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Harmonie

von

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Unter Feinden

Kapitel 23: Unter Feinden
 

Hermine konnte sich einfach des Eindrucks nicht erwehren, dass sie irgendetwas vergessen hatte. Sie kratzte sich nachdenklich mit ihrer Feder hinterm Ohr und runzelte die Stirn. Aufmerksam spähte sie an den Haustischen entlang.

Alles war, wie es sein sollte. Schüler frühstückten an ihren Tischen und schwatzten miteinander, während die Lehrer oben an ihrem Tisch mit Zeitungen raschelten. Nachdenklich wanderten ihre Augen von einem Lehrer zum nächsten. Bei Hagrid angekommen, seufzte sie innerlich, als sich ihr jäh Erinnerungen und kindische Sorgen aus längst vergangenen Zeiten aufdrängten. Damals, vielleicht vor zwei jahren noch, als sie sich noch darüber aufregen konnte, dass Draco Hagrid nicht als richtigen Lehrer ansah.

Das tat er heute natürlich immer noch nicht, aber gemessen an all den anderen Schwierigkeiten, die sie mit und wegen Draco zur Zeit so hatte, war das doch eher banal. Dort oben am Tisch schob sich Hagrid gerade einen Toast in den Mund, der locker an die Größe eines Tennisschlägers heranreichte, und spülte den Riesenbrocken danach, zufrieden zu Hermine herunter grinsend, mit einem kräftigen Schluck Tee hinunter. Hermine winkte und lächelte. Selbst hier unten hörte sie, wie Hagrid seinen Tee schlürfen.

Draco war nicht da, der hatte ja nach wie vor Hallenverbot . Sie hatte ihm das nicht gesagt, aber eigentlich war sie froh darüber. Die Unterrichtsstunden, die sie gemeinsam hatten, sofern Draco tatsächlich einmal anwesend war, waren schrecklich genug.
 

Nicht nur, dass sie ständig damit beschäftigt war, ihn zu ignorieren – furchtbar anstrengend, denn ihr Kopf wurde wie ein Magnet in Richtung seines Gesichtes gezogen -, sie musste auch immerfort darauf achten, wie sie sich in seiner Gegenwart benahm. Wie sie dasaß. Unter Harrys Blicken weder nervös noch geistesabwesend wirken und sich nebenbei auf den Unterricht konzentrieren. Weiterhin musste sie die doch recht massiven Anfeindungen, die von Draco und seinem Gefolge gegen Muggelgeborene ausgingen, aushalten und noch dazu nicht allzu besorgt aussehen, wenn Draco mal wieder die Nerven verlor.
 

Aber im Moment war er ja nicht hier. Hermine seufzte und kritzelte am Rand ihres Zettels den Vermerk: „Brote mitnehmen!“ Sie musste daran denken, dass er etwas aß. Von alleine würde ihr Ziehkind das wochenlang vergessen. Im Geiste ging sie die Lektionen durch, die sie mit ihm diese Woche wiederholen wollte und kritzelte ein mit drei Ausrufezeichen bekräftigtes V.N. dahinter.

V. N. stand für „Verhütungstrank nehmen“ und war eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit. Draco selbst kriegte solche Überlegungen nicht einmal ansatzweise auf die Reihe – immerhin vergaß er ja selbst, ob er in den letzten zwei Tagen geschlafen hatte oder nicht - weshalb Hermine gar nicht erst überlegte, ihm solche Dinge zu überlassen.
 

„Für was steht den V.N.?“, fragte Harry Toast bröselnd, der sich unvermutet zu ihr hinübergebeugt hatte und neugierig auf ihre Notizen spähte.
 

„Das geht dich nichts an!“, blaffte Hermine ungehalten. Sie war immer noch sauer auf Harry, weil der sich am frühen Morgen Dobby gegenüber unmöglich verhalten hatte. Sie hatte nicht so ganz mitbekommen, worum es eigentlich ging. Harrys Toben und Schreien hingegen schon. War ja auch nicht zu überhören gewesen.
 

Alle hatten Harry gehört, der an diesem Morgen wie Rumpelstilzchen durch den Jungenschlafsaal getobt war und einem am Boden kauernden, wimmernden und sich selbst den Kopf auf den Boden schlagenden Dobby angebrüllt hatte. Es hatte damit zu tun, dass Dobby bei irgendetwas eingeschlafen war.

Dobby wimmerte, dass er eine ganze Woche am Stück wach gewesen wäre und irgendwann einfach ohnmächtig vor Müdigkeit umgekippt sei, aber Harry tobte weiter, bis Hermine in den Schlafsaal rauschte, sich vor Dobby stellte und Harry beschimpfte.
 

Wahrscheinlich nur, weil er sich in dem Moment, als Hermine hereinrauschte, der Zuschauer im Türrahmen und der Zuhörer im ganzen Gryffindorturm bewusst wurde, verstummte Harry und schickte Dobby mit einem widerwilligen Knurren abermals ins Bett.
 

Das war vor einer Stunde gewesen. Nun trippelte Harry genervt mit den Fingern auf dem Tisch, rutschte unbehaglich auf seinem Platz hin und her und murmelte zu Ginny gewandt immer wieder so etwas wie „Mundungus“.
 

Hermine hörte nur mit einem Ohr hin, denn eigentlich hatte sie beschlossen, Harry bis etwa sechzehn Uhr böse zu sein, da sie dann eine besonders schwierige Verwandlungsstunde hinter sich haben würden und er dort ruhig ein bisschen ohne sie schmoren sollte. Letztendlich siegte doch ihre Neugier, als sie zum wiederholten Male hörte, wie Harry über Mundungus meckerte. „Er meldet sich eh nicht regelmäßig, weil er lieber säuft als was zu arbeiten, aber wenn ich mitkriege, dass er jetzt schon wieder…!“
 

„Seit wann interessiert es dich denn so brennend, was Mundungus treibt?“, drängte sich Hermine ungefragt in das Gespräch, legte ihre Notizen beiseite und blickte Harry erwartungsvoll an.
 

Ginny war es, nicht Harry, die antwortete. „Moody hat ihn vor zwei Wochen losgeschickt und bis jetzt hat der faule Sack sich noch nicht gemeldet. Fred und George wollten ihm schon ein „Ich meide Kneipen“-Halsband umlegen, aber Moody war dagegen, fällt zu sehr auf!“ Sie grinste und zuckte die Achseln. „Sie arbeiten an was Unauffälligerem. Ideal für Säufer wie Dung… Immer, wenn die was arbeiten sollen und stattdessen in eine Kneipe gehen, kriegen sie von einem unsichtbaren Fuß einen Tritt in den Hintern, der sie wieder zur Bar rausschleudert.“ Ginny kicherte stolz und schüttelte zutiefst beeindruckt von ihren Brüdern den Kopf. „Die beiden sind echte Genies!“
 

Hermine grinste anerkennend. Harry trippelte immer noch nervös auf dem Tisch.
 

„Ist Fletcher nicht so ein kaputter Typ mit langen blonden Zotteln und 'nem zerrissenen Umhang?“, schaltete sich Seamus plötzlich ebenfalls ein.
 

Harry drehte sich um und fragte mit allzu offensichtlichem Misstrauen, so, dass deutlich wurde, dass er bei diesem Thema eine Menge zu verbergen hatte: „Ja… Kennst du ihn? Hast du ihn in den letzten Tagen irgendwo gesehen?“
 

Seamus nickte und zuckte lässig mit den Achseln. „Klar, gerade jetzt. Da!“, er deutete über Harrys Kopf hinweg hinüber zur Tür. „Da drüben steht er doch, oder?“
 

Drei weitere Köpfe schossen in die von Seamus angedeutete Richtung. Tatsächlich. Dort, direkt neben dem Eingang, stand Fletcher, so kaputt und abgewrackt wie eh und je. Er hob die Hand und winkte Harry zu, als er bemerkte, dass dieser ihn gesehen hatte.
 

„Na warte, dem werd ich jetzt mal was erzählen, hier einfach aufzukreuzen…!“ Harry raffte sich auf und stolzierte leise vor sich hinschimpfend auf Fletcher zu. Sie hörten nicht mehr, was er sagte, als er ihn erreicht hatte, doch den energischen Schubsern nach, mit denen Harry Fletcher zur Tür hinaus bugsierte, konnte es nichts Freundliches sein.
 

Hermine drehte sich wieder zum Lehrertisch um. Sie fing Kingsleys misstrauischen Blick auf. Eigentlich sah Kingsley fast etwas besorgt aus. Irgendwie wirkte seine Miene etwas zu dramatisch dafür, dass soeben einer ihrer eigenen Leute, so unpassend er auch in diesem Raum war, Harry zu sich gerufen hatte.
 

Ihre Blicke wanderten zu Lupin. „Sieh dir mal Lupin an!“, raunte sie zu Ginny, die ihren Blicken gefolgt war. „Wie er mit Kingsley spricht. Wirkt irgendwie besorgt, oder?“
 

Ginny nickte nachdenklich. „Sieht wirklich so aus. Muss mit Fletcher zu tun haben!“
 

„Weißt du denn nicht alles was sie treiben?“, konnte Hermine ihre Neugier nicht länger zügeln. Ginny schüttelte den Kopf, seufzte resigniert und widmete sich wieder ihrem Toast. „Nein, weil ich nicht volljährig bin und weil Mum so einen Aufstand macht oder wegen einer anderen Ausrede, die ihnen gerade passt. Jedenfalls lassen sie mich bei vielem außen vor. Liegt vielleicht an Neville…. Du weißt schon, sie wollen jetzt besser aufpassen, ob man alles aushalten kann!“
 

Hermine nickte, warf den beiden Lehrern einen weiteren kritischen Blick zu und wandte sich dann wieder zu Ginny. „Und, was denkst du, kannst du es aushalten?“
 

Ginny zuckte die Achseln. „Klar!“, sagte sie und biss in ihren Toast. Wenn sie so kurz angebunden war, dann meist deshalb, weil sie keine weiteren Fragen zu dem Thema hören wollte. Hermine versuchte deshalb so elegant wie möglich das Thema zu wechseln. Noch mehr Streit brauchte sie an diesem Morgen wirklich nicht. „Du, weil du gerade Neville erwähnt hast… Luna schreibt ihm ziemlich oft!“
 

„Ach, ja?“ Ginny lächelte dünn und Hermine konnte sich des Gefühls nicht erwehren, schon wieder irgendetwas Falsches gesagt zu haben.
 

„Naja…“ Ginny legte ihren Toast zurück auf ihren Teller und schob den wie eine wehmütige Erinnerung von sich weg. „Neville und Luna… warum nicht? Niemand ist heutzutage gerne alleine!“ Sie atmete laut durch die Nase ein und aus. Ihre Augen waren leer und ihr Mund so gerade, als hätte sie sich ein Lineal zwischen die Lippen geschoben. „Was ist denn mit dir?“, fragte sie mit so unvermitteltem Elan, dass Hermine vor Schreck zusammenzuckte. „Gibt es da wieder jemanden?“
 

Hermine beugte sich über ihren eigenen Teller und zwang sich zu einem sehr, sehr, sehr großen Bissen, da ihr eine undeutliche Aussprache helfen sollte, die Unsicherheit ihrer Stimme zu verbergen. „Nein… Niemanden!“, murmelte sie kauend. War das eigentlich gelogen oder die Wahrheit? Hermine selbst war sich da nicht so ganz sicher.
 

Auf einmal kam Unruhe in der Halle auf. Um sie herum wurde es hektisch. Die Lehrer erhoben sich mit quietschenden Stühlen und Schüler sprangen von ihren Plätzen. Ginny wurde von einem hastig in Richtung Tür wirbelnden Seamus fast von ihrem Platz gefegt und Dean Thomas rammte Hermine seinen Ellenbogen ins Gesicht, als er sich an ihr vorbei von der Bank drängte.
 

Alle Gesichter um Hermine herum wandten sich zur Tür. Zuerst senkte sich eine geradezu gespenstische Stille über die eben noch herrschende Unruhe – Hermine konnte nicht mehr an sich halten und kletterte auf den Tisch, um ebenfalls zur Tür sehen zu können – dann brach unvermutet und eruptionsartig die Panik aus.
 

Schüler schrien. Flüche schossen durch die Luft. Jungen und Mädchen schoben sich in Richtung Tür oder davon weg und die Lehrer rempelten sich einen Weg zum Ausgang. Hermine nutzte den Aufruhr am Boden und rannte, dicht gefolgt von Ginny, quer über den langen Gryffindortisch hinweg dorthin, von wo die Panik herzukommen schien.
 

Schrille „Harry!“ und „Schockt ihn!“ Rufe drangen von der Tür her in den Saal und in Hermines Ohr und entfachten wilde Angst in ihr, von der sie nicht genau hätte sagen können, wem oder was sie galt.
 

„Warum tut denn keiner was?“, brüllte es von rechts.
 

„Tun wir doch, aber nichts hilft“, kreischte es von links, woraufhin eine Serie von Flüchen in allen Farben wie ein buntes Feuerwerk in der Halle aufleuchteten.
 

Hermine hatte das Tischende erreicht, sprang herunter, fiel dabei nicht ganz unbeabsichtigt auf irgendwelche kleineren Schüler und konnte sich so bis ganz nach vorne drängen.
 

Der Schrei, der ihr in der Kehle saß, blieb vor Fassungslosigkeit über das, was sich ihr bot, stecken. So war es Ginny und nicht sie, die wild aufheulte und Hermine beiseite stieß, um zum am Boden liegenden Harry zu gelangen.
 

Wo war denn auf einmal Hagrid hergekommen? Er hielt Ginny wie eine Puppe hoch und schien ihre Tritte und Fausthiebe gegen seinen massigen Leib gar nicht zu bemerken. Stattdessen wich er selbst vor Angst zur Mauer hin zurück.
 

Es war aber auch ein Furcht erregender Anblick. Dort, kaum zwei Meter von der Tür entfernt, lag Harry am Boden und sah aus, als wäre er in einen elektrischen Mixer gefallen.
 

Mundungus auf ihm.
 

Seine Finger schnitten wie Rasiermesserklingen in Harrys Fleisch und hatten ihm tiefe, parallel nebeneinander herlaufende Wunden beigebracht, die eher an den Angriff eines Velociraptors, denn an die Attacke eines Menschen erinnerten.

Harrys Umhang war zerrissen und breitete sich feucht und schwer von seinem Blut auf dem Boden aus. Die Beine waren in einem unmöglich scheinenden Winkel abgeknickt und feucht von allen möglichen Körperflüssigkeiten, die Harry oder Fletcher im Kampf verloren hatten.
 

Fletcher würgte den mittlerweile schon violett angelaufenen Harry, der eben, als Hermine den ersten Blick auf ihn erhaschte, noch schwach gezuckt hatte, doch nun mit nach oben verdrehten Augen und heraushängender Zunge reglos dalag und sich widerstandslos weiter erwürgen ließ.
 

Wie ein Raubtier, das seine Beute an Ort und Stelle reißen wollte, um es vor dem Rest der hungrigen Meute zu bewahren, schlugen Fletchers Zähne, die so spitz waren, als hätte er selbst oder sonst jemand sie mit einer Nagelfeile zu Dolchen gefeilt, in Harrys Fleisch ein. Ein ekelerregendes Reißen war jedes Mal zu hören, wenn er weitere Fleischbrocken aus Harrys Schulter, Wange und Armen herausriss.
 

Lehrer wie Schüler schossen Flüche auf Fletcher ab, die allesamt wie die Fata Morgana eines Zaubers, ergebnislos durch den Angreifer durchsickerten und zu nichts verblassten.

Vollkommen perplex über die Wirkungslosigkeit ihrer mächtigen Zauber, wussten Kingsley und Lupin nichts anders zu tun, als sich gegenseitig Fragen und Hilferufe zuzuschreien. Einzig Hagrid, der in diesem Moment nicht klug herumgrübeln wollte, sondern praktisch handelte, stürzte sich auf Fletcher, um ihn von Harry herunterzuziehen. Doch selbst die Halbriesenkräfte konnten nichts ausrichten, so dass der hünenhafte Mann durch einen einzigen Hieb nach hinten geschleudert wurde und wie eine mit Wucht geschleuderte Steinfigur gegen die Holztür hinter ihm krachte, diese einriss und mehrere Schüler unter dieser einquetschte.
 

Hermine Verstand glühte vor Anstrengung. Sie musste jetzt ganz scharf nachdenken. Keine weiteren Flüche, die wirkten nicht. Ebenso wenig Körpergewalt.

Wieso war dieser versoffene Penner so bärenstark, dass er sogar Hagrid durch die Luft trudeln lassen konnte?

Wie kam es, dass dieser talentlose Nichtsnutz so mächtig war, dass selbst die härtesten Flüche wie ein unbeständiges Gas in der Luft verpufften? Wieso konnte er das alles?
 

Die Antwort traf Hermine härter, als es jeder Schlag hätte tun können.
 

Weil er es nicht konnte.
 

Entweder war Fletcher nicht Fletcher… doch selbst dann wäre es ein Mysterium, wieso er ohne Zauberstab die mächtigen Flüche von -zig Zauberern abwehren konnte oder…
 

oder…
 

„Er ist ein Inferius!“ , kreischte Hermine schrill und sortierte mit Lichtgeschwindigkeit alle Lektionen in ihrem Kopf, die sie je über Inferi gelernt hatte.
 

Keine Flüche… keine normalen Flüche…
 

Licht und Hitze.
 

Sie hob den Zauberstab, zielte und schrie: „Incendio!“
 

Eine scharlachrote Stichflamme schoss aus ihrem Zauberstab, der binnen eines Herzschlages so heiß wurde, dass sie ihn mit einem entsetzten Aufschrei fallen ließ.
 

Die Flamme schoss wie ein Kugelblitz durch den Raum, traf Fletchers Kopf und warf die zur Marionette verkommene Leiche mit sich zu Boden.
 

Kingsley und Lupin packten Harrys Beine und zogen ihn weg, gerade noch rechtzeitig. Wie durch eine Explosion aus seinem Innersten, brachen urplötzlich die Flammen aus Mundungus hervor. Aus den Augen, den Ohren, dem Bauch, den Beinen, selbst aus dem Hintern schossen wütend züngelnde Flammen, die den ganzen Leib innerhalb eines Wimpernschlages in einen mannsgroßen Feuerball verwandelten.
 

Der Inferius bäumte sich auf und riss den Mund zu einem lautlosen Schrei auf, bevor sein Körper restlos von den Flammen aufgefressen wurde und nichts als schwarzer Rauch und graue Asche von Mundungus Fletcher zurückblieben.
 

Kingsley und Lupin brachten den bewusstlosen Harry in die Krankenstation. Ginny eilte ihnen weinend und fluchend hinterher. Hermine blieb inmitten der fassungslosen Menge zurück und hatte Angst, denn ihr war jetzt schon klar, was auch den anderen Ordensmitgliedern bald klar werde würde.
 

Wenn Fletcher ein Inferius gewesen war, dann gab es keinen Zweifel, dass entweder Todesser oder Voldemort selbst, ihn dazu gemacht hatten. Und wenn darüber Klarheit bestand, dann war es auch keine Frage, wer Fletcher ins Schloss geschleust und ihn auf Harry gehetzt hatte.
 

Draco!
 

Und dafür würde man sich an ihm rächen.
 

Das Schwierige war, dass sie nicht sicher wusste, ob auch sie sich rächen wollte oder nicht. Als Harrys beste Freundin und natürlich als loyales Ordensmitglied konnte sie nicht tatenlos zusehen, wenn jemand wie Draco es schaffte, einen zum Morden abgerichteten Inferius ins Schloss zu schmuggeln.

Doch als Dracos… was auch immer… was sollte sie da tun und wie sollte sie sich deswegen fühlen?
 

Xxx
 

Beunruhigenderweise ereignete sich tagelang nichts. Zumindest nichts, was sich nicht sonst auch immer in Dracos Leben ereignete. Sicher, die Schüler waren panisch und alle hatten Angst, wenn es zu den Mahlzeiten ging, doch niemand brachte den Angriff auf Potter mit ihm in Verbindung.
 

Draco hatte Crabbe und Goyle losgeschickt, um für ihn heimlich an Türen zu lauschen oder direkter, wenn weniger Zeit war, Schüler zu verfluchen und einzuschüchtern, doch auch dies förderte nicht mehr Informationen zutage. Alle schienen zu glauben, dass Snape derjenige gewesen war, der Fletcher auf einem Geheimweg ins Schloss gebracht und den Befehl über ihn gesprochen hatte.
 

Eigentlich hätte Draco froh sein sollen, dennoch konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich lediglich um die Ruhe vor dem Sturm handelte.

So war er aufrichtig froh gewesen, als ihn an diesem Abend Snapes Eule erreicht hatte, die den in Snapes kleiner, spitzer Handschrift verfassten Befehl mit sich brachte, sich nachts in den Verbotenen Wald, zu einem von Snape befohlenen Treffpunkt zu begeben. Es gäbe Dinge zu besprechen, die Dracos Spionagetätigkeit im Schloss betrafen.
 

Draco war zwar nicht ganz wohl dabei, hier alleine im Verbotenen Wald zu stehen, doch jemanden wie Snape ließ man nicht warten. Nicht nur, weil der sehr bedrohlich schimpfen konnte, sondern auch, weil man statt Snape einen der anderen Todesser schicken würde. Draco musste nicht lange überlegen um zum Schluss zu kommen, dass die Vorstellung, anstatt von Snape, zum Beispiel von McNair oder einem der neu angeheuerten Vampire gerufen zu werden, um einiges unattraktiver war, als hier auf jemanden zu warten, der nur wie ein Vampir aussah, jedoch glücklicherweise keiner war.
 

Draco huschte den von Snape markierten Wald entlang. Wie ein Schatten glitt er durch die Nacht, die im Moment so finster war, dass selbst das nebelhafte Flimmern eines Desillusionierungszauber auffälliger gewesen wäre, als unvermummt und auf seine dunkle Kleidung vertrauend durch den Wald zu schleichen.
 

Draco schlang die Arme um sich. Es hatte am frühen Abend geregnet, weshalb der Boden unter seinen Füßen immer noch recht weich war und die Gerüche des Waldes noch intensiv durch die Luft waberten. Zweige knirschten unter seinen Füßen, die Blätter der dichten bewachsenen Bäume über seinem Kopf rauschten und hin und wieder raschelte es, wenn kleine Tiere, entweder auf der Jagd oder auf der Flucht, durch die Gebüsche und Sträucher um ihn herum huschten.
 

Ihn fröstelte.
 

Er konnte den Himmel über sich nur durch die dunkelgrau-blaue Lücken zwischen den nachtschwarzen Baumwipfeln ausmachen. Ein elfenbeinfarbener Mond, der teilweise von dicken Wolken verdeckt wurde. Draco stoppte und versuchte angestrengt an den Wipfeln vorbei zu sehen. Der Mond schien fast rund. Es war eine durchaus gewichtige Frage, ob der Mond nun beinahe oder vollkommen rund war. Doch wenn er das richtig erkennen konnte – Draco hob den Zauberstab, zielte und wehte einige Äste über ihm mit einem Windstoß zur Seite - war der Mond höchstens annähernd rund. Es dürften noch einige Tage bis Vollmond sein. Er atmetet erleichtert auf und versuchte, nicht daran zu denken, dass es einem Vampir, den angriffslustigen Zentauren oder auch nur des Halbriesen Hagrids riesigem Bruder vollkommen egal war, in welcher Mondphase sie sich gerade befanden.
 

Etwas knackte. Draco fuhr wie von einer Stahlfeder getrieben herum und bevor er sich selbst daran erinnern konnte, wie töricht das war, entzündete er seinen Zauberstab und leuchtete ins dunkle Geäst hinein.
 

Knack!
 

Draco wirbelte herum. Diesmal war das Knacken aus der anderen Richtung gekommen. Seine Atmung beschleunigte sich. Das Knacken schien nicht vom Boden, sondern von Ästen über Dracos Kopf gekommen zu sein. Er musste den Mund öffnen, da seine heftig arbeitenden Lungen mehr Sauerstoff benötigten, als er durch die Nase hätte inhalieren könnten.
 

Knack! Knack!
 

Draco wirbelte wieder herum und fuchtelte mit dem Zauberstab wie ein Fechter bei der Attacke vor sich herum.

Das Geräusch war gleichzeitig von rechts unten und links oben gekommen. Er legte den Kopf in den Nacken und hob den auf Lumos-Maximum erleuchteten Zauberstab. Eigentlich hätte er ihn gar nicht entzünden dürfen, weil er sich damit seinen Feinden selbst im Scheinwerferlicht präsentierte. „Mr. Snape, Sir, sind Sie das? Ich bin hier!“
 

Noch ein fataler Fehler. Wie dumm er doch war, wenn seine Angst ihn zu überwältigen begann, schimpfte Draco sich selbst. Nun lotste er den Angreifer auch noch in seine Richtung. Snape… kein Angreifer, es ist nur Snape, versuchte er sich einzureden. Snape, der sich seit Neuestem wie ein Kindergartenkind von hinten an ihn heranschlich, um mit ihm Verstecken zu spielen. Sicher, das war ja auch so wahrscheinlich…
 

Knack!
 

Hinter ihm!
 

Und viel näher!
 

Knack! Knack! Knack!
 

Vor, hinter und neben ihm!
 

Draco legte sich eine zitternde Hand auf den sich heftig hebenden und senkenden Brustkorb, als könnte er sein wild pochendes Herz durch dadurch beruhigen. Sein Kopf ruckte von oben nach unten, von links nach rechts und immer wieder so weit wie möglich nach hinten.
 

Die Geräusche kam von überall. Zweige knackten, Blätter raschelten wie aufgeschüttelt, Äste brachen und rings um ihn herum stiegen Eulen und andere Vögel in den Himmel auf und flohen unter ängstlichem Zirpen.
 

„Sir?“, wimmerte Draco ängstlich. Er bemühte sich laut und deutlich zu sprechen, falls es wirklich Snape oder ein anderer Todesser sein sollte, doch seine flatternde, schnelle Sprechweise, offenbarte die aufsteigende Panik vor der Dunkelheit im Wald und allem, was sich darin verbarg. „Ich habe nicht viel Zeit. Ich glaube, man überwacht mich!“
 

Knirsch.
 

„Man wird merken, wenn ich längere Zeit aus dem Schloss bin…“
 

Klick!
 

„… Ich bin ja nicht auf einem, einem Todessereinsatz…“
 

Knack! Knack! Knack!
 

„… bitte, Sir, kommen Sie jetzt schnell, ich muss gleich wieder weg. Hören Sie? Ich habe kein Zeit mehr, kommen Sie jetzt raus oder ich gehe wieder!“ So sehr er sich auch bemüht hatte entschlossen und eine Spur wütend zu klingen, so unglaublich hatte er darin auch versagt, dass er nichts anderes tun konnte als unsicher nach hinten zu stolpern und sich für sich selbst zu schämen.
 

Klick! Direkt hinter ihm.
 

Draco wirbelte herum und warf den Arm nach vorne, um den, der ohne Worte hinter ihm geklickt hatte, entweder ins Gesicht zu leuchten oder ihn zu töten. Allein, er war zu schnell, zu energisch, zu panisch gewesen und so sah er sich nun ohne Zauberstab, den hatte er im hohen Bogen ins Dickicht geworfen. Nun war er vollkommen schutzlos und sah sich Auge in Auge, mit acht tennisballgroßen Spinnenaugen und hatte freien Blick auf rasiermesserscharfen Kieferzangen, die ebenso dick und lang wie seine Beine waren.
 

Klick! Schon wieder!
 

Und nun sah er auch endlich, wobei er auf dieses Wissen gerne verzichtet hätte, dass es die gewaltigen Kiefer der Acrumantula vor ihm waren, die dieses Geräusch verursachten, das ihm wie spitze Nadeln durch Mark und Bein ging und in den Bäumen und der totenstillen Nacht widerhallte.
 

Draco erstarrte wie einst Lots Weib zur Salzsäule, doch vermutlich wäre es ihm – im Gegensatz zu ihr – nicht besser ergangen, wenn er sich nicht umgedreht hätte, denn schon wieder klickte es hinter ihm. Hell, klar. Ein Geräusch wie ein heißes Messer, das ihm mit einem einzigen Stich tief ins Ohr gebohrt wurde.
 

Es war kein Widerhall, den er vernommen hatte. Es waren viele und sie hatten ihn umzingelt.

Sie waren so nahe, dass er nicht nur das angriffslustige Klicken ihrer Kiefer, sondern auch unauffälligere Geräusche, wie die Bewegungen ihrer haarigen Beine auf feuchtem Laub, vernehmen konnte. Er hörte, wie ihre langen Beine gegen Zweige stießen oder das schabende Geräusch, das sie zur Verständigung untereinander benutzten, wahrnehmen.

Eigenartigerweise war Draco jetzt vollkommen ruhig. Eigenartig, durchaus, dass er in diesen lebensbedrohlichen Situationen seine Nerven zusammen hatte, wohingegen er sie gelegentlich sogar verlor, wenn jemand in seiner Gegenwart ohne Vorwarnung nieste oder hustete.
 

Im Moment war das nebensächlich. Es war egal, dass Snape ihn niemals hierher bestellt hatte, dass ihm jetzt einfiel, dass der Vogel, der ihm die Nachricht überbracht hatte, durcheinander gewirkt hatte und dass die Nachricht, nachdem er sie gelesen hatte, in seinen Händen in Flammen aufgegangen war, bevor er einen Authentizitäszauber durchführen konnte.
 

Wichtig war nur, dass diese Viecher ihn töten würden, wenn er hier auch nur einen Wimpernschlag zu lange still stand.
 

Aussichtslos oder nicht, in dem Moment, als die erste Spinne hochbeinig auf ihn zustakste, machte er einen Hechtsprung und warf sich zwischen ihre langen Beine. Der gewaltige, abstoßende Hinterleib des Untiers war genau über ihm.

Der Boden war noch feucht vom Unwetter am frühen Abend. Die Blätter rutschig, die Erde schlammig und dem Gestank nach, waren seine Hände in den Hinterlassenschaft irgendeiner Mahlzeit gelandet.
 

Klick! Klick! Klick!
 

Fast fünf Meter hoher Beine drehten sich um ihn und gaben Draco das Gefühl, in der Mitte eines altmodischen Karussells zu sein.
 

Klick! Klick! Klick!
 

Von allen Seiten drängten sie heran. Hohe Beine überall um ihn herum, doch unter dieser Spinne kamen die anderen Spinnen schlecht an ihn heran und auch das Untier selbst konnte ihn hier schlecht packen. Er stemmte sich hoch und keuchte vor Erleichterung auf, als seine puddingweichen Arme ihn tatsächlich zu stützen vermochten. Weich wie heißes Wachs fühlten sich seine Glieder an, eigentlich nicht in der Lage eine koordinierte Bewegung auszuführen und doch musste er hier weg.
 

Schnell, schnell. Er krabbelte an zwei baumlangen, spindeldürren Beinen vorbei. Fieberhaft suchten seine Augen den Boden ab. Hier irgendwo musste doch seine verlorene Waffe sein.
 

Wind kam auf und trieb die Wolken weiter. Der Mond kam heraus und beleuchtete den schlammigen Waldboden. Er durfte nicht an den Wald von Beinen denken, auf denen die Spinnen ihn wie bewaffnete, lauernde Stelzenläufer eingekreist hatten.
 

Wo war sein Zauberstab? Er krabbelte weiter, wäre ein paar Mal fast ausgerutscht doch er fing sich. Warum war diese Spinne immer noch über ihm? Sie drehte sich über ihm oder war es, der sich drehte? Urplötzlich wurde ihm schwindelig. Vielleicht drehte sie sich auch nicht, vielleicht wiegte sie sich nur hin und her, um ihn zu suchen oder diese ganzen Beine, die in der Dunkelheit um ihn herumtanzten, waren ihre unzähligen Brüdern und Schwestern, die helfen wollten, ihn zu fassen?
 

Draco krabbelte hastig weiter, der Mond war vollkommen wolkenfrei und Draco war fast…
 

Wumm!
 

Draco stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus. Der massige Hinterleib der Spinne hatte ihn wie ein Keulenschlag hart am Hinterkopf getroffen und niedergeworfen.

Der Schlag war hart, doch nicht so hart, das ihm die Sinne schwinden würden, doch schwindelig wie ihm war, brach er ein und rutschte wie auf Seifenschaum über den schlammigen Boden.
 

Da vorne lag er. Nur zwei Meter von ihm entfernt sah er den blank polierten Zauberstab im Mondlicht glänzen. Er achtete auf nichts anderes mehr. Da war seine Rettung. Er könnte… er könnte ihn packen und irgendetwas tun. Die Spinnen lähmen, entwaffnen, Bäume auf sie einstürzen lassen. Irgendetwas… vielleicht würden sie sich durch einen Desillusionierungszauber täuschen lassen.
 

Draco robbte durch feuchtes Laub, das Gesicht ganz dicht über dem Boden. Er hoffte, dass die Spinnen ihn in seinem dunklen Todessermantel nicht deutlich auf dem graubraunen Waldboden erkennen konnten und wand sich wie eine Schlange über Äste, Blätter, winzige Insekten und Käfer.
 

Er hob den Kopf. Er sah den Stab. Er hob den Arm… und schrie, als aus dem Nichts ein langes, schwarzes Spinnenbein auf ihn heruntersauste und ihn mit der Wucht eines Stuporfluches tief in den Matsch hineindrückte.

Draco quiekte wie eine in die Falle gegangene Maus, streckte alle Viere von sich und fürchtete, von diesem dünnen, harten Bein gepfählt zu werden.
 

Er war doch fast da.
 

Um ihn herum tummelten sich die Spinnen. Nun waren sie nicht mehr irgendwo, zentimeternah staksten ihre Beine um ihn herum. Sie würden ihn nicht lähmen und für später einspinnen, ihr ärgerliches Klicken, der Eifer, mit dem sie ihre Gefährten hin und her schoben, ließ eindeutig erkennen, dass jede versuchte, sich gierig nach vorne zu drängen. Sie würden ihre Beute nicht entkommen lassen.

Entweder war es schon zu oft passiert oder sie waren einfach ausgehungert.
 

Draco streckte den Arm aus. Nur noch Zentimeter, auch wenn sein Fleisch unter dem Druck des Beines aufzuplatzen drohte, wenn er den Stab erst hatte, wenn er ihn nur endlich erreichen könnte… er spreizte seine Finger…
 

Unvermutet, doch vorhersehbar, brach sein Fleisch auf, als die gewaltigen Kieferzangen wie eine Säge in sein Bein eindrangen und es zerschnitten. Schwarze Sterne überschwemmten Draco, gemeinsam mit einer Welle aus überwältigender Übelkeit und alles verschlingendem Schmerz, als das Riesentier den Druck verstärkte und er seinen Knochen knacken hörte.
 

Ein weiterer Schrei, ein weiterer Biss… Eine zweite Spinne trieb ihre Kiefer in seinen rechten, wie zum Angebot dargereichten, ausgestreckten Arm.
 

Er hatte keine Angst mehr, fast nicht. Um Angst zu haben, hätte man sich konzentrieren müssen und um einen bewussten Zauber zu wirken, hätte er alle Sinne beisammen haben müssen und dennoch gelang ihm in diesen Augenblicken, in denen er nichts mehr war außer Schmerz, brechende Knochen und Wunden, abgerissenem Fleisch, das Wunder.
 

Er warf den linken Arm nach vorne.
 

Ein weiteres schwarzes Bein vor ihm.
 

Spreizte die Finger…
 

Schrie, als sein Bein sich auf einmal wie ein gewaltiger, angeklebter, schwerer Sack anfühlte und zwei Finger von seiner Hand abgerissen wurden…

…und fing den wie an einer unsichtbaren Leine herschwirrenden Zauberstab ab. Treffsicher, er war Sucher.
 

„Expelliarmus!“
 

Die Spinne brach direkt vor Draco in die Knie und kippte um. Er zielte ohne zu wissen worauf, einfach nur rings um sich herum, feuerte er Flüche ab, die sicherlich zur Hälfte gerade Mal im Ansatz das ausdrückten, was er meinte.
 

„Expelliarmus! Expelliarmus! Expel...!“
 

„Bombardo!“
 

„Diffundo!“
 

Um ihn herum polterte, krachte und bebte es. Die Erde erzitterte, als ein riesiger Baum fiel. Zu nahe, er kippte wie von unsichtbarer Hand durchgesägt auf die Spinne, die Dracos Bein in ihren Fängen hatte und schlug sie zu Brei.
 

Dummerweise war sein Bein immer noch zwischen ihren Kiefern. Er feuerte Flüche ab, die er selbst kaum kannte, die er nur vom Namen nach gehört hatte. Pilze sprossen vor ihm aus dem Boden, Blätter fielen brennend zu Boden, kochend heißes Wasser schoss wie Geysire aus der Erde und die Spinnen sanken in sich zusammen, als hätte man ihnen die Luft herausgelassen oder schwollen an, als wären sie wie ein Luftballon aufgeblasen worden, doch alles das bemerkte er kaum.
 

Sie tummelten sich immer noch rings um ihn herum, drängten nach vorne, wichen herabstürzenden Ästen und Geysirstrahlen aus und rückten sofort wieder näher und Draco robbte, krabbelte, brach ein und robbte erneut durch den Schlamm, zog sich an einem Baum hoch und humpelte, teilweise hüpfte er auf einem Bein, bis er sich aus ihrem Reich heraus gerettet hatte.
 

Der Weg zurück war trübe. Er nahm kaum etwas von dem wahr, was um ihn herum war. Nicht einmal die heftigen Schmerzen, alles verschwamm in der Müdigkeit, die mit dem Schock und dem Blutverlust einherging. Er wollte sich die Haare aus dem Gesicht streifen und lächelte matt, als er bemerkte, dass dazu einige Finger mehr nötig gewesen wären.
 

Kannte er das nicht? Doch ja, er war ja mal zersplintert.
 

Genau wie damals, kam es ihm träge in den Geist, und schwamm gleich mit der nächsten Welle Müdigkeit wieder hinaus aus seiner schläfrigen Gedankenwelt.
 

Lichter! Das Schloss! Er war fast da.
 

Draco krabbelte an Hagrids Hütte vorbei und wunderte sich, wieso er schon die ersten hellroten Streifen am dunklen, doch langsam graublau werdenden Horizont erkennen konnte.

Er musste schon lange weg gewesen sein. Er musste schon lange geblutet haben.

Vielleicht würde er jetzt sterben.

Nicht schlimm, dann konnte er schlafen. Er war müde… so müüüde.
 

Nicht einschlafen. Wieder hoch. Weiter. Fast war er da. Er musste sich nur hochstemmen, um die Portaltür aufzuschieben… Nicht einschlafen, auch wenn er am Boden lag und so müde war. Nicht einschlafen, er war nur ausgerutscht und hingefallen. Nicht einschlafen… nicht einschla…
 

Weiter. Weiter. Weiter… bald würde er schlafen können, aber nicht hier.
 

Man starb nicht eingeklemmt in offenen Türen. Was würden den die anderen sagen?
 

Nicht einschlafen… weiter. Da… eine Säule, er konnte sich hochziehen. Im Stand, würde er nicht schlafen… er durfte sich nicht anlehnen, sonst würde er doch schlafen und weiterbluten, bis er leer wie eine ausgepresste Zitrone war.
 

Weiter…
 

Draco schaffte es humpelnd und blutend zurück ins Schloss. Er schleifte sein taubes Bein durch die Eingangshalle und zog eine deutlich sichtbare, leicht zu verfolgende Blutspur vom Eichenportal ins Innere des Schlosses, die Treppen hinauf zur Krankenstation. Während die Eingangshalle blutende Fußspuren und rote Tropfen auf dem Boden aufwies, zogen sich eine durchgehende, breite, blutige Bahn die Treppe hinauf, da Draco fast nicht mehr konnte und auf Händen und Füßen Stufe um Stufe hochkriechen musste.

Auf der obersten Stufe blieb er liegen und schlief ein. Den Kopf auf dem Fußboden, Hände und Arme vor sich gestreckt, als wäre er ein Ertrinkender, der versuchte, sich nach vorne zu ziehen.
 

Das immer noch heftig blutende Bein durchweichte seine Hose und hing wie leblos ein paar Stufen weiter unten an seinem Rumpf. Der blutende rechte Arm, die Bissspuren in der Seite und die Abschürfungen am ganzen Körper taten ihr übriges, um den ganzen Jungen in ein blutiges, rotes Bündel zu verwandeln, das aussah wie etwas, das der Schlachter weggeworfen hatte,.
 

Er wusste nicht, wer ihn gefunden hatte. Madam Pomfrey sagte nichts weiter als dass er eine Menge Blutbildungstrank benötigt hatte und sein Körper total ausgekühlt gewesen war. Falls sie doch mehr gesagt haben sollte, war er wohl noch so erschöpft gewesen, dass er es nicht mitbekommen hatte.
 

Xxx
 

Draco war von etwas Wildem, Gefährlichem angefallen worden. Das hatte Hermine bereits mitbekommen, sie wie jeder andere Schüler im Schloss. Auf Gerüchte und Tratsch war eben immer Verlass. Madam Pomfrey wollte sie nicht zu ihm lassen, als Hermine daraufhin in den Krankenflügel eilte. Er sei schwer verwundet und bräuchte Schlaf.
 

Am übernächsten Tag sandte Madam Pomfrey Hermine eine Nachricht direkt in den Gryffindorgemeinschaftsraum und bat sie, nun doch zu kommen. Draco sei wach und hätte bereits gestern gehen dürfen, doch tat er das einfach nicht. Madam Pomfrey zufolge lag er nur im Bett, starrte an die Wand und sprach kein einziges Wort.
 

Zutiefst beunruhigt ließ Hermine ihre vor sich ausgebreiteten Hausaufgaben einfach liegen und eilte an ihr verwirrt nachschauenden Hauskameraden vorbei zum Turmzimmer hinaus, in den Krankenflügel. Dort angekommen erlebte sie zum ersten Mal bewusst das Gefühl eines Flashbacks. Man hätte es ein Deja-vu nennen können, doch das, was Hermine fühlte, als sie mit zitternden Knien den Krankensaal betrat und zu einer separierten Kabine ganz hinten ging, war viel härter, grausamer als es dem harmlos klingenden Wort „Deja-Vu“ gerecht geworden wäre.
 

Alles war dem Halloweenabend so ähnlich, dass sie dann, als sie vor dem Bett stand und dort blonde und nicht rote Haare auf dem Kissen liegen sah, sich erst einmal erstaunt über das Gesicht wischen musste.
 

Draco lag von ihr abgewandt im Bett, hatte sich zusammengerollt und starrte reglos auf den weißen Vorhang, der seine Kabine umgab.
 

„Wie geht es dir?“, fragte sie.
 

Keine Antwort.
 

Hermine ging um das Bett herum um zu sehen, ob er wach war. Seine Augen waren offen, wirkten aber so starr und sein Gesicht war so grau und leer, dass er eigentlich eher wie tot, denn lebendig und wach aussah. Sollte er sie bemerkt haben, so konnte er das sehr gut verbergen.
 

Madam Pomfrey hatte ihr gesagt, dass er zwar selbstständig auf die Toilette gehen, essen und trinken konnte, davon abgesehen aber wie zu Stein erstarrt wirkte. Sie hatte Hermine gebeten, ihm etwas gut zuzureden. Vielleicht, oder ganz sicher, würde er auf Hermine mehr eingehen, als auf sie alte Frau.
 

„Draco… was… was ist los? Warum stehst du nicht auf?“
 

Jetzt, als Hermine seinen Namen nannte, setzte er sich auf und kletterte, ohne sie sonderlich zu beachten, aus dem Bett, um sich umzuziehen. Sie musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten, als er daraufhin ohne ein Wort aus dem Krankensaal hinausging.
 

Hermine hörte Madam Pomfrey hinter sich schnauben und war nicht sicher, ob sie nun zutiefst besorgt oder einfach nur genervt von ihrem Dauerpatienten gewesen war, als sie die Tür hinter ihnen schloss und Draco ein mahnendes „Den Rest des Tages will ich Sie nicht mehr sehen!“ nachrief.
 

Auf Hermine Frage, warum er nicht gegangen sei, nachdem Madam Pomfrey seine Wunden geheilt hatte, antwortete Draco schlicht mit: „Ich war müde!“
 

Mehr sagte er zu diesem Thema nicht und Hermine hatte gelernt, dass sie keine Fragen stellen sollte, wenn die Antwort sie beunruhigen würde.
 

Xxx
 

Hermine hatte sich lange geweigert, diesen Gedanken zu akzeptieren und die Situation so zu titulieren, wie es alle anderen taten, doch langsam konnte sie nicht mehr umhin, sich einzugestehen, dass vor den Toren von Hogwarts (und heimlich auch dahinter) tatsächlich ein Bürgerkrieg tobte.
 

Ein Krieg fordert Opfer. So ist es und so wird es immer sein. Kriege, ebenso wie Schachspiele, fordern von Zeit zu sein strategisch platzierte Bauernopfer, um den wichtigeren Figuren ein Durchkommen zu ermöglichen.

Hermine war klug genug zu erkennen, dass das der Grund war, warum man Mundungus Fletcher als Spion ausgewählt hatte und sie war außerdem klug genug zu vermuten, dass Draco aus genau dem selben Grund als Spion ausgewählt worden war. Dort, wo beide waren, waren sie nützlich und es stellte keinen Verlust dar, wenn einer getötet wurde.
 

Hermine hatte es vor Empörung die Sprache verschlagen, als Moody, nach dem gescheiterten Attentat auf Harry, die Sache mit „kein größerer Schaden entstanden“ kommentiert hatte. Hermine hatte die Fäuste geballt, war aufgestanden und war kurz davor gewesen ihrer Entrüstung Luft zu machen, doch als sie in all die erleichterten Gesichten sah, in denen sich nichts als Beruhigung darüber spiegelte, dass kein Mitglied des Ordens ernsthaft verletzt wurde, hatte sie sich umgedreht und war leise weggeschlichen.
 

Kurz bevor sie ging, hatte sie noch gehört, wie Moody ärgerlich etwas raunte, dass wie „Malfoy“ klang und irgendeine Männerstimme, sie wollte gar nicht so genau wissen welche, hatte darauf mit „Beim nächsten Mal… Nächster Versuch“ geantwortet.
 

Hermine war in den Schlafsaal gerannt und hatte sich auf ihr Bett gesetzt. Stundenlang, obwohl sie Unterricht gehabt hätte. Wichtigen Unterricht… so kurz vor den Prüfungen.
 

Aber wie hätte sie es ertragen können zwischen ihren Freunden zu sitzen und nicht zu wissen, ob diese wegen des Unterrichtsstoffs oder wegen eines neuerlichen Draco-Attentats grüblerisch die Stirn in Falten zogen?
 

Harry war die ganze Sache mit Mundungus im Nachhinein wohl selbst peinlich. Während des Abendessens versuchte er das ganze vor Hermine zu rechtfertigen. „Sieh mal, er hat doch eh gesoffen, war ständig mit zwielichtigen Gestalten zusammen und irgendwie war es doch nur eine Frage der Zeit, bis irgendjemand ihn umbringt. Außerdem“, hatte er mit unbehaglichem Schulterzucken hinzugefügt, „wusste er doch sicher, dass das so kommen kann!“
 

„Ja, und du weißt sicher“, keifte sie empört und stand auf, da ihr der Appetit vergangen war, „dass Moody ihn dazu gezwungen hat. Ich bin sicher, dass er ihn wieder mit Askaban oder sonst was erpresst hat. Klar wusste er was passieren könnte, aber denkst du, er wollte das?“
 

Harry wurde rot im Gesicht und auch Hermines Wangen begannen zu glühen. Sie funkelten sich gegenseitig zornig an und atmeten schwer. Hermines Worte waren grell und schnippisch, seine kalt und schnarrend. „Du solltest dich langsam entscheiden, Hermine. Fletcher hat ganz sicher auch nicht selbst beschlossen, ein Inferius zu werden. Irgendjemand hat ihn enttarnt, getötet und dann hier her geschickt um MICH“, er tippte sich hart gegen die eigene Brust, „deinen angeblich besten Freund, umzubringen. Entschuldige, dass ich da so pingelig bin, aber das nehme ich persönlich und ich darf und werde mich dagegen wehren!“
 

Hermine verschränkte trotzig ihre Arme vor der Brust und zischte: „Ihr habt ihn doch nur deswegen ausgewählt, weil ihr alle findet, dass es um ihn eh nicht schade ist!“
 

„Stimmt!“
 

Harrys Offenheit nahm Hermine etwas Wind aus den Segeln. Sie stutzte und schüttelte ungläubig den Kopf.
 

Harry beugte sich vor und bohrte seinen festen Blick so hart in sie hinein, als wolle er mit seinen Augen, direkt in ihr Gehirn stechen. „Nun hör mal gut zu, Hermine. Voldemort ist nicht nur mächtig, er ist auch unglaublich beliebt. Immer mehr Menschen glauben ihm und immer mehr wollen ihn unterstützen. Wer glaubt denn schon noch an Dumbledore? Uns ist allen klar, was diese Leute Böses im Schilde führen… aber wir brauchen nunmal Beweise. Fletchers Einsatz war eine unsere wenigen Möglichkeiten zu bekommen, was wir brauchen, um den Leuten die Augen zu öffnen. Hat nicht geklappt, aber wir geben nicht auf.“ Er schnaubte, kräuselte die Nase, als habe er etwas Unangenehmes gerochen und sah sich nach beiden Seiten um, bevor er mit einer Stimme, die so kalt wie Gletschereis war, weitersprach: „Warum gehst du denn nicht und erzählst Malfoy das gleiche wie mir? Dir ist doch klar, wer Fletcher hier rein gebracht hat? Dir ist klar, wer mich an dieser Schule umbringen will? Mich… und andere auch, so wie…“ Harry zuckte leichthin mit den Achseln, kratzte sich mit grüblerischer Miene am Kinn und hob die Augenbrauen, als sei ihm eben ein absolut neuer Gedanke gekommen, dann hob er den Finger, und deutete auf Hermine, „dich!“

Er schnaubte und schüttelte missbilligend den Kopf. „Aber so ist es nunmal.“ Er senkte seine Stimme und auch Hermine hatte die neugierigen Blicke bemerkt, die ihnen ihre Hausgenossen zuwarfen. „Es tut mir ja leid, dass Fletcher gefunden wurde, aber das hatte alles Sinn und Zweck. Wir müssen uns jetzt etwas Neues einfallen lassen. Nicht nur deswegen!“ Er hob vielsagend die Augenbrauen und Hermine traf sein Blick wie die Kugel einer Pistole ins Herz, denn natürlich meinte er damit auch, dass man sich nun etwas neues für Draco einfallen lassen musste, da der immer noch lebte.
 

Hermines Mund verkrampfte sich. Sie schnaubte geräuschvoll und krallte sich um ihr Besteck. Leise und hasserfüllt zischte sie: „Mörder!“
 

Harry schmiss seine Gabel weg, traf dabei versehentlich die neugierig näher gerückte Parvati am Ohr, und rauschte mit wehendem Schulumhang zur Tür hinaus. Hermine hinterher.
 

Sie schrien sich an, wie sie es selten getan hatten. Hermine schrie etwas von skrupellos und eiskalt. Harry brüllte Worte wie „naiv“, „blind“ und „illoyal“.
 

Bei illoyal wäre Hermine Harry fast an den Hals gesprungen vor Zorn. In diesen Momenten wurde klar, wie sehr Ron doch fehlte. Es hatte immer mal wieder Streit zwischen den Dreien gegeben, doch wenn sich zwei gestritten hatten, hatte der Dritte immer einschreiten können, um das Schlimmste zu vermeiden. Jetzt nicht mehr.
 

Jetzt vermittelte niemand, als Hermine auf Harry einschlug und ihm vorwarf, dass er viel schlimmer sei als das, wogegen er zu kämpfen vorgab und niemand stoppte Harry, als er brüllte, dass sie am Ende selbst schuld wäre, wenn die Todesser ihr irgendetwas antun würden, weil sie viel zu blind und naiv wäre, um wirklich etwas zu unternehmen. Sie wäre zu nichts außer Lesen und Dämliche-Sprüche-klopfen zu gebrauchen.
 

Vielleicht hatte Harry ja sogar recht. Hermine war weder so dumm noch so naiv, als dass sie das nicht früher hätte erkennen können, doch die Tatsache, dass sie in diesem Spiel noch nicht einmal Beute, sondern ebenfalls lästig und zu beseitigen war, war so allgegenwärtig und bedrohlich, dass sie einfach wegsehen musste.
 

Was sollte sie schon dazu sagen, dass Voldemorts Leute im Ministerium einen Erlass durchgesetzt hatte, nachdem man Datenschutzbestimmungen für Muggelgeborene so gelockert hatte, dass sie praktisch aufgehoben waren? Was sollte sie dazu sagen, dass der Publicity-Beauftragte der Todesser, Lucius Malfoy, in aller Munde war, dass selbst Leute wie die Lestranges in der Öffentlichkeit akzeptiert wurden und dass Voldemort immer öfter auftrat und sich dafür rühmte, dass seine Leute die Bevölkerung vor Gefahren retteten, die diese selbst verursacht hatten?
 

Was sollte sie dazu sagen, dass ein Inferius ins Schloss gelangt war und einfach mal so, während alle anderen frühstückten, Harry fast in Stücke gerissen hatte? Wie sollte man sinnvoll darüber diskutieren, dass ein Mordanschlag auf Draco eigentlich längst überfällig gewesen war und dass jemand wie Fletcher wohl wirklich von niemandem vermisst wurde.
 

Sie schrien und schrien, bis sie heiser wurden und eine Pause machen mussten, um tief Luft zu holen.
 

„Hrmph!“, räusperte sich jemand hinter ihnen.
 

Draco, Crabbe und Goyle an seiner Seite, stand vor einer Gruppe von etwa zwölf Schülern – höchstens die Hälfte von ihnen war aus Slytherin - verschränkte die Arme locker über der Brust und grinste sardonisch.
 

Das spitze Kinn stolz nach oben gereckt stand er wie ein Guru vor seinen Bewunderern, die darauf zu warten schienen, dass ihre Ikone böse Geister vertrieb.
 

Und wirklich, er trat einen Schritt auf Harry zu, griff in seinen Umhang und… zog seinen Zauberstab daraus hervor. Die Menge hinter ihm raunte begeistert und Crabbe und Goyle warfen sich erwartungsvolle Blicke zu.

Draco durfte keinen Zauberstab haben, immer noch war es ihm verboten. Es war nicht schwer zu erraten gewesen, dass er doch irgendwo einen versteckt hatte, aber dass er sich jetzt lässig, locker vor Harry pflanzte, einen Zackenstern vor ihm formte und sich genussvoll die Lippen leckte, als eine Mischung aus Vogelspinne und überdimensionalem Weberknecht aus dem Boden zu wachsen schien, war so unfassbar unverfroren, dass es Hermine die Sprache verschlug.
 

Die Menge um Malfoy war ihm erwartungsvolle, begierige Blicke zu.
 

Hermine warf einem, der besonders schrill gekichert hatte, einen prüfenden Blick zu. Tertius Knox… Sechstes Jahr, Ravenclaw. Sie kannte ihn vom Sehen. Und nun war er hier mit…
 

„Malfoy!“, ächzte Harry entnervt und zog seinen eigenen Zauberstab. „Suchen du und dein Fanklub Streit?“
 

Statt einer Antwort grinste Draco nur noch breiter. „Nicht doch, Potter. Ich will dir nur was zeigen.“ Er hob ein Bein und trat die Spinne mit einem wohlplatzierten Tritt platt. „Siehst du, dass bleibt übrig, wenn man mich angreift!“
 

Draco hob seinen Fuß und betrachtete den rotblutigen, haarigen Brei am Boden. „Sieht eklig aus, meinst du nicht?“
 

Goyle lachte laut auf. Crabbe strahlte.
 

Draco strahlte vor Stolz und hob Harry seinen Zauberstab unter die Nase. „Allzeit bereit für Spinnen und anderes Ungeziefer. Wollte ich dir nur mitteilen, Potter!“
 

Hermine trat vor und stellte sich ungeachtet des vorangegangenen Streits neben Harry. Draco beachtete sie nicht, aber hinter ihm rief jemand: „Spinnen und anderes Ungeziefer. Hörst du, Granger, er meint dich!“
 

Hermine biss sich auf die Lippen. Das war Marcus Simmons gewesen. Ein Gryffindor… Reinblut, doch Gryffindor… und er bezeichnete sie als Ungeziefer.
 

Harry hatte es auch gehört und schien vor Verwunderung über den Feind aus den eigenen Reihen zu erstarren. Draco gackerte schnarrend. „Na, na, Potter. Du bist ja so blass, als hättest du einen Inferius gesehen!“
 

Die Jungen hinter ihm brachen in schallendes Gelächter aus. Hermine fasste Harrys Hand. Ein kurzer missbilligender Blick aus eisgrauen Augen, von dem Hermine nur hoffen konnte, dass Harry ihn falsch verstanden hatte, denn wandte sich der selbst erkorene Spinnenbewältiger um und stolzierte samt seinen Anhängern von dannen.
 

Hermine und Harry sprachen nie über die Spinnen, den Angriff auf Draco oder jemals wieder über den Fletcher-Inferius. Eigentlich vermieden sie, überhaupt miteinander zu sprechen, wenn kein anderer dabei war.
 

Vollständig konnten sie sich natürlich nicht ignorieren. Hermine lernte ja mit Harry und einigen anderen Gryffindors nach wie vor mehrere Abende die Woche für die Prüfungen.
 

Einige Tage nachdem Draco angegriffen worden war, ging Hermine gemeinsam mit Harry in die Bibliothek. Harrys Erinnerungen waren auch nach Erinnerungswiederfindungszaubern, zahlreichen Hypnoseversuchen, Experimenten mit einem geborgten Denkarium sowie einem Fluch, nach dessen Anwendung Harry beinahe an einem Stromschlag gestorben wäre, nach wie vor lückenhaft und wirr.
 

„Wenn du es vernünftig betrachtest, ist dieses ganze Herumgeforsche einfach überflüssig!“, belehrte Hermine Harry vielleicht schon zum tausendsten Mal. „Sieh mal!“ Sie hängte sich ihre Tasche über die Schultern, um ihre Hände frei zu haben und gestikulierte energisch. „Die wesentlichen Punkte wissen wir doch schon. Todesser waren dort und… und haben getan, was sie getan haben… Wir wissen wer es war, wir wissen, was sie getan haben und eigentlich auch warum. Was bringt es dir, wenn du das alles, was wir eh schon wissen, auch noch mal sehen musst?“
 

„Ich will eben die Wahrheit wissen!“, blaffte er knapp zurück und ließ damit den wiederholten Vorwurf an Hermine – dass sie die Wahrheit über Rons Tod nicht interessierte – ungesagt, doch so deutlich, dass es fast greifbar war, in der Luft.
 

Hermine schnaubte verärgert und klammerte sich wieder fest um den Griff ihrer Tasche. „Du willst dich einfach damit ablenken, dass ihr bei den Horkruxen noch nicht weiter seit“, stichelte sie treffsicher, denn Harry wurde augenblicklich rot und blieb stehen.
 

„Ich dachte, du bist die, die sich mit sinnlosem Quatsch ablenkt!“, schnarrte er.
 

„Was soll denn das heißen?“ Hermine selbst hätte eine Antwort darauf gehabt, mit welch sinnlosen, weil hoffnungslosen Dingen sie sich von ihren Problemen ablenkte, aber Harry konnte, durfte das nicht wissen. Sie hatte doch an alles gedacht, oder? Sie hatte Draco nicht zu oft erwähnt. Eigentlich hatte sie ihn doch gar nicht erwähnt, nicht? War das zu auffällig gewesen? War es zu offensichtlich gewesen, nicht über Draco zu reden, wo doch die ganze Schule von den Acrumantulas gehört hatte?
 

Sie konnte Harrys Blick nicht deuten. Ginny hätte dabei sein sollen. Ginny war geradeheraus, die sagte immer sofort klar und deutlich, was ihr nicht passte, wohingegen Harry sehr oft wütend vor sich hinkochte und vieles in der Luft hängen ließ, bevor er explodierte und lange unversöhnlich wütend war. Aber Ginny schien sie in den letzten Monaten, seit Rons Tod eigentlich, zu meiden und Hermine würde lieber nackt in der großen Halle Samba tanzen als zu fragen, weshalb.
 

Doch wie auch immer, hier stand sie vor Harry, der zweideutige Anspielungen machte und Ginny, Neville, Luna… aber vor allem eben auch Ron, waren nicht dabei, um zu vermitteln, als Harry weitersprach: „Das soll heißen, dass mich deine ständige Lernerei langsam ankotzt. Du kümmerst dich nur noch um dich und vergisst alle anderen. Wir riskieren hier alles, um Voldemort daran zu hindern, die Macht zu übernehmen und alles was du im Kopf hast, sind Hausaufgaben und diese dämlichen Prüfungen, die dir nicht das Geringste nützen werden, wenn Voldemort auch nur einen Schritt weiterkommt!“
 

Daher wehte also der Wind. Natürlich vernachlässigte sie ihre Freunde und irgendwo auch ihre Pflichten als DA-Mitglied, aber mit einer Last wie Draco am Hals, wenn sie es auch ungern so formulierte, war es ziemlich schwer, ihren Freunden offen in die Augen zu blicken. „Und was tue ich hier, Harry?“, entgegnete sie kalt und vollführte eine ausladende Bewegung um sich herum um auf all die Bücher zu zeigen, die sie für Harry bereit wäre zu lesen. „Bin ich nicht schon wieder mit dir hier, um dir dabei zu helfen, dein schlechtes Gewissen zu erleichtern?“
 

Harry trat einen Schritt näher, so dass sie sich bedrängt fühlte. „Mein schlechtes Gewissen? Und du? Hast du keines? Ist dir alles egal? Sieht so aus! Du schwirrst einfach zu deinen Büchern ab, lässt andere für dich kämpfen und wenn die Schule um ist, kannst du eh so tun, als ob du Ron nie gekannt hättest!“
 

Eine schallende Ohrfeige traf Harry ins Gesicht. Hermine starrte entgeistert auf ihre Hand, als habe diese ohne ihr Wissen gehandelt. Harrys Brille war verrutscht, doch der kalte, ablehnende Gesichtsausdruck war geblieben.
 

Hermine warf den Kopf in den Nacken, schnaubte verdrossen und stolzierte hoch erhobenen Hauptes an Harry vorbei.
 

Sie musste sich das nicht anhören. Wegen Ron…. daran wollte sie jetzt nicht denken. Sie hatte nichts falsch gemacht. Was sollte das überhaupt alles? Vollidiot!

Hermine bedachte Harry innerlich mit noch wesentlich exotischeren Schimpfworten, während sie sich achtlos an anderen Schülern vorbei zur Bibliothekarin drängte. Sie knallte ihre Tasche auf den Schreibtisch und hielt die Erlaubnis, die Verbotene Abteilung zu betreten, unter Madam Pinces Nase.
 

Sie atmete tief durch und schloss die Augen. Sie durfte nicht zu wütend werden… Sie waren schon laut genug gewesen und es wäre schlecht, wenn man zu viel Aufmerksamkeit auf sie lenken würde. Zumal Dracos Name schon wieder gefallen war und Hermine sich selbst dafür schalt, nicht gleichmütiger in solchen Situationen reagieren zu können.

Niemand sollte denken, dass es sie interessierte, was mit ihm wurde. Wobei gerade das eine schwierige Entscheidung war. Hermine kratzte sich den Kopf und achtete nicht darauf, dass Madam Pince wie festgefroren vor dem Eingang zur Abteilung stehen blieb und Hermine missbilligend musterte.
 

Einerseits sollte sie sich nicht für Slytherins interessieren, andererseits wäre es doch auch auffällig, wenn sie so gar nichts dazu sagte, was mit Draco geschehen war. Alle redeten darüber. Alle, außer sie… sollte sie nicht doch mehr dazu sagen?
 

Sie grübelte und grübelte, doch es wollte nicht einfacher erscheinen. Sie hob die Tasche wieder auf und schob sich am Tresen vorbei. Sie sollte jetzt lieber weiter über Gedächtniszauber lesen und sich abregen. Später, wenn sie etwas gefunden hatte, oder nicht, würde sie Harry auf Draco ansprechen. Immerhin hatte sie selbst Luna mit einigen Mädchen darüber diskutieren gehört, was für Wesen Draco angefallen haben könnten. Luna war der Meinung, dass Hagrids fleischfressende Pflanzen rennen könnten und Hagrid sie zur Jagd abgerichtet…
 

„Halt!“
 

Hermine fuhr herum, als sie von der Bibliothekarin mit spitzen Fingern am Arm gepackt wurde. „Sie dürfen da nicht rein, Miss Granger!“
 

Hermine zog die Stirn in Falten und fragte verwirrt: „Warum?“ Sie deutete auf das Erlaubnisschreiben, das sie doch eben erst vorgewiesen hatte.
 

Madam Pince hob den Kopf und erklärte hochmütig: „Schülern wie Ihnen ist es nicht gestattet, diese Abteilung zu betreten!“
 

„Ja, eigentlich…“ Hermine zuckte die Achseln. „Aber ich habe doch das Erlaubnisschreiben vorgelegt. So wie die ganzen letzten Monat auch.“
 

Eine Gruppe von Schülern war um sie herum stehen geblieben und verfolgte das Zwiegespräch. Ihre Mienen wirkten begierig irgendetwas mitzuerleben, das Hermine nicht ahnen konnte. Urplötzlich kam das Gefühl in ihr hoch, dass sie die Zeitung an diesem Morgen hätte gründlicher lesen sollen.
 

„Das mag so sein, doch heute Morgen erst trat der neueste Ausbildungserlass von Untersekretärin Umbridge in Kraft…“
 

Hermines Magen verkrampfte sich und die Menge um sie herum kicherte höhnisch. Von Umbridge konnte nichts Gutes kommen… nicht, nachdem sie in letzter Zeit immer öfter den Minister kritisierte und stattdessen ihre guten Beziehungen zu Lucius Malfoy hochhielt.
 

„…nachdem es muggelstämmigen Schülern generell verboten ist, diese Abteilung zu betreten. Miss Umbridge beruft sich auf ihre… Ratgeber…“
 

Das Kichern um Hermine herum wurde lauter. Sie krallte sich in das Leder in ihren Händen. Ihre Kiefer mahlten und sie knirschte angespannt mit den Zähnen…
 

„…die der Meinung sind, dass Muggelstämmige aufgrund ihres von Natur aus leicht reizbaren Temperamentes, gemeinsam mit ihrem Unvermögen, die magische Welt vollkommen zu verstehen, vor allzu gefährlichem Wissen geschützt werden müssen. Zu ihrer eigenen Sicherheit natürlich. Deswegen…“, Madam Pince schob Hermine mit deutlichem Druck hinter den Tresen zurück, „ist es mir nicht gestattet, Sie diese Abteilung betreten zu lassen. Genehmigung hin oder her!“
 

Um sie herum lachte es. Nicht eine Person, viele schienen stehengeblieben zu sein, um diesen Augenblick gegen Hermine zu genießen.
 

Mit angstgeweiteten Augen drehte sich Hermine um ihre eigene Achse und stellte zu ihrer Bestürzung fest, dass man sie umzingelt hatte.

Hasserfüllte, harte, böse Kindergesichter hatten sich um sie herum versammelt. Ihre Atmung beschleunigte sich. Krampfhaft versuchte sie nicht „Ich sitze in der Falle“ zu denken.
 

Hermine blieb stehen, reckte das Kinn stolz nach oben und klammerte sich umso fester um ihre Tasche. Sie versuchte ihre Lage zu sondieren. Sie war tatsächlich eingeschlossen, wenn auch nicht lückenlos, so standen doch etwa fünfzehn Schüler in einem großen Kreis um sie herum und zerfleischten sie mit ihren Blicken.

Hermine versuchte die Angst hinunterzuschlucken, doch ihr Mund war so trocken, als hätte sie zuvor eine Ladung Staub gekaut. Das Blut rauschte ihr in den Ohren und ihre Knie waren weich, doch sie wollte sich keine Blöße geben. Diese ganze Situation war lächerlich und ihrer nicht würdig, sie wusste wie lächerlich diese Vorsichtsmaßnahmen war und sicherlich würde das auch allen anderen Schülern bald wieder klar werden.
 

Wo war Harry? Hermine suchte zwischen den grimmigen Fratzen ihrer Mitschüler nach ihm. Sie hatten sich wohl vorhin im Streit getrennt, aber vielleicht war erja trotzdem mit hierher gekommen. Sie sah ihn nicht. War er denn wirklich schon gegangen? Nur weil sie eben etwas schroff zu ihm gewesen war? Sie nahm sich fest vor, das mit ihm noch mal zu besprechen. Heute Abend… wenn sie wieder sicher in ihrem Gemeinschaftsraum saß.
 

Sicher? Aber was dachte sie denn? Sie war sicher. Das hier war ihr Terrain. Die Bibliothek. Sie kannte die meisten Bücher hier besser als ihre Mitschüler und eulte Madam Pince häufiger als ihre Eltern.

Die Bibliothekarin schien sich im Moment jedoch nicht für ihre jahrelange Korrespondenz zu interessieren. Mit grimmiger Miene stellte sie sich wie ein Wachhund vor den Eingang zu der Verbotenen Abteilung und verschränkte die Arme.
 

Hermine zuckte so gelassen sie konnte die Achseln und warf sich die Haare über die Schultern. „Ich habe in dieser Abteilung hinter Ihnen“, sie hob die Hand und deutete mit eleganter Lässigkeit auf die offene Tür hinter Madam Pince, „wichtige Dinge zu recherchieren und Sie sind selbst schuld, wenn Sie Ärger bekommen werden.“
 

Hermines Magen krampfte sich für einen Moment auf die Größe einer Rosine zusammen, als ihr klar wurde, dass sie langsam wie Draco klang, wenn er Eindruck schinden wollte. Sie musste sich das merken und daran arbeiten… Sie sollte doch auf ihn abfärben und nicht umgekehrt. Hermine lächelte innerlich, äußerlich nicht, denn die Bibliothekarin schnaubte verächtlich und schüttelte entschlossen den Kopf. „Es ist nun mal eine Vorschrift und an die werde ich mich halten!“
 

„Aber der Schulleiter selbst hat mir doch eine Erlaubniserklärung mitgegeben!“, protestierte Hermine und schwenkte Kingsleys Genehmigungsschreiben durch die Luft.
 

„Ich befolge Anweisungen, die direkt aus dem Ministerium kommen. Es mag Ihnen vielleicht entgangen sein, aber der Schulleiter von Hogwarts ist nicht Zaubereiminister… auch wenn sich das gewisse Personen gerne eingebildet haben! Das Ministerium ist nicht mehr so schwach und verblendet wie vor ein paar Monaten, da es vor einem alten, Sprüche klopfenden Lehrer gekuscht hat. “
 

Hermine blieb die Luft weg. Ihr Mund klappte auf und sie starrte fassungslos auf die selbstgefällig nickende Madam Pince, die auf den Schiebewagen hinter sich griff, und ein paar Bücher so energisch packte und sie vor ihre Brust drückte, als wolle sie Hermine jeden Moment damit bewerfen, falls sie nicht nachgeben sollte.
 

Die Menge um sie herum raunte und brummte wie ein Bienenstock. Sätze wie „die war schon immer komisch“, „was macht die seit Monaten denn da drin?“ und „sie ist eine Freundin von Potter… die spinnen doch alle“ aber auch ein gelegentliches „Schlammblut“ fielen.
 

Hermine wirbelte herum. Sie hatte sich nicht geirrt. Wayne Hopkins, ein Halbblut aus ihrem Jahrgang, hatte sie eben Schlammblut genannt. Schadenfrohe Gesichter zollten dieser Bemerkung Beifall. Nicht einer von ihnen war aus Slytherin.
 

Hermine wurde langsam übel. Eiskalte Schauer liefen über ihren Rücken und ein unangenehmer Druck auf ihrer Blase machte sich bemerkbar. Sie schluckte und warf die Haare in den Nacken. Langsam und würdevoll wollte sie weggehen. „Die Sache ist noch nicht ausdiskutiert!“, zischte sie Madam Pince zu, die nur gelangweilt abwinkte und schon wieder ihre Bücher sortierte.
 

Die Bibliothekarin hatte den Schiebewagen vor den Eingang gerollt. Sicher, wer außer Hermine ging dort auch schon regelmäßig durch? Wer, außer Hermine, nutzte diese Abteilung überhaupt?

Seit Jahren war es Hermine immer wieder gestattet worden, dort hinzugehen, jetzt galt sie als Gefahr.
 

„Au!“
 

Hermines Hand schnellte zu der Stelle an ihrem Hinterkopf, an der sie eben etwas Hartes getroffen hatte. Sie drehte sich um, doch niemand machte Anstalten sich als Werfer zu erkennen zu geben.
 

Hermine wurde es siedend heiß, als sie den Gegenstand sah, den man nach ihr geworfen hatte. Es war ein Buch. Die Geschichte von Hogwarts… Madam Pince grunzte ärgerlich und wuselte hinter dem Tresen hervor, um es zu holen. Hermine stand nun inmitten des Kreises und in jedem Gesicht, an dem ihre Blicke vorbei glitten, konnte sie nur hämische Freude über den feigen Bücherwurf erkennen. Irgendjemand hatte das Buch nach ihr geworfen. Nur wer?
 

Es war nicht das erste Mal, dass Hermine Schlammblut genannt wurde. Draco hatte das oft und gerne getan, aber meist war er dafür von anderen Schülern gemaßregelt worden. Nur die Slytherins, und die auch nicht alle, hatten das lustig gefunden. Aber dass man das hier in der Öffentlichkeit sagte, sie mit Dingen bewarf und darauf nichts als Gelächter kam.
 

Hermine schoss eine Erinnerung in den Sinn. Vor ein paar Tagen hatten sie gehört, dass Justin Finch-Fletchly, eines der wenigen anderen „Schlammblüter“, angeblich mit Eulenmist beworfen worden war, als er unter der Eulerei vorbei ging. Hermine hatte geglaubt, dass das bestenfalls ein dummer Zufall gewesen war, aber jetzt…
 

„Na komm schon, Granger! Verstehst du keinen Spaß?“
 

Hermine wirbelte wieder herum. Wer war das gewesen? Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie musste hier raus. Sie senkte die Augen auf ihre Füße und eilte vorwärts, bis sie hart gegen die Brust eines anderen Jungen prallte. Der kicherte nur und schubste sie nach hinten weg. Hermine strauchelte und fiel auf den Boden.
 

Alle lachten.
 

Der Junge, der nicht zur Seite getreten war, um sie durchzulassen, verschränkte die Arme vor der Brust und lachte am lautesten. Hermine konnte nicht mehr an sich halten. Sie begann zu weinen. Irgendjemand hatte die Bänder an ihrer Tasche kaputt gehext, so dass all ihre Bücher nun um sie herum verstreut auf dem Boden lagen.
 

Ihr Zauberstab lag dazwischen. Sie saß auf ihren Knien, weinte und wusste nicht, ob sie ihn anfassen durfte, um sich zu verteidigen oder ob das nur noch mehr Öl ins Feuer gießen würde.
 

„Was soll denn das?“
 

Harry schubste zwei Schüler zur Seite und eilte zu Hermine. Er stand aufrecht inmitten all der Gehässigen und hob drohend seinen Zauberstab. „Seit ihr irre geworden? Ich rate keinem von euch, auch nur ein einziges Wort gegen sie zu sagen!“
 

Hermine wimmerte vor Glück. Auch wenn sie sich vorher gestritten hatten, jetzt war ihr Retter da.
 

„Das Schlammblut hat sich hier viel zu oft aufgespielt. Es wird Zeit, dass…“
 

Harry feuerte einen Fluch direkt vor die Füße der verängstigt zurückweichenden Spötterin. „Dem nächsten, der sie so nennt, hetze ich einen Fluch auf den Hals!“
 

Hermine zupfte an Harrys Ärmel und flehte leise: „Bitte… lass es. Die sind eh alle gegen uns. Gib ihnen keinen Grund, auch noch gegen dich was zu unternehmen!“
 

Harry drückte ihre Hand und Hermine fühlte eine Woge der Erleichterung über sich kommen. Seine Hand war leicht feucht und zitterte, dennoch blieb er mit erhobenem Zauberstab stehen. Die Menge um sie herum murmelte verhalten, zischte wütend leise Beleidigungen, doch schließlich verdrückten sie sich, hasserfüllte Blicke zurück werfend.
 

„Ihr verlogenes, dämliches Pack!“, brüllte Harry ihnen nach. „Fast sieben Jahre war sie in dieser Schule und hat keinem was getan und nun behandelt ihr sie wie eine Aussätzige, nur weil ein paar Irre, die sie gar nicht kennen, sagen, dass sie eine Gefahr wäre!“
 

Harry half Hermine, alles wieder einzupacken. Dann legte er seinen Arm um sie, brachte sie in den Innenhof und ließ sie sich an seiner Schulter ausweinen.
 

Hermine musste weinen, es ging nicht anders. Auch wenn nicht viel passiert war, hatte sie dennoch das Gefühl, dass Harry der strahlende Held war, der sie vor einer Horde blutrünstiger Bestien gerettet hatte.
 

Aber so falsch war das eigentlich gar nicht. Die Stimmung an der Schule wurde immer explosiver und die Verhältnisse außen feuerten diesen Pseudo-Krieg innen gefährlich an.
 

Der Minister hatte so viel damit zu tun, Unruhen zwischen Muggeln und Zauberern zu beschwichtigen, - erfolglos - dass Voldemort und seine Mannen in aller Ruhe „Missstände“ anprangern konnten, die sie viel besser lösen würden. Unter anderem eben, dass man Schlammblütern nicht gefährliches Wissen zugänglich machen sollte.

Und - das hatte Hermine gelesen und gleich darauf die Zeitung zugeklappt -, dass alle Schlammblutkinder ab jetzt, wenn sie neu nach Hogwarts kamen, in Sonderklassen zusammengefasst würden und man ihnen helfen wollte, sich in der magischen Welt zurecht zu finden.
 

Eigentlich war das eine gute Idee, Hermine hatte sich das oft gewünscht. Dafür war aber „Muggelkunde“ erstmal gestrichen worden, bis sich geeignete Lehrer finden würden und es war einfach schon an den Formulierungen des Schulrates Malfoy zu erkennen gewesen, dass es bei dieser Bestimmung darum ging, potenziell gefährliche Schüler umzuerziehen und sie im Voraus für Dinge zu massregeln, die sie eventuell tun könnten.
 

Vermutlich wollte Malfoy (und im Hintergrund Voldemort natürlich), diese Schüler in einem eigens gegründeten fünften Haus unterbringen,das ein reduziertes, auf ihre angeblich beschränkten Fähigkeiten zugeschnittenes, Lehrprogramm bereitstellen sollte.

All dies hatte Hermine in den letzten Tagen in der Zeitung gelesen und es teilweise ignoriert, weil die Todesser genau genommen nichts zu sagen hatten - noch nicht, fügte eine bedrohliche Stimme an dieser Stelle oft leise hinzu - , sie selbst davon nicht mehr betroffen war nach ihrem Schulabschluss und sie überhaupt nicht glaubte, dass der Rest der magischen Welt bei diesem Unsinn mitspielen würde.
 

So hatte sie sich beruhigt. Entweder nicht geglaubt oder etwas anderes gelesen. So wie heute morgen. Aber das war nun anders. Dieses Erlebnis in der Bibliothek, so banal es für Außenstehende auch wirken mochte, zeigte ihr, dass sie die Todesser unterschätzt hatte. Alles würde so kommen wie die Todesser es angekündigt hatten und es würde sie auf jeden Fall betreffen, auch außerhalb der Schule. Alle würden mitspielen. Nicht nur einige rassistische Slytherinschüler, denn all die, die sie vorhin ausgelacht hatten, waren auch bald fertig mit der Schule. Diese Jugendlichen glaubten den Todessern und sie würden das weiterhin tun… egal, wo Hermine hinging.
 

Bald waren Osterferien, das sagte sie Harry, dann würde sie zu ihren Eltern gehen, um wieder klar denken zu lernen. Harry klopfte ihr beschwichtigend auf den Rücken. Auf ihre Frage, was er denn in den Osterferien machen würde, lächelte er nur traurig. „Das willst du nicht wissen!“
 

Xxx
 

Es war eine milde, sternenklare Nacht. Hoch oben trieben Millionen und Abermillionen diamantengleicher Sterne durch das endlose Meer der schwarzen Nacht. Die Luft war mild, wenn man bedachte, dass Hogwarts in Schottland lag und sie hatten schon die ganze Woche einen überraschend warmen Endapril hinter sich.

Dennoch war es immer noch unwahrscheinlich, dass sie jemand stören würde. Hier, hinter den Gewächshäusern.
 

Hermine und Draco hatten eine Decke über dem kalten Boden ausgebreitet, die Decke selbst, und ein wenig Luft darüber mit einem Wärmezauber versehen und sich im schwachen Licht des Vollmonds daran gemacht, die Gaben der Küchenelfen auszupacken.

Hermine hatte es ertragen, von ihnen allerlei Leckereien eingepackt zu bekommen. Um ihr Gewissen zu beruhigen, hatte sie Draco genötigt, diesen Gefallen abzuarbeiten, indem sie den Elfen für Osten, bevor sie in die Ferien fuhren, gemeinsam Ostereier in ihrem Kerker verstecken würden.
 

Draco hatte das Ganze mit einer Serie von „hmms“ kommentiert, sich jedoch nicht gesträubt. Vermutlich hatte er gar nicht erst zugehört… umso weniger Mitleid würde sie mit ihm haben, beschloss sie mit grimmigem Vergnügen.
 

Später… morgen… Aber sie wollte jetzt nicht an die Osterferien denken. Heute Abend würden sie hier einfach nur liegen, sich die Sterne gemeinsam ansehen und ein wenig lieb zu einander sein.

Hermine lag auf dem Rücken, streckte die Arme dem Sternenmeer entgegen und stellte sich vor, wie es wäre, dort oben zu sein und durch die endlose Schwärze durchzuschwimmen.
 

Ein milchweißer Körper lag neben ihr. Silbernes Haar leuchtete im Mondlicht wie ein Irrlicht und eine schlanke, gespenstisch bleiche Hand strich über ihren nackten Bauch.

Draco war so blass, dass er im Dunkeln zu leuchten schien. Alles an ihm… Es war das Mondlicht, das die Welt um sie herum in ein Meer aus blauen und schwarzen Formen und Schatten verwandelt hatte und ihn so gespenstisch weiß aus all der Schwärze herausstechen ließ. Obwohl sich die Silhouette deutlich gegenüber den tiefdunklen Bäume des verbotenen Waldes abhob, wirkte er durch seine Blässe dennoch geisterhaft. Hermine überkam bei seinem Anblick eine Gänsehaut. Sie fröstelte und ihre Haut brannte wie Feuer, als der weiße Geisterkörper sich daraufhin noch näher an sie herandrängte und der weiße, gespenstische, doch wunderbar warme Arm sich beschützend um ihre Schultern schloss. „Ist dir kalt?“
 

Hermine grinste und schüttelte den Kopf. „Nein… oder nur ein wenig. Nein, du bist der Grund!“
 

„Ich?“
 

Hermine drehte sich zur Seite, rutschte noch enger an ihn heran, so dass sie ihre Knie zwischen seine schmiegen konnte, ihre Stirn gegen seine drückte und ihre Brust von seiner gewärmt wurde. „Ja, du. Du bist so blass, dass du wie ein Gespenst aussiehst!“
 

Draco verzog den Mund als erwöge er, beleidigt zu sein, schüttelte dann aber abwehrend den Kopf und zog sie noch enger an sich heran. „Das sind meine Veela-Gene, weißt du? Deswegen bin ich so edel-bleich!“
 

„Du bist keine Veela“, kicherte Hermine. „Wer eine Veela sieht, verspürt das Bedürfnis, ihr um den Hals zu fallen. Bei dir kriegt jeder nur das Bedürfnis, dir an den Hals zu gehen und dich zu erwürgen!“
 

Er kicherte wie ein kleiner Junge. „Na immerhin!“
 

Ein sanfter Kuss auf die Nase, die Wangen, Augenlider, die Lippen… Hermine schloss die Augen und überlegte, was für eine Art von Geist oder Dschinn dies war, dass ihr bei seiner Berührung so warm werden konnte.
 

„Was war denn heute Mittag, Hermine?“
 

„Hmm?“ Sie schmiegte sich wie ein Kätzchen gegen ihn, gab schnurrende Laute des Wohlgefühls von sich und fühlte eine gewisse Befriedigung dabei, zu spüren, wie der Körper, gegen den sie sich drückte, auf sie reagierte.
 

„Heute Mittag… Ich habe dich mit Potter im Innenhof sitzen sehen… Du hast ausgesehen, als ob du Angst hättest!“ Seine Hand war feucht. Er streichelte sie schneller, verstärkte den Druck gegen ihren Rücken, um ihren Körper gegen seinen zu reiben. Sie hörte, wie sich sein Atem beschleunigte.
 

Ein wohliges Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus, als ihre eigene Hand seine Wirbelsäule Finger, für Finger, herunterwanderte. Wie er unter ihren Berührungen erschauderte und zusammenzuckte, als sie den Po erreichte. „Ach nichts“, seufzte sie leise. „Mir ging es nicht so gut… Ich hab nur jemand zum Ausweinen gebraucht.“
 

Er schluckte, drehte sich ganz langsam auf den Rücken und zog Hermine dabei mit sich, über seinen Körper. „Warum gehst du deswegen nicht zu mir?“
 

Ohne zu überlegen – was wohl besser gewesen wäre - zuckte sie mit den Schultern und meinte leichthin: „Warum sollte ich?“
 

„Warum?“ Seine Hände auf ihren Rücken erstarrten. Stattdessen packte er ihr Gesicht und zog es über seines. „Warum? Ja, warum denn nicht?“
 

Etwas verwirrt über das Ende der Streicheleinheiten, glitt sie von ihm herunter, stützte sich mit dem Arm ab und versuchte ein beschwichtigendes Lächeln. „Vergiss es. Ärger in der Bibliothek… Und ein paar Leute haben mich ausgelacht und…“ Sie schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Harry war ja da und ich bin nicht wehrlos.“ Sie lächelte und setzte sich auf. „Kein Problem… Ich war nervös und hab jemand zum Reden gebraucht!“
 

Draco riss die Augen auf. Machte er sich Sorgen, war er erstaunt, dass noch jemand anderes als er Schlammblüter hasste oder am Ende doch „nur“ blutleer, denn er schien mit jedem ihrer Worte noch ein wenig blasser zu werden. Seine Lippen bebten und sein Mund klappte auf. Er atmete tief durch, stemmte sich in die Höhe und setzte sich kerzengerade vor ihr auf die Knie.

„Ja, und warum kommst du damit nicht zu mir?“ Sein Atem ging schnell, der Blick war stechend und Hermine fühlte sich etwas unwohl, da seine Erregung keineswegs mehr sexueller Natur schien. Er wirkte vielmehr verärgert.
 

Warum? Sie glitt etwas von ihm weg, zog die Knie beschützend vor die Brust und zuckte die Achseln. „Ich wollte mich doch einfach nur bei einem Freund ausweinen! Und überhaupt“, ihre Stimme wurde etwas härter und kälter, „was hat das denn mit dir zu tun?“
 

„Aber“, er hob anklagend die Hände und Hermine wich instinktiv einige Zentimeter weiter zurück. „Ich sage dir doch auch, wenn etwas ist. Oder zumindest… also… ich…“ Er fuchtelte wir mit den Händen in der Luft herum, dann schlug er sich mit beiden Händen hart gegen die nackte Brust und blaffte zornig: „Warum kommst du nicht zu mir, wenn dich jemand angreift? Warum rennst du lieber zu Potter, wenn irgend etwas ist?“
 

Warum?
 

Weil sie sich kindisch dabei vorkam, sich bei ihm über böse Worte und dumme Sprüche auszuweinen, nachdem man ihn vor ein paar Tagen fast getötet hatte.

Weil sie eine fürchterliche Woche hinter sich hatten, in der er auf jeden losgegangen war, der ihn länger als zwei Sekunden angesehen hatte.

Weil er immer mehr Anhänger um sich scharte, die seine grausame Art, die er mittlerweile immer offener an den Tag legte und seine wahnsinnigen Wutanfälle bewunderten und als Zeichen von Macht und Stärke sahen.

Weil es teilweise stimmte, dass Draco machtvoll und stark war. Das war er nie gewesen, trotz seiner reichen, berühmten Eltern. Als Todesser auf der Gewinnerseite aber schon.

Weil sie einfach nicht zu ihm gehen konnte, um sich darüber zu beklagen, dass die anderen genau das taten, wozu er und seine Familie sie aufgefordert hatten.
 

„Ich brauchte eben einen Freund“, entgegnete sie ebenso kühl wie der Nachtwind um ihre Schultern wehte. Statt seinem Blick standzuhalten, krabbelte sie auf der Decke herum und sammelte ihre Kleider ein, um sich wieder anzuziehen.
 

„Ja, und was bin ich?“ Draco war aufgesprungen, stand mit geballten Fäusten vor ihr und schrie mit hochrotem Kopf „Kannst du mir mal sagen, was ich bin?“
 

„Kscht!“ Sie hob sie Hände und schob ihn mit einem Stoß von sich. „Bist du wohl still“, flüsterte sie und sah sich prüfend nach allen Seiten um. Sicher, hier war normalerweise niemand… aber warum sollten sie das einzige Paar sein, das sich hier unter dem Sternenhimmel schöne Ferien wünschte?
 

„Ich will nicht, dass dieser Wichser Potter dich angrapscht, dass du zu irgendeinem von diesen Pissern gehst, wenn irgend etwas ist!“ Er atmete schnell, heftig, wurde immer röter und sie sah seine Hand zucken. Er wirkte… gefährlich.
 

Sie krallte ihre Hände in die Haare und schrie ihre Angst heraus: „Hör sofort auf, so irre zu sein!“
 

Draco schnappte hart nach Luft, die Augen so groß, als wollten sie wie feurige, hasserfüllte Kugeln aus im herausspringen, um sie zu durchbohren: „Ich bin erst still wenn du mir sagst, wieso du zu Potter und nicht zu mir gehst, wenn irgend etwas los ist! Ich will nicht, dass meine Freundin…“
 

„Ich bin nicht deine Freundin!“, schrie Hermine wutentbrannt. Sie war ebenfalls auf die Füße gesprungen, stieß ihn hart gegen die Brust und brachte ihn zu Fall. „Was bildest du dir eigentlich ein?“
 

Ganz sicher, es war nicht das Mondlicht. Er war bei diesem Satz wirklich kreidebleich geworden. Bleich und erstarrt, wie eine Marmorfigur. Hermine schluckte. Dieser Satz hatte viel härter geklungen, als er gemeint gewesen war und irgendwie hatte er auch nicht das getroffen, was sie eigentlich sagen wollte.

Tödlich wie ein Giftpfeil schienen ihn diese kleinen, nicht ganz von ihrem Herzen kommenden Worte doch in das seine getroffen zu haben. Er schüttelte sich, drehte sich um und begann nun ebenfalls sich anzuziehen.
 

Hermine war wütend auf sich, auf ihn und darauf, dass er ihr das Gefühl gab, etwas Verletzendes gesagt zu haben. Wut, eigene Wut, half gegen ihr schlechtes Gewissen. Vielleicht. „Nun hör mir mal gut zu, Draco. Davon war nie die Rede… Von dem allem hier! Nie! Ich bin dir zu gar nichts verpflichtet. Was bildest du dir eigentlich ein? Ich bin dir doch keine Rechenschaft schuldig! Was denkst du eigentlich, wer du bist oder was du bist? Ich kann tun, was ich will und du hast das zu akzeptieren. Du kannst hier keine Forderungen stellen. Ich rate dir, Draco, denke gut darüber nach, wenn du wieder im Manor bist, sonst…“
 

Draco zuckte mit den Achseln, drehte sich zu ihr um und schenkte ihr ein genüsslich, diabolisches Lächeln. „Ich geh‘ nicht ins Manor. Ich hab’ was anderes vor!“ Seine Stimme samtig weich, das Lächeln zuckersüß und dennoch, alles gemeinsam, bitterböse.
 

Hermine schlang instinktiv die Arme um sich. „Was… wieso? Wo bist du denn dann?“
 

Er hob die Augenbrauen, grinste ein wenig breiter und stand auf. Ein letzter Handgriff, er schloss seine Hose, zog seinen Pullover darüber und hatte seine Arme frei, um sie lässig vor seiner Brust zu verschränken. „Ich habe Arbeit, in den Ferien. Wir sind jetzt fast am Ziel, weißt du… Wenn nicht immer wieder so ein paar kleine Wichser angeschlichen kämen und meinten, eine dicke Lippe riskieren zu müssen. Ich bin unterwegs… viel unterwegs. Wir bringen die Leute zum Schweigen, weißt du? Weil uns kein Ordenswichser oder irgendein anderer ans Bein pissen darf. Wir werden es den Leuten austreiben… Das mache ich… Ich hab mit ihm selbst gesprochen… und er ist begeistert, über mein Engagement.“
 

Hermine wurde übel. Sie zitterte und spürte, wie der Boden unter ihr weich wurde. „Aber du.. aber… aber… aber du kannst doch nicht jeden Tag zu irgendwelchen Anschlägen gehen!“
 

Eine einzelne Augenbraue wanderte in seinem starren, emotionslosen Gesicht nach oben. „Doch!“
 

„Aber“, sie wimmerte und drückte ihre Hände vor ihren mit einem Mal krampfenden Magen. „Aber… das ist doch… du kannst doch nicht… Das ist doch gefährlich… du… man wird… ich hab doch davon gehört. Die jagen euch doch… Ich habe gehört, dass sich Muggel zusammengetan haben und euch wirklich mit Gewehren bekämpfen, wenn sie euch sehen! Und der Orden…“ Sie schluckte und schüttelte fassungslos den Kopf. „Die… mit allen Mitteln… Die werden dich umbringen“ Kaum mehr, als ein flehendes Hauchen war über ihre Lippen gekommen und mit dem Wind, der ihm milde durch das Haar strich, hinübergeweht.
 

Er neigte den Kopf zur Seite, holte tief Luft und straffte sich wieder. „Sag mir, dass du eben nicht lieber mit Weasley als mit mir geschlafen hättest. Dann gehe ich nicht!“
 

Hermines Atem stockte. Es war… was hatte er gesagt? Er konnte doch nicht.. und wie konnte er Ron jetzt erwähnen und wieso… Panik überkam Hermine und lähmte ihre Zunge. Wilde Gedanken schossen wie feurige Blitze durch ihren Kopf und setzten sie innerlich in Brand. Gedanken an all die grausamen Untaten und blutigen Kämpfe, von denen sie bisher fast nur in der Zeitung gelesen hatte. Draco konnte doch nicht wirklich mitmachen wollen?
 

Draco stieß ein leises, bitteres Lachen aus. Er schüttelte den Kopf und senkte die Augen „Hab ich mir gedacht. Dann halt nicht, Granger!“
 

Draco drehte sich um und ließ die fassungslose Hermine, die vor Schreck ihre Sprache immer noch nicht wiedergefunden hatte, alleine in der Nacht zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Omama63
2012-07-02T18:57:35+00:00 02.07.2012 20:57
Ein klasse Kapitel.
Das war knapp. Als Draco es von mehreren Seiten knacken gehört hat, da dachte ich, dass sich Lucius und Severus einen Scherz mit ihm erlauben.
Als dann die Spinnen kamen, dachte ich, das schafft er nie, die alle los zu werden, aber es ist ja noch mal gut gegangen.
Draco ist eifersüchtig, das kann ich verstehen. Hermine war aber auch gemein, als sie sagte, dass er nicht ihr Freund ist, aber ich verstehe auch Hermine. Wie sollte ihr Draco auch helfen, wenn er genau so denkt und redet, wie die die Hermine angegriffen und ausgelacht haben.
Bin schon gespannt, wie die Osterferien werden.


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