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Honey & Saliva

von

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Vorwort: Diese Geschichte ist jetzt bereits vier Jahre alt, war damals meine liebste und daher habe ich mich entschlossen, sie noch einmal zu veröffentlichen, in der Hoffnung dass sie jemandem gefällt.

Ich entschuldige mich dafür, dass Kyo so ukig geraten ist....nun, er ist eben krank (nein, körperlich meine ich diesmal ;)). Und irgendeiner muss es ja sein.

Ich glaube, mittlerweile könnte ich gar keine FF mehr über Kyo schreiben, selbst mit Shinya tu ich mich sehr sehr schwer. Daher benutze ich durchgehend nur die 'alten' Dirus (soll heißen um 2000-2005 herum).

Die aktuellen Männer...ich weiß nicht....ich habe zuviel Respekt, sie noch zu 'verwenden'. Aus dem Alter sind sie ja auch raus, man wird eben seriös ab einem gewissen Punkt ;)

So spielt auch diese Geschichte vor einigen Jahren.
 

Honey & Saliva
 

Wir Menschen fürchten uns vor dem, was wir nicht kennen.

Das ist wohl eine Erfahrung, die die meisten von uns machen müssen, jeder auf seine ganz persönliche Weise. Eine Erfahrung, die uns alleine lässt in einer verständnislosen Umwelt.

Manchmal ist diese Erfahrung mit Wut verbunden, mit ohnmächtigem Fäusteballen; manchmal mit Aggression. Manchmal geht sie mit Kummer und Verständnislosigkeit einher.

Und manchmal ist es einfach...Schmerz.
 

Von dem Tag an, an dem ich ihm zum ersten Mal begegnet bin, wusste ich, dass ich ihn nie im Leben würde vergessen können. Als hätte sich die erst so junge Erinnerung an ihn tief in mir eingebrannt. Als hätte sein verletztes Wesen in mir ebenfalls eine Narbe hinterlassen, die nie ausheilen würde. Bloß wieder aufbrechen, mit jedem neuen Tag, an dem ich ihn sehe; schmerzen mit jedem Tag, an dem ich ihn nicht sehe.

Er war meine Krankheit und meine Heilung, wie er seine eigene Krankheit war und die Wut seine Heilung.

Ich wollte seine Heilung sein.
 

Es war einer dieser Tage, an denen einen nichts hält. Weder das Drängen im eigenen Herzen hat noch eine Stimme, noch hat es der Ruf der Pflicht, der von jeher laut gewesen war in meinem Herzen.

Vielleicht war es dieser Laut gewesen, der mich stets davon abgehalten hatte, meinen Gefühlen zu folgen, und mich stattdessen geradezu versessen gemacht hatte auf die Dinge des Lebens, die Ordnung und Erfüllung für mich bedeuteten; Dinge, die ich verstehen, die ich ordnen, die ich kontrollieren konnte. Dieses wilde Wüten in meinem kranken Herzen jedoch, das konnte ich nicht unter meine Kontrolle zwingen. Es entzog sich völlig meinem Zugriff, loderte jäh auf, wenn ich es am wenigsten erwartete, und erstarb, wenn ich ihm gerade ein Zugeständnis machen wollte - oder war es das Zugeständnis, das so abrupt starb?

Einer jener Tage war es, an denen die Welt unbewohnt ist, an denen der Regen nur vorüberzieht, ohne ein einzelnes Herz zu benetzen. Diese Tage verschleierten sich grau in grau und ließen jeden Menschen zu einer gesichtslosen Puppe werden, der an meinem Fenster vorüberzog, während der Regen in grauen Bahnen am Glas hinabrann und der ewige graue Himmel meine Gedanken direkt aus meinem Kopf fraß.

Die Schatten in meinem Schlafzimmer schienen sich zu verdichten und auf mich zuzukriechen; das Bett war ungemacht und leer, meine Wärme hatte es bereits verlassen, und keine andere Wärme berührte die starren Decken. Die Wände meines Zimmers waren weiß, die Türen waren geschlossen, und die Luft drinnen war stickig und verbraucht von einer langen schlaflosen Nacht und stank nach kaltem Zigarettenrauch. Im Aschenbecher lagen ausgedrückt zwei Kippen.

Ich war allein. Allein, und mein Herz schlug trostlos im Takt des Regens, der gegen meine Scheibe trommelte.

Keine Musik an diesem Tag. Keine Musik, denn wir waren krank; liebeskrank zwar nur ich, dieses jedoch chronisch. Die Stimme unserer Band war erkrankt; der Warumono, um den sich alle Geräusche drehten und der die übrige Welt verstummen ließ, wenn er aufschrie vor Leid, der allen Melodien ein Gesicht gab mit seinem Schmerz, der alle Herzen befreien konnte außer seinem eigenen - und meinem.

Und ich konnte es kaum ertragen, an meinem Fenster zu sitzen, die verbrauchte Luft meines Heims zu atmen, in den grauen Regen zu starren, zu wissen, dass er alleine in seiner Wohnung war, weit entfernt von mir, in einem anderen Teil der Stadt; dass er in einer Wohnung saß, allein, und sich selbst versorgen musste, mit seiner wunden Kehle, dass er stumm in den Regen starrte, fiebernd, während sich das Salz in seinen Augen sammelte, das er nicht weinte. Dass Kyo alleine war, dass sich das graue Zwielicht in seinem Herzen verdichtete, dass sein Geist schrie und schrie und dass seine Seele taub war all dem gegenüber, da sie grau war wie die Welt um ihn herum, leer wie seine kleine einsame Wohnung, nichtig wie seine Existenz, die er gerade so vor dem Regen beschützen konnte, der des nachts in sein Herz zu dringen schien, an den Wänden seiner Wohnung hinabrann in seinen Fieberträumen, bis er sich auf dem Futon hin- und herwarf und mit flackerndem Blick erwachte, wenn sein Traum ihn mitleidlos ertränkte im grauen Regenwasser, das eisig in seine Lungen drang und sie ausfüllte.

Ich wusste nicht, wann ich den Entschluss gefasst hatte, noch, warum; aber ich fand mich unten auf der nassen Straße vor meiner Wohnung wieder, irgendwo in Tokyo, während der Regen kalt auf mich herniederströmte und endlich die Luft in meinem Atem klärte von dem abgestandenen Rauch und der Stille. Der Regen prasselte um mich nieder, wie Blut von erfrorenen Sternen auf den menschenleeren Straßen. Ob aus den Pfützen wieder Sterne erstehen würden?

Mein Herz tat weh, dort alleine im Regen. Ich wollte nur, dass er bei mir war. Ich wollte ihn in den Arm nehmen können. Ich wollte, dass er sich an meine Schulter lehnte, dass er alle Verkrampfung aufgab und sich an mir festhielt, wenn ich versuchte, ihm Geborgenheit zu geben im ewigen rauschenden Leben.

Nur ein einziges Mal wollte ich zu ihm die Worte sagen können, die ich so lange schon auf meinem Herzen trug - ‘ai shiteru’, ich liebe dich. Denn ich liebe dich, Nishimura Tooru. Solange ich dich kenne schon, gehört dir mein Herz, ohne, dass du es ahnst. Seit ich dich kenne, tue ich jeden Atemzug nur für dich, und jedes Mal, wenn du einen weiteren Teil deiner empfindsamen Seele voller Wut und Verzweiflung der Welt preisgibst, schwillt in mir der ohnmächtige Wunsch an, dich zu beschützen in deiner Nacktheit, in deiner Hilflosigkeit, in der du für jeden sichtbar nach Hilfe schreist, die niemand dir geben kann außer dir selbst und die du dir verweigerst, um nicht die Augen schließen zu müssen vor der Welt, die du doch durchschaut hast. Da gibt es keine Lügen mehr für dich. Du hast es gesehen. Und es hat dich krank gemacht. Es ist eine Gabe. Es ist ein Fluch.

So, wie der Fluch, den ich mit mir herumtrage - der Fluch, dich zu lieben; denn liebte ich dich nicht, könnte ich dich alleine lassen in deinem endlosen Schmerz.

So aber kann ich es nicht ertragen, an dein Leid zu denken. Meine Liebe ist mein Schmerz, so wie meine Liebe dein Schmerz sein würde, würdest du sie kennen. Für meine Liebe ist kein Platz in deiner kalten Welt. Sie würde zugrunde gehen, gäbest du nicht nach vor mir und ließest es zu, dass ich dein Beschützer bin.

Ich kann dich nicht beschützen, denn du bist allein in deiner kleinen Welt; aber, bei Gott, ich würde alles tun, um dich wissen lassen zu können, wie wichtig du mir bist!

Der Regen fällt um mich her, während ich meine müden Schritte immer weiter lenke, durch die Straßen, Minute um Minute, schließlich Stunden. Ich kenne den Weg zu deiner Wohnung genau. Ich gehe ihn jede Nacht in meinen Träumen.

Dunkelgrau ist der Himmel, als die Straßen um mich enger werden und der Regen nachlässt, nur weite zitternde Pfützen hinterlassend, in denen sich der bewölkte Himmel spiegelt, bis meine Schritte sie zerbersten lassen. Die Luft riecht nach Regen und Ozon. Einige Autos überholen mich rauschend, während ich einen Fuß vor den anderen setze, immer näher zu dir. Niemand kennt mich.

Meine Kleidung ist durchnässt, und meine Schuhe sind es ebenfalls. Das Wasser ist bis auf meine Haut gedrungen, und ich presse die Arme an den Körper, zitternd, versuche, wieder Wärme in meine klammen Finger zu reiben, während um mich herum feine Tropfen die Oberfläche der Pfützen zerteilen und das Spiegelbild des Himmels zerstören.

Ich erreiche dein Haus, ein grauer Bau, in dem Wohnung sich an Wohnung reiht, ohne Unterschied. Die Mülltonnen stehen vor dem Haus, und die Straße glänzt vor Regen. Der Beton des Baus ist dunkel vom Regenwasser, das daran herabtropft. Der Himmel darüber sieht aus, als hätte er dein Heim soeben erbrochen.

Ich sehe genau, wo deine Wohnung ist, obwohl ich sie kaum kenne. Die zweite Wohnung von links, oben, im dritten Stock, die nur eine graue Wand vom Abgrund trennt. Sie sieht aus wie alle anderen auch, und nichts deutet darauf hin, dass dort jemand lebt und atmet.

Das Haus, in dem du lebst, ist tot, wie die Hoffnung auf Wahrhaftigkeit in deinem Herzen.
 

Ich stand im Treppenhaus, konnte immer noch nicht glauben, oder verstehen, warum ich hierhergekommen war. Ich würde doch nur meinen Kummer vergrößern anstatt ihn zu lindern.

Aber ich konnte dich nicht alleine lassen. Ich wusste doch, dass du krank warst. Ich war immerhin dein Freund und Bandleader, also war es meine Schuldigkeit, bei dir zu sein, dafür zu sorgen, dass du versorgt warst; einfach in deiner Nähe zu sein und dir Gesellschaft zu leisten, bis es dir besser ging, mein Warumono.

Meine Schritte hallten hohl in dem Betongang zu deiner Wohnungstür wieder, der zu meiner Linken von einer Betonbrüstung gegen die Straße abgegrenzt wurde, zu meiner Rechten von einer grauen Wand, in der die Wohnungstüren waren.

#449. Das war deine Wohnung. Nishimura, das Schild neben deiner Klingel. Du wohntest alleine. Ob irgendjemand bei dir war und dich gepflegt hat, seit du dich am Vortag bei mir unpässlich gemeldet hattest?

Ich machte Shinya und Toshimasa keinen Vorwurf. Sie selber lagen mit Fieber im Bett; Daisuke besuchte seine Familie in Mie.

Aber es tat mir weh, daran zu denken, wie du alleine in deiner Wohnung lagst, ohne jemanden, der sich um dich sorgte, der dir zeigte, dass du geliebt wurdest; nur mit deinem eigenen Atem zur Gesellschaft und dem Tropfen des Regens vor dem Fenster auf den Beton.

Ich drückte auf die kleine Klingel und wartete. Lange Zeit geschah nichts. Dann hörte ich ein schwaches Klicken, und die Tür öffnete sich.

Mein Herz fing an, schmerzhaft schnell zu rasen, wie stets, als ich dein Gesicht sah. Obwohl jetzt müde und erschreckend blass, hattest du immer dieses unwiderstehliche Brennen in den Augen, das mich so bannte, und dieses Gesicht, das in mir zugleich den Drang weckte, laut mit dir zu schreien, bis es mir besser ging, und es einfach zu mir zu ziehen und deine Lippen mit einem wortlosen sanften Kuss zu versiegeln.

Keines von beiden tat ich.

Warumono, deine Augen waren fiebrig und gerötet, und du sahst erschöpft aus, als hättest du nicht viel geschlafen. Du trugst eine Stoffhose und einen hastig übergeworfenen Blazer, und deine Haut war blass, du wirktest ganz so, als ob du mit Fieber noch nicht geruht hättest.

“Kaoru?”, murmeltest du leise und etwas erstaunt, aber ich täuschte mich vielleicht, als ich etwas wie Freude in deiner Stimme hörte. “Was tust du denn hier?”

“Ich wollte nach dir sehen”, entgegnete ich leise. “Wie geht es dir?” Du sahst mich eine Weile zögernd an aus deinen goldbraunen Augen, dann tratest du einen Schritt zur Seite.

“Komm doch erstmal herein...es ist...nicht so gut, aber ich bin bald wieder auf den Beinen...”

Ich spürte deinen Blick auf meinem Rücken, als ich mir die Schuhe auszog. “Du bist völlig nass, Kaoru. Du bist den ganzen Weg durch den Regen hierhergekommen?”

“Ich dachte mir, dass du alleine bist”, sagte ich leise und richtete mich wieder auf, meine Jacke an den Haken hängend. “Ich wollte nur sehen, ob alles in Ordnung ist. Ich weiß, du hast Fieber. Du solltest nicht alleine sein.”

“Lass es gut sein, Kaoru. Ich bin es gewohnt, alleine klarzukommen.”

“Das weiß ich.” Ich sah dir fest in die Augen, die meinen Blick nicht lange erwiderten. “Eben deswegen bin ich hier. Hast du genug zu essen im Haus?”

“Ich habe keinen Hunger. Kaoru...bitte...setz dich doch. Warte eine Sekunde.” Du deutetest auf das Sofa, und mehr erstaunt als einwilligend ließ ich mich nieder und folgte dir mit den Blicken, als du den Raum verließest.

Du bist so schön. Du weißt es vielleicht nicht, aber du bist wunderschön. Deine Augen, deine Gesten, deine Mimik. Ich liebe alles daran. Ich würde dich so gerne umarmen und festhalten, bis du eingeschlafen bist, und dann dein schlafendes Gesicht küssen. Ich möchte sehen, wie du mich anlächelst.

Ich möchte, dass ich dich lieben darf.

Ich saß auf dem Sofa und ließ meine Blicke durch den dürftig eingerichteten Raum schweifen. Du liebtest dein Heim nicht sehr, das merkte man. Es gab nichts, was das Zimmer ein wenig aufgehellt hätte: nur das Sofa, Tisch, einen Schrank in der Ecke, einen PC auf dem Schreibtisch. Die Tür nebenan führte zu deinem Schlafzimmer, die andere Tür in die Küche. Es war düster in dem Raum, diesig, als ob es nie richtig hell wurde hier drin. Es roch nach Zigaretten - du solltest nicht rauchen mit einer Grippe. Und von draußen schlugen die feinen Regentropfen gegen die Fensterscheibe wie winzige Peitschen, durch deren Muster man einen grauen Hinterhof sehen konnte, und gegenüber ein Fenster wie eben dieses, hinter der ebenfalls eine solche Wohnung lag. Willkommen in Tokyo.

Die Tür zu deinem Schlafzimmer öffnete sich wieder mit einem Klicken, und du tratest heraus, deine schönen Augen glasig vor Fieber. In der Hand hieltest du etwas Dunkles, und du hustetest, als du zu mir tratest, die Augen schließend, als du dich neben mir auf das Sofa setztest. Ich sehnte mich danach, verzehrte mich danach, dich zu mir zu ziehen und zu halten, mit jedem Husten, das du von dir gabst. Du warst wirklich krank, auch wenn du es nicht zugeben wolltest. Du warst blass und dein Körper war geschwächt.

“Hier”, sagtest du, in dem tapferen Bemühen, dir nichts anmerken zu lassen, ein weiteres Husten einfach verschluckend, und händigtest mir das Stoffteil aus. “Das ist das einzige von mir, das dir passen könnte. Douzo.” Warum nur musst du immer so unnahbar sein! Warum kannst du deine Schwäche nicht zugeben! Hattest du Angst, ich könnte sie dir übelnehmen?

Der schwarze, alte Kimono, den du mir gegeben hattest - er sah aus, als sei er lange nicht getragen worden, und er war abgewetzt und offensichtlich gebraucht - war mir zu kurz, er spielte mir um die Unterschenkel, reichte nicht ganz bis zu meinen Fußknöcheln, aber ganz schwach noch ließ sich dein Geruch in den Stofffalten erahnen, und ich schmiegte mich in ihn, erst jetzt bemerkend, wie nass und kalt ich gewesen war. Jetzt, wo ich im Warmen war, spürte ich erst den Regen, der mir bis unter die Haut gedrungen zu sein schien.

Ich spürte, wie du mich beobachtetest, während ich mich umzog. Ohne dass ich reagieren konnte, nahmst du meine alten Sachen und verschwandest damit im Badezimmer, um sie aufzuhängen, und kehrtest dann wieder zurück, dich mit geröteten Augen vor mich stellend. “Willst du was trinken?”

“Du bist krank”, sagte ich leise. “Du musst dich hinlegen. Wann hast du zum letzten Mal geschlafen?”

“Heute...heute morgen”, murmeltest du, senktest den Blick, als wüsstest du nicht recht, wie du mit mir umgehen solltest.

“Setz dich hin.” Ich konnte mir nicht helfen, meine Stimme wurde unglaublich sanft, und ich hatte fast Angst, zuviel preisgegeben zu haben, aber du gehorchtest mir wortlos und ließest dich zurück auf das Sofa sinken. Ich stand auf und ging zum Fenster, um es einen Spaltbreit zu öffnen, dann holte ich dir einen warmen, etwas zu großen Pullover, den du anstandslos überzogst, als ich ihn dir gab. Du musstest erneut husten, die Krämpfe durchzuckten deinen schwachen Körper, der sich auf dem Sofa zusammenkrümmte, als du versuchtest, sie zu unterdrücken. Ich setzte mich neben dich. Ich hatte fast Angst, du würdest mich jeden Moment bitten, zu gehen, aber das tatest du nicht. Du sahst mich nicht an, starrtest nur an die gegenüberliegende Wand; dein Blick war getrübt, aber du kämpftest, ihn klar zu halten und deinen Rücken aufrecht.

“Du musst das nicht tun, Kaoru. Du schuldest mir nichts.”

“Ich weiß”, antwortete ich leise. “Aber du bist mein Freund. Ich will dir nur helfen. Du solltest nicht alleine sein, wenn du so krank bist. Jemand muss sich doch um dich kümmern!”

Du sahst zu mir, dein Blick war erschöpft, und jetzt war ich es, der die Augen abwenden musste, aus Angst, du könntest darin meine wilde, wahnsinnige Liebe zu dir lesen, die mir stärker schien denn je, als ich feststellen musste, dass nicht du es warst, der hilflos war. “Du... Kaoru, ich...” Ich sah wieder auf, fing deinen Blick ein, der schwach war, ein wenig verwirrt, aber so unglaublich unwiderstehlich. “Ich...danke dir.” Ich musste lächeln, und du schienst doch ein wenig erleichtert zu sein, denn du erlaubtest dir, ein wenig zusammenzusinken und etwas von der Haltung aufzugeben, die dich so viel Kraft kosten musste.

Gestandest du mir jetzt ein, dass du alleine zu schwach warst?

Es wurde langsam kühl im Zimmer, und man konnte tief Atem holen, ich stand also auf, um das Fenster zu schließen, kam dann zurück zu dir, mich langsam neben dich auf das Sofa sinken lassend. “Sieh mich mal an.” Du wandtest das Gesicht zu mir, und ich hob vorsichtig die Hand, um sie auf deine Stirn zu legen, was du zu meinem Erstaunen widerstandslos geschehen ließest. Meine Hand war kühl, und du senktest seufzend ein wenig die Augenlider, als die Kälte meiner Haut deine glühende Stirn kühlte, auch wenn es nur ein paar Sekunden lang vorhielt. Deine Haut schien von innen heraus zu brennen. Als ob deine Gedanken in Flammen stünden, jeder einzelne von ihnen. Mein Herz fing schmerzhaft an in meiner Brust zu rasen, und mein Pulsschlag war schnell; ich konnte nicht verhindern, dass sich etwas in meiner Brust zusammenkrampfte, als ich deine Haut berührte, deine gesenkten Lider sah, und dass mein Herz einen Schlag lang aussetzte, als ich dein leises Seufzen hörte. Und wenn du nur meine Kälte genossest, als ich dich berührte; deine Haut an meiner Haut, das nahm mir den Atem, und wir verharrten eine Weile so, länger, als es nötig gewesen wäre; ich spürte, dass du ganz schwach nur atmetest, als wolltest du nicht zugeben, am Leben zu sein.

Dein Gesicht war so schön. Leicht zu mir aufgewandt, die Augen fast geschlossen, die aufgesprungenen Lippen versiegelt, nur leicht atmend, und trotz der Blässe vom Fieber noch voller sensibler Emotionen. Ich wollte dich küssen, Warumono. Ich wollte es. Aber ich habe es nicht getan.

Denn ich bin ein Mann wie du, und in welcher Welt hättest du mir das verzeihen können?

“Du glühst ja vor Fieber”, flüsterte ich besorgt und ließ die Hand sinken, du öffnetest die braunen Augen.

Dein schwaches, ehrliches Lächeln, es raubte mir fast den Verstand, als du dich wortlos für etwas entschuldigtest, für das du nichts konntest. “Deine Hand...ist schön kalt.” Du ließest erschöpft den Kopf nach hinten gegen die Sofalehne sinken; fast konnte ich das Pochen hinter deinen Schläfen spüren, die ich so gerne mit meinen Küssen bedeckt hätte. So gerne hätte ich dein heißes Gesicht geküsst, bis du angefangen hättest zu lächeln, und mit meinen Lippen die schwächende Hitze aus deinem fiebrigen Leib vertrieben. Ich hob behutsam die andere Hand und berührte mit dem schwach zitternden Handrücken deine brennende Wange; als du nicht wegzucktest, sondern leise den Atem ausstießest, schmiegte ich meinen Handrücken an deine Wange, bis die Kälte daraus in deine Haut gezogen war, wo sie sofort verschwand, als könnte dein Körper nie abkühlen, als seist du dazu verdammt, immerfort zu brennen.

Ich schluckte schmerzhaft vor Verlangen, als ich dein Gesicht betrachtete, das mit geschlossenen Augen an meiner Hand lehnte, aber ich entzog dir selbige und wandte eilig den Kopf ab, als du die Augen öffnetest und mir einen intensiven Blick schenktest.

Gefahr, Warumono. Du warst kurz davor, so kurz davor gewesen, alles über meine wahren Gefühle dir gegenüber zu erfahren. Das durfte nicht geschehen. Ich war schon zu schwach geworden. Aber es war so schwer, deiner Nähe zu widerstehen! Ich tat mir selbst weh damit, und ich wusste es.

Noch eine solche zarte Berührung, und ich hätte nicht mehr widerstehen können und hätte dein Gesicht zu mir gezogen, dir tief in die verwunderten Augen gesehen, sacht meine Arme um deinen zitternden Körper gelegt und dir die Worte mit einem sanften Kuss geraubt; ich hätte deine rissigen Lippen geküsst, bis du dich entspannt hättest in meinen Armen, und dann hätte ich dein Gesicht gestreichelt und dir wie in einem einzigen Atemzug alles gestanden.

Ich liebe dich, Nishimura Tooru. Ich liebe dich wirklich.

Also erhob ich mich, und mein Herz fing an zu schreien.

“Du bleibst jetzt hier sitzen”, ordnete ich an. “Du solltest nicht soviel auf den Beinen sein. Es sind schon Leute an der Grippe gestorben. Wann hast du zum letzten Mal etwas gegessen?” Ich vermied es, dich anzusehen; stand mit dem Rücken zu dir, eine Hand auf der Sofalehne. Dennoch sah ich aus den Augenwinkeln, wie du unwillig den Kopf schütteltest.

“Ich habe gar keinen Hunger.”

“Du hast ja auch hohes Fieber. Aber du musst etwas essen, Kyo. Ich mache dir eine Suppe, in Ordnung?”

“Ja”, hauchtest du ergeben und zogst die Beine an den Körper, die Arme darum legend. Ich hätte mich so gerne neben dich gesetzt und dir die wirren blonden Strähnen aus dem blassen Gesicht gestrichen. Aber das konnte ich nicht tun. So ließ ich dich auf dem Sofa zurück und ging in die Küche, um dafür zu sorgen, dass du wieder etwas zu Kräften kamst.

Es war offensichtlich, dass du ungeachtet deines Trotzes nicht die Kraft gehabt hattest, in der Küche Ordnung zu schaffen. In der Spüle stapelte sich das ungewaschene Geschirr, und eine leere Flasche und eine angebrochene Packung Reis standen auf der Arbeitsfläche. Der eine Schrank stand offen, und ich schloss ihn, um mir ein Stück Küchenpapier zu nehmen und die Krümel vom Plastik zu wischen. Ich warf die Flasche in den Müll und stellte den Reis beiseite, da ich nicht wusste, wo du ihn aufbewahrtest. Dann sah ich mich nach Zutaten für dein Mittagessen um.

Ich war ein ganz guter Koch. Doch, wirklich; ich kochte auch nicht ungerne, wenn ich die Zeit dafür fand. Aber ich musste wirklich improvisieren, weil mir einige Dinge fehlten. Dein Kühlschrank war fast leer, als ich ihn öffnete. Wovon ernährtest du dich bloß, Warumono? Ich hätte bei dir einen gefüllteren Kühlschrank erwartet.

Als ich zurückkehrte ins Wohnzimmer, eine Schale Suppe in den Händen, saßest du zusammengekauert auf dem Sofa, ein Bein an den Körper gezogen, das andere von der Kante hängend, und zündetest dir mit geschlossenen Augen und zittrigen Fingern eine Philip Morris an. Du stießest den ersten Zug keuchend aus, und unterdrücktest ein Husten, ehe du zum zweiten ansetztest.

“Du sollst nicht rauchen”, murmelte ich tadelnd und nutzte die Gelegenheit, mich neben dich zu stellen, eine Hand gleich neben deinem wirren Blondschopf auf der Sofalehne, und dein mit geschlossenen Augen aufwärtsgewandtes Gesicht zu betrachten.

Deine Lippen verzogen sich in einem sarkastischen Lächeln. “Ich weiß...” Mit einem tiefen Atemzug stießest du den Rauch aus, fingst dann wieder an zu husten und musstest dir die Hand vor den Mund halten. Du öffnetest die Augen, sie waren feucht und rot.

Ich hielt dir die ausgestreckte Hand hin, und du sahst eine Weile zögernd darauf, schwankend zwischen Trotz und Vernunft, und händigtest mir dann die noch brennende Zigarette aus, woraufhin ich dir die Schale mit der Suppe auf den Tisch stellte und mir ohne langes Überlegen selber die Zigarette zwischen die Lippen klemmte. Dein Lachen war leise und ironisch. “Soviel zum Thema Solidarität, Kaoru.”

“Irgendeiner muss ja die Nerven behalten. Iss. Du wirst dich besser fühlen, wenn du erstmal was im Magen hast.”

“Ich fühle mich okay”, murmeltest du trotzig und spieltest mit dem Löffel zwischen deinen Fingern, die ich so gerne umfasst und deren Knöchel ich so gerne geküsst hätte.

“Du zitterst am ganzen Leib vor Schwäche, Kyo. Du musst wieder gesund werden. Bitte, iss.” Ich zögerte kurz. “Für mich.”

Du verharrtest, den Blick zu Boden gerichtet, dann nahmst du die Schale in beide Hände und fingst an, die Suppe hinunterzuwürgen, trotz deiner Appetitlosigkeit. Ich sah dir eine Weile zu. “Gut”, raunte ich, als ich sah, dass du aufessen würdest. “Ich werde kurz etwas einkaufen gehen. Wenn du fertig bist, leg dich ruhig ein bisschen hin. Es wird nicht lange dauern. Meine Handynummer hast du ja.” Du nicktest bloß wortlos, ehe ich mich zum Gehen wandte.

Ich wollte etwas mehr zu essen besorgen für dich für die nächsten Tage, und bei der Apotheke vorbeischauen, um etwas gegen deinen Husten zu holen und um dein Fieber zu senken. Es war mir egal, dass ich schlampig aussah mit dem zu kurzen Kimono. Es kannte mich hier ja sowieso keiner. Einzig meine Jacke zog ich mir über, denn es regnete noch immer, und die schweren Wolken ließen kaum Licht bis in die kleine kahle Wohnung dringen.

“Kaoru”, riefst du mir nach, als ich die Hand nach der Türklinke ausstreckte. Ich drehte mich um. Durch den Flur konnte ich dich auf dem Sofa hocken sehen, deinen zögernden, fast etwas scheuen Blick, den du mir zuwarfst; ein wenig unsicher zudem, als seist du dir deiner Worte nicht gewiss.

“Was ist denn?”

“Danke...das ist lieb von dir.”

Ich lächelte dir kurz zu, gab nicht zu erkennen, wie sehr mein Herz raste unter deinen Blicken. “Ich tue das gerne.” Dann verließ ich die Wohnung. Draußen waren die Kälte und der klare Geruch nach frischem Regen auf dem Asphalt wie ein Schock. Auf der Straße angekommen, warf ich die aufgerauchte Zigarette in den Regen und fing an zu weinen.
 

Die Tür fiel mit einem leisen metallischen Klicken hinter mir ins Schloss, als ich eine Stunde später aus dem Supermarkt zurückkehrte, eine schreiend bunt gemusterte Plastiktüte in der Hand. Das Geräusch hallte leise wider in der leeren Wohnung.

Ich hatte etwas Gemüse gekauft und ein wenig Fleisch, damit du ein paar Vitamine zu dir nahmst. Mit dem Fleisch wollte ich dir eine Brühe kochen, wenn du mich ließest. Außerdem hatte ich etwas gegen deine Grippe besorgt und ein schwarz-weißes Tuch, das du dir um den Hals binden solltest, vorausgesetzt, ich konnte dich in einem schwachen Moment dazu überreden. Es war eine Qual für mich, deine schöne Stimme so von der Krankheit verzerrt zu hören. Und was würdest du tun ohne sie?

“Kyo?” Ich ging durch den düsteren, unbeleuchteten Flur ins Wohnzimmer, in dem es auch nicht mehr sehr hell war, da sich draußen die Wolken sehr viel dichter zusammengezogen hatten. Es deutete alles auf ein Gewitter hin. Aus der Ferne hatte ich schon gemeint, den Donner rollen hören zu können. “Ist alles...” Ich blieb im Zimmer stehen, verstummend. Auf dem Sofa lagst du und schliefst. Du sahst erschöpft aus. Deine Lider hatten sich schwer über deine Augen gesenkt, deine Wimpern zuckten leicht nur, deine Lippen waren ein wenig geöffnet, während dein warmer Atem darüber strich. Du sahst so unglaublich liebebedürftig aus.

Ich ging leise zum Fenster und öffnete es einen Spalt, denn in der Luft lag der Geruch nach deinen Zigaretten. Du solltest doch nicht rauchen. Warum kannst du nur nicht auf das hören, was Leute dir sagen, die es gut mit dir meinen?

Seufzend stützte ich die Hände auf die Fensterbank und atmete die vorgewittrige Luft der Großstadt ein, die leicht prickelte in meinen Lungen und sich kalt auf meine Haut legte; ein wenig schien sie aufgeladen, wie elektrisch. Ich merkte, dass meine Arme zitterten, und ich musste mich wieder zu dir umdrehen. Du lagst auf dem Sofa, zusammengerollt wie ein kleiner Junge, der nicht vom Kindergarten abgeholt wurde und auf der Bank in Schlaf gefallen ist, während er vergebens auf seine Eltern wartete. Du sahst so süß aus. Ich sage das, auch wenn ich weiß, dass du es nicht gerne hörst, denn es ist die Wahrheit. Du sahst unfassbar süß aus. So gerne hätte ich dich in meinen Armen gehalten.

Ich ging neben dir in die Hocke und sah dich scheu an. “... Schläfst du?” Eine Frage, die ich mir hätte sparen können; aber ich hatte solche Angst, dass du plötzlich die Augen aufschlagen könntest und mich sehen, mein Gesicht dicht vor deinem, wie ich eine bebende Hand hob und dir zärtlich, fast ohne dich zu berühren, eine blonde Strähne aus der müden Stirn strich. Ich hatte Angst, du könntest mit einem Mal erwachen und mich anknurren, als ich deinen abgeworfenen Blazer nahm und ihn sanft über deinen schlafenden Körper breitete. Deine Brust hob und senkte sich leicht, während du schwer atmetest, und dein Gesicht glühte noch immer vor Fieber. Ich wagte es, dir mit einem Finger schwach über die Wange zu streichen, die heiß war, als würde sie von innen heraus brennen.

Mein Herz raste, als wolle es platzen, und ich musste ein schnelles Aufatmen unterdrücken, aus Angst, es würde dich erwecken. Deine Hände lagen zu Fäusten geballt neben deinem Gesicht; du hattest leicht die Stirn gerunzelt, als mein Finger dich berührte, und ein Lächeln brach auf meinen Zügen hervor. “Kyo...” Du regtest dich leicht im Schlaf, aber du wachtest nicht auf.

Ich hatte dich oft schon schlafen sehen, aber nie zuvor war es so intim gewesen; nie zuvor war ich alleine und ungestört mit dir gewesen, und ich musste schlucken, während ich dein erschöpftes Gesicht betrachtete, meine Hände ballten sich ebenfalls zu Fäusten.

Ich beugte mich zu dir, meine eine Hand streichelte deine Schulter. “Sumimasen”, wisperte ich erstickt, den Mund dicht vor deinem Ohr, ehe ich die Augen schloss und mit meinen Lippen sacht nur deine Schläfe berührte, die Hitze deiner Haut spürte und deinen heftigen Pulsschlag unter meinen sanften Lippen, ehe ich mich sofort wieder löste und mich abwandte, die Hände an die Brust gepresst, mit rasendem Herzen, während ich mit geschlossenen Augen mein heißes Blut unter Kontrolle zu bringen versuchte.

Hatte jemals ein Mensch einen anderen so sehr begehrt wie ich dich, Warumono?

Ich hatte Angst, dich zu verletzen. Meine Gefühle zu dir waren schon so übermächtig geworden, und je mehr ich ihnen nachgab, desto mehr zwangen sie mir ihren Willen auf. Für einen Moment war ich versucht, dir die Schuld zu geben, dass ich dir nicht widerstehen konnte; deinem Lachen, das du mir so selten zeigtest und das ich so vergötterte, deinen blitzenden Augen, deiner Stimme, deinem zynischen Humor, deiner Art, dich selbst zu verletzen und die Wunden vor aller Welt zur Schau zu stellen, deiner Hilflosigkeit und Einsamkeit. Aber letztendlich war nur ich allein schuld an meiner Schwäche. Und ich bereute sie nicht einmal, so sehr schlug mein Herz. Ich hob ausatmend die Finger an die Lippen und stand auf, ließ dich schlafen. Du solltest dich ausruhen, Warumono. Vielleicht würde ich es dir eines Tages gestehen können.
 

Ich stand eine Weile später in der Küche und wusch das schmutzige Geschirr ab. Die Suppenschale hatte ich aus dem Wohnzimmer geholt, ohne dich zu berühren, die Einkäufe hatte ich im Kühlschrank verstaut, und nachdem ich das Fenster im Wohnzimmer geschlossen und kurz in deinem Schlafzimmer gelüftet hatte, hatte ich deine Arbeitsfläche aufgeräumt und das Geschirr von vorgestern kurzerhand zu meiner Herausforderung erklärt. Die abgewaschenen Teller standen tropfend auf der Arbeitsfläche, und ich hatte mich gerade daran gemacht, das Wasser abzulassen und das Besteck abzutrocknen, die Augen völlig in Gedanken auf mein Tun gerichtet, während ich doch nur dein schlafendes Gesicht vor mir sah; und ich versuchte angestrengt, mir nicht zu Bewusstsein kommen zu lassen, dass du keine vier Meter in meinem Rücken lagst und schliefest, denn sonst, so wusste ich, würde ich hinübergehen und dich wieder küssen, und würde ich das tun, könnte ich nicht mehr aufhören. Ich hatte noch immer den Geschmack deiner warmen Haut auf den Lippen, und ich spürte fast deine Haarsträhnen zwischen meinen Fingern, spürte, wie dein Atem heiß mein Gesicht streifte, spürte die aufgesprungene Haut deiner Lippen, wie sie sich voll wortlosen Verlangens gegen die meinen bewegten.

Das Besteck warf ich heftiger in die Schublade, als es nötig gewesen wäre.

“Nicht denken, Kaoru, nicht denken. Nicht an ihn denken”, murmelte ich mir intensiv zu, mir beim Abtrocknen die scharfe Schneide eines Messers versehentlich hart über die Handfläche ziehend, gerade noch ohne die Haut zu verletzen. “Au!”

“Kaoru...?” Ich schnellte herum. Du standest im Türrahmen, bleich, hieltest dich mit einer Hand an der Wand fest. Im ersten Moment dachte ich erschrocken, du hättest etwas bemerkt, aber dann realisierte ich, dass du kaum aus eigener Kraft stehen konntest, und deine braunen Augen bohrten sich hilfesuchend in meine, endlich also um Hilfe bittend. Du hattest dir eine dünne Decke um die Schultern gewickelt und zittertest, hustend, deine Augen tränten.

“ - Kyo! Was hast du denn?” Ich wischte mir schnell die nassen Hände am Handtuch ab, da taumeltest du schon auf mich zu, eine Hand gegen die Stirn gepresst.

“Mir...ist kalt”, wispertest du zittrig, und ehe ich zu dir treten konnte, gaben deine Beine unter dir nach, und ich sprang gerade noch rechtzeitig auf dich zu, um dich aufzufangen und deinen schwachen Körper in meinen Armen zu halten.

“Kyo!!”

“Kaoru...”, flüstertest du, und ich spürte, wie geschwächt dein Körper war, und zog ihn unwillkürlich enger an mich. Du atmetest erleichtert auf, als ich dein Gewicht trug, und ich spürte mit Herzklopfen, das mir vorkam wie Verrat an meinem kranken Freund, wie du dich an mich schmiegtest und nach der Wärme suchtest, die von meinem Körper ausging, dich mit einer Hand an meiner Schulter festhaltend.

“Ist schon gut”, flüsterte ich beruhigend und widerstand dem Drang, deinen Schopf zu küssen, hielt dich fest in meinen Armen, als du den Kopf an meine Brust legtest und die Augen schlossest. “Keine Angst, Kyo. Ich kümmer mich schon um dich. Du musst dich ausruhen. Mach die Augen zu, ich bin ja bei dir.” Meine tröstenden Worte schienen dir gut zu tun, du zittertest in meinen Armen und ließest dich entspannt von mir aufheben und sanft um die Schultern fassen, deinen Kopf an meine Schulter gelehnt, während ich dich behutsam aus der Küche trug. “Ich bin doch für dich da, Kyo.” Ich wollte fast weinen aus Liebe zu dir, die ich dir nicht gestehen konnte.

Ich trug dich in dein Schlafzimmer und ließ dich sanft auf den ausgerollten Futon sinken. Deine Arme lösten sich von meinem Hals und hinterließen eine traurige Kälte, als dein Fieber mich verließ. Du hattest die Augen geschlossen und zittertest am ganzen Körper, als ich dir die dünne Decke abnahm und ein weiteres Mal die Hand auf deine Stirn legte. “Du hast immer noch hohes Fieber”, murmelte ich und streichelte mehr aus einem Reflex heraus tröstend deine Schulter. Ich hätte in dem Moment, in dem ich es bemerkte, fast erschrocken die Hand zurückgezogen, hätte ich nicht plötzlich gemerkt, dass du meine Berührung nicht nur zuließest, sondern dass sie dich in deinem Fieber sogar zu beruhigen schien. Ich konnte nicht widerstehen und streichelte dir über den blonden Schopf, ehe ich mich aufrichtete, nachdem ich deine Decke über dich gebreitet hatte, die du mit den Händen umklammertest und die Augen öffnetest, mich mit einem Hundeblick ansehend, nicht beabsichtigt, aber derart, dass meine Knie weich wurden vor Zärtlichkeit dir gegenüber. “Warte hier”, murmelte ich, leicht aus dem Konzept gebracht, und wankte in die Küche, wo ich die Tüte aus der Apotheke stehengelassen hatte. Mit bebenden Fingern holte ich eins der fiebersenkenden Medikamente hervor, löste die Tablette in einem Glas auf und zwang mich, tief durchzuatmen, ehe ich mit dem Glas in der Hand das Wohnzimmer durchquerte und zurück in dein Schlafzimmer ging, wo du dich zusammengerollt und die Decke um den Körper gewickelt hattest wie eine Raupe, die sich verpuppen will. Die klare Flüssigkeit in dem Glas schwappte bedenklich, aber ich hielt die Hand still, als ich mich auf die Knie wieder neben dir niederließ und es neben mir abstellte.

“Kannst du dich hinsetzen?”, fragte ich sanft.

Du kralltest die Hände in die Decke und rolltest dich ein bisschen daraus aus. “Natürlich kann ich das...! Frag nicht so komische Sachen, Kaoru. Ich war schon öfters krank.” Trotzig stemmtest du dich auf die Arme hoch, die anfingen, zu zittern unter deinem wenigen Gewicht, und nachgaben, als du sie mit deinem Körper belastetest.

Ich streckte dir eine Hand entgegen. “Komm her...” Dich an den Schultern vorsichtig umfassend, half ich dir, dich hinzusetzen, und als du wieder anfingst zu husten und ein Zucken vom Schüttelfrost dich überlief, zog ich dich zu mir, so dass du dich an meine Schulter lehnen konntest, während ich dir das Glas reichte und dir half, es zu halten, während du trankst.

Du hattest die Medizin geext. Du hättest dir ruhig mehr Zeit lassen können, Warumono.

Dein Körper war so heiß an meinem.

Als du fertig warst, lehntest du wie erschöpft an mir, und ich strich dir einmal sanft durch die Haare, ehe ich mich dazu zwang, dich wieder hinzulegen. So groß die Versuchung auch war, du durftest nichts von dem Gefühlschaos merken, welches in mir tobte. Das war mein härtester Kampf in meinem ganzen bisherigen Leben gewesen.

“Ist dir noch kalt?”

“Ja...” Ich zögerte, dann wagte ich es, eine Hand zart auf deinen Brustkorb zu legen, der sich schnell hob und senkte im Takt deines keuchenden Atems.

“Du bist ganz heiß.” Ich strich dir vorsichtig über die Stirn.

“Lass das, Kaoru, ich brauche keine Amme...”

“Du bist auch völlig nassgeschwitzt”, stellte ich kopfschüttelnd, aber nicht sehr überrascht fest. “Sieh dich an. Deine Haare kleben an deinen Schläfen.”

“Dann lass mich aufstehen und duschen”, nuscheltest du müde und drehtest dich auf die Seite.

“Bist du verrückt?”

“Also hol mir halt einen Waschlappen.” Ich zögerte.

“Das ist zu kalt...”

“Du hast doch selbst gesagt, dass ich zu warm bin.”

Nein. Ich hatte ‘heiß’ gesagt. Du fingst an, dich ein wenig aufzurichten, und an deinem Pullover zu ziehen, den ich dir zuvor gebracht hatte. Ich riss erstaunt die Augen auf. “Was machst du denn da!”

“Hilf mir...Kaoru...” Du fielst erschöpft wieder nach hinten. “...Dieses Ding auszuziehen...”

“Ich dachte, dir ist kalt”, versuchte ich auszuweichen, ohne genau zu wissen, wieso. Ich glaube, ich bin rot geworden, Warumono. Aber ich hoffe, dem war nicht so. Ich konnte nur noch an deinen Körper unter diesem Pullover denken. Ich kannte ihn ja. Aber es war anders jetzt.

“Aber er wärmt mich nicht...” Du richtetest dich erneut ein wenig auf, als du wieder anfingst zu husten. “...Du hast mich eben gewärmt, Kaoru...aber nicht dieses Ding...und dann hol mir einen Waschlappen.”

Ich glaube, ich bin eher aus dem Zimmer gestolpert als gegangen. Im Badezimmer musste ich mich erstmal mit dem Rücken gegen die kalte Wand lehnen und mir mit den Händen über das erhitzte Gesicht fahren, ehe ich mich im Spiegel kontrollierte und versuchte, meine Mimik meiner Rolle anzupassen, bevor ich eine Schale mit kühlem Wasser und einen Lappen holte.

Dann ging ich zurück zu dir.

Du hattest es inzwischen in deinem Trotz geschafft, deinen Pullover halb auszuziehen, aber ich stellte die Schale ab und half dir, mit dem rechten Arm ebenfalls herauszukommen. Dann sankst du erschöpft zurück auf die Kissen und schlossest die Augen. “Ich bin erstaunt, dass du auch noch alles machst, was ich dir sage, Kaoru...” Ich schluckte, den Blick auf deinen Körper gesenkt. Du lagst gerade auf dem Rücken, dein flacher muskulöser Bauch hob und senkte sich schnell mit deinem Atem. Deine Arme mit den schmalen Handgelenken und den gelenkigen Händen lagen neben deinem warmen Brustkorb auf dem Futon. Deine Haut sah so weich aus und so blass, die Tattoos stachen dunkel hervor. Ich hätte dich so gerne berührt, so gerne hätte ich deinen Körper gestreichelt, so lange, bis du dich mir seufzend entgegengestreckt hättest. Ich wollte deine Schulterbeuge und deine Schlüsselbeine küssen, mit aller Zärtlichkeit, die ich aufbringen konnte, die Hand deinen heißen Körper hinabgleiten lassen, ihn an mich ziehen und mit der Zunge...

Du bekamst eine Gänsehaut, als ich dir mit dem nassen Tuch vorsichtig über Stirn und Schläfen wischte. “Zu kalt?”, murmelte ich fürsorglich und lächelte mit geschlossenen Lippen, als du den Kopf schütteltest.

Ich strich dir mit dem Waschlappen über Gesicht und Hals, ehe ich ihn wieder ins Wasser tauchte und schweigend anfing, deine Arme zu waschen, deine Schultern, schließlich, nach einem kurzen sehnsüchtigen Blick auf dein Gesicht, das mit geschlossenen Augen dalag, mit sanften Bewegungen deinen Oberkörper, der unter dem kalten Wasser zitterte. “Wenn es dir zu kalt wird, musst du es sagen...” Wieder ein Kopfschütteln. Ich tauchte den Lappen ein drittes Mal ins Wasser und wusch deinen Bauch und deine Seiten, wobei du leicht zucktest.

Als ich fertig war, breitete ich liebevoll wieder die Decke über dich und wollte mit der Schale aufstehen, aber du hieltest mich am Arm zurück. “Kaoru...?” Ich wandte mich um. Deine braunen Augen bohrten sich tief in meine, und ich stellte fast ohne nachzudenken die Schale wieder ab.

“Was ist denn?”

“Ich...” Du zögertest, dein Blick schwankte unsicher.

Ich nahm deine Hand vorsichtig, die sich an meinem Ärmel festgehalten hatte. “Ist dir noch kalt? Soll ich dir noch eine Decke holen?”

Du nicktest und schütteltest gleich darauf den Kopf. “Nein... Ja... ich wollte...ich wollte mich...bei dir bedanken...für all das...dass du dich so um mich kümmerst...das bedeutet mir wirklich sehr viel.” Die letzten Worte sprachst du sehr schnell, als wolltest du sie loswerden. Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich sie allein mich gemacht haben. Du lächeltest schwach. “Aber mir ist wirklich noch kalt...”

“Soll ich eine Decke holen?”

“Nein...ich will keine Decke...die nützt doch nichts bei Fieber...”

Ich war mir nicht sicher, ob dem so war, aber mir schlug das Herz bis zum Hals, und ich spürte, wie ein Anfall von geistigem Wahnsinn mich packte, während ich etwas Tollkühnes wagte. “Du hast eben gesagt, ich hätte dich gewärmt...” Vorsichtshalber ließ ich deine Hand los.

Du senktest verwirrt den Blick. “Ja...”

“Also...” Ich schluckte und spürte, wie mein Puls in den Himmel jagte. “...Soll ich versuchen, dich zu wärmen?”

Ich erinnere mich genau an deinen Blick; ein wenig verwirrt, etwas furchtsam vielleicht, zum Teil auch bloß schüchtern, aber zum Großteil hilflos. “Würdest du das...?”

Ich nickte bloß stumm und ließ mich neben dir nieder; über der Decke, erst noch etwas von dir entfernt, aber dann über deinem Kopf die Augen für einige Sekunden fest schließend wie im Stoßgebet, als du zu mir rutschtest und dich zitternd an meinen Körper schmiegtest, so dass ich es nach einer Weile sogar wagte, einen Arm ganz sachte nur um deinen Körper zu legen, woaufhin du einen glücklichen Seufzer ausstießest, dich an mich kuschelnd, so dass ich diesmal wirklich ein stummes Dankgebet zum Himmel richtete. “Du bist schön warm, Kaoru...”

“Danke”, brachte ich hervor.

“...Störe ich dich auch nicht...?”

“Nein!” Ich war fast erschrocken und errötete. “Nein...ich meine...ist schon in Ordnung...dafür sind Freunde doch da...”

“Aber erzähl das bloß nicht Die...”

Ich lachte nervös. “Nein...” Ich spürte, wie mein Herz raste, während ich dich im Arm hielt. Wie lange hatte ich mir das gewünscht! So lange hatte ich mich danach gesehnt, dich zu mir zu ziehen, dich genauso zu halten, das Gesicht in deinem weichen Schopf vergraben, die Arme um deinen kleinen Körper gelegt, während du dich an meiner Brust zusammenrolltest. Es war nicht die exakte Situation, die ich mir erwünscht hatte. Aber es war weit mehr, als ich je erhofft hatte. Ich liebte dich. In diesem Moment vielleicht mehr denn je. Es tat weh, gewiss zu sein, dass dieser Moment, sobald er erst einmal vorbei wäre, nie mehr wiederkommen würde. Mein Herz schlug so laut, du hättest es eigentlich hören müssen, mein Warumono. Ich wollte dich nie wieder loslassen.

Nach einer kurzen Weile nur warst du eingeschlafen, und ich hielt deinen ruhenden Körper fest und wachte über deinen Schlaf.

Meine Lippen formten stumm die Worte, die ich nie laut ausgesprochen hatte: Ich liebe dich.
 

Es wurde langsam immer dunkler draußen, aber ich dachte nicht daran, hier fortzugehen. Du hattest dich im Schlaf ein wenig von mir weggerollt und lagst jetzt neben mir, deine Hand berührte eben so meine Brust, und ich hatte eine Hand auf deiner Schulter liegen, die andere an deinem Bauch unter der Decke, so dass ich spüren konnte, wie du atmetest, gleichmäßig, im tiefen Schlaf. Gut so. Du solltest schlafen. Dann würde es dir bald besser gehen.

Ich wagte nicht, den Gedanken zuzulassen, dass ich mich dann nicht mehr um dich kümmern konnte; ich wagte nicht, den Gedanken zuzulassen, dass meine Fürsorge nur ein Vorwand war, um dir nahe sein zu können, auch wenn es sicher so war.

Es schien dir schon weniger schlecht zu gehen, die Medizin hatte angeschlagen. Dein Gesicht gewann ein wenig an Farbe, was vielleicht auch am Essen lag, und deine Haut war nicht mehr ganz so glühend heiß. Ich hatte dir die Decke über den Körper gezogen und lag mit meinem Körper ausgestreckt neben dir, um dir ganz meine Wärme zu geben, auch wenn ich dich nicht so eng halten konnte, wie ich wollte, um dich nicht zu wecken und alles kaputtzumachen. Dennoch spürte ich, wie der Drang in mir wuchs. Es war, als würde man als Verdurstender über einen klaren Waldsee rudern und dürfte nichts von dem Wasser trinken, das man glitzernd und spritzend mit den Rudern durchpflügt. Ich war mir ganz und gar nicht sicher, ob ich stark genug war dafür. Aber ich war definitiv zu schwach, um dich alleine zu lassen.

Draußen hatte es gerade begonnen, heftiger zu regnen, und man hörte das Trommeln der Tropfen, die vom Wind gegen die Fensterscheibe getrieben wurden. Das Licht einer Straßenlaterne schien durch das Glas und warf den Schatten der Regentropfen auf die Decke und dein schlafendes Gesicht. Meine Mundwinkel zuckten leicht. Du sahst so schön aus. Wusstest du das? Sicher wusstest du nicht, dass ich so empfand. Und was würdest du denken, wenn du es wüsstest? Würdest du mich für meine Liebe verachten, Kyo?

Ich streckte die Hand aus und strich dir sanft über die Wange, deine Gesichtszüge entspannten sich unter meiner Hand, und ich lächelte entzückt. Vorsichtig fuhr ich mit dem Finger die Konturen deines Gesichtes nach; die Linie deines Kieferknochens, deine Wangenknochen, dein glattrasiertes Kinn, ließ dann mit jagendem Herzen den zittrigen Finger nach oben wandern, mein Gesicht zu dir gebeugt und kaum zu atmen wagend, als ich dir, dich kaum berührend, mit dem Daumen über die leicht geöffneten Lippen strich, die trocken waren unter meiner Haut, aber auch weich und warm, und ich streichelte dich sanft mit meinem Finger und senkte die Augenlider ein wenig, keine Sekunde den Blick von dir nehmend. Du erwachtest nicht, als ich dich so berührte, aber im Schlaf wandtest du mir leicht dein Gesicht zu, und ich zitterte, auch wenn diese Bewegung nur unterbewusst gemacht worden war. Mein Herz krampfte sich zusammen, während ich dich betrachtete, der du mir so viel bedeutetest, ohne es zu wissen. Mein Finger strich zwischen deinen Lippen entlang und zog sich dann zurück, in der sehnsüchtigen Nachahmung eines Kusses. Ich legte wehmütig mein Gesicht neben deines, den Arm um dich gelegt, so dass ich unsere Stirnen fast berührten. Ich spürte, wie meine Hände zitterten. “Oh Gott, ich wünschte, ich könnte dir sagen, wie viel du mir bedeutest”, hauchte ich und streichelte deine bloße Schulter. Draußen peitschte der Regen gegen die Scheibe. Die Worte brannten in meiner Kehle. “Ich liebe dich...” Bebend stieß ich die Luft aus meinen Lungen und spürte, wie sich heiße Tränen in meinen Augen sammelten. Draußen rollte der erste Donnerschlag über der grauen Stadt, und du regtest dich leicht im Schlaf, die Augenlider kurz zusammenpressend, ehe du eine Hand hobst und sie neben dein Gesicht legtest, dich seufzend ein bisschen mehr zu mir rollend, so dass dein Gesicht meinem nun wirklich nahe war, ich konnte deinen heißen Atem spüren, und sehen, wie deine Wimpern zuckten, als du träumtest. Träumtest du von mir?

“Oh Gott”, wisperte ich zitternd, und dann gab alles in mir nach; ich legte zwei Finger unter dein Kinn und hob es zu mir an, um die Augen zu schließen und dich zärtlich zu küssen, ganz sacht nur deine Lippen berührend, aber trotzdem fast vergehend unter deiner Nähe, deinem Geruch, dem Gefühl deiner Haut, das mich süchtig machte. Ich seufzte unwillkürlich auf und drückte meine Lippen etwas fester auf deine; für einige Herzschläge nur war es mir egal, ob du aufwachtest oder nicht, ich wollte dich nur für immer küssen, ich wollte nie von hier fortgehen, solange ich lebte. Dann spürte ich in einem heißen Schock, wie plötzlich deine Lippen scheu den Kuss erwiderten; so leicht, dass es fast Einbildung gewesen sein könnte, ein Streich, den mein wirrer Geist mir spielte, und ich löste mich aufkeuchend von dir und schlug die Augen auf.

Du warst wach. Ich wusste nicht, wie lange schon. Aber du warst wach. Und du sahst mich aus großen, ein wenig erschrockenen Augen an, dich nicht regend, während ich, ebenso schnell atmend wie du, nur deinen Blick verzweifelt erwidern konnte, während mir etwas die Kehle zuschnürte und ich nur stumm den Kopf schüttelte, dich flehend ansehend. Was sollte ich zu dir sagen?

“Kaoru...?”, wispertest du leise, nach Ewigkeiten, wie es mir schien.

Ich schlug mit zitterndem Atem den Blick nieder. “Gomen nasai”, hauchte ich bebend, konnte dich nicht ansehen. Ich spürte, wie mir stumme Tränen die Wangen hinab rannen wie draußen der Regen an der Scheibe, während ein weiterer Donnerschlag rollte und der Wind heulend um die Hausecken pfiff.

Ich hörte dich aufatmen. “Was...hat das zu...” Ich sah scheu auf, du suchtest meinen Blick mit hilflosen braunen Augen.

“Ich dachte, ich könnte mich beherrschen...!”, stieß ich hauchend hervor. “Aber...ich...ich konnte es nicht...es tut mir leid...” Du sahst mich stumm an, noch immer, ohne dich aufzusetzen; dein Atem ging schnell, und deine Augen sahen mich unsicher an, du bissest dir ganz leicht nur auf die Unterlippe, als wüsstest du nicht, was du tun solltest.

“Kannst du mir verzeihen, Kyo? Ich werde...ich werde gehen, und dich in Ruhe lassen...” Ich stützte mich auf die Arme hoch und war im Begriff, mich zu erheben.

“Ich will nicht, dass du gehst”, flüstertest du eilig und beugtest dich vor, um mich am Arm zurückzuhalten; derart aus dem Gleichgewicht gebracht, fiel ich zurück auf den Futon, fing mich mit einem Arm auf, so dass ich jetzt direkt in dein Gesicht sah, das mich sowohl noch immer erschrocken als auch irgendwie gefesselt ansah. In deinen Augen glänzte noch immer das Fieber, und ich sah, wie du ein Husten unterdrücktest. “Kaoru... Geh nicht...”

“Ich, ich kann nicht...” Ich spürte deinen Atem, der über meine Haut strich, und deine Hand, die meinen Arm hielt, ich sah dein unwiderstehliches Gesicht so dicht vor mir, und ich konnte nicht mehr gehen. Ich musste die Augen schließen.

“Kaoru...?” Ich hob die Augenlider und sah in deine verwirrten und unsicheren Mandelaugen. Du würdest mich sicher nie wiedersehen wollen, oder? Wie konntest du mir noch in die Augen sehen?

“Mein Gott”, wisperte ich und dann ließ ich absolut alles fahren, ich nahm dein erschrockenes Gesicht in beide Hände und küsste dich, ohne weiter nachzudenken. Dein ganzer Körper spannte sich an unter meiner Berührung, und ich fuhr mit den Händen nach unten und hielt deine Handgelenke fest, als ich deinen Kopf zurück auf das Kissen drückte und dich innig küsste.

Ich hörte, wie du leise protestierend aufknurrtest, und ich war im Begriff, dich loszulassen und nie mehr wiederzukommen, wirklich, als du anfingst, meinen Kuss zu erwidern, und ich keuchte auf, als du mit unerwarteter Heftigkeit auf meine Lippen eindrangst. Ich ließ deine Handgelenke los, als du die Arme um meinen Hals schlangst und mich zu dir hinabzogst. Du warst immer noch heiß vom Fieber. Ich war mir nicht sicher, ob du klar denken konntest. Aber ich ließ mich seufzend auf dich sinken, während in meinem Inneren alles brannte und mein Blut wie Glut durch meine Venen rauschte, während mir dein Geschmack zu Kopf stieg. Deine Nähe war berauschend wie Alkohol, und ich zitterte, als du grob mit der Zunge meine Lippen teiltest und in meinen Mund eindrangst. Ich fing deine Zungenspitze ein, ließ meine Hände hungrig über deinen Körper fahren, und ich keuchte abermals auf, als ich dein leises Stöhnen hörte. Es war Wahnsinn. Es war göttlich. Ich spürte deine Oberschenkel an meiner Hüfte, und wie du dich mir entgegendrängtest, mit geschlossenen Augen unter den alten Kimono fuhrst, um ihn mir vom Körper zu ziehen. Ich streifte ihn ab, öffnete die Augen kurz, die Hände auf deiner Hüfte ruhen lassend, spürte deinen Bauch an meinem. Ich war mir nicht sicher, ob ich nicht im nächsten Augenblick sterben würde vor Glück, und hätte ich über die Situation nachdenken können, hätte ich vielleicht anders gehandelt. Aber ich konnte nicht denken. Ich wollte dich. Du lagst schwer atmend unter mir, die Arme neben dem Kopf liegen habend und mit geschlossenen Augen; deine Haut glühte, zuckte unter meinen Berührungen, als ich dir mit den Händen über den mir dargebotenen Oberkörper fuhr, über deine Brust, deine Bauchmuskeln, deine heißen Schultern streichelnd, und ich beugte mich seufzend wieder zu dir herunter, um dich leidenschaftlich zu küssen und mit der Zunge in deinen Mund einzudringen. Du bewegtest dich leicht unter mir, bissest sacht auf meine Zungenspitze, deine Hände glitten an meinem Körper herab und zerrten am Rest des Kimono, und ich spürte, wie schnell dein Herz schlug, wie erregt du warst. Ich konnte mich kaum beherrschen, nicht laut aufzuschreien vor Begierde. Dein Körper unter meinem, deine Haut an meiner Haut, deine Beine um meine Hüfte, dein willenloses Verlangen, all das erregte mich mehr, als ich je geglaubt hätte, dass ein Mann es vermögen könnte, aber es war so. Ich hatte nie zuvor etwas so schmerzhaft gewollt, wie ich jetzt dich wollte. All die Jahre, in denen du mir so fern gewesen warst, brachen sich jetzt Bahn, und ich war fast ein wenig grob, denke ich, als ich dir die Hose von der Hüfte zog und stöhnend deine Kehle küsste und mit der Zunge über deinen Bauch und deine Brustwarzen fuhr, kleine Bisse auf deiner Haut verteilte, während du bebend den Kopf in den Nacken warfst, was mich nur noch wilder machte. Ich war nicht mehr Kaoru. Ich war völlig weggerissen von meiner eigenen Leidenschaft. Und ich denke nicht, dass du noch über irgendetwas nachdachtest, so willenlos lagst du unter mir, strecktest dich mir entgegen. Ich weiß nicht, warum du das tatest. Vielleicht brauchtest du einfach den Hunger, der uns beide übernommen hatte.

Ich konnte nicht mehr warten. Ich hatte so lange gewartet. Rückblickend kann ich mich nur entschuldigen, aber es war mir egal in diesem Moment. Es war mir alles andere so egal, und wenn draußen im Gewitter die Welt untergegangen wäre, es wäre mir egal gewesen, während die Blitze über den Himmel und unsere nackten Körper zuckten. Ich spürte dich an mir, wie sich dein Körper bewegte, und hörte deinen heiseren Atem, und ich packte dich um die Hüfte und drehte dich herum, um zitternd die Arme um dich zu schlingen und deinen Nacken zu küssen, während du keuchend unter mir lagst, kaum dein Gewicht halten konntest, noch immer geschwächt, aber dich mir trotzdem entgegendrücktest. Ich hörte dich atemlos aufschreien, als ich in dich eindrang; ich muss dir sehr wehgetan haben, ich war rücksichtslos. Du wimmertest, als ich mich in dir bewegte, und ich sah, wie du deine Finger in die Decken kralltest, während sich dein Körper aufjaulend zusammenkrampfte, nur um sich gleich darauf bebend meinen Bewegungen entgegenzustrecken. Ich hörte, wie du leise stöhntest, als ich dich so brutal nahm; es war mir nicht möglich, mich zu zügeln. Deine Haut an meinem Körper, das erstickte Keuchen von dir, das Gefühl deines zuckenden Körpers unter meinen Händen, das alles ließ mich laut aufschreien, als ich so grob in dich stieß. Ich habe dir wehgetan, ich weiß es. Dein Schrei, als du zuckend kamst, übertönte meinen um Weites, er war sowohl lust- als auch schmerzerfüllt, und ich sah, wie eine Träne auf das weiße Kopfkissen fiel, als du kraftlos unter mir zusammensacktest. Ich ließ dich los und rollte mich keuchend von dir, eine Hand gegen meine Stirn pressend, während mein rasendes Blut langsam nur zur Ruhe kam.

Für lange Zeit hörte man nur den Gewittersturm vor dem Fenster. Du atmetest schwer und angestrengt, lagst mit dem Rücken zu mir und sprachst kein Wort. Ich lag auf dem Rücken, mit geschlossenen Augen, und keuchte noch leise, während meine Hände zitterten. Die Decke war zerwühlt, und Schweiß bedeckte unsere Körper, der uns rasch auskühlte, als sich die kühle Luft darauf legte.

Ich wandte nach einigen Minuten den Kopf und sah zu dir. Du drehtest dich nicht zu mir, lagst nur leicht zusammengekrümmt da, die Beine an den Körper gezogen. Ich öffnete den Mund, fragte dann aber doch nicht, ob ich dir wehgetan hatte. Vielleicht hatte ich Angst vor der Antwort, die ich eh schon kannte.

Warum hatte ich das nur getan! Nein, ich wusste es. Aber ich fing an, mich dafür zu hassen. War das Kaoru, der besonnene und kontrollierte Bandleader? Hätte ich mich nicht zügeln können, anstatt wie ein Hund alles zu bespringen, was sich mir darbot?

Mir wurde heiß, und ich schluckte, als ich spürte, wie meine Augen feucht wurden.

Großartig. Ich hatte soeben alles zerstört. Ich liebte dich; aber war das Liebe? Das war keine Liebe gewesen. Ich hatte mich benommen, als wärst du mir völlig gleichgültig. Sogar dein Aufschrei war völlig an mir vorbeigegangen. Hatte ich dich nicht beschützen wollen? Und wer beschützte dich vor mir?

Ich wagte es, den Kopf zu wenden. Du bliebst stumm, obwohl du die Bewegung gehört haben musstest. Ich sah, dass du nicht schliefst. Deine Finger zuckten gleichmäßig.

“Kyo...?” Du gabst keine Antwort.

Ich blieb eine Weile stumm neben dir liegen, auf einen Ellbogen gestützt, und beobachtete dich. Ich streckte einmal zaghaft die Hand nach dir aus, aber zog sie wieder zurück. Als ich dich leise aufschluchzen hörte, wandte ich ruckartig den Kopf ab und verbarg das Gesicht in den Händen. Heiß rannen meinen Tränen über mein Gesicht. Das hatte ich so nicht gewollt! Kyo... Warumono... Ich liebte dich doch...

Ich konnte nicht bleiben. Ich konnte nicht bei dir bleiben. Ich hatte den Drang, mich vor irgendetwas zu werfen, am besten einen Zug, damit ich dir nicht mehr wehtun konnte. Ich hatte alles kaputtgemacht. Mit fliegenden Fingern, meine Gedanken unterdrückend, zog ich mich an, rannte ins Bad, holte meine restliche Kleidung, die noch klamm war, aber das war mir egal. Dann schrieb ich dir einen Zettel, die Medikamente betreffend. Keine Unterschrift. Ich ging zurück in dein Schlafzimmer. Ich glaube, jetzt warst du eingeschlafen. Du atmetest ganz ruhig. Dein Körper war so ausgelaugt, vom Fieber und von mir. Ich legte dir die Medikamente mit dem Zettel neben den Futon, breitete die Decke über dich und zog sie dir bis zu den Schultern hoch. Ich wollte auf keinen Fall, dass du frieren musstest.

Dann verschwand ich aus der Wohnung und zog die Tür hinter mir ins Schloss. Ich ließ dich und mein Herz in der Stille zurück.
 

Die nächsten Tage verbrachte ich, glaube ich, mehr in einer Art Nebel. Alles, woran ich denken konnte, warst du. Weder konnte ich dein erregtes Stöhnen vergessen, als du unter mir gelegen hattest, noch dein leises Wimmern, als ich mich aus dir zurückgezogen hatte.

Was hatte ich nur getan! Ich hatte mich benommen wie ein Tier.

Ich verließ meine Wohnung nicht in den folgenden zwei Tagen. Der Regen draußen schien kein Ende zu nehmen, ebenso die dumpfe Benommenheit in meinem Herzen, die sich über den Schmerz gelegt hatte, nachdem ich betrunken genug war. Jedoch was ich auch tat, ich hatte ständig dein Schluchzen im Ohr. Dein Schluchzen, an dem ich schuld war.

Du warst krank gewesen, hohes Fieber hattest du gehabt. Selbst in einer normalen Beziehung wäre es nicht zu verantworten gewesen, was ich getan hatte.

Aber wir hatten keine Beziehung. Jetzt weniger denn je. Waren wir denn noch Freunde? Kaum.

Was ich getan hatte, grenzte an Vergewaltigung.

Ich hatte mich an dir vergangen, Warumono. Und ich konnte es nicht wiedergutmachen.

Aber ich liebte dich immer noch so sehr!
 

Am dritten Tag wachte ich morgens zum ersten Mal ohne Kopfschmerzen auf. Meine Wohnung schien mir wie von einem Grauschleier überzogen, und ich sah mich eine Weile abwesend um. Es kam mir vor, als sei ich in einer fremden Wohnung aufgewacht.

Alles war so still und leer.

Auf dem Tisch standen und lagen geleerte Flaschen, Zigarettenkippen türmten sich im Aschenbecher. Ich hatte seit zwei Tagen nicht mehr gelüftet, und raffte mich keuchend auf, um mich aus dem Fenster zu hängen und nach Luft zu schnappen.

Dann stützte ich den Kopf in die Hände und fing zum ersten Mal seit Tagen wieder an, hemmungslos zu weinen.
 

Ich schaffte Ordnung wie in Trance, nachdem meine Tränen versiegt waren, und als ich bei Die anrief, erklärte er mir, er hätte versucht, mich zu erreichen, aber ich sei nicht ans Telefon gegangen. Nein, Kyo habe sich nicht gemeldet. Nein, er sei an diesem Tag nicht zur Probe aufgetaucht. Was denn mit mir los wäre? Warum ich nicht dagewesen sei? Shinya und Toshiya hätten bei mir vorbeischauen wollen. Was denn überhaupt mit Kyo los wäre?

Ich bedankte mich und legte auf, ihn mitten im Satz abwürgend.

Dann stützte ich das Gesicht in die Hände, fuhr mir durch das Haar.

Vorbei. So konnte es nicht weitergehen.

Ich hatte Angst um dich. Was, wenn dein Fieber weiter gestiegen war? Niemand kümmerte sich um dich; die anderen wussten nicht, dass du ganz alleine warst. Und warum antwortetest du nicht auf Dies Anrufe?

Ich ging zum Telefon, streckte die Hand aus, ließ sie dann wieder sinken, setzte mich aufs Bett. Dann griff ich wieder nach dem Hörer, wog ihn unschlüssig in der Hand, machte eine Bewegung, als wollte ich ihn wieder weglegen. Schließlich wählte ich deine Nummer.

Ich weiß nicht, wie lange ich es habe klingeln lassen; lange, glaube ich. Niemand nahm ab.

Um Gottes Willen, am Ende war dir etwas zugestoßen, und ich war schuld! Es machte mich rasend.

Und liebte ich dich nicht glühend? Warum war ich jetzt nicht bei dir? Warum versuchte ich nicht wenigstens, mich zu entschuldigen?

Was hatte ich mir gedacht, mich so gehen zu lassen? Ich sollte bei dir sein! Ich sollte dir meine Liebe gestehen, da es jetzt nicht mehr schlimmer werden konnte, und selbst, wenn du mich jetzt hasstest, musste ich versuchen, alles wiedergutzumachen! Immerhin liebe ich dich. War das denn nichts?
 

Der Regen hatte aufgehört, als ich aus der U-Bahn stieg, in der Nähe deiner Wohnung. Trotzdem schlang ich die Jacke enger um mich. Ich fröstelte. Ich hatte keine Ahnung, was ich zu dir sagen sollte, als ich zu deiner Wohnung aufschaute, verloren unten auf dem nassen Asphalt stehend.

Ich klingelte lange bei dir, und mit jedem Herzschlag stieg meine Angst. Was war los? Wo warst du? Warum machtest du nicht auf?

“Bitte mach auf, Kyo”, schluchzte ich nach fünf Minuten erstickt und ließ die Stirn gegen die kühle Metalltür sinken. “Bitte...” Meine Finger ballten sich zusammen.

Ich zuckte erschrocken zurück, als die Tür aufging, und für einige Sekunden starrte ich dich nur stumm an, während mein Körper sich verkrampfte und mir das Herz bis zum Halse schlug. “Kyo...du...”

Du erwidertest meinen Blick wortlos und ohne zu blinzeln. Du hattest an Farbe gewonnen, sahst fast gesund aus. Aber du trugst nur eine Hose, und man konnte deine Rippen sehen. Deine Augen waren noch gerötet. Dein Blick war völlig emotionslos.

“... Wie geht es dir?”, brachte ich schließlich unter Mühe hervor. Ich steckte die Hände in die Taschen, um ihr Zittern zu verbergen.

Endlich wandtest du den Blick ab, aber nur kurz. “Es geht so”, murmeltest du kurz angebunden. Deine Stimme war rau und heiser.

“Hast du...” Ich zögerte hilflos. “... Die sagte, du seist nicht bei der Probe gewesen...”

“Ich war nicht in Stimmung.” Du drehtest dich um und tratest in den Flur, die Tür offen stehen lassend; ich schwankte kurz, dann folgte ich dir und schloss sie hinter mir. Dein Rücken und die Spitzen deiner Haare glänzten feucht. Du hattest wohl geduscht.

Ich atmete tief durch. “Kyo, ich...es tut mir leid!” Ich senkte den Kopf. Du sahst mich kurz stumm an, dann wandtest du dich halb ab.

“Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.”

Ich sah auf. “Aber...Kyo, ich...”

“Sag mir nur eins”, unterbrachst du mich wild und rissest den Kopf hoch, in deinen jetzt schmerzerfüllten Augen sammelten sich Tränen. Du hieltest schützend die Arme vor der Brust verschränkt. “Du hast doch bekommen, was du wolltest. Warum bist du jetzt wieder hier?”

Ich starrte dich eine Weile mit offenem Mund an, wie du dastandest, deine kleinere Gestalt aufrecht trotz deiner Auszehrung; du erwidertest meinen Blick anklagend und voller Qual. Aber das war doch...! Ich brauchte eine Weile, um mich wieder zu sammeln. “Kyo...ich liebe dich!”

Als du wegsahst, brach es mir fast das Herz. “Stimmt; das hast du.”

“Es ist die Wahrheit!” Ich packte dich an den Schultern, du sahst mich unwillig an. “Ich liebe dich seit Jahren! Ich konnte es dir nie sagen. Es tut mir leid, was geschehen ist. Aber es ändert nichts an meinen Gefühlen!”

“Kaoru...” Du sahst zu mir auf, und deine dunklen Augen füllten sich stumm mit Tränen.

Ich zog dich an mich und strich dir zitternd über die Wange. “Ich liebe dich”, flüsterte ich und küsste dich zärtlich. Du zucktest zusammen unter meinen Lippen, aber drehtest das Gesicht nicht weg; und als ich mich von dir löste und dir stumm in die Augen sah, sah ich, dass du zittertest. “Was hast du denn?”, flüsterte ich verzweifelt und ließ dich vorsichtig los. “Habe ich dich irgendwie verletzt?” Anstatt zu antworten, warfst du dich mir auf einmal aufschluchzend in die Arme. Ich hatte dich noch nie so aufgelöst erlebt, und ich war fast ein bisschen erschrocken über den Grad deiner Emotionalität. Zögernd legte ich die Arme um dich und spürte, wie du dich eng an mich schmiegtest. “Kyo...was hast du denn...” Ich strich dir über den bloßen Rücken, versuchte, dich irgendwie zu beruhigen, während du hemmungslos weintest und die Hände in den Rücken meiner Jacke gekrallt hattest.

“Kaoru...ich...ich wollte nicht...ich dachte, dass...ich wollte nicht, dass du gehst”, wimmertest du erstickt. Ich presste deinen bebenden Körper an mich und schloss die Augen.

“Ich dachte mir, du würdest mich sicher nie wiedersehen wollen”, wisperte ich in deinen zerzausten Blondschopf.

“Kaoru...” Ich spürte, wie sich deine Nägel in meinen Rücken gruben. “Ich hasse dich...ich hasse dich...!!” Du schluchztest auf und sacktest in meinen Armen zusammen, so dass wir beide gemeinsam zu Boden sanken, du das Gesicht an meiner Brust vergraben und erstickt weinend, während ich dich stumm streichelte. “Ich hasse dich, Kaoru”, wiederholtest du atemlos. “Du bist ein Verräter und...du solltest nicht gehen...und du hast mir wehgetan...! Ich will dich nie mehr wiedersehen...” Ich zog dich fester an mich, und dein Griff verstärkte sich ebenfalls; als würdest du dich vor einem großen Sturm an mir festhalten.

“Dann gehe ich”, flüsterte ich leise, während mir heiße Tränen über die Wangen rannen. “Wenn du nicht willst, dass ich hierbleibe, lasse ich dich in Ruhe. Für immer, wenn du willst. Ich kann es verstehen, wenn du...”

“Ich habe gesagt, du sollst nicht gehen”, flüstertest du wild und hobst den Kopf, um mir ins Gesicht zu sehen. Unsere Blicke trafen sich, und einige Sekunden lang verharrten wir schweigend vorneinander, bis du mich plötzlich stürmisch küsstest, dass mir fast schwindelte. Ich versteifte meinen Griff um dich, dann, als ich spürte, wie du dich zitternd an mich drücktest und wie kompromisslos deine Lippen meine in Besitz nahmen, erwiderte ich den Kuss vorsichtig und streichelte dich, bis du dich entkrampftest und deine Lippen weicher wurden, während ich dich weiterhin zärtlich küsste und dein Gesicht streichelte.

Ich fühlte ganz schwach nur, wie du anfingst, scheu zu lächeln und schließlich leise zu lachen, die Arme um meinen Nacken legend und dich eng an mich ziehend, und ich musste ebenfalls überglücklich lächeln in unseren Kuss, und ich war froh, dass ich auf dem Boden saß, denn sonst wäre ich sicher umgefallen. Mein Herz schlug schnell und wild wie nie zuvor, während ich dich auf meinen Schoß zog.

Du löstest dich von mir, um keuchend nach Luft zu ringen, und ich sah in deine Augen, die strahlten, und atmete seufzend aus, als deine Mundwinkel zuckten, weil du so glücklich aussahst, auch wenn dein Blick etwas unsicher war. Ich musste leise lachen, streichelte dein Gesicht, und legte meine Hand an deine Wange, als du anfingst zu lächeln. Ich sah dir stumm in die glitzernden Augen, dich fest in den Armen haltend, und wollte dich nie wieder loslassen. Ich küsste sanft deinen Mundwinkel.

„Lass das sein... Ich hasse dich, Kaoru....wirklich...“
 

Wir Menschen haben Angst davor, den ersten Schritt zu machen. Jeder von uns fürchtet, es könnte der letzte sein.

Aber wohin werden wir je gelangen, wenn wir nicht beharrlich Schritt vor Schritt setzen, dem Gegenwind die Stirn bieten?

So sind wir Menschen. Wir sind allesamt furchtsame Dummköpfe.

Aber manchmal können auch wir glücklich werden. Das weiß ich.
 

Owari



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Last_Tear
2011-11-02T23:02:07+00:00 03.11.2011 00:02
Nyan o.o
Gestern nacht noch drüber gestolpert, aber zu müde zum lesen gewesen ^-^
*hust*
Nyan °-°
Also first of all: Wow.
*Text anstarr*
So schön geschrieben >__<
Nein, ich finde nicht, dass Kyo zu ukig geraten ist O.o
Zuerst war er krank und dann verzweifelt? Ja, doch ich glaub, dass trifft es ^-^
Verzweifelt weil er sich auch in Kao verliebt hat und nicht weiß wie er damit umgehen kann oder so @.@
*miep*
Aber armes Kao-chan .__.
Ja, so ne Situation hatte ich auch schonmal deswegen kann ich das sehr gut nachvollziehen ^--^
*shivers*
Krankes Kyo-chan zum Knuddeln und Lieb haben X___X
*fiep*
So viel zum Thema nicht cute
*hust*
Aber faszinieren O_O
Gut, theoretisch hat Kao ihn nicht vergewaltigt, weil Kyo es ja auch wollte, er hat nur die Kontrolle über sich verloren ^-^
*hust*
Eto...ja, brav, dass er dann noch mal zurück geht o.o
Und zuerst dachte ich wirklich, dass Kyo ihn nicht reinlasst oder die Tür vor der Nase wieder zuschlägt
XD
Nya *purr*
Schöne Story, wirklich sehr sehr sehr schön ♥
Von:  JamieLinder
2011-11-02T19:05:52+00:00 02.11.2011 20:05
Sprachlos, einfach nur Sprachlos bin ich.
Verdammt, du kannst so toll schreiben.*w*
Die Sichtweise, die du diesmal benutzt hast, lässt mich vor respekt vor dir erzittern. (im positiven Sinne. xD)
Manchmal musste ich ehrlich nochmal nachlesen, weil ich dieses Wort nicht kannte, also in der Vergangenheitsform. Oder >Stirnen< Was das fürn Wort ?! xD
So saß ich grade vorm PC. : "Stirnen...Deine Sitrn, Meine Stirn Unsere Stirn... Die Stirnen ?!" *am Kopf kratzt* "Argh, es ist zu kompliziert für mich.">___<
Ich bin jah froh, dass ich meine kleine Rechtschreib- % Grammatikschwäche überwunden haben, ABER BEI SOWAS kann mein Hirn nicht mehr... xD
Aber ich bewundere dich dafür wirklich & finde diese Form auch wirklich klasse. Eventuell kommen ja noch mehr Storys in der Form ?! ;D ♥

Irgendwie find ich es langsam merkwürdig, dass immer nur ICH Kommis schreibe, bestimmt ist es dir auch schon nervig geworden.xD
Aber ich verstehs wirklich nicht, sind die Leute zu faul eine etwas längere Story zu lesen ?! Oder keine Ahnung...*seufz*

Die Story gefällt mir, sogar noch mehr als die mit dem Joghurt, du weißt welche ich meine. ;D Sie ist so extrem süß und man MUSS, JAH MAN MUSS WIRKLICH mit Kaoru mitleid haben und einfach mitfiebern. *sabber*
Wie gesagt, ich bin einfach mal extrem sprachlos. Ein wunder dass es doch so ein lanes Kommi geworden ist...*hust* ♥♥♥


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