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Doppelspiel

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Doppelspiel

Es war jeden Tag ein Kampf. Jeden Tag Tabletten zurechtlegen, jedes Mal seine Hand aufhalten, bevor die Tablette im Müll landete, anstatt auf dem Frühstückstisch. An vielen Tagen schaffte er es, die Tablette strahlte neben den frisch gerösteten Brötchen, aber an manchen Tagen landete die Tablette im Müll und eines seiner Globuli dafür neben dem Teller. Er wußte, er war mies, er wußte, es war krank, was er tat, doch es hörte nicht auf. Er konnte einfach nicht anders. Heute genauso wenig.

Dann ging er ins Schlafzimmer, wo Malik wie jeden Morgen verschlief. Wecker konnten noch so laut sein, sie weckten den schlanken Ägypter nicht, der sein Gesicht nur noch tiefer ins Kissen grub und seelenruhig weiterschlief. So machte Ryou jeden Morgen das Frühstück und weckte Malik, sobald es fertig war.
 

Verschlafen blinzelten zwei fliederfarbene Augen Ryou an, dann stahl sich ein sanftes Lächeln auf das weiche, jungenhafte Gesicht.

„Guten Morgen, Süßer“, wisperte Malik, dann setzte er sich auf, gähnend und sich streckend.
 

Ryou lächelte ebenfalls, beugte sich zu Malik über das breite Bett, um diesem einen sanften Kuß zu geben. „Frühstück ist fertig, du Langschläfer.“
 

Wenig später saßen sie am Frühstückstisch und Malik schluckte ahnungslos die falsche Tablette, was Ryou wie immer mit Argusaugen beobachtete. Erst dann konnte er essen.

Ihm klebte noch Honig am Mund, als Malik ihm einen Abschiedskuß gab.
 

„Wieso hast du eigentlich immer so spät Kurse, Ryou? Du hast dieses Jahr ja echt Schwein gehabt.“ Lachend nahm Malik seine Tasche, dann ging er winkend aus der Wohnung.
 

„Nächstes Jahr hast du mehr Glück“, rief Ryou ihm ebenfalls lachend nach. Er verschwieg, daß er absichtlich spätere Kurse genommen hatte, um Malik jeden Morgen rechtzeitig wecken zu können. Dann räumte er den Frühstückstisch ab und versuchte, die Tablette im Mülleimer nicht anzusehen. Eierschalen drüber, dann war es gut.

Jetzt blieb ihm nur noch, die Besorgungen des heutigen Tages aufzuschreiben, bevor er selbst zur Universität mußte. Ryou mochte Listen, alles sah dann gleich viel ordentlicher und leichter aus. Einkaufen, Maliks Rezept einlösen, Globuli kaufen, neue Duftmischung für den Kamin besorgen, Wäsche machen.

Zufrieden nickend steckte Ryou den Zettel ein, dann kontrollierte er noch jedes Zimmer, ob auch alle Fenster zu waren. Mit seinem Rucksack auf dem Rücken ging es dann los zur Universität. Mit der U-Bahn, im Stehen. Ryou ignorierte inzwischen die anderen um ihn herum, er träumte lieber von später. Vielleicht heute Abend?
 

Es war später Nachmittag, als Ryou heimkehrte. Es roch nach Kirschkuchen, Maliks Geheimrezept. Ryou lächelte, als er sich schnell in sein Arbeitszimmer verzog und seinen Rucksack unter den Schreibtisch schob.
 

„He, Süßer, ich hab die Wäsche erledigt!“ Malik kam dann auch gleich, strahlend, zufrieden. Er lehnte sich in den Türrahmen. „Und du?“
 

„Ich hab den Rest gemacht, danke dir. Hier sind deine Tabletten.“ Ryou lächelte weiter, ging zu Malik und drückte ihm die Schachtel in die Hand. „Hm, ich frage mich, ob es heute etwas zu feiern gibt?“
 

„Mit dir jeden Tag.“
 

Maliks Augen waren so voller Ehrlichkeit, daß Ryou sich nur noch schuldig fühlen konnte. Er lächelte bemüht liebevoll, wollte nicht, daß Malik ihn fragte, ob etwas vorgefallen sei. Wenn er die Wahrheit kannte, er würde Ryou nur noch verachten und das könnte der nicht ertragen. „Du bist viel zu nett zu mir. Schon wieder Kuchen?“
 

„Dir schmeckt er doch auch immer wieder.“
 

Sie gingen in die Küche und redeten über ihre Professoren, Kurse und Kommilitonen, während sie Kuchen aßen und Tee tranken. Viel zu schnell für Ryous Geschmack wurde es dunkel und kühl und Malik erklärte, er wollte den Kamin anheizen. Ob Ryou etwas dagegen hätte?
 

„Natürlich nicht, ich... ich hole nur mal die Duftmischung für ihn.“ Er stand auf und räumte automatisch sein Geschirr in die kleine Spülmaschine, dann ging er in sein Zimmer. Die Duftmischung... Ryou zog zwei Packungen aus dem Rucksack. Es waren fast dieselben, nur daß die eine auch nach Weihrauch roch. Nervös zerrte er die Etiketten ab, klebte die unverdächtige auf die Packung mit Weihrauch. Er war irre, er wußte es. Aber er konnte sich einfach nicht beherrschen...

Mit der Duftmischung und einem Lächeln kam er schließlich ins Wohnzimmer, im Kamin flackerte bereits ein Feuer. Malik fand den Anblick immer beruhigend, auch wenn er immer Mühe hatte, es zu entfachen. Ryou fragte sich immer, was genau alles Malik in den Flammen sah, daß er sie am Anfang so fürchtete. Vor einem halben Jahr war es wesentlich schlimmer gewesen, da war Malik nicht mal freiwillig in die Nähe des Kamins gegangen.

Malik ließ sich auf das Sofa fallen und streckte seufzend seine bestrumpften Füße dem Feuer entgegen. Ryou streute zuerst die Duftmischung in das Feuer, dann stellte er die Packung auf den Kaminsims, bevor er sich zu Malik gesellte und sich ankuschelte. Nicht mehr lange...

Er mußte eingedöst sein, denn er erwachte von dem Geräusch lauten Knackens. Orientierungslos starrte er zum Kamin, dann nahm er die wesentlich massigere Gestalt davor wahr, die unbeeindruckt Bier in das Feuer goß.

„B-bist du das? Mariku?“
 

Ein verzerrtes, gealtertes Gesicht wandte sich Ryou zu, die Augen voller Hohn und Spott. „Na, sieh mal einer an, wer da wieder angekrochen kommt. Der kleine Ryou. Oder eher das größte Miststück?“
 

Ryou sah fort, er fühlte sich gleichzeitig schuldig wie auch erleichtert. „Du mußt mir meine Fehler nicht unter die Nase reiben. Ich kenne sie mit Sicherheit besser als du.“ Seine eigene Stimme klang rauh in seinen Ohren, geradezu schmerzhaft.
 

„Du bist ja echt schwach, Kleiner. Oder bringt es meine bessere Hälfte im Bett nicht so gut wie ich?“ Mariku knallte die Bierdose auf den Tisch und grinste dämonisch. „Warum sonst zerrst du mich aus den Tiefen von Maliks Unterbewußtsein?“
 

Ryou biß sich auf die Lippen und zögerte. Schließlich erwiderte er: „Das ist schwer zu erklären.“
 

„Larifari. Du willst es nur nicht zugeben, das ist alles. Könnte mir aber auch recht sein, aber...“ Mariku setzte sich mit Schwung auf das Sofa, sodaß Ryou gegen ihn fiel. „Oh, so eilig? Dabei haben wir uns noch gar nicht unterhalten. Oder willst mich nicht mit demselben öden Geschwafel wie Malik eindecken?“
 

Ryou stemmte sich hoch und bedachte Mariku mit einem kühlen Blick. „Du mißverstehst mich. Wie immer.“
 

„Dann mach nicht immer die Käfigtür auf oder war das diesmal mit der Tablette und dem Weihrauch nur ein Versehen?“ Mariku legte einen kräftigen Arm um Ryous Schulter und zog den so zerbrechlich wirkenden jungen Mann näher. Für einen Moment war alles ruhig, dann packte er Ryou fest in den Haaren und zog dessen Kopf nach hinten.
 

„Au, laß los!“ stieß Ryou gequält hervor und zappelte unter dem unnachgiebigen Griff. Es fühlte sich an, als würde Mariku ihm die Haare aus der Kopfhaut ziehen. „Was willst du hören, verdammt? Du glaubst mir doch sowieso nicht.“

Marikus Griff ließ nach, gerade genug, daß es nicht mehr schmerzte, und Ryou entspannte sich wieder.
 

„Versuchs doch. Bisher höre ich immer nur Ausflüchte von dir. Ich bin kein Studienobjekt für doofe Küchenpsychologen, also machs Maul zur Abwechslung mal zum Reden auf.“
 

„Das ist neu“, antwortete Ryou trocken.
 

„Ja, es ist neu, daß du nen Arsch in der Hose hast, Kleiner.“
 

„Wäre dem nicht so, du würdest dich wohl kaum mit mir abgeben“, schoß Ryou zurück. Er starrte Mariku grimmig an, dessen Blick war amüsiert.
 

„Ok, hast recht. Also wieso bin ich hier?“
 

Ryou holte tief Luft und bevor ihn der Mut wieder verlassen konnte, murmelte er: „Weil ich dich vermißt habe, du ungehobelter Kerl. Ich liebe dich.“

Die Stille nach diesem Geständnis war so ohrenbetäubend, daß Ryou am liebsten aufgesprungen wäre, um die Stereoanlage oder den Fernseher anzuschalten. Irgendetwas zu tun, um die Schlagkraft seiner eben gesprochenen Worte zu mildern. Doch seine Beine waren wie gelähmt und so blieb er sitzen, stocksteif, während Mariku langsam die Hand aus seinen Haaren nahm.
 

Dieser stand dann auf, nahm die Bierdose, drehte sie ein paarmal in der Hand, bevor er sie durchs halbe Zimmer schmiß. „Dabei habe ich doch heute gar nicht so viel gesoffen“, murmelte er, dann schwieg er einen endlosen Moment lang. Ryou klopfte das Herz bis zum Halse und er wünschte sich plötzlich sehnlichst, seinen Mund gehalten zu haben. Über Gefühle hatten sie bisher nie gesprochen, nicht diese Art von Gefühlen jedenfalls.
 

„Du bist irre!“
 

Ryou zuckte zusammen, er senkte den Kopf, dann nickte er.
 

„Und was ist mit Malik?“
 

„Ich liebe ihn auch. Ihr seid doch... zwei Hälften eines Ganzen...“
 

Mariku schnaubte wie ein Walroß. Ryou wußte, auch ohne einen Blick zu riskieren, daß dieser ihn nun mit bohrendem Blick ansah. „Du weißt, weder er noch ich sehen das so.“
 

„Maliks Psychologe...“
 

„...verdient es, daß man ihm die Gedärme rausreißt!“ fiel Mariku Ryou lautstark ins Wort, sodaß Letzterer zusammenzuckte. „Glaubst du eigentlich jeden Scheiß, den dir diese erbärmliche Kreatur erzählt? Du bist noch verrückter als ich angenommen habe! Ist es das, was du willst? Uns beide als praktisches Milchmixgetränk, damit du nachts wieder besser schlafen kannst?“ Mariku machte einen langen Schritt, dann riß er Ryou vom Sofa hoch und schüttelte ihn. „Du hast echt Prügel verdient, du fremdfickende Mistfotze.“
 

Ryous Blick verdüsterte sich und er riß sich gewaltsam los. „Du gehst zu weit.“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Wispern, doch Mariku trat zurück. Vorerst. „Glaubst du, du kannst mich mit meinen eigenen Unzulänglichkeiten quälen? Glaubst du, du hast dazu ein Recht? Du läßt es doch selber geschehen.“
 

Mariku grinste teuflisch. „Ryou, Ryou! Nur weil ich nichts auf Ethik gebe, heißt das nicht, daß ich davon keine Ahnung hab. Du hingegen stehst doch auf diese Gutmenschen-Nummer, sonst würdest du dich doch nicht jedes Mal, wenn wir uns sehen, selbst kasteien. Oh, ich bin ja so böse, wie kann ich nur mit zwei Männern was haben? Oh, ich armes, kleines Ding, ich bin ja so schwach, mich gegen meine Triebe zu stellen... Laß es einfach und sei einmal ehrlich zu dir selbst.“
 

Ryou drehte sich stumm weg. Wieso schaffte es dieser Mann nur immer, jede seiner Verteidigungslinien zu durchbrechen? Oder war er so leicht zu durchschauen? Er zitterte. Er mochte es nicht, wie dieser Abend sich entwickelte. Er spürte Mariku hinter sich, die feinen Härchen auf seinen Armen und in seinem Nacken stellten sich auf und dieses dunkle Begehren riß ihn fast zurück, riß ihn fast entzwei. Doch er widerstand. Noch.

Plötzlich wurde Ryou aufs Sofa gerissen und ein schwerer, heißer Körper legte sich auf seinen Rücken. Er wehrte sich dieses Mal weder mit Worten noch mit Gesten.
 

„Wie ich es mir dachte“, murmelte Mariku in Ryous Ohr, dann leckte er genüßlich über die Ohrmuschel. Ryou unter ihm erbebte und seine Wangen färbten sich rot. „Ich könnte dich direkt fressen“, murmelte Mariku, bevor seine Lippen tiefer glitten und Ryous weißen Hals mit roten Malen übersäte.
 

Ryou selbst preßte seine Lider fest aufeinander. Er fühlte die Hitze, die er so ersehnt hatte, auf sich, in sich, und doch schämte er sich, wie immer. Ja, er wollte Mariku, egal wie. Dafür manipulierte er sogar den Menschen, dem er Treue und Liebe geschworen hatte. Den Menschen, der seine andere Seite aus tiefstem Herzen verabscheute. Würde er es jemals erfahren, Ryou würde ihn verlieren. Und doch konnte der nicht aufhören... Weil er nicht aufhören wollte. Da, jetzt hatte er es sich selbst eingestanden. Es ging nicht ums Können, es ging nur um das Wollen. Und Ryou wollte nicht nur Malik, er wollte auch Mariku. Er wollte alles und wußte doch zu gut, daß er am Ende mit gar nichts dastehen konnte.

Er ließ sich Hose und Unterhose abstreifen und als Mariku sich über ihm abstützte, schob er seine Beine über die Sofakante, bis er kniete und seinen Oberkörper auf dem Sofa auflegen konnte. Er wußte, morgen würde er wieder höllische Knieschmerzen haben.
 

„Und bist du inzwischen zu einem Ergebnis gekommen?“ Marikus Stimme war wie immer rauh vor Erregung.
 

Zwei feuchte Finger drückten sich ohne großes Federlesen in Ryous Eingang. Ryou biß sich auf die Lippen, während er sich entspannte. „Daß du Glück hast, daß bei mir inzwischen auch Speichel reicht?“
 

Mariku schnaubte unbeeindruckt. „Nein. Ein Ergebnis dazu, was wir eben besprochen haben.“ Seine Finger bohrten sich tiefer.
 

„Ich liebe dich“, antwortete Ryou mit einem kleinen Lächeln. Dann stöhnte er auf, streckte seinen Rücken durch und damit sein Hinterteil Mariku nur noch mehr entgegen.
 

„Trottel“, war Marikus einfache Antwort, doch die Beleidigung klang nur halbherzig.
 

Während ihre Leiber eins wurden, fragte Ryou sich zum wiederholten Male, wieso er sich in diesen Mann verliebt hatte. Sie hatten so gar nichts gemein und Mariku konnte mit Gefühlen nicht umgehen, nur mit Gelüsten. Doch von dem Moment an, wo Ryou Maliks andere Seite kennengelernt hatte, den anderen Mann in dessen Körper, war er von diesem unerbittlich angezogen worden. So sehr, daß er Malik absichtlich triggerte, nur um ein paar Stunden mit Mariku verbringen zu können.

Ryou schalt sich erneut als krank, doch wieder blieben nur diese Worte übrig: „Ich liebe dich!“

Er schrie sie immer wieder hinaus, während die Hitze der Sünde sich durch seinen Leib fraß und ihn so herrlich erschaudern ließ. Während große, grobe Hände unter sein Hemd glitten und fest zupackten.

Spielte es überhaupt eine Rolle, warum er so für Mariku fühlte? Würde es aufhören, würde er die Antwort kennen? Er stöhnte und wußte, daß dem nicht so war.

Seine Finger klammerten sich in die Sofa-Polsterung, sein Atem ging heftig und er spürte, er würde nicht mehr viel Zeit haben. Es war wohl nie genug!

Schreiend ließ er sich fallen und für einen Moment wurde seine Welt weiß.
 

Als er wieder zu Bewußtsein kam, lag er auf dem Sofa, eine Decke war unordentlich über ihn ausgebreitet worden und Ryou zog bibbernd seine Zehen unter diese. Es war draußen noch dunkel, wie er erleichtert bemerkte. Das Feuer im Kamin war fast ausgebrannt und die wenige Glut warf ein schauriges Bild in Rot auf den normalerweise hellen Holzfußboden.

Wo war Mariku?

Müde zog Ryou die Decke um sich und stand auf. Lange mußte er nicht suchen, Mariku stand draußen auf dem Balkon, die Tür sperrangelweit offen.

Kein Wunder, daß es ihm Wohnzimmer so kalt war, dachte Ryou abwesend, der in seine Hausschuhe schlüpfte und sich zu Mariku gesellte.

Der hatte sich noch ein Bier aufgemacht, seine Hose stand offen und das Hemd hatte er wohl während ihrer Leidenschaft verloren. Er starrte wie hypnotisiert in die Luft, nur ab und zu nahm er einen Schluck aus seiner Dose. Ryou bemerkte er offenbar gar nicht.

„Hey“, meinte der also schlicht und lehnte sich gegen das Geländer.
 

Mariku brummte nur etwas in seinen nicht-vorhandenen Bart und leerte die Bierdose.
 

Auf einmal fühlte Ryou sich unbehaglich. In einem Versuch, das Zittern, das nicht von der Kälte herrührte, zu überspielen, zog er die Decke enger um sich.
 

„Du bist echt ein Trottel.“ Mariku klang müde, als er sich Ryou zuwandte und diesen taxierte. „Warum hast du vorhin nicht deine Klappe gehalten?“
 

„W-was meinst du?“ erkundigte Ryou sich, auch wenn er eine ziemlich ausgeprägte Ahnung hatte, worauf sein dunkler Liebhaber hinaus wollte. Hätte er vorhin doch nur geschwiegen! Aber er hatte es sagen müssen, er hatte gedacht, Mariku sollte es wissen.
 

„Das mit deiner sogenannten Liebe.“ Mariku traf mühelos ins Schwarze. „Ganz ehrlich, der Sex heute war total scheiße und das nur, weil du deine Klappe nicht halten konntest.“
 

Ryou blinzelte. „Wie bitte? Ich habe keinen Unterschied gemerkt.“
 

Mariku lachte höhnisch auf. „War ja klar! Du kapierst auch gar nichts, oder? Dann muß ich es dir halt so sagen: Ich stehe nur auf deinen heißen Körper, der Rest ist mir ziemlich egal. Liebe versaut mir da nur meinen Spaß.“
 

Ryou hätte sowas erwarten müssen, er hätte darauf vorbereitet sein sollen. Dennoch schmerzte jedes Wort, als hätte Mariku ihm einen Dolch in die Rippen gestoßen. Mühevoll atmend trat Ryou zurück, taumelte und fiel gegen die Hauswand. Er biß sich auf die Lippen, als seine Ellbogen über den rauhen Putz schürften.
 

Mariku beobachtete ihn regungslos. Er machte keine Anstalten, Ryou zu helfen. „Paß lieber auf, sonst landest du noch mit deiner hohlen Birne auf dem Asphalt.“
 

„Du bist so ein Arsch!“
 

„Das wußtest du von Anfang an. Also hör auf, jetzt auf verletzt und beleidigt zu machen. Ich bin nicht wie Malik. Ich bin auch nicht wie deine anderen Freunde, diese öden, kleinen Spießer voller Scheiß-Optimismus und ständig mit so einem nichtssagenden Freundschaftsspruch auf den Lippen.“ Mariku kräuselte angewidert die Lippen. „Ich bin auch nicht wie dein Ringgeist, mich würde es nicht kümmern, wenn du stirbst.“
 

„Der Ring ist fort und damit der Grabräuber. Der Pharao ebenso. Nur du bist noch da.“ Ryou rieb sich über seine brennenden Ellenbogen.
 

„Ich bin ja auch kein Geist. Wäre wohl einfacher, ich wäre nur einer, dann könntet ihr mich alle schön vergessen.“ Mariku warf die Dose vom Balkon und Ryou zuckte zusammen, als das Geräusch von Metall auf Metall die Luft zerschnitt. „Wäre wohl auch besser so“, meinte Mariku leiser. „Ich hab eh ausgedient. Keine Magie mehr, keine Feinde... Und saufen und ficken hört auch irgendwann auf, spaßig zu sein, wenn das alles ist, was einem bleibt. Entweder ich sitze in Maliks Psyche fest oder in dieser Wohnung mit dir als meinem liebeskranken Gefängniswärter.“
 

Ryou straffte sich und trat vor, um Mariku eine Hand auf die Schulter zu legen. Ehrlich sah er diesem in die Augen „Wir könnten ja mal weggehen!“
 

Marikus finstere Miene wandelte sich zu einer verblüfften. „Ich glaube, jetzt hast du endgültig den Verstand verloren.“ Er packte Ryous Hand und drückte zu, bis Ryou vor Schmerz wimmerte.
 

„Hör auf, laß das!“
 

„Nein, du sollst es endlich lassen!“ brüllte Mariku los und schubste Ryou zurück ins Wohnzimmer, er folgte diesem mit langen Schritten. „Du sollst es endlich lassen, mich rauszuholen, mit mir zu spielen und dich dann am nächsten Tag reumütig in Maliks Arme zu werfen!“
 

Ryou wich zurück. Er hatte Mariku schon öfter wütend erlebt und er wußte, daß der dann alles andere als sanft war. Doch dieses Mal war es anders... Dieses Mal fühlte er, daß er Mariku zu sehr gereizt hatte. Ein dummer Fehler, einer, den er hätte vermeiden können.

„Also soll ich dich einfach in Maliks Unterbewußtsein herumgeistern lassen, obwohl dir das auch nicht gefällt?“ versuchte er in bemüht ruhigem Ton die Situation zu entschärfen. Und tatsächlich hielt Mariku inne, starrte sein Gegenüber an.

„Du beschwerst dich, wenn ich dich rauslasse, aber gleichzeitig beklagst du dich, daß dir die Abwechslung fehlt.“
 

„Du bist ein...“ Mariku machte ungeduldig eine wegwischende Geste.
 

„Zumindest bin ich nicht so unentschlossen wie du!“ Voller Verwunderung beobachtete Ryou dann, wie Marikus Leib zu beben begann und dann hörte er kurze, abgehackte Lacher.
 

„Du... Du seist...?“ Mariku beugte sich vor, ihm liefen Tränen über die Wangen, während er keuchend nach Luft schnappte. „Du bist hier der einzig Unentschlossene, Ryou! Ich verletze dich, ich beleidige dich, ich tue alles, wirklich alles, damit du diesen Unsinn bleiben läßt... Und du? Du kannst dich nicht entscheiden. Du bist so hin- und hergerissen zwischen den beiden Menschen in diesem Körper, daß du weiterhin versuchst, beiden nachzujagen.“
 

„Unsinn? Mariku, ich... ich verstehe dich nicht!“ Und doch konnte Ryou sich eines schlechten Gefühls nicht erwehren. „Kann ich nicht... alles haben?“ In seiner Stimme schwang die Sehnsucht mit, die immer an die Oberfläche drängte, wann immer er es sich erlaubte, Schwäche zu zeigen. „Kann ich nicht zwei lieben?“
 

Marikus Gesicht hatte das Amüsement verloren, er wirkte ruhig, während er sich die Tränen von den Wangen wischte. „Nein. Du kannst mich nicht lieben, das darfst du nicht. Du hast Malik und er kann dir alles bieten, inklusive Gefühlen. Du kannst und darfst mit mir Sex haben, mit mir streiten, mich abkanzeln und dich mit mir schlagen, aber du darfst mich nicht lieben.“
 

„Weil du keine Liebe verdient hast? Das ist doch Unsinn! Ich lie...“

Ryou prallte zurück, als Marikus flache Hand mit aller Kraft seine Wange traf. Für einen Moment stand er wie benebelt da, dann fingen die Tränen an zu fließen und mit einem schier unmenschlichen Schrei stürzte er sich nun seinerseits auf Mariku. Er hatte nicht dieselbe Körperkraft wie jener, aber seine Wut war so groß, daß es ihm tatsächlich gelang, Mariku auf den Boden zu drücken und ihm seine Faust mitten ins Gesicht zu schlagen. Blut sprudelte.

„Ich wünschte, du wärst tot! Ich wünschte, du wüßtest zu schätzen, was ich für dich tue.“
 

„Du Miststück!“ Mariku rammte Ryou eine Faust in den Magen, mit der anderen traf er hart dessen Gesicht.
 

Ryou krümmte sich hustend zusammen, spürte, wie seine Lippen platzten und Blut tropfte auf seine Hände, die Decke, die sich gelöst hatte, auf Marikus Gesicht. Wie von Sinnen schlug er nach dem Mann unter sich, hinterließ tiefe Kratzspuren und Flecken. Alles verschwamm, während Mariku ihn grob beiseite stieß und sich aufsetzte. Dessen Flüche und Beleidigungen nahm Ryou kaum mehr wahr. Er hatte nur ein Ziel: Nochmal zuzuschlagen, alles zu vergessen, alles einfach zu zerreißen, sich selbst zu zerfetzen bis aufs Mark, bis alle die Wahrheit sehen konnten. Sie alle sollten es sehen! Und sie sollten Mariku sehen. Mariku in ihm, Mariku um ihn... „Ich liebe dich, ich werde dich immer lieben! Verdammt, warum liebst du mich nicht?“

Mariku wehrte sich mühelos, doch Ryou ließ nicht nach, er bohrte seine Fingernägel in Marikus Bizeps, versenkte seine Zähne in dessen Hand. Ein Teil von ihm wußte, er gebärdete sich wie ein wildes Tier, doch dieser Teil von ihm konnte das Geschehen nicht aufhalten.

Der Kampf schien endlos zu dauern und das Einzige, was ihn schließlich beendete, war die Schwärze, die rund um Ryous Gesichtsfeld einsetzte, bis alles, was er sehen konnte, ein Paar uncharakteristisch mitleidiger, fliederfarbener Augen war.
 

Licht stach durch Ryous Lider direkt in sein Hirn. Mit einem gequälten Stöhnen rollte er sich auf die Seite und krümmte sich zusammen, als scharfer Schmerz durch seinen Leib schoß und sofort jeden Gedanken ans Aufstehen unterdrückte. Seine Lippen spannten ekelhaft und schmerzten, außerdem schmeckte er Metall. Es dauerte einen Moment, bis er sich erinnern konnte, was geschehen war. Mariku! Er öffnete die Augen und es dauerte einen Moment, bis er seine Umgebung wieder wahrnahm.

Ein besorgtes, fliederfarbenes Augenpaar blickte auf ihn herab. Ryou starrte sie zuerst stumm an, bis er bemerkte, daß der Mann, der sich gerade über ihn beugte und über seinen Rücken tastete, Malik war.
 

„Du lieber Himmel! Ryou, ich... ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte. Ich... Es tut mir so leid. Verzeih mir. Ich dachte, alles sei in Ordnung mit den Tabletten und... Ryou? Mach dir keine Sorgen, der Notarzt kommt schon.“
 

Ryou unterdrückte ein Schluchzen, als er die Blutergüße, dick und rot wie Trauben, in Maliks Gesicht sah, die Spuren seiner Fingernägel, die die braune Haut durchpflügt hatten. „M-malik... Du... du hast keine Schuld. Ich allein... Ich bin der Schuldige.“
 

„Was redest du denn da? Halt einfach still, ich hole dir eine Decke. Du läufst mir ja schon blau an!“
 

Während Malik aufsprang und nach einer unversehrten Decke suchte, wäre Ryou am liebsten gestorben. Vor Scham und aus Liebe. Er betrachtete seine rötlichen Fingernägel und dachte daran, was er gestern getan und gesagt hatte. Ja, er allein war schuld...
 

„So, hier ist eine Decke. Wo bleibt denn der verdammte Arzt?“
 

Noch bevor Malik wieder aufstehen konnte, packte Ryou dessen Arm. „Malik?“ Alles oder nichts! „Ich habe dir das angetan. Ich bin... krank, sehr krank.“
 

Malik verharrte einen Augenblick, starr, und Ryou merkte, daß er noch eine andere Stimme hörte. Es war so wie früher, als Malik und der Grabräuber zusammen in seinem Kopf...
 

„Er... er sagt, er liebt dich auch, aber er kommt nicht wieder.“ Malik blickte Ryou entsetzt an.
 

Ryou glaubte, er müßte ersticken. An Maliks verzerrtem Gesicht, als sein Freund die Wahrheit begriff. An seiner eigenen Wahrheit. Doch jetzt machte er nichts und niemandem mehr etwas vor. Jetzt sahen es alle.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Nala
2014-02-06T15:45:32+00:00 06.02.2014 16:45
Hi. ^^
Eigentlich.. stehe ich ja so überhaupt gar nicht auf dieses Pairing. Ich mag Geschichten mit Happy End und Fluff und so.
Aber diese FF ist wirklich toll. Sie übt eine seltsame Faszination auf mich aus. Vielleicht gerade weil Ryou wider besseren Wissens die böse Hälfte seines Freundes immer wieder hervorholt, ohne das dieser es weiß. Seine Gedanken und Gefühle sind nachvollziehbar, der Schlagabtausch der beiden ist richtig gut formuliert. Es liest sich schon echt toll. Großes Lob an dich x3
Die FF an sich ist ja schon etwas älter, trotzdem dachte ich mir, ich lasse dir diese drei Zeilen mal da. ^^
Liebe Grüße
Nala
Von:  jyorie
2012-04-03T22:09:59+00:00 04.04.2012 00:09
Hi du^^

herzlichen Glückwunsch zum ersten Platz.

Deine FF war eine der ersten die ich gelesen habe,
sie ist Hammergeil! Freu mich für dich!

LG Jyorie
Von: abgemeldet
2012-04-03T21:18:50+00:00 03.04.2012 23:18
So, ich hab die FF ja schon vorher gelesen, aber den Kommi kann ich ja logischerweise erst jetzt abgeben *lach*


Ich hab die FF am Vorabend schon verschlungen und jetzt les ich sie nochmal um einen guten Kommentar dazu abgeben.
Also, Feli, ich bin wirklich MEGAbegeistert. Ich dachte tatsächlich schändlicherweise erst, dass dir nur Puzzleshipping liegen würde (Das ich, wie du ja weißt, etwas langweilig finde), aber du hast mich wirklich eines Besseren belehrt.

Erst war ich ja verwirrt, wegen dieser Tablettengeschichte, und vor allem, warum Ryou jetzt mit Malik zusammen ist, aber langsam und sicher hab ich es erahnen können. Wow. Ich meine, Ryou weiß GENAU, dass Malik unter seinem anderen Ich leidet, schon allein aus dem Grund, weil er sich Sorgen um Ryous Wohlergehen macht, und trotzdem macht er das in vollem Bewusstsein, dass es nicht richtig ist. Ich mag deine Darstellung von Ryou. Er wirkt zwar auf der einen Seite zart und verletzlich, aber auf der anderen irgendwie ... berechnend. Das verleiht dem Ganzen irgendwie so das gewisse Etwas.

Und ich muss auch neidvoll anerkennen, dass du es schaffst, Mariku um Längen besser darzustellen, als ich es schaffe. Er ist, wie aus der Serie entsprungen. Böse, hinterhältig, gefährlich. Und genau deshalb unglaublich anziehend. Schöne Zwickmühle, in der Ryou da steckt.
Es wäre zwar sehr geil gewesen, wenn du die Sexszene ausgeschrieben hättest (Hätt ich echt nix gegen einzuwenden gehabt, weil ich finde, dass es wirklich gepasst hätte), aber so gefällt es mir auch ^^

>Mariku setzte sich mit Schwung auf das Sofa, sodaß Ryou gegen ihn fiel. „Oh, so eilig? >Dabei haben wir uns noch gar nicht unterhalten. [...]
lol, ich finde es klasse, wie du es schaffst, auch etwas Humor in so eine brisante FF zu bringen >D

Und toll, wie Ryou immer wieder Konter gibt. Ich mag es ja nicht allzusehr, wenn er so extrem verweichlicht dargestellt wird, dass es schon wehtut -.-
Aber du triffst ihn einfach perfekt. Der Schlagabtausch mit Mariku ... das ist echt irgendwie hot <3

>Irgendetwas zu tun, um die Schlagkraft seiner eben gesprochenen Worte zu mildern.
Diesen Teil hier mag ich auch unglaublich gerne <3

>„Du hast echt Prügel verdient, du fremdfickende Mistfotze.“
Wahaha |D. Halte mich für krank, aber ich liebe es, wenn Mariku so mit Ryou redet. Vor allem kann ich mir vorstellen, dass Ryou auch total auf Dirty-Speech steht. Das macht ihn bestimmt an. Zumindest in meiner Vorstellung *shrr~*
Ich finde einfach diese ganze angedeutete Sexszene geil und dann später, als Malik davon Wind bekommt;

>„Er... er sagt, er liebt dich auch, aber er kommt nicht wieder.“ Malik blickte Ryou entsetzt an.
Genau da hats irgendwas in mir zusammengezogen, das ist echt der Wahnsinn.

Mein Fazit: Eine Deathshipping FF, wie sie perfekter nicht sein könnte, du hast beim Schreiben den Begriff und die Bedeutung dieses Shippings absolut tadellos wiedergeben, die Charaktere überzeugend, wie ich sie selten erfahren durfte, Spannung, Erotik, Blut, das ist alles so genial kombiniert, dass ich absolut sprachlos bin und diese FF hat sich ihren ersten Platz absolut verdient!
Von:  jyorie
2012-02-14T13:42:04+00:00 14.02.2012 14:42
Hi,

jep, ich habe sie auch gelesen, sogar schon bevor ich angefangen
habe selbst mal eine FF zu tippen. Ich fands richtig gut!!!! Und
habe sie schon mehrmals gelesen *g*
Von:  DivaLila
2011-12-04T00:41:53+00:00 04.12.2011 01:41
YAY...
alle Mitstreiter des WB lesen deine FF
*lach*
und ich muss sagen, ich bin total Fan davon :3
von der FF mein ich ^_^
ich LIEBE den fiesen Ryou... *seufz*
das mit den Tabletten find ich eigentlich verständlich ^.-
ich hab grad ganz gute Laune... hab ich immer, wenn ich ne brutale FF gelesen habe ... seltsames Ich XD

Von:  -Mariku
2011-10-31T17:43:40+00:00 31.10.2011 18:43
Tacho, Mitstreiterin.XD
Ich hab mal deine OS durch gelesen.~
Ist echt gut, aber manches verstand ich nicht....
Das mit diesen Pillen, warum Ryou sie nicht gab ect.
Auch das mit dem letzten.X'D
Das sag ich jetzt nicht, weil wir in einem WB oder so sind...

LG Kiki98

P.s: Du gewinnst sicher.~<3


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