaise, der mit einer Serviette geworfen hatte, warf sich entsetzt nach hinten und musste von Pansy gehalten werden, um nicht rücklings von der Bank zu kippen. Er atmete heftig ein und aus und deutete mit zitternden Fingern auf die zusammengeknüllte Serviette, die von Dracos Kopf abgeprallt und auf den Tisch gefallen war. „Beruhige dich“, flüsterte er mit zitternder Stimme. „Ich wollte doch nur fragen, seit wann du wieder in der Halle sein darfst!“
 

Draco schenkte dem ehemaligen Mädchenräuber ein herablassendes Lächeln und steckte den Zauberstab zurück in seinen Umhang. „Das wirst du gleich erfahren!“
 

Er bemerkte, dass einige der jüngeren Schüler panisch dorthin starrten, wo der Zauberstab verschwunden war. Draco feixte und kommentierte lapidar: „Und das auch!“
 

Tatsächlich ging Runcorn nun dazu über, das neue Sicherheitssystem in der Schule zu erläutern.
 

„Die aktuellen Unruhen zwischen Muggeln und Magiern“, erklärte er im Brustton der Überzeugung, „haben es leider unumgänglich gemacht“, ein Raunen ging durch den Saal und zu Dracos Belustigung warfen einige Schüler mit Essensresten nach dem Tisch der Schlammblüter, „die Sicherheitsvorkehrungen in der Schule zu verschärfen.“
 

Runcorn trat hinter dem Rednerpult hervor, stellte sich recht dicht vor den Tisch der allesamt wie betäubt wirkenden Schlammblüter und erklärte in einem freundlich-besorgten, großväterlichen Ton: „Es ist doch nur zu unserer aller Besten. Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass Krieg herrscht und hier Schüler beider Seiten vereint sind. Es ist doch nur verständlich, dass es da zu Unruhen kommen kann!“
 

Der Blick, den er daraufhin Potter zuwarf, ließ keinen Zweifel daran, von wem die Unruhen seiner Meinung nach ausgehen würden. Potter sprang auf, wurde dann aber von der Weaselin und Longbottom wieder heruntergezogen.
 

„Da unserer aktueller Minister Simmons die Weitsicht besitzt, die dem verstorbenen Minister Scrimgeour leider fehlte“ – ein weiterer Silencio-Bann wurde auf den Gryffindortisch gelegt, um Potter und Spießgesellen den Mund zu verbieten – „wurde uns freundlicherweise gestattet, einige Todesser zu unserer Sicherheit zu bekommen. Mr. Malfoy, stehen Sie doch bitte auf.“
 

289 Köpfe schossen wie auf Kommando in Dracos Richtung.
 

Draco stand auf und grinste die entsetzten, wachsbleichen Gesichter um ihn herum an. Er zog seinen Zauberstab und streckte seinen Arm aus. Alle sollten sehen, dass er einen Zauberstab haben durfte und niemand sollte daran zweifeln, dass er ihn auch benutzen würde, falls es jemand wagte sollte, sich mit ihm anzulegen.
 

Diese Kinder. Ahnungslose Kinder, die ihre Ferien damit verbracht hatten zu baden, zu lesen oder sonst etwas Nutzloses zu tun, während er siegreich gekämpft hatte.
 

Er grinste breit und nickte Runcorn zu, dass er ihm gestattete, mit seiner Rede fortzufahren. Alle sollten sehen, dass er nicht irgendein Schüler war. Er war jemand, der etwas zu sagen hatte. So, wie es seiner Familie und ihrem Blut zustand.
 

„Mr. Malfoy wird mit einigen anderen jungen Leuten die Schule vor Unruhen und weiteren terroristischen Anschlägen bewachen. Ich weise Sie alle an, ihm Respekt zu zollen!“
 

Draco erlebte in diesem Moment seinen persönlichen Himmel. Er drehte sich im Saal nach allen Seiten um und nickte mal dem einen, dann dem anderen mit spöttisch zuckenden Augenbrauen zu.

Hermine saß auf ihrem Platz, kreidebleich und wütend. Er wusste, dass sie wütend war, wenn sie so ein Gesicht machte wie jetzt. Er kannte sie.

Draco glitt auf seinen Platz zurück und betrachtete seine Hände. Hermine, das war ein Problem, für das er im Moment keine Lösung wusste.
 

Er würde sich von ihr fernhalten müssen, nicht wahr? Wie lange denn? Vermutlich für immer. Ein zaghafter Blick in ihre Richtung. Ihre Augen waren gerötet.
 

„Ich weise alle darauf hin, dass Mr. Malfoy vom Ministerium dazu ermächtigt wurde, jede Maßnahme durchzuführen, die in seinem Ermessen nötig ist. Ich bitte Sie, lassen Sie es nicht dazu kommen, dass Maßnahmen nötig werden. Guten Appetit weiterhin!“
 

Draco nahm einen weiteren Bissen Kartoffelbrei und verscheuchte die Gedanken an die vor Zorn und Enttäuschung weinende Hermine mit seiner neuen Lieblingsphantasie. Potter etwas nachweisen zu können und ihn dann, vor der gesamten Schule, zu foltern. Oder töten? Wenn es nötig wäre… Draco grinste und überlegte, wie er es tun würde.

Er hatte mit Marcus und Adrian des Öfteren über die schmerzhafteste Art jemanden umzubringen diskutiert. Er beschloss, heute Abend entweder einen Brief zu schreiben oder einen der beiden aufzusuchen. Es galt, eine Wette abzuschließen.
 

Xxx
 

Hermine hatte Draco in den letzten Tagen nicht mehr gesehen. Nun, so ganz stimmte das nicht. Sie sah ihn ja nun regelmäßig auf seinen Patrouillengängen durchs Schloß, wenn er irgendwelche Schüler „abholte“, um sie verhören zu lassen oder wenn er „Schuldige“ mitnahm, um sie zu bestrafen. Einige sah Hermine danach nicht mehr. Draco selbst sah sie außer in den Gängen, in der Großen Halle und ab und zu sogar in Unterrichtsstunden, so wie jetzt.
 

Sie hatte ihn also schon gesehen, von weitem, doch niemals waren sie sich dabei näher als drei Meter gekommen.
 

Sie sah ihn, wenn sie über das Schulgelände ging, wie er mit seinen neuen Freunden zusammensaß und mit einem nervösen, gehetzt wirkenden Blick die Schüler um sich herum observierte, als wären es Gegner auf dem Schlachtfeld.

Sie saßen in Gruppen von fünf bis zehn Schülern zusammen, scharten sich wie die Bienen um ihre Königin um ihn und verhinderten, dass irgendjemand ihrem neu erkorenen Anführer zu nahe kam.

Wirklich, Draco hatte in Crabbe und Goyle vielleicht seine zwei besten Freunde verloren, die ihm bereitwillig als Bodyguards gedient hatten, aber dafür hatte er nun zur Entschädigung ein ganzes Rudel ebenso williger und aggressiver Jünger bekommen.
 

Draco war nie alleine und so hatte sich bisher noch keine Gelegenheit gefunden, mit ihm auch nur ein kurzes Gespräch zu führen.
 

Sie hatte ihm geeult, ja, sicher. Am Anfang beiläufige Fragen, ob er nach der einen oder anderen Unterrichtsstunde Zeit hätte. Seine Antworten hatten immer ewig auf sich warten lassen und waren dann schmerzhaft knapp und nüchtern formuliert. Nein, er hatte keine Zeit und wusste auch nicht, wann er mal wieder unbeobachtet sein würde. Er hätte viel zu tun und es wäre gefährlich, wenn man sie zusammen sehen würde.
 

Er hatte sie noch nicht einmal auf ein mögliches anderes Treffen vertröstet.
 

Sie wollte gar nicht wissen, womit er immer so schwer beschäftigt war. Mit der Schule jedenfalls nicht. Dafür sah sie ihn immer wieder in der schwarzen Todesserrobe zum Tor eilen und manchmal sah sie dann auch, wie er mit starrem, leblosem Blick Stunden später zurückkehrte.
 

Xxx
 

„Du gehst mir aus dem Weg!“
 

„Ach ja?“
 

„Wieso tust du das?“
 

„Hmm!“ Draco zuckte die Achseln und vergrub seine Hände in der Hose.
 

Hermine schob das Kinn nach vorne und verschränkte die Arme trotzig vor der Brust.
 

Draco war nervös und verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Es war nicht gut, hier mit ihr herumzustehen. Besenkammer oder nicht, man könnte sie sehen und das wäre sehr schlecht für ihn.
 

„Redest du jetzt auch nicht mehr mit mir?“ Angst schwang in ihrer Stimme mit. Sie trat einen Schritt auf ihn zu und Draco wich unwillkürlich zurück. Sie könnte verhext worden sein, das war durchaus möglich. Potter und dem Rest des Ordens war alles zuzutrauen.
 

„Was ist denn eigentlich los? Kannst du mir das mal sagen?“
 

Draco stöhnte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Gar nichts ist los. Ich hab halt nicht mehr so viel Zeit!“ Und speziell jetzt hatte er gar keine Zeit… oder Lust. Er war gerufen worden. Das Mal pochte ungeduldig und eigentlich hatte er sich nur deswegen von ihr hier hereinziehen lassen, weil er die Stimmen anderer Schüler gehört hatte und nicht wollte, dass man sie zufällig im Gang zusammenstehen sah.
 

Sie schnaubte und schüttelte mißbilligend den Kopf. „Ich weiß schon, was du zu tun hast. Du gehst mit diesen… diesen…“
 

„Todessern!“
 

Sie erbleichte und verzog das Gesicht, als würde ihr schlecht werden. „Ich wollte Idioten sagen… Sind das denn wirklich alles Todesser? So viele?“
 

„Aus mir kriegst du nichts raus!“ Er schnaubte wütend, trat einen weiten Schritt vor, so dass sein Gesicht von ihrem nur noch eine Handbreit entfernt war und er spüren konnte, wie sein Körper ihren beim Ein- und Ausatmen kurz berührte. „Wer schickt dich?“
 

„Was?“ Sie wich zurück, bis sie mit dem Rücken gegen eines der Regale der Besenkammer stieß, in die sie ihn vorhin gezerrt hatte, als er ihr zufällig im Korridor entgegenkam.

Draco zog seinen Zauberstab, richtete ihn auf ihre Stirn und zischte: „Wenn du es mir nicht freiwillig sagst, dann werde ich das schon rausfinden!“
 

Definitiv!
 

Sie hob die Hände, als wolle sie ihn anflehen und schüttelte fassungslos mit dem Kopf. „Ich will doch nur mal mit dir reden. Warum bist du so?“
 

Draco schob den Unterkiefer vor und wischte das Blut an seinen Händen an seiner Hose ab. Ob es nun echt war oder nicht.
 

„Du willst reden?“, schnarrte er höhnisch, zog eine Augenbraue und einen Mundwinkel hoch, und erklärte mit der lockeren Gleichmütigkeit, die jeder kannte, der Snapes Drogen probiert hatte. „Worüber, was ich heute gemacht habe?“
 

Sie zögerte einen Moment, bevor sie nickte. Sie schien begriffen zu haben, dass sie der falschen Frage zugestimmt hatte.
 

Draco grinste. „Wir haben heute Nacht Flitwick mitgenommen. Ich hab ihn gewarnt, das hat er jetzt davon. Wir haben ihn im Verbotenen Wald auf einem Pfahl aufgespießt. Als wir fertig waren, sind wir zurück zum Schloss gegangen, weil‘s da gerade Mittagessen gab. Der hängt dort immer noch, neben Shacklebolt. Willst du wissen, was…“
 

„Nein!“ Sie schlug sich die Hände vor die Augen, ging in die Knie und begann zu wimmern. Draco gähnte, betrachtete seine Hände und überlegte, ob es normal war, dass Blut Stunden, nachdem es über ihn geflossen war, immer noch feucht und tiefrot an ihm klebte. Eigentlich nicht, oder?
 

Das Mädchen schluchzte Dinge wie „Nein“ und „Kinglsey, ich wußte ja nicht, dass…“ und ging ihm damit ziemlich auf die Nerven. Er zog sie an den Armen hoch, schüttelte sie kräftig und platzierte sie wie einen leblosen Gegenstand direkt vor sich. „Willst du immer noch mit mir reden?“, zischte er. Hermines Augen waren weit, feucht und rot von den Tränen.
 

„Du kannst gerne zu deinen Freunden gehen und sagen, was aus Flitwick und Shacklebolt geworden ist. Wenn du willst, nehm ich Potter und seine Kumpel mit und zeige ihnen, wo die beiden stecken.“ Draco kicherte über das dumme Wortspiel und fügte dann, in einem von Anfall von Kreativität neckend hinzu: „Ich hab noch Spieße. Geht ganz leicht…“
 

Es amüsierte ihn ein wenig, wie sie danach kreidebleich nach hinten stolperte, bis sie mit dem Rücken zur Wand stand und vor Angst vor ihm zitterte. Draco riss seine Augen weit auf. Er merkte es, konnte aber gegen das Starren nichts machen. Eine Nebenwirkung der Droge. Wie nützlich, dass er vorhin welche nachgeschmissen hatte, denn was er jetzt sagen musste, fiel mit Snapes Pillen leichter. „Du, pass mal auf. Das geht einfach nicht mehr, mit uns. Du gehörst zu deinen Leuten und ich zu meinen. Ich bin in den Ferien echt weiter gekommen und das muss ich jetzt ernst nehmen, ich… ach, hör auf mich so anzustarren… ich… hör auf mich so anzustarren, hab ich gesagt… ich hab viel zu tun und kann da nichts riskieren, wo es doch jetzt endlich mal aufwärts geht.“
 

„Aufwärts?“, echote das Mädchen schrill. Sie hatte Tränen in den Augen und eigentlich sah sie nicht so aus, als habe sie gerade versucht, ihn auszuhorchen. Draco sah auf seine Hand, in ihr Gesicht, auf seine Hand und dann wieder in ihre Augen und fühlte… nichts.
 

Fast nichts.
 

Es war nicht so, dass er sie nicht mehr wollen würde. Brauchen würde. Lieben würde.

Aber dennoch, so wie die Dinge standen, war sie außerhalb jeder nur denkbaren Möglichkeit.
 

Das Mädchen legte den Kopf schief und hob ihren eigenen, erleuchteten Zauberstab etwas höher. „Hast du was genommen?“, fragte sie und streckte ihren Kopf etwas vor, um seine Pupillen besser inspizieren zu können.
 

Draco zuckte die Achseln und machte ein gleichgültiges Gesicht. „Klar.“
 

Hermine verzog den Mund und ließ den Zauberstab sinken. „Du… du…. Aber das… das ist ungesund“, stammelte sie.
 

Draco lachte sie für diese alberne Bemerkung aus und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ach, wirklich?“ Er grinste sie an, doch dann hörte er damit auf, weil Grinsen langweilig und anstrengend war. „Was willst du eigentlich von mir?“, schnarrte er stattdessen.
 

Sie schüttelte fassungslos den Kopf. „Was ich von dir will?“, keuchte sie. „Was denkst du denn? Zuerst redest du nicht mehr mit mir und jetzt das…“
 

Draco blinzelte. Sein Magen schien tonnenschwer zu sein. Er musste sich mit einer Hand an einem Regal festhalten, um weiterhin aufrecht stehen zu können. Ihm war schwindelig, irgendwie seltsam…. Und doch, es war ihm egal. Es berührte ihn nicht wirklich.
 

Ihm war überhaupt alles egal, seit er die Heulende Hütte verlassen hatte. Seine Eltern, die Schule, seine ehemaligen Freunde… Hermine. Manchmal auch sie. Und wenn nicht, wenn es so war wie jetzt, dass er eigentlich doch spürte, dass es irgendetwas gab, das ihn zu ihr zog, dann nahm er für gewöhnlich Snapes Tabletten oder seine selbstgebrauten Tränke.
 

Das einzige was zählte war das, was direkt vor ihm lag. Voldemorts Zukunft. Die war greifbar und real. Alles andere Vergangenheit oder Utopie und deswegen nicht weiter von Belang.
 

Er sah ihre Hand in ihrem Umhang verschwinden. Seine Hände krampften sich um seinen Zauberstab. Sie zog etwas heraus und Draco zog seine Waffe. Sie hielt in der Bewegung inne, zitterte so stark, dass das Papier zwischen ihren Fingern raschelte.
 

Er war angespannt und wachsam. Er musste immer und überall aufmerksam sein. Nie in Sicherheit wiegen. Man konnte nie wissen…
 

Sie hob ihre Hand etwas höher – Dracos Finger krampften sich um den Zauberstab – drehte ihre Handinnenfläche nach oben und öffnete ihre Hand.
 

Ein kleines Päckchen lag darin. „Du hast doch heute Geburtstag“, flüsterte sie matt.
 

Draco trat einen Schritt vor und beäugte das quadratische Päckchen mißtrauisch. Sie würde ihm nichts gefährliches schenken, das glaubte er nicht, aber vielleicht hatte Potter sie unter den Imperius gestellt…
 

Sie seufzte schwer, als sie merkte, dass er ihr Geschenk nicht anfassen wollte. Eine kurze Zauberstabdrehung und das Päckchen entpackte sich selbst. Ein kleines, genauer gesagt winzig kleines Buch kam zum Vorschein. Sie wedelte abermals mit dem Zauberstab darüber und Draco wich zurück, als das Buch sich daraufhin vergrößerte.
 

Sie hob das Buch so, dass er es sehen konnte und verzog dabei den Mund, als habe sie Zahnschmerzen. „Da stehen berühmte Muggel - Klavierstücke drin. Du hast mal gesagt, dass du gerne spielst. Hier…“ Sie warf ihm das Buch vor die Füße.
 

Draco betastete das Buch erst zögerlich mit dem linken, dann mit dem rechten Schuh. Als es weder explodierte noch in Flammen aufging, wagte er endlich, sich herunterzubeugen, um es aufzuheben.
 

Sie sprach leise und schien bemüht, den weinerlichen Tonfall in ihrer Stimme zu verbergen. „Du musst nur einmal darauf tippen und „Parva“ sagen, dann wird es kleiner. Bei „Maxima“ wird es dann wieder größer. Ich dachte, es ist ganz gut, damit du es unauffällig verstecken kannst. Naja… damit es keiner sieht.“
 

Draco sah sie unverwandt an und fühlte sich hohl.
 

Sie schien auf irgend etwas zu warten, doch er tat nichts. Sie schniefte, wischte sich die Augen und schüttelte den Kopf. Doch immerhin schien sie es nun endlich begriffen zu haben. Statt weitere Annäherungsversuche zu unternehmen, ging sie zur Tür. Sie hatte schon die Hand auf der Klinke, als sie sich noch einmal zu ihm umdrehte. „Ich liebe dich, weißt du?“
 

Draco nickte gleichmütig. „Ich weiß. Das reicht aber nicht!“, sagte er, schob sie beiseite und war schon einige Meter weg, als die Tür zufiel und er schlurfende Schritte und ein leises Wimmern zurückließ.
 

Es war ihm egal, wenn sie weinte.
 

So waren die Dinge eben. Sie gehörte zu seinen Feinden und dort sollte sie bleiben.
 

Er würde jetzt noch ein paar Pillen schlucken. Dann war auch Hermine selbst ihm wieder erleichternd egal. So wie ihm mittlerweile alles andere egal war.
 

xxx

Hermine beobachtete Harry aus den Augenwinkeln. Er hatte einen Finger gehoben und schien irgendetwas im Klassensaal zu zählen. Von ihr abgewandt sah er nicht, wie sie sich vorsichtig umdrehte, um Draco zu suchen.
 

„Thomas!“, piepste Flitwicks Stimme durch den Raum. Hermines Kopf schnellte wieder nach vorne. Der Unterricht hatte begonnen.
 

Der kleine Professor saß vorne an seinem Pult und war gänzlich hinter zwei Stapeln Aufsätzen verborgen.

Kein Stuhlschieben, kein Hefterascheln und auch kein „Hier!“ verriet, dass auf den Aufruf reagiert wurde.

Hermine drehte sich auf ihrem Platz in der ersten Reihe um, sah an Harrys verspannter Miene vorbei und ließ ihre Blicke durch den Saal schweifen. Dean war nicht hier. Das Zauberkunstklassenzimmer war für den schülerreduzierten UTZ-Kurs eigentlich zu groß, so dass selbst dann, wenn jeder Schüler einen Pult für sich alleine gehabt hätte, einige Plätze leer geblieben wären.
 

Sie lehnte drehte sich, um die andere Seite des Saales durchforsten zu können. Etwa in der Mitte des Raumes, auf der rechten Seite, direkt neben einem Fenster, saß Seamus Finnigan. Allein.
 

„Tot! Ist bei Unruhen in einer Muggelstadt gestorben“, sagte Seamus knapp.
 

Professor Flitwicks Hände tauchten zwischen den beiden Türmen auf. Vorsichtig schob er die gestapelten Aufsätze zur Seite, bis sein eigenes, kreidebleiches Gesicht in der freien Schneise erschien. „Oh!“
 

Seine Augen flackerten für eine Millisekunde zur Seite und Hermine wusste auch ohne seinem Blick zu folgen, dass er ängstlich in Richtung Draco ging, der ganz alleine in der letzten Reihe saß und Hermines letztem Blick nach schlief.
 

Flitwick hielt sich die Faust vor den Mund und räusperte sich unbehaglich. Ein Geräusch, welches in der Stille des Zimmers einschüchternd laut klang. Hermine sah, dass Flitwick unbeholfen in seinem Umhang wühlte, bis er schließlich seinen Zauberstab fand und seinen eigenen Sitz mit einer schwungvollem Stabbewegung ein Stück nach oben fuhr. Zweifellos hatte er das getan, um das Klassenzimmer besser überblicken zu können.
 

Er verzog den Mund und seufzte abermals, schüttelte sich, als wolle er eine lästigen Gedanken abwerfen, legte Dean Thomas' Aufsatz auf einen freien Fleck, nahe der Schreibtischkante. Er reckte sich, um nach einem weiteren Aufsatz zu angeln. „Turpin!“
 

Hermine atmete erleichtert auf, als sie hinter sich einen Stuhl knarzen hörte und kurz darauf ein großes, blondes Mädchen an sich vorbei zu Flitwick eilen sah. Flitwick verschwand hinter einem Vorhang blonden Haares, als sich Lisa zu ihm hinunter beugte.

Flitwick hätte die Aufsätze auch zu den einzelnen Schülern schweben lassen können, da dies aber die letzte Arbeit vor den Prüfungen war, wurden noch einige Details der Arbeit persönlich besprochen.
 

Hermines Magen verkrampfte sich bei der Erinnerung an Flitwicks verlegenes Gesicht, der tatsächlich rot geworden war, als er der entsetzten Hermine ihre „E“-Wertung in die Hand drückte und nach einem verlegenen Hüsteln erklärte, dass sie schon mal besser gewesen war. Es hatte Hermine alle Willensstärke die sie aufbringen konnte gekostet, dem viel kleineren Mann ihren Aufsatz daraufhin nicht auf den Kopf zu schlagen. Natürlich hätte sie besser vorbereitet sein können. Natürlich… wenn sie ihre Nerven nur besser beisammen hätte halten können. Theoretisch war sie besser, das wusste sie und wurde ihr durch Harrys Verhalten auch sofort bestätigt, der bei dem Anblick ihres „E’s“ so erschrocken zusammenzuckte, als fürchte er, sie würde ihn auf der Stelle für sein „O“ schlagen.
 

„Finch-Fletchley!“, riss Flitwicks Piepsstimme Hermine aus ihren Überlegungen.
 

Ein Moment der Stille. Harry räusperte sich schwer. „Tot! Wurde gestern Morgen in den Gewächshäusern gefunden.“
 

Flitwick starrte Harry mit großen Augen an. Wieder flackerten seine Augen verlegen zu Draco hinüber. Sichtlich nervös leckte er sich die Lippen und legte den Aufsatz mit zitternden Fingern auf den von Dean.

Zehn schreckliche Minuten lang ging diese Folter weiter. Flitwick rief in der Reihenfolge der vor ihm gestapelten Aufsätze alle Schüler des UTZ-Kurses auf. Im selben Maße wie der Stapel, der auf Deans Aufsatz gegründet war, höher wurde, wurde Flitwick immer bleicher und, wenn dieses Wortbild nicht zu albern gewesen wäre, kleiner.
 

Nicht alle waren tot. Zum Glück hatten einige nur das Land verlassen. Dennoch war der Kurs erschreckend geschrumpft. Von den vierundzwanzig UTZ-Schülern, die vor den Osterferien den Kurs besucht hatten, waren nun nur noch vierzehn übrig.
 

Dreizehn hatten ihren Aufsatz zurück und die Abneigung in Flitwicks Stimme war unmöglich zu überhören, als er nun den vierzehnten, verbleibenden Schüler aufrief: „Malfoy!“
 

Hermine hatte insgeheim gehofft, dass Draco tatsächlich schlief und dass Flitwick und der Rest der Klasse sein fehlendes Erscheinen einfach ignorieren konnten, um mit den UTZ- Vorbereitungen fortzufahren.
 

Stattdessen erklang vom hinteren Ende des Saales das Quietschen eines Stuhles, der geräuschvoll zurückgeschoben wurde und kurz darauf der kraftvolle Klang entschlossener Schritte.

Draco schlenderte mit einem so gelassenen Grinsen auf den Lippen auf Flitwick zu, dass er einfach nur unverschämt wirkte.
 

Unverschämt und wortwörtlich „mordsgefährlich“, denn nachdem es ihm über ein halbes Jahr verboten gewesen war, einen Zauberstab zu besitzen, scheute er sich nun noch nicht einmal im Unterricht davor, eben diesen Stein des Anstoßes locker zwischen den Fingern zu rollen, als er sich selbstbewusst vor Flitwick platzierte, um dem zwergenhaften Mann den Aufsatz aus den Fingern zu reißen.
 

Hermine und Harry beugten sich vor, um besser sehen zu können, was am Lehrerpult passierte. Flitwick schien sich nicht zu rühren. Draco zog heftig an seinem Aufsatz, steckte den Zauberstab sogar weg, um mit beiden Händen ziehen zu können, während Flitwick ebenfalls beide Hände am Aufsatz hatte, Draco mit großen Augen anstarrte und einfach nicht losließ.
 

Draco zischte etwas - woraufhin dreizehn Stühle am Boden knarrten, weil alle Schüler versuchten sich, in eine Position zu bringen, von der aus sie bessere Sicht hätten - doch Flitwick hielt den Aufsatz immer noch fest. Statt Draco nachzugeben, hielt er fest, zwang Draco damit, ihn wahrzunehmen und ihn direkt anzusehen.

Mit einem energischen Ruck riss Draco den Aufsatz an sich und taumelte vom Schwung zwei Schritte zurück. Flitwicks Hände sanken wie in Zeitlupe hinunter, doch endlich kam wieder Leben in den kleinen Professor. Er schüttelte den Kopf, zuerst ganz langsam, dann etwas energischer und schließlich seufzte er schwer. Ein wenig traurig, recht deutlich missbilligend, fixierte er Draco mit seinen Augen fixierend und hob, wie zur Anklage, eine Hand: „Sehen Sie sich um, Mr. Malfoy! Sehen Sie sich in diesem Klassenzimmer um!“
 

Draco gehorchte automatisch und drehte sich kurz zu Hermine, deren Herz jeden Moment stillzustehen drohte. Harry neben ihr schien Dracos Gesicht wie ein gleichwertig geladener Pol abzustoßen, so dass sein Kopf ruckartig zurück in Richtung Flitwick schnellte.
 

Flitwick ließ sich von Dracos nervös zuckendem Mund und der Hand, die in seinem Umhang suchte, dort, wo er den Zauberstab deponiert hatte, nicht verunsichern, sondern klagte weiter. Laut und deutlich, so dass jeder hören konnte, als Flitwick ganz offen aussprach, was die meisten zwar dachten, doch nicht zu sagen wagten: „Leere Plätze. Wo ich hinsehe, in jeder Klasse sehe ich leere Plätze. Was haben Ihnen Ihre Mitschüler denn bitteschön getan?“
 

Draco mochte zwar kalkweiß bei diesen Worten geworden sein, doch gleichzeitig wirkte er viel zu ruhig und gelassen angesichts der Tatsache, dass er hier in der Öffentlichkeit des Klassenzimmers auf seine Todesserzugehörigkeit angesprochen wurde.
 

„Ist es denn noch nicht genug?“, piepste Flitwicks helle, doch feste Stimme. „Sehen Sie sich doch einmal um“, forderte er den jungen Mann vor ihm auf, der nur müde grinste und sich die Lippen leckte. „Jeder zweite Platz in diesem Klassenzimmer ist leer…“
 

Draco kratzte sich am Ohr, grinste noch breiter als zuvor und bleckte die Zähne. „Ich sehe… ich sehe nur nicht, warum Sie das mir sagen.“
 

Flitwicks Unterkiefer klappte herunter auf. „Warum ich das Ihnen sage, Mr. Malfoy?“
 

Falls Hermine sich nicht irrte, hatte Draco aufrichtig Spaß. Er kicherte, rollte den Zauberstab in der Hand hin und her und biß sich erwartungsvoll auf die Unterlippe.
 

Flitwick starrte den jungen Mann an, als habe er ihn noch nie gesehen. Nein, als würde er ihn schon eine ganze Weile im Dunkeln kennen und wäre nun erschrocken, da das Licht angemacht worden war und die Helligkeit alles offenbarte, was bisher im Verborgenen nur zu erahnen gewesen war.

„Weil Sie einer von ihnen sind“, flüsterte Flitwick atemlos und deutete, ohne Zauberstab, nur mit einem zitternden Finger, auf das dunkle Mal auf Dracos Arm, das – wegen der hochgekrempelten Ärmel - für jeden im Saal beunruhigend deutlich sichtbar war. „Sie und Ihre Leute waren das doch. Ihretwegen sitzen wir hier und hören schon fast unser Echo von den Wänden widerhallen, so leer ist die Schule!“
 

„Sie behaupten also, dass die Todesser und nicht die Muggel für die ganzen bedauerlichen Todesfälle verantwortlich sind?“, fragte Draco so ruhig und kühl, dass es Hermine kalte Schauer über den Rücken rieseln ließ. Sie stieß Harry in die Seite und warf ihm einen besorgten Blick zu. Harry war so blass, dass er schon fast gelb war und rührte sich auch dann nicht, als ihm Hermine um noch einmal, um einiges fester dieses Mal, in die Rippen stieß.
 

Er war so seltsam, in letzter Zeit. Redete kaum, wenn sie dabei war, doch sobald sie ihm den Rücken zudrehte, schien er ihn panischen Aktionismus auszubrechen, schrieb Briefe wie ein Wilder, übte Zauber, warf anderen Mitschülern verstohlene Blicke zu und verschwand auf mysteriöse Weise für Stunden.

Doch jetzt war Harry ja hier, neben Hermine und dennoch so unerreichbar wie er immer war, seit sie nach den Ferien gemeinsam den Gryffindorturm betreten hatten, dessen Belegschaft sich innerhalb des letzten Jahres halbiert hatte.
 

Hermine wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Flitwick zu. Der schwitzte, starrte Draco mit weit aufgerissenen Augen an und kratzte unruhig mit den Fingernägeln über die Pergamentrollen unter seinen Händen. Er wirkte so unruhig, als würde er sehr schwer mit sich ringen, ob er etwas tun sollte oder nicht.
 

Draco hingegen verlagerte sein Gewicht locker von einem Bein aufs andere, drehte sich zu Harry um, zwinkerte ihm gehässig zu und drehte sich mit erwartungsvoll hochgezogenen Brauen zurück zu Flitwick. „Nun? Sie sollten meine Frage beantworten. Es wäre unhöflich, mich einfach anzuschweigen, wo wir doch gerade über ein so fesselndes Thema plaudern.“
 

Flitwick hob das Kinn, sah Draco direkt in die Augen und erwiderte in einem Ton, als würde er gerade sein eigenes Todesurteil aussprechen: „Sie haben mich richtig verstanden.“

Draco hob eine Augenbraue und lächelte ob dieser Antwort so freundlich, nein, beglückt, dass Hermine am liebsten über ihren Tisch gesprungen wäre, um ihn kräftig zu ohrfeigen.
 

Flitwick schluckte, seine Stimme klang matt und tonlos, so leise, dass sie eigentlich kaum zu hören sein sollte und dennoch jeden im Saal dazu brachte, den Menschen, der ihm am nächsten war, ängstlich anzusehen. „Ich glaube, dass die Todesser für diese Massenmorde in den letzten Monaten verantwortlich sind. Ich glaube, dass Lord Voldemort dies alles nur inszeniert hat, um an die Macht zu kommen und ich glaube, dass der aktuelle Minister bereits von ihm gesteuert wird, da kein Mensch, der auch nur einen Funken Moral oder Verstand hat, diese neuen Gesetze billigen würde. Und um das ganze abzuschließen… ich glaube, dass die Todesser und Lord Voldemort nichts als ein Haufen von rassistischen Massenmördern sind, die mit ihrer Ideologie das ganze Land vergiften wollen. Nun, ich werde mich nicht vergiften lassen. Mit allen Konsequenzen!“
 

Draco schnalzte, leckte sich genüsslich die Lippen und nickte. „Danke, Professor Flitwick. Das war sehr aufschlussreich. Sie erlauben?“ Er verneigte sich mit höhnischem Grinsen zu einem Diener. „Ich habe zu tun!“
 

Er drehte sich um, grinste in die Runde verunsicherter Mitschüler und schritt von dannen. Hermine hörte Harry neben sich „Jetzt ist er tot!“ stöhnen und ruckte den Kopf in Flitwicks Richtung, der, seinem wehmütigen Blick nach, genau dasselbe zu denken schien.
 

xxx
 

Draco war wachsam wie eine Raubkatze auf Beutezug. All seine Sinne waren klar und scharf wie ein Messer. Er hörte jedes Husten, Seufzen und selbst wenn einer der Lehrer oder Schüler auch nur mit den Zähnen knirschte, bekam er das mit.
 

Er musste aufmerksam bleiben. Alle hier waren ihm feindlich gesonnen. Ausnahmslos alle. Vielleicht mit Ausnahme von Hermine, doch auch hier war nie wirklich klar gewesen, zu wem sie im Falle eines Falles halten würde.
 

Außerdem war sie Schlammblut-Abschaum. Das war sie schon immer gewesen, es war ja nicht so, dass ihm das vollkommen neu war oder dass es ihn… nun ja… davon abhalten würde, sich nach ihr zu sehnen.
 

Aber er konnte ihr nicht trauen.
 

Jeder im Schloss war sein Feind. Ausnahmslos.
 

Draco schnaubte, krallte seine Finger um seinen Zauberstab und beäugte die Gruppe von Schülern, die ihm schweigend entgegenkam.
 

Dort!
 

Potter sah ihn an. Er hatte über ihn geredet. Ganz sicher. Vielleicht würde er ihn nachher verhören lassen. Jetzt waren andere Zeiten angebrochen. Potter hatte sich ihm zu fügen. Dafür würde er schon sorgen.
 

Diese Leute würden noch lernen ihn ernst zu nehmen. Das, was sie die letzten Monate über mit ihm gemacht hatten, sollte ihnen noch leid tun.
 

Potter zog die Weaselin enger an sich und legte ihr den Arm um die Taille. Die Weaselin funkelte Draco zornig an und der Volltrottel Longbottom senkte den Blick und musste von Potter zur Seite gezogen werden, da er fast gegen eine Ritterrüstung gestoßen wäre.
 

Draco schnaubte und blieb stehen. Potter und Freunde gingen weiter, ohne ihn eines zweiten Blickes zu würdigen. Sie schwiegen, obwohl sie eben, als Draco sie am Ende des Ganges ausgemacht hatten, in ein lebhaftes Gespräch verwickelt gewesen waren. Draco verzog den Mund und beschloss, sich zumindest die Weaselin oder Longbottom nachher vorzunehmen. Dieses Pack hatte Geheimnisse, die er ergründen musste. Und wenn er dann herausfinden sollte, dass sie etwas verbargen… Dann, ja, dann… Draco nickte zu sich selbst und ging weiter. Er durfte tun, was getan werden musste. Er würde es tun. Voldemort hatte ihn nicht umsonst zum Junior-Todesseranführer befördert.
 

Kingsley Shacklebolt hatte seine Strafe schon erhalten und Draco musste sich mühsam zurückhalten, es Potter und seinen Freunden nicht jedesmal, wenn er sie sah, ins Gesicht zu schreien.
 

Jedesmal, wenn er mit erhobenem Zauberstab durch die Gänge ging und sah, wie die Schüler, die ihn früher hinter seinem Rücken ausgelacht hatten, weiß wurden und schnell in die andere Richtung gingen, triumphierte er innerlich.
 

Nun endlich zollten sie ihm Respekt. Freiwillig oder nicht.
 

Er hatte jetzt das Sagen.
 

Draco hatte in Rücksprache mit Runcorn angeordnet, dass die Schüler nun nicht mehr nach Jahrgang, sondern nach ihrem Blutstatus in Zimmer verteilt wurden. Reinblüter bekamen Zimmer für sich, Halbblüter bekamen Zimmer für sich und die Schlammblüter das, was dann noch übrig blieb.
 

Er durfte das kontrollieren. Genau genommen – Draco grinste stolz, als ihm zwei junge Slytherins entgegenkamen - seine Helfer.
 

„Und?“, fragte er gebieterisch. „Habt ihr den Gryffindorturm kontrolliert?“
 

Der Erste, ein magerer Viertklässler mit blondem Wuschelkopf, senkte beschämt die Augen. „Nein, sie haben uns nicht reingelassen.“
 

„Wie, nicht reingelassen? Ihr habt doch die Passwörter!“
 

„Ja, schon“, erwiderte der andere, ebenso schuldbewußt. „Aber … Seamus Finnigan und Potter kamen dazu, als wir gerade hineingehen wollten und haben uns“, er hustete und wurde feuerrot, „raus geflucht!“
 

„Was?“ Dracos Wangen glühten ebenfalls, jedoch vor Erregung. Es war wie eine Offenbarung. „Potter und andere verweigern euch den Zutritt? Dann haben sie etwas zu verbergen!“
 

Er grinste und rieb sich voll Vorfreude die Hände. „Kommt. Wir melden es dem Direktor. Ich denke, wir sollten mit ein paar anderen jetzt dorthin zurückgehen. Wenn dort etwas verborgen ist, muss ich das wissen!“
 

„Ich will aber auch was essen, ich hab jetzt schon Hunger“, motzte der zweite. Ein nicht ganz so magerer Fünftklässler, dem es Dracos Meinung nach nur gut tun würde, den einen oder anderen Steak-Auflauf ausfallen zu lassen. „Du kommst entweder mit oder du bist draußen“, zischte er drohend, hob den Zauberstab in Richtung des Jungen und verengte die Augen. „Und ich widerhole mich nur sehr ungern, aber wenn ihr bei den Todessern weiterkommen wollt, müsst ihr beweisen, dass ihr gehorsam seid, wenn es drauf ankommt und euch nicht von irgendwelchem Quatsch ablenken lasst.“
 

Außerdem hatte Draco keine Lust, dort im Turm alleine auf Hermine zu treffen, während er dabei war, seinen Untersuchungen nachzugehen. Das war aber nunmal der Befehl. Sein Befehl. Alles mit Runcorn abgesprochen. Jedes einzelne Zimmer im ganzen Schloss wurde durchsucht. Und wenn etwas gefunden wurde, wenn jemand dabei erwischt wurde, gegen Voldemort, die Todesser, gegen ihn, etwas auszuhecken… Nun, er hatte die Erlaubnis bekommen, das Schloss und die magische Gemeinschaft gegen die Anschläge dieser Rebellen zu schützen.
 

Draco forderte McCoffin und Pierce, die beiden Todesserlehrlinge, auf, ihm zu folgen. Obwohl er hier im Schloss momentan der ranghöchste Todesser war, musste er das, was er jetzt vorhatte, dennoch vom Schulleiter absegnen lassen.
 

„Ich will eine Sonderuntersuchung im Gryffindorturm durchführen!“, forderte er Runcorn auf, der sich gemächlich in Dumbledores Schulleiterstuhl zurücklehnte und es sichtlich genoss, sich so wichtig fühlen zu können.
 

„Warum?“, fragte der neue Direktor und griff nach einem mysteriös aussehenden, goldenen Würfel, den er vor Dracos Ankunft im Büro in einem von Dumbledores Schränken gefunden hatte.
 

„Weil meine beiden… Mitarbeiter da“, er deutete auf die vor Stolz strahlenden Jungen, „der Meinung sind, dass im Gryffindorturm kompromittierendes Material versteckt wird. Ich weise darauf hin, dass dort, also bei den Gryffindors um Harry Potter, das Herz des Wiederstands zu suchen ist. Nicht nur hier an der Schule… diese Leute sind im Orden selbst und wenn sie…“
 

„Ja, ja… schon gut. Wo soll ich unterschreiben?“ Runcorn warf den Würfel weg und grabschte sich stattdessen mit begeistertem Glucksen eine kunstvoll gefertigte Phönixfeder, die freischwebend über dem Schreibtisch in der Luft hing.
 

Draco verdrehte die Augen und schnaubte. Runcorn war ein Idiot, der alles, was man ihm vorlegte, unterzeichnen würde, wenn er sich dabei nur wichtig vorkommen durfte.
 

Xxx
 

Erregung nahm von Draco Besitz, als er sich dem Gryffindorturm näherte. Potter hatte dagegen protestiert, dass man Draco, und damit den Todessern, den genauen Standort sowie die Passwörter aller Häuser mitteilte. Draco grinste siegessicher. Potter war daraufhin als Schulsprecher abgesetzt worden.
 

Er hätte sich selbst zum neuen Schulsprecher ernennen können, doch Voldemort hatte mit der Begründung abgelehnt, dass damit nicht deutlich genug wurde, dass die Schule nun unter dem „Schutz“ - hier hatte Voldemort kurz innegehalten, um den anderen Todessern die Gelegenheit zu lachen zu gegeben - stand. Seine jetzige Position war sowieso besser, bot sie ihm doch so viel mehr Chancen, sich an all denen zu rächen, die ihn in den letzten Monaten wie Dreck behandelt hatten.
 

Draco nannte das Passwort, doch die fette Dame weigerte sich, beiseite zu schwingen, als sie die schwarz bekleideten Gestalten sah. Es war eigentlich eine Farce. Einem direkten Befehl aufzuspringen, hätte sie sich nicht wiedersetzen können. Sie war so verzaubert, dass sie öffnen musste.

Es war der reine Spaß an der Tätigkeit, der Draco dazu bewog, die anderen Schüler beiseite zu scheuchen und das Porträtloch samt Eingang mit einem gut gezielten „Bombardo“ aufzusprengen.
 

Ein lauter Knall, Steine flogen durch die Luft, es qualmte und staubte und unvermittelt sah sich Draco Auge in Auge mit Seamus Finnigan, der ihn entgeistert durch das freigesprengte Loch in der Wand anstarrte. Einige jüngere Schüler waren bei ihm und brachten es zu Dracos Belustigung tatsächlich fertig, noch blöder dreinzuschauen als Finnigan.
 

Rauchwolken waberten um sie herum, brachten ihre Augen zum Tränen und ihre Lungen zum Rebellieren. Sie husteten, niesten und hielten sich die Hände vors Gesicht.
 

Finnigan blutete an der Wange. Eigentlich verwunderlich, dass nicht noch mehr Schüler viel stärker verletzt waren. Er starrte fassungslos an den Rändern des Loches entlang und wenn man bedachte, dass der Bilderrahmen der fetten Dame immer noch dort hing, wo Sekunden zuvor der Geist dieser Frau auf Leinwand verewigt gewesen war, schien dieses Bild nun durch die Darstellung einer Kampfszene ersetzt worden zu sein.
 

Draco grinste und beschloss, sich ein Bild ins Haus zu hängen wie das, was er hier vor sich sah. Mit ebensolchen fassungslosen, stummen Gryffindors darauf.
 

Draco drehte sich um und wollte seinen Mitstreitern seinen Plan mitteilen, als ihn etwas Hartes am Hinterkopf traf.
 

Seine Hand schnellte zu der Stelle, an der der Stein ihn getroffen hatte. Seine Atmung beschleunigte sich und seine Finger zitterten, als er feuchte Haare betastete. Ganz langsam, wie in Zeitlupe, nahm er seine Finger zurück von seinem Kopf und führte sie vor seine Augen. Blut, seine Finger bluteten? Nein, nicht die Finger. Sein Kopf.
 

Dracos andere Hand, in der er den Zauberstab hielt, erhob sich drohend. Quälend, und doch genüsslich langsam, drehte er sich zu Finnigan um und richtete seine Waffe auf dessen Brust.
 

Dieser Junge hatte gerade versucht ihn umzubringen.
 

„Du warst das!“
 

Finnigan erbleichte und doch zitterten seine Lippen vor Zorn. „Ich, ich“, stammelte er erbärmlich, „hab doch gar nichts gemacht!“
 

Draco befahl seinen Helfern per Handzeichen, sich kreisförmig um Finnigan aufzustellen. Einige jüngere Gryffindors verließen eilig den Turm. Vermutlich, um Hilfe zu holen. Ein größerer Junge und ein Mädchen, das offenbar seine Freundin war, denn sie hielten einander an der Hand, kamen jedoch näher und schienen sich wohlwollend für Dracos Arbeit zu interessieren. Er hatte die zwei schon öfter gesehen. Reinblüter, sie hatten ihn schon ein paarmal nach den Ferien angesprochen. Draco nickte ihnen zu und beschloss, sie demnächst als Neutodesser vorzuschlagen.
 

Er wusste, dass es unter den Gryffindors mittlerweile einige gab, die mit Voldemort sympathisierten, aber zwei Todesser direkt in „Potter-City“, das wäre doch mal was. Normalerweise nahm der Lord nur sehr selten weibliche Aspiranten auf. Mal sehen. Aber auch, wenn sie keine Todesserin werden würde, könnte sie Draco gute Dienste leisten.
 

Während er so überlegte, was er als nächstes tun sollte, hatten seine Leute Finnigan entwaffnet und verspotteten ihn. Das war ja alles ganz interessant, doch Draco hatte noch etwas anderes vor. Nicht hier, wo es so gut wie niemand sah. Unten in der Großen Halle, wo alle anderen waren.
 

„Komm her!“, befahl er und winkte Finnigan auffordern mit er Hand zu.
 

„Vergiß es, Malfoy. Zieh ab oder es wird dir leid tun!“ Finnigan durchbohrte ihn mit einem hasserfüllten Blick und spuckte vor ihm auf den Boden.
 

Draco kicherte. „Na sowas. Noch ein Anschlag auf mich. Vor allen Leuten? Ihr seht, dass er sich weigert mitzukommen und mich bedroht. Ja?“
 

Seine Jünger nickten eifrig und Draco fand das Ganze von Minute zu Minute lustiger. „Wie du meinst“, erwiderte er lapidar, zielte und murmelte. „Imperio!“
 

Willenlos wie Finnigan war, wehrte er sich nicht, als Draco ihn an den Haaren packte und ihn so, gefolgt von seinem restlichen Trupp, durch die Gänge in Richtung der Großen Halle hinter sich herzog. Sie begegneten einigen Geistern, die zwar nicht erbleichten, jedoch irgendwie blasser wurden.
 

Peeves wurde auf Dracos Geheiß hin von seinen Anhängern mit Flüchen zur Raison gebracht und die wenigen Schüler, die es wagten, nicht sofort beiseite zu treten, als Draco an ihnen vorüberzog, wurden einfach aus dem Weg geräumt. Die Macht, die er innehatte, beflügelte Draco zu einem Höhenflug der Rachegedanken. Hier war er, die Hand an der Kehle des Feindes und er würde sich für all das rächen, was der Orden jemals gewagt hatte.
 

Vor der Großen Halle hielt er an. Draco stieß Finnigan mit einem kräftigen Tritt gegen die Tür, so dass der mit dem Kopf gegen das Holz knallte und schmerzhaft aus dem Fluch erwachte. Draco grinste seinen Leute zu und kommentierte: „Höfliche Menschen klopfen an, nicht?“
 

Sie warteten natürlich nicht darauf, dass jemand „Herein“ rief und sich die Tür öffnete, sondern rissen beide Flügel des Portals auf, so dass Finnigan für alle sichtbar, nun mit gefesselten Händen, hineinstolpern konnte. Er wollte nicht. Er wehrte sich, er zappelte und schrie.
 

Bewegung kam in die Halle. Köpfe fuhren herum, Schüler standen auf, schubsten sich und drängelten, um besser sehen zu können. Draco forderte seine Helfer dazu auf, eine Schutzblase um ihn und Finnigan zu legen. Einen magischen Bann, der wie ein transportabler Protegoschild glockenartig um sie herum waberte.
 

Potter hob den Stab und zielte, Draco entwaffnete ihn. Longbottom wollte sich auf einen der Helfer werfen, doch der war schneller und lähmte ihn.

Draco fühlte sich überlegen. Was dachten diese Versager eigentlich, wer er war? Er war seit über einem Jahr zum Töten abgerichtet und hatte mehrmals pro Woche echte Gefechte ausgefochten, während sie in ihrem Schloss gesessen und eine nutzlose Intrige nach der anderen geplant hatten.
 

Runcorn stand auf. Er war bleich und wirkte unruhig. Seine Hände kratzten über das Tischtuch. Draco erwiderte den Blick ruhig. Er schlenderte lässig durch den Mittelgang. Packte Finnigan, der es gewagt hatte stehen zu bleiben, am Kragen und schleifte ihn mit sich.
 

Nun erhoben sich auch die anderen Lehrer. Vielleicht ahnte der eine oder andere ja, was er vorhatte, doch keiner, nicht einmal Runcorn wagte, irgendetwas gegen ihn zu unternehmen. Er war Voldemorts Mann an der Schule, der lange Arm des Gesetzes, das es nun zu vollstrecken galt.
 

Aus den Augenwinkeln sah er Hermine entsetzt die Augen aufreißen. Ein größerer Schlammblutjunge zog sie zur Seite. Sie folgte widerwillig, dann, als der Junge den Griff lockerte, sprang sie vor und warf sich quer über den Tisch. Beinahe hätte sie Finnigan gepackt, doch Draco war schneller. Er feuerte einen Fluch ab, der den Tisch kippen ließ. Das Mädchen schrie auf, als das schwere Holz auf sie stürzte und ihr Bein unter seinem Gewicht zerquetschte.
 

Er zog Finnigan weiter, stieg mit ihm auf das Podium, auf dem die Lehrertische standen und zerrte sein Opfer direkt in die Mitte, so dass ihn alle sehen konnten. „Wie ich hörte, haben einige Gryffindors meinen Männern vorhin den Zutritt verweigert. Das kann ich nicht durchgehen lassen!“
 

Obwohl er laut geschrien hatte, bemerkte er, dass die Schüler am hinten Ende der Halle verwirrte Blicke tauschten. Er vollführte einen Sonoruszauber, denn es war wichtig, dass ihn jetzt wirklich jeder hörte, sah und verstand. „Wir waren eben nochmal dort, denn wenn in der Schule terroristische Aktivitäten geplant werden, muss ich das wissen. Der hier“, er versetzte Seamus einen Schlag der ihn ungelenk nach vorne taumeln ließ, „hat sich widersetzt. Mehr noch. Er hat mich hinterhältig angegriffen und bedroht!“
 

Draco grinste ob der Wirkung dieser Enthüllung. Einige Schüler wirkten entsetzt, verängstigt… einige Schüler schienen vor ihm, Draco, Angst zu haben. Manche jedoch, richteten ihren Zorn gegen Finnigan, der aussah, als ob er sich jeden Moment in die Hosen machen würde.
 

Draco wollte das Ganze nicht unnötig in die Länge ziehen. Lange Ansprachen hatten nur zur Folge, dass man dabei von seinem Plan abgehalten werden konnte. Ein prüfender Blick in Richtung Potter ließ darauf schließen, dass der schon wieder etwas ausheckte. Er hatte Hermine zu sich gezogen und wedelte mit dem Zauberstab herum. Vielleicht heilte er ihre Beine, vielleicht war es ein Ablenkungsmanöver, um sich auf Draco zu stürzen.
 

Die Zeit drängte. „Wenn ein Schüler das Leben eines anderen bedroht, noch dazu jemand, der nachweislich der terroristischen Organisation „Dumbledores Armee“ angehört, dann muss ich das verhindern.“
 

Dolores Umbridge applaudierte. Draco drehte sich zu ihr um, lächelte sie wohlwollend an und erklärte dann wieder zur Menge gewandt. „Zum Schutz der anderen… Finnigan!“
 

Seamus drehte sich um und fragte zitternd. „Ja?“
 

„Avada Kedavra!“
 

Ein grüner Blitz brach aus Dracos Zauberstab hervor, traf Finnigan direkt in die Brust und ließ ihn starr und tot vom Podium kippen.
 

Draco nickte zufrieden, steckte den Zauberstab wieder weg und marschierte an den geschockten - in Potters Fall gelähmten - Schülern vorbei, die Große Halle hinaus.
 

Da er nun sicher sein konnte, sich den nötigen Respekt verschafft zu haben, ging er auf diese Heldentat hin ganz alleine in den Gryffindorturm zurück und suchte zwei Stunden lang mal hier und mal dort. Er fand nichts. Damit hatte er aber auch nicht gerechnet. Sollten Potter und Kumpane irgendetwas versteckt haben, dann sicher nicht hier. Darum war es aber auch nie gegangen. Sinn und Zweck war es gewesen, den herausgeforderten Machtkampf zu gewinnen.
 

Draco war an diesem Abend bei Voldemort, um Bericht zu erstatten. Voldemort selbst, sowie Bellatrix fanden den Vorfall amüsant und beglückwünschten Draco zu den beiden Neutodessern, die er nach der Hinrichtung Finnigans angeworben hatte. Todesser im Herzen Gryffindors. „Das war ein guter Tag“, freute sich Bellatrix und Voldemort stimmte dem zu. „Ein großer Tag. Und du sagst, dass sich dir sonst keiner widersetzt hat, Draco?“
 

Draco schüttelte gelassen den Kopf. „Keiner. Entweder sind sie auf unserer Seite oder sie trauen sich nicht. Gut, Potter und ein paar andere Überbleibsel von Dumbledores Armee. Aber wie viele sind das denn noch? Ich kann sie an zwei Händen abzählen und brauche nicht mal alle Finger dafür. Unbedeutend, Mylord.“
 

Voldemort nickte, tätschelte ihm die Wange und lobte ihn. Er war ein guter Diener und bald, wenn die Macht errungen war, wären auch Potter und der Rest des Widerstandes besiegt.
 

Draco strahlte.
 

Er wunderte sich ein wenig, dass sein ebenfalls anwesender Vater nicht strahlte. Überhaupt machte der jedesmal, wenn Draco zur Berichterstattung kam, ein finstereres Gesicht. Mittlerweile wirkte er so miesepetrig, als wäre er Severus Snapes blonder Zwilling.
 

Draco tat das mit einem lockeren Achselzucken ab. Lucius hatte nicht nach Alkohol gerochen. Das war der Grund!
 

Snape hatte ihn eine Weile lang ruhig von hinten beobachtet und ihm gesagt, dass seine Wunde, da, wo Finnegans Stein ihn getroffen hatte, nach einer ernsten Verletzung aussehen würde. Draco winkte ab. „Es tut nicht weh“, erwiderte er lapidar. „Ich fühle gar nichts!“
 

xxx
 

Hermine war in den Wald gerannt, hatte geweint, geschrien und an ihren Haaren gerissen. Dann war sie zurück ins Schloss gegangen, hatte andere Schüler angeschrien und das Kissen ihres Bettes verprügelt. Sie wäre gerne zu Harry gerannt, um ihn anzuschreien und auch dessen Kissen zu verprügeln. Da der neue „Sicherheitszauber“ jedoch einen Alarm auslöste, sowie ein „Schlammblut“ unbefugt ein Zimmer betrat, musste sie unter minutenlangem, schrillem Kreischen der Warnglocke zurück in ihre Schlammblutabstellkammer gehen und sich dort die Ohren zuhalten, bis irgendjemand sich erbarmte und den Alarm wieder abstellte.
 

Nun saß sie alleine auf ihrem Bett, weinte und überlegte verzweifelt, was sie überhaupt noch unternehmen konnte. Ihre jüngeren Zimmergenossinnen weinten sich leise in den Schlaf, weil sie so viel Angst hatten, dass auch sie eines Tages auf dieses Podium gezerrt werden würden und… herunterfallen würde.
 

Hermine konnte nicht schlafen. Jetzt konnte sie auch nicht mehr weinen. Sie ging unruhig im Zimmer herum und dann, als sie das Wimmern der Kinder nicht mehr ertrug, in den Gemeinschaftsraum.
 

Eigentlich hätte nichts dagegen gesprochen, sich einfach zu Harry, Neville und Ginny zu setzen, die als einzige noch auf waren und sich die Couch vor dem Feuer teilten. Dennoch wagte Hermine es nicht. Auch wenn Hermine im Grunde ihres Herzens nicht glaubte, dass ihre Freunde sie wirklich ausschlossen, so kam das - von den Todessern beabsichtigte - Außenseitergefühl doch wieder in ihr auf. Sie durfte nicht mehr bei ihnen schlafen, sie durfte nicht mehr mit ihnen essen und nun auch nicht mehr im Unterricht neben ihnen sitzen.
 

Da Hermine sehr viel freie Zeit nach wie vor mit Lernen verbrachte, blieb da kaum eine Gelegenheit, um mit den anderen ein belangloses Gespräch anzufangen. Geschweige denn jetzt, wo Ginny mit hochrotem Kopf das Feuer anschrie, das mit Mad-Eye Moodys Stimme verschwörerische Antworten zischte.
 

Sie hörte McGonagall und hätte am liebsten geweint vor Dankbarkeit, dass wenigstens einige Ordensmitglieder noch am Leben waren. Fast wäre sie zu ihnen gelaufen, ihren Freunden. Ihr ganzer Frust, ihre Trauer, Enttäuschung, Wut und Verzweiflung lagen ihr auf der Zunge. Sie wollte es endlich einmal jemandem sagen dürfen. Sie wollte endlich mit irgendjemand über diese Nicht-Beziehung mit Draco reden dürfen. Sie wollte angeschrien, beschuldigt und beschimpft werden, was sie sich denn dabei gedacht hatte, sich mit einem vollkommen Irren einzulassen, der sie jahrelang beschimpft und verspottet hatte.
 

Sie war schon näher gekommen. Sie wappnete sich schon für die Anschuldigungen, die kommen würden, wenn sie ihre zurechtgelegte Rede beginnen würde doch dann… hielt sie inne… als sie Moody vom Verbotenen Wald sprechen hörte, als er Harry genau instruierte, wo der Apparationsplatz war, den Draco mehrmals täglich nutzte.
 

Hermine hörte Harrys Antwort nicht. Sie presste sich die Hände auf die Ohren und ging.
 

Draco starb am folgenden Tag nicht durch Harrys Hand. Sie bekam wohl mit, dass er die eine oder andere seltsame Verletzung hatte, was jedoch von den Kämpfen herrühren konnte, die er neben seinem Schüleralltag bestritt.
 

Gerüchtweise sollte sich Madam Pomfrey geweigert haben, ihn zu behandeln. Gerüchtweise hatte er ihr den Kopf gegen die Steinwand gedonnert, als sie ihm irgendwelche Medikamente verweigert hatte. Gerüchtweise hatte Draco eine Liste in seinem Nachttisch liegen, auf die er all diejenigen aufschrieb, die er als nächstes töten wollte.
 

Hermine hatte die Nase voll von Gerüchten.
 

Die nächsten Tage erlebte sie wie in Trance. Sie stand auf, wusch sich, aß auf der ihr zugewiesenen Strafbank, ging in ihre Kurse und bereitete sich auf die Prüfungen vor. Eifriger als je zuvor und hoffte, dass sie die letzten Wochen so schnell wie möglich hinter sich bringen konnte.
 

Draco kam und ging. Kam mal in den einen Unterricht, dann in den anderen und scheute noch nicht einmal davor zurück, mit einem Klemmbrett in der Hand in Umbridges Unterricht zu gehen.

Doch wer hätte ihn schon hinausgejagt, wo er doch immer die schwarze Todesserrobe trug und der Schmutz an seinen Händen verdächtig nach getrocknetem Blut aussah.

Er ging durch die Korridore, ließ seine Leute das gesamte Schloss nach verdächtigen Informationen durchkämmen und genoss, wie es schien, jede einzelne Minute dieser neuen, wichtigen Aufgabe.
 

Es war Mitte Juni, in der letzten Woche hatte er seinen achtzehnten Geburtstag gefeiert und Seamus getötet. Hermine war mit Harry und Luna bei Hagrid gewesen, der ihnen von seinem Plan erzählte, eine eigene Drachenzucht zu gründen, um mit deren Hilfe dieses ganze Todesserpack, wie er es ausdrückte, aus der Schule zu schmeißen.

Er erklärte mit grimmiger Miene, dass er die Drachen nur einmal in der Woche füttern würde, damit sie auch ja wild und blutgierig wären, wenn er sie auf Malfoy und Helfer loslassen würde. Fang knurrte zur Bestätigung und Hagrid schlug mit der Faust auf den Tisch.
 

Letztendlich lief es aber auch an diesem Besuch wieder darauf hinaus, dass Charly ja in den Osterferien gestorben war und er deshalb nicht wusste, wo einen Drachen herbekommen konnte. An diesem Punkt begann er zu weinen, zog ein tischdeckengroßes Taschentuch aus seiner Hosentasche heraus und verabschiedete die Jüngeren mit dem Hinweis, dass er noch Arbeit hätte.
 

Hermine wusste, dass die Arbeit darin bestand, in die wiedereröffneten Drei Besen zu gehen, um sich dort mit dem Rest des Lehrpersonals aus Dumbledores Zeiten zu betrinken. Sie wollte das eigentlich kommentieren, doch Harry hielt sie zurück und zog sie, bevor die erste moralische Silbe aus ihrem Mund schlüpfen konnte, zur Tür hinaus.
 

Harry und Luna gingen zurück zum Schloss, doch Hermine passte. Stattdessen setzte sie sich auf eine Bank vor einem Gewächshaus und bemitleidete sich selbst. Sie hatte vielleicht schon eine Stunde gesessen, als sie auf einmal Schritte näher kommen hörte. Sie rechnete mit Harry, der sie zum Abendessen holen wollte oder Ginny, die von alleine auf die Idee gekommen war, ihr Gesellschaft zu leisten, doch als sie den Kopf hoch, sah sie niemand anderen als Draco vor ihr stehen.
 

Die Arme in der Todesserrobe vergraben. Der Blick unnatürlich starr und die Haut noch gerötet, als ob er gerade gerannt wäre. Vielleicht ein neuer Anschlag auf ihn. Hermine faltete die Hände in ihrem Schoß, zog die Mundwinkel nach unten, als ob sie kurz davor wäre sich zu übergeben und sah ihm in fest in die leeren Augen.
 

„Was tust du hier?“, schnarrte er nach einer gefühlten Ewigkeit.
 

Hermine erwog, ihm nicht zu antworten und ihn stattdessen einfach weiter anzustarren und zu hassen. Bedauerlicherweise war Schweigen keine ihrer Stärken. „Ich sitze“, erwiderte sie knapp. „Darf ich das jetzt auch nicht mehr, außerhalb des Schlosses auf Bänken sitzen? Habt ihr Angst, dass wir Schlammblüter die Bänke kleinhacken und damit versuchen auf euch einzuprügeln?“
 

Draco legte den Kopf zur Seite und kam einen Schritt näher. „Ihr dürft nicht zu nahe an die Gewächshäuser ran. Speziell an dieses nicht. Da sind giftige Pflanzen drin, mit denen man Zaubertränke brauen könnte!“
 

Hermine verdrehte die Augen, schüttelte den Kopf und… blieb sitzen. Mehr noch, sie weigerte sich nicht nur aufzustehen, sondern sie lehnte sich auch noch nach hinten und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was du nicht sagst. Ich bleibe hier trotzdem sitzen. Und jetzt? Nimmst du mich jetzt auch mit in die Große Halle, weil ich mich mutwillig in der Nähe von Gemüse aufhalte?“
 

Sie ruckte mit dem Kopf nach hinten und deutete mit dem Daumen hinter sich. „In dem Gewächshaus bauen Hagrid und die Hauselfen Kartoffeln und Karotten an. Mordsgefährlich, ich könnte dich schließlich damit bewerfen!“
 

„Es geht ums Prinzip“, leierte er und kam noch einen Schritt näher. „Steh auf!“
 

Hermine schnaubte und schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Hol mich doch! Na komm, tu es. Komm, hol mich und nimm mich mit. Dann kannst du dich wieder toll fühlen und...“
 

„Halts Maul!“
 

Hermine verstummte, mehr aus Überraschung ob des groben Befehls denn aus willigem Gehorsam.
 

Für einige Sekunden schien wieder Leben in ihn zu kommen. Er baute sich dicht vor ihr auf, packte sie am Arm und wiederholte: „Steh auf! Du darfst hier nicht sitzen!“
 

Hermine schnaubte und schüttelte den Kopf. Sollte er sie doch herunterzerren und mit ihr weiß Gott was tun. Was spielte das jetzt noch für eine Rolle?
 

„Aufstehen!“
 

„Nein!“
 

„Aufstehen. Steh sofort auf!“
 

Hermine beugte sich nach hinten und hing wie eine Puppe in seinem Griff.
 

Einen Moment noch zögerte er, dann spürte sie, wie ruckartig an ihren Armen gerissen wurde und er sie auf die Füße stellte. Hermine flog ihm, gegen ihren Willen, in die Arme. Wirklich, er hatte sie nicht einfach umklammert, um sie hochzuziehen, er hielt sie mit beiden Armen umklammert.
 

Sie stützte ihre Arme gegen ihn, wollte ihn wegdrücken, doch je mehr Kraft sie gegen ihn aufwendete, desto fester zog er sie an sich. Sie hörte, wie sich seine Atmung beschleunigte.
 

Er zog sie einige Meter mit sich, bis sie direkt hinter dem Gewächshaus waren und drückte sie gegen die Wand. Ihr erster Gedanke war nach ihrem Zauberstab zu greifen und ihn zu schocken, ihr zweiter – wesentlich ängstlicherer war, dass ihr Zauberstab in ihrem Umhang steckte, den sie auf der Bank abgelegt hatte. „Lass mich!“, zischte sie und versuchte, ihn beiseite zu schieben, von sich weg, so dass sie an ihm vorbei zur Bank gelangen konnte.

Ihre Gegenwehr hatte nur sehr mäßigen Erfolg. Sie presste ihm die Hand auf das Gesicht, wollte ihn wegdrücken doch alles, was sie bewirkte war, dass er sich nur noch enger an sie drückte.
 

Als hätte er tausend Hände war es. Sobald Hermine irgendwo hin greifen wollte, um ihn wegzuschieben, war seine Hand schon da um sie festzuhalten. Ihr Herz raste und die Knie wurden ihr weich. Die Gefahr, die von ihm ausging, war nie so deutlich zu spüren gewesen wie jetzt, als er ihr die Hände umklammerte und letztendlich doch jede Gegenwahr unmöglich machte. Sie war ihm ausgeliefert, hilflos. Sein Mund auf ihrem Hals, die Lippen auf ihrem Gesicht. Kein wirklicher Kuss, zu hart, furchteinflößend.
 

Und dann… unvermittelt, ließ er wieder von ihr ab. Den Blick starr auf Hermines Augen gerichtet, wich er einige Schritte zurück. Die zitterte am ganzen Leib, hielt sich schützend die Arme vor die Brust und auch wenn sie weg wollte, sie konnte nicht. Noch nicht… Ihre Knie waren wackelig und in ihrem Kopf herrschte ein heilloses Chaos.
 

Draco atmete schwer, benetzte sich die Lippen, holte tief Luft, schien etwas sagen zu wollen , doch kaum dass er seinen Mund geöffnet hatte, schloss er ihn wieder und biss sich auf die Lippen. Etwas war ihm wohl eben in den Sinn gekommen, das er augenblicklich wieder verworfen hatte. Er senkte die Augen und schüttelte kaum merklich den Kopf. Wie ein Hund, der weiß, dass er etwas ausgefressen hat, schlich er zurück zu der Bank, ergriff ihren Umhang und warf ihn ihr vor die Füße. „Komm jetzt, du musst hier wirklich weg!“, erklärte er. Dieses Mal hatte er wesentlich weicher geklungen, als würde er sich dafür entschuldigen, diesen Befehl durchsetzen zu müssen.
 

Hermine bückte sich, die Augen zur Sicherheit weiter auf ihn gerichtet, und packte ihren Umhang. Sie zog ihn über ihre Schultern, während sie sich erhob. Sie konnte ihren Zauberstab fühlen. Erleichterung durchströmte sie bei dem Gedanken, dass sie sich nun wieder wehren konnte.

Könnte, denn einen weiteren Angriff schien er nicht im Sinn zu haben. Er winkte ihr lediglich mitzukommen und weil sie zu verwirrt von dem Übergriff und seinem unvermittelten Rückzug war, gehorchte sie.
 

Er legte ihr die Hand auf den Rücken, um sie mit sich in Richtung Schloss zu schieben. Hermine gehorchte für einige Meter, doch dann blieb sie unvermittelt stehen und fuhr mit panischer Miene zu ihm herum. Dracos Schlafwandlermiene blieb, doch dann, als er wohl verstanden hatte, was Hermine durch den Kopf gegangen war, schüttelte er seinen Kopf. „Nein, ich tu dir nichts. Das weißt du doch. Aber es wird bald Abend und du musst ins Schloss zurück.“ Er zuckte mit den Achseln und fügte fast entschuldigend hinzu: „Vorschrift. Ich will nicht, dass irgendeiner meiner Leute dich findet. Komm, wenn wir im Schloss sind, dann… naja…“
 

Hermine nickte. Sie spürte, dass er dies ernst gemeint hatte. So unsinnig diese Vorschrift auch war, es gab sie und wenn einer von Dracos Helfern sie finden würde, wäre das schlecht für sie. Sie würde die restliche Zeit bis zum Abendessen vermutlich in der Bibliothek verbringen und er, nun, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken.
 

Sie erreichten das Schloss, ohne sich noch ein einziges Mal anzusehen. Ein paar Meter vor dem Eichenportal nahm er seine Hand von ihrem Rücken, ging rasch an ihr vorbei und öffnete die Tür. Vorsichtig spähte er hinein und winkte, weil er wohl niemanden gesehen hatte.
 

In der Halle war es kühl. Zumindest im Vergleich zu dem warmen Nachmittag draußen. Es war bezeichnend, dass sie trotz des schönen Wetters und der eigentlich für alle Schüler freie Zeit zwischen den letzten Kursen und dem Abendessen weder vor dem Schloss noch hier, in der Eingangshalle, irgendjemanden gesehen hatten.
 

Entweder hatten die Schüler Angst voreinander oder sie waren tot.
 

Draco stand vor ihr, die Hände in die Hosentaschen vergraben und starrte mit leerem Blick durch sie hindurch. Hermine wollte etwas sagen, irgendetwas. Sie wollte ihn anschreien, dass er ihr vorhin Angst gemacht hatte. Sie wollte ihn schlagen und ihm weh tun, weil er genau das verdiente. Sie wollte… sie wollte etwas tun, um ihn ebenso zu verletzen wie er sie.
 

Aber dann, wenn ihn so vor sich stehen sah. Diese glasigen Augen, das graue Gesicht, der traurige Ausdruck darin… dann wurde ihr das Herz schwer. Alles was sie tun konnte war hier, vor ihm, stehen und ihn traurig anzusehen. Traurig im Herzen und doch wissend, dass es nichts mehr zu sagen gab.
 

Plötzlich ein Geräusch. Etwas knackte.
 

Hermine sah sich nervös um und lauschte, ob sie von irgendwoher vielleicht Schritte oder Stimmen hören konnte. Doch nichts… offenbar waren sie alleine.
 

Leblose, graue Augen starrten durch Hermine durch, als wäre sie nichts als kalter Nebel.
 

„Und jetzt?“
 

Achselzucken.
 

Hermine schluckte schwer, versuchte die Fassung zu wahren. „Ist jetzt wieder alles wie vorher, wie früher? Kennen wir uns jetzt nicht mehr?“
 

Achselzucken.
 

Er seufzte, schüttelte wieder den Kopf, als würde er sich gerade selbst etwas verbieten und wandte sich zum Gehen. Doch er ging nicht, stattdessen drehte er sich um, kam mit einigen schnellen Schritten auf sie zu und schlang seine Arme um sie.
 

Eben noch reglos und tot, hob und senkte sich Brust sich heftig und sie hörte ihn laut atmen. Nicht wie vorhin, als er bedrohlich und gefährlich war. Sie hörte ihn hart schlucken, fühlte seine Arme, die sich enger und enger um sie zogen und spürte an ihrer Stirn, wie sein Adamsapfel unruhig zitterte.
 

Sie hätte gerne etwas gesagt. Irgendetwas, das ihren wirren Gefühlen so etwas wie Sinn verleihen könnte, dennoch schwieg sie. Es war alles gesagt und sie wusste, dass er recht hatte. Zwischen ihnen beiden war Schluss und etwas anderes war schon lange unmöglich geworden.
 

„Geht halt nicht, stimmt’s? War von Anfang an eh eine blöde Idee!“, stellte Hermine mit lebloser Stimme fest.
 

Draco sah ihre Hände an und ein klein wenig Wehmut schien über sein Gesicht zu huschen. Sie sah seine Hand zucken und er hob sie leicht an. Doch nur für Sekunden, denn nur wenige Herzschläge später wurde sein Gesicht wieder zu Stein und seine Hand sackte wie leblos herunter.

Vielleicht würde Hermine später weinen, wenn sie realisierte, was an diesem Tag alles passiert und kaputt gegangen war, aber jetzt konnte sie nur wie betäubt hier stehen und sich fühlen, als ob man sie unter Wasser getaucht habe.
 

Er biss sich auf die Lippen schluckte schwer. Er schien etwas sagen zu wollen, was ihm einfach nicht über die Lippen kam.

Hermine erschrak, als er sie mit einem Ruck an sich zog und sie erneut umklammerte wie ein Ertrinkender, der sich an eine einzelne Holzplanke klammert, um dem Tod zumindest für kurze Zeit zu entgehen.
 

Er zitterte am ganzen Leib und Hermine war nicht sicher, ob er fror, weinte oder am Ende vielleicht doch Entzugserscheinungen von was auch immer hatte. „Die Schule ist bald vorbei“, flüsterte er beschwörend. „Du musst bald von hier weggehen. Am besten verlässt du das Land. Wir hassen dich hier alle.“
 

„Wir?“ Sie drückte ihn von sich weg und sah ihm ernst in die Augen. Sie wusste was er meinte, aber er sollte es sagen.
 

„Die Todesser… und alle, die zu uns gehören und das werden jeden Tag mehr. Es wird gefährlich werden.“
 

„Hasst du mich auch?“
 

Dracos Augen flackerten nervös. So lange stillzustehen, ohne eine Waffe, schien ihn nervös zu machen. „Nein, natürlich nicht. Aber das ist jetzt egal.“ Jetzt hielt er es wohl nicht mehr aus, so ungeschützt vor ihr zu stehen. Er schob den Unterkiefer hin und her, griff in seine Tasche und zog den Zauberstab.
 

Es war niemand hier. Vielleicht war die Waffe langsam wirklich so selbstverständlich wie seine Kleidung geworden. So, dass er sich ohne sie nackt fühlte.
 

Er atmete etwas ruhiger und Hermine sah, wie er den Zauberstab zwischen den Fingern hin und her rollte. Sie beobachtete den Stab in seiner Hand, so dass sie die Finger, die ihr über die Wange strichen erst bemerkte, als er sie schon berührte.
 

„Du weißt, dass … dass ich dich… Aber… das geht jetzt eben nicht mehr!“
 

Sie nickte wie ein gehorsames Kind und verstand. Es war hier und jetzt vorbei und es war ganz egal, ob das traurig oder einfach nur eine logische Konsequenz war. Es ging nicht anders und eigentlich sollte sie erleichtert sein.
 

Draco hatte sich einfach umgedreht und war weggegangen. Genau genommen so schnell, dass er eher geflohen war. Vor ihr und Dingen, die in seinem Leben jetzt wohl keinen Platz mehr hatten.
 

Hermine seufzte, als sie Dracos blonden Schopf die Treppe zu den Kerkern hinunter verschwinden sah.
 

Ein Geräusch hinter ihr ließ Hermine zusammen zucken. Jemand hatte sich geräuspert. Hermines eben noch heftig pochendes Herz setzte einige Schläge aus, ebenso wie sie vor Schreck für einige Momente vergaß zu atmen… und ihren Mund zu schließen. Eiskalte Schauer rollten ihre Wirbelsäule hinunter und ihre Knie wurden weich, als sie Schritte auf sich zukommen hörte.
 

Sie wollte sich nicht umdrehen und sie wollte auch gar nicht wissen, wer so nah hinter ihr stand, dass sie das Rascheln von Stoff hören konnte, wessen Stimme so nah war, dass sie den Körper des anderen fast fühlen konnte. „Hallo, Hermine!“
 

In dem Moment wurde Hermine übel. Sie gehorchte der Stimme, wandte sich um und erbleichte noch etwas mehr, als sie Harry in die Augen sah, der gerade dabei war, seinen Tarnumhang zusammenzuknüllen.
 

Er schob sich das Bündel Unsichtbarkeit unter den Pulli, nickte ihr zu und packte ihre Hand, als wäre sie ein ungehorsames Kleinkind. „Komm, wir müssen reden!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Omama63
2012-07-03T19:54:30+00:00 03.07.2012 21:54
Ein trauriges Kapitel.
Draco wird immer schlimmer. Es scheint ihm bereits spaß zu machen, Andere zu töten.
Harry hat mitbekommen, dass Hermine mit Draco, etwas am laufen hat, oder hatte.
Bin schon gespannt, was Harry zu Hermine sagt.


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