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Freundschaften, Feindschaften

von

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Spaß im Park

XIII. Spaß im Park
 

„Papa! Papa! Wach auf! Papa! Wach auf! Du musst kommen! Papa!“ schrie Gus mit lauter Kinderstimme direkt neben Brians Ohr.
 

„Was? Was?“ schoss Brian aus den Kissen. Er fühlte sich leicht desorientiert. Es war Sonntag, er hatte eine klägliche Hoffnung gehegt, heute etwas länger schlafen zu können als bis sechs. Das war wohl nichts. Elternlos. Und kein Justin da, der mit leiden konnte. Der schnarchte garantiert noch selig auf der breiten Matratze im Loft. Frechheit.
 

„Papa!“ schrie Gus immer noch und zerrte an seinem Oberarm.
 

„Ahhh… Gus… Was ist denn…?“ murmelte er, sich aufrichtend.
 

„Ted und Emmet! Sie kämpfen total laut! Sie haben mich aufgeweckt! Sie schreien! Papa! Bitte! Du musst helfen, sie tun sich noch weh!“ Gus war kurz davor zu heulen.
 

Ächzend rappelte sich Brian hoch. Sechs Uhr und fünf Minuten und schon Massaker im Meerschweinchenkäfig… Er gähnte und zwang sich, auf die Füße zu kommen. Gus schnappte seine Hand und zerrte den noch immer ziemlich willenlosen Brian hinter sich her.
 

Im Kinderzimmer erschallte in der Tat ein infernalisches Geschrei. War das normal für Meerschweinchen? Er hatte keine Ahnung. Justin wüsste das… Oder metzelten die beiden Rosettenmutanten sich gerade in einem endzeitlichen Duell gegenseitig ab…? Und was sollte er da tun? Rein greifen? Bäh… Die bissen ihm wahrscheinlich die Pulsadern durch, welch unwürdiges Ende… Daneben stehen und Wetten abschließen? Den Verlierer mit Rosmarin zum Mittagessen servieren? Beides wohl nicht sehr pädagogisch. Außerdem reichten seine Kochkünste dafür nicht.
 

Er ließ sich auf alle Viere nieder und spähte in den Käfig. Die beiden Pelzviecher waren ineinander verkeilt und quiekten in den höchsten Tönen. Aber nach Kampf sah das eigentlich nicht aus… Ach du Scheiße…
 

„Papa?“ fragte Gus in höchster Anspannung.
 

„Äh… ja…“ brachte Brian hervor, das Szenario immer noch innerlich auswertend.
 

„Du musst was machen!“ forderte Gus.
 

„Also… äh… Gus…“
 

„Sie tun sich weh! Los, Papa!“ feuerte Gus ihn an.
 

„Also Gus“, begann er, „eigentlich kämpfen die gar nicht.“
 

„Was? Aber sie schreien doch so…?“ wunderte sich Gus.
 

„Ja… Aber Du schreist doch auch manchmal, wenn du Spaß hast, oder?“ versuchte Brian sein Glück.
 

„Die haben Spaß? Aber Ted liegt doch voll auf Emmet und hopst auf ihm rum!“ fuhr Gus verständnislos auf.
 

„Jaaaaa… Aber sowas machen erwachsene Leute – keine Kinder – wenn sie Spaß haben wollen…“ Oh Gott, warum er? Und warum, wenn Justin fort war?
 

„Ted und Emmet sind erwachsen?“ fragte Gus.
 

Bei den Originalen hatte er manchmal Zweifel, aber… „Ja, sie sind erwachsen. Meerschweinchen sind viel, viel schneller erwachsen als Menschen. Bei dir dauert das noch ganz, ganz lange!“ Hoffentlich. Wenn Gus mit dreizehn in die Pubertät käme wäre er… zweiundvierzig… oh Gott… und Justin… dreißig… älter als er selbst zu dem Zeitpunkt, an dem sie sich kennen gelernt hatten…
 

„Aber was machen die denn da?!“ fragte Gus irritiert und richtete seine großen braunen Augen auf Brian. Sein Pyjama überflutete zeitgleich Brians Synapsen mit gefühlten zehntausend breit grinsenden Spongebobs. Er fühlte sich wie Thaddäus. Justin….!?!? dachte Brian verzweifelt.
 

„Äh… sie… äh…“ Gott, ihm fielen so viele Erlklärungen ein, aber keine davon war nur im Entferntesten kindgerecht. „Also… Wenn zwei Lebewesen sich wirklich mögen, sich… lieb haben… – wenn sie erwachsen sind! – dann machen sie das… Wie eine Art Spiel, weißt du? Das bringt ihnen dann Spaß“, versuchte er es.
 

„Aha“, meinte Gus. „Hopst du dann auch auf Justin rum? Oder er auf dir?“
 

„Äh… ja… schon…wohl…“ Justin!!! Wo bist du, wenn man dich braucht! Verdammter Lance, ohne diesen Idioten stände er jetzt nicht allein an der Aufklärer-Front!
 

„Macht ihr deshalb manchmal die Tür zu? Damit ich nicht sehe, wie doof ihr ausseht?“ fragte Gus, logisch schlussfolgernd.
 

„Mmm… ja... manchmal“, gab Brian zu. Von wegen doof…!
 

„Macht ihr dann auch so ein Geschrei?“ wollte Gus wissen.
 

„Also… quieken tun wir nicht…“ Hoffte er zumindest. Nein, war er sich sicher.
 

„Machen das alle Erwachsenen?“ bohrte Gus weiter.
 

„Diejenigen, die wen gefunden haben, mit dem sie das tun können…“
 

„Aha. Dann hopst Opa Russel auf Oma Nathalie rum?“ folgerte Gus.
 

„Wahrscheinlich…“ Das wollte er sich ganz gewiss nicht bildlich vorstellen.
 

„Und Opa Craig und Oma Jennifer…?“
 

Gute Frage. „Vielleicht… Ich weiß nicht… Wie gesagt… Die meisten Leute mögen nicht, wenn man ihnen dabei zuschaut…“ Er nicht unbedingt. Aber die Genannten Gott sei Dank schon.
 

„Oma Joan?“
 

„Nein!“ Schon bei dem Gedanken bekam Brian Würgeanfälle.
 

„Tante Debbie?“
 

„Carl.“
 

„Onkel Michael und Onkel Ben?“
 

„Ja…“
 

„Onkel Ted?“
 

„Hat einen Freund namens Blake.“
 

„Onkel Emmet?“
 

„Keine Ahnung.“
 

„Molly?“
 

„Noch zu jung!“ Hoffte er zumindest – nicht nur für Craig.
 

„James?“
 

„Weiß ich nicht.“
 

„Kommen da die Babys her?“ wollte Gus wissen.
 

„Wie kommst du denn da drauf?“ wollte Brian entgeistert wissen.
 

„Carla im Kindergarten hat gesagt, dass Erwachsene so komische Dinge miteinander machen… und da kommt dann ein Baby bei raus!“
 

„Jaaa… Schon irgendwie…“
 

„Gut!“ meinte Gus. „Machen du und Justin dann bald ein neues Baby?“
 

Brian schluckte. Hilfe!!! „Gus… das geht nicht…“
 

„Warum nicht?!“
 

„Das geht nur mit Mann und Frau… Zwei Männer können kein Baby bekommen…“
 

„Schade“, sagte Gus enttäuscht.
 

„Du hast doch Jenny. Sie ist deine Schwester“, tröstete Brian ihn.
 

„Schon“, meinte Gus. „Aber sie ist ja nie hier. Nicht wie eine richtige Schwester.“
 

„Du besuchst sie doch immer…“
 

„Ja“, sagte Gus, „aber das ist nur Besuch.“
 

„Bist du… traurig deswegen?“ wollte Brian wissen.
 

„Nein. Aber eine richtige Schwester… oder ein Bruder… mit dem ich spielen kann?“
 

Brian seufzte. Die Meerschweinchen waren immer noch eifrig bei der Sache. Bemerkenswerte Kondition, vielleicht lohnte es sich, als Pelzfussel wiedergeboren zu werden. „Es tut mir leid. Aber Justin und ich können keine Kinder bekommen.“ Nicht, dass er verstärkt scharf darauf gewesen wäre. Schon allein der Gedanke…
 

„Das ist aber ungerecht“, befand Gus.
 

„Wahrscheinlich… Aber Gus, wo du gerade von Gerechtigkeit sprichst… Du weißt, dass ich und Justin dem bösen … Mann zeigen wollen, dass er etwas Falsches getan hat?“
 

„Ja“, sagte Gus. „Ihr wollt ihn reinlegen.“
 

„Genau“, lächelte Brian stolz in Hinblick auf die rasche Auffassungsgabe seines Sohnes. „Und du darfst dabei helfen.“
 

„Was soll ich machen?“ fragte Gus eifrig.
 

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„Echt schon ganz schön abgefahren, dass ihr beide wirklich geheiratet habt!“ meinte Ethan in seinem Kaffee rührend.
 

„Mmm…“ murmelte Justin.
 

„Ich meine… Zusammen sein ist eine Sache… aber gleich heiraten? Mit Ring und allem? Brian erschien mir nicht gerade als der Typ, der auf sowas abfährt?“ bohrte Ethan, immer noch etwas geplättet von der Neuigkeit.
 

„Es ging dabei nicht nur um uns“, stellte Justin klar, „sondern auch um Gus, Brians leiblichen Sohn…“
 

„Ich bin ihm Mal begegnet… auf der Gartenparty“, erinnerte sich Ethan.
 

„Seine Mütter sind… verstorben und haben uns testamentlich das Sorgerecht übertragen“, erklärte Justin.
 

Ethans Augen waren fast rund vor Staunen: „Was… echt? Ihr habt ein Kind? Das ist ja… irgendwie… Glückwunsch! Oder…?“
 

Justin musste Lächeln Angesichts Ethans Verwirrung. „Ich danke dir“, antwortete er.
 

„Mann, das ist ja echt der Hammer… Eine richtige Familie…? Wow… Wie… wie ist das so…?“
 

„Gut“, sagte Justin. „Mag vielleicht nicht jedermanns Sache sein. Aber für uns ist es gut, auch wenn es traurige Ursachen hat.“
 

Ethan lehnte sich zurück: „Ich weiß auch nicht… Ein bisschen beneide ich dich wohl schon… Familie… Wenn ich da an mich denke… Das kann ich mir wohl ziemlich abschminken…“
 

„Naja“, meinte Justin, „du hast dich doch dazu entschlossen, diese Lüge zu leben. Ich kann nur hoffen, dass es das wirklich wert ist.“
 

Ethan senkte den Kopf: „Das kann ich auch nur… Die Musik… Wenn ich spiele, ist alles da. Die Welt ist – komplett…“
 

Justin nickte und nippte an seiner Tasse: „Verstehe ich gut. Wenn ich male, geht es mir nicht anders. Die Frage ist nur: Was ist, wenn man gerade nicht spielt oder malt?“
 

Ethan schluckte: „Im Moment muss es mir das wert sein…“
 

„Aber auf Dauer?“
 

Ethan seufzte: „Ich weiß es nicht. Vielleicht reicht es auch auf Dauer. Was bedeutet dir mehr: Deine Kunst oder deine Familie?“
 

Justin schüttelte den Kopf: „Ich hoffe, mich nie zwischen beiden entscheiden zu müssen. Ohne beides bin ich… wie hast du es formuliert?... nicht komplett. Aber wenn ich wirklich wählen müsste, würde ich mich für Brian und Gus entscheiden. Ohne meine Kunst wäre ich unglücklich. Aber ohne Brian und Gus wäre nicht nur meine Kunst - gar nichts mehr.“
 

„Siehst du“, meinte Ethan. „Die Frage stellt sich mir nicht.“
 

„Sie hat sich dir einmal gestellt, oder? Als du die Wahl hattest zwischen uns und deiner Karriere?“
 

„Nicht so wie dir. Was immer dich und Brian verbindet… Ich weiß nicht… Ich glaube nicht, dass wir das hatten.“
 

Justin schaute in seine Tasse: „Nein, wohl nicht.“
 

„Als ich ihn damals gesehen habe, Brian meine ich – ich glaube, da ist mir irgendwie klar geworden, dass das mit uns nichts werden kann.“
 

„Hattest du so wenig Vertrauen in mich? Klar sieht Brian gut aus, aber…“
 

„Nein, das war es nicht. Du hattest ihn mir ja beschrieben… seine Rumfickerei, seine Unwilligkeit oder Unfähigkeit oder was auch immer sich zu binden… Was du dabei allerdings vergessen hast zu erwähnen war, dass er dich wirklich liebte.“
 

„Das habe ich damals aber durchaus anders gesehen! Wie bist du denn darauf gekommen?“ wollte Justin wissen.
 

„Mag sein, dass du zeitweise die Nase von ihm voll hattest. Und mag sein, dass du es nicht gesehen hast. Aber mir war es irgendwie… klar, obwohl ich es nicht glauben wollte. Du hast ihn abserviert – und ein Typ wie er rennt nach sowas garantiert niemandem hinterher. Dennoch hat er… sich eingemischt…“
 

„Er hat dir diesen Floh ins Ohr gesetzt, dass an Armut nichts Ehrenhaftes sei! Auf mich hat das den Eindruck gemacht, dass er mir nur unter die Nase reiben wollte, wie unrecht ich doch mit meinen Wünschen nach einer vernünftigen Beziehung hatte! Dass er recht hatte – und ich nur ein verblendeter Blödmann sei!“
 

„Ach ja – und wo steht ihr bitte jetzt?“
 

„Es ist ja auch inzwischen eine ganze Weile vergangen…“
 

„Ach Blödsinn. Mag sein, dass er dir auch eins verpuhlen wollte. Aber hätte er sich wirklich die Mühe gemacht, wenn er fertig mit dir gewesen wäre? Wenn du ihm wirklich so scheißegal gewesen wärest, wie du behauptet hast?“
 

Justin dachte nach. „Vielleicht… aber eher unbewusst…“
 

„Und dieser Blick, den er drauf hatte, als du mich mit ihm im Diner getroffen hast! War nicht mal ne Sekunde. Aber da war mir die Sache schon recht klar.“
 

„Und wenn schon… Aber das hätte doch zwischen uns nichts ändern müssen…“
 

„Justin… Brian war nicht der einzige, der diesen Blick drauf hatte. Du magst scheißwütend gewesen sein… aber da war etwas… ich konnte es nicht wirklich fassen… Aber es war da. Und ich konnte gar nichts dagegen machen, obwohl ich es versucht habe… Er war immer irgendwie da…“
 

„Jetzt bin ich noch schuld, dass du mich betrogen hast – oder wie?“ fragte Justin säuerlich.
 

„Nein, das habe ich verbockt. Aber etwas in mir wusste, dass das mit uns auf die Dauer sowieso nicht laufen würde.“
 

Justin lehnte sich zurück und strich sich durchs Haar. Damals war ihm alles so endgültig vorgekommen – war es so offensichtlich gewesen? Aber es stimmte schon, Brian war immer da gewesen. Er hatte sich über ihn geärgert, er hatte ihn vermisst, er hatte gehandelt, auch um Brian zu zeigen, dass er auf dem Holzpfad sei. Wenn Ethan ihn mit irgendeiner romantischen Kleinigkeit überrascht hatte, hatte Justin innerlich gedacht: Siehst du Brian, so geht das, du Idiot! Wenn sie etwas gegessen hatten, hatte er daran denken müssen, was Brian jetzt wohl zu sich nehmen würde und wie er sich wahrscheinlich über irgendetwas mokieren würde. Wenn er sich mit etwas auseinandersetzten musste, hatte er daran denken müssen, was Brians Meinung dazu wohl sein müsste – und manchmal auch, wie Unrecht er wieder damit habe! Und wenn Ethan und er miteinander geschlafen hatten… dann war das nicht Brian gewesen… nicht dieses atemberaubende, völlig kompromisslose Feuer, das, viel zu selten, in eine Zärtlichkeit umschlagen konnte, die wahrhaftig war. Ethan und er… das war eher ein sanftes Köcheln gewesen. Eine Scheibe Brot mit Butter neben einem Silvestermenü am Hof des Zaren… Er hatte gedacht, das müsse so sein… dass es reichen müsse… dass der Preis für das, was Brian ihm gab, einfach zu hoch sei… Und wieder Brian. Brian, der nicht neben ihm im Bett lag, Brian, der um drei Uhr nach Hause kam, den Geruch des Darkrooms oder seines letzten Ficks noch in den Poren, Brian, der die Kaffeemaschine anschaltete…
 

„Verstehst du?“ fragte Ethan. „Du magst darüber den Kopf schütteln, dass ich bereit war, meine Karriere an die erste Stelle zu rücken. Aber es gab auch nichts, was dort stattdessen hätte sein können, auch wenn ich versucht hatte, es mir einzureden. Kann sein, dass ich dich damit belogen habe. Aber ich habe mich selbst auch belogen. Und du dich selbst auch nicht weniger.
 

Justin nickte langsam. „Wahrscheinlich“, sagte er schließlich. „Aber was passiert, wenn du jemanden triffst…?“
 

„Weiß ich nicht. Was auch immer das ist mit dir und deinem – oh Gott – Mann, ich habe so etwas nicht. Nie gehabt. Keine Ahnung, was ich täte. Du etwa?“
 

„Nein… Glaube mir, wenn ich dafür ein brauchbares Gesamtkonzept hätte, hätte ich mir vieles ersparen können.“
 

„Wie mich?“
 

Justin schüttelte den Kopf. „Es ist müßig, darüber nachzudenken. Aber durch dich ist mir einiges klar geworden… Insofern bin ich dir schon dankbar.“
 

„Dass wegrennen nichts hilft?“
 

„Ja. Wenigstens eine Weisheit, die man aus der Sache ziehen kann…“
 

„Wahrscheinlich wie mit meiner Musik… Wenn sie mich hat, dann hat sie mich. Und sie hat mich immer, selbst wenn ich mir noch so sehr die Ohren zustopfe.“
 

„Ja… So ist es wohl….“
 

„Ach, Moment, das hier wollte ich dir noch geben“, sagte Ethan und kramte in seiner Tasche. Er förderte zwei signierte CDs hervor und überreichte sie Justin.
 

Justin nickte anerkennend. „Deine Platten? Wow, ich bin beeindruckt. Und sogar mit Widmung! Die kann ich, wenn du der König der Stargeiger bist, bei Ebay zu Spitzenpreisen verschleudern und mir ein lustiges Leben machen, danke!“
 

Ethan lachte. „Davon bin ich noch weit entfernt. Aber vielleicht magst du mal reinhören?“
 

„Mach ich gerne… Muss nur zusehen, dass Brian mich dabei nicht erwischt.“
 

„Was, wieso das denn?“
 

„Ich musste ihm versprechen, in seiner Gegenwart nie wieder Geigenmusik zu hören…“
 

Ethan konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Und du hast echt geglaubt…? Ach was, aber schon auf eine schmeichelhafte Weise durchaus witzig…“
 

„Wie man‘s nimmt.“
 

„Weiß er eigentlich, dass wir uns hier treffen?“ wollte Ethan wissen.
 

„Ja, ich habe es ihm gesagt. Ich könnte das nicht hinter seinem Rücken tun. Es mag ihm nicht unbedingt supertoll gefallen, aber er vertraut mir. Und das kann er auch ohne jeden Zweifel.“
 

„Dann hat sich bei euch ja wirklich so einiges geändert“, konnte Ethan es sich nicht verkneifen zu sagen.
 

„Hat es“, erwiderte Justin nur kurz angebunden.
 

„Auch mit dem Kind…?“
 

„Ja, Gus.“
 

„Ihr seid jetzt… sowas wie seine Eltern?“
 

„Wir sind seine Eltern.“
 

„Schon heftig… Die Fürsorge für ein Kind… Aber es soll ja auch toll sein?“
 

„Ist es auch. Wirklich.“
 

Ethan musterte ihn nachdenklich: „Wir mögen unsere… Geschichte haben. Aber es freut mich, dass es dir gut geht. Erzähl mir doch ein wenig von deinen Bildern, die Artikel darüber waren ja sehr schmeichelhaft…“
 

Der Nachmittag verrann, während sie plauderten. Was ihre Professionen anging, teilten sie Erfahrungen und Vorstellungen, so dass die Zeit wie im Flug verging.
 

Wenn ihre Vorgeschichte nicht wäre, dachte Justin, würde er Ethan zumindest in diesem Bereich durchaus freundschaftlich gegenüber empfinden. Vielleicht konnte er das auch so, es tat gut, über die Kunst mit jemandem zu sprechen, der wusste, wie das war… Ethan mochte sich damals nicht gerade durch charakterliche Standfestigkeit ausgezeichnet haben – aber er selbst war auch nicht ehrlich gewesen, da hatte der andere schon recht…
 

Mochte die Vergangenheit ruhen, solange sie hier saßen.
 

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Gus saß auf der Rückbank der Corvette, ordentlich in seinen schon wieder fast zu kleinen Kindersitz gequetscht. Brian parkte ein und wandte sich zu seinem Sohn um. „Alles klar?“ fragte er grinsend.
 

„Alles klar, Papa!“ bestätigte Gus und kicherte schalkhaft.
 

„Dann Mal los – ich sag’s auch nicht dem Weihnachtsmann!“ versprach Brian.
 

„Den hat doch sowieso nur Coca Cola erfunden“, belehrte ihn Gus hoheitsvoll.
 

Brian hob ihn aus dem Sitz. Die kleinen Spikes verursachten ein leises Knacken auf der Eisdecke.
 

Gus legte seine Hand in Brians, und so traten sie in das spiegelnd verglaste Foyer des vornehmen Hotels.
 

Lance entdeckte Brian sofort. Ein Lächeln erblühte auf seinen Zügen. Er hatte sich ordentlich herausgeputzt, ohne dass es allzu gewollt oder übertrieben ausgesehen hätte. Geschmack hatte er, das musste man ihm zugestehen.
 

Brian erwiderte das Lächeln und trat auf ihn zu. Als Lance Gus entdeckte, gefror sein Gesicht einen winzigen Moment, bevor er es wieder unter Kontrolle hatte.
 

„Lance“, rief Brian freudig aus und reichte ihm die Hand.
 

„Brian“, erwiderte Lance, wieder etwas heiterer aussehend.
 

„Lance, darf ich Ihnen meinen Sohn vorstellen? Das ist Gus!“
 

Lance riss sich zusammen und gab dem kleinen Jungen die Hand, der mit riesigen Augen an ihm hing, dass er eine leichte Gänsehaut verspürte. Kinder waren so… klebrig… wussten einfach nicht, wann sie…
 

„Ich bin Mr. Whinefourt“, stellte er sich vor.
 

Gus kicherte. „Das ist aber ein doofer Name!“ konstatierte er heiter. Bevor Lance sich fassen konnte, ergänzte Gus: „Bist du mein neuer Papa?“
 

Lance schnappte erschreckt nach Luft.
 

„Gus“, lächelte Brian und strich ihm über das Haar, ohne das irgendwie weiter zu kommentieren.
 

„Äh… nein, das wohl nicht… Ich bin nur ein Freund deines Vaters“, würgte Lance hervor.
 

Gus musterte ihn: „Macht nichts. Und Papa braucht keine Freunde. Er hat ja mich.“
 

Brian strahlte: „Ja, du bist mein allerbester Freund.“ Er beugte sich hinab und knuddelte den Jungen. „Nicht wahr“, flüsterte er in Gus‘ Ohr, „du bist Papas allerbester Freund.“
 

Gus kiekste und drückte seinem Vater einen feuchten Schmatzer auf die Wange, während Lance irritiert daneben stand. Warum in Dreiteufelsnamen hatte Brian dieses… Kind mitgebracht?!
 

„Dann wollen wir mal“, beschloss Brian, „bereit für unseren Ausflug, Lance?“
 

„Äh… ja…“ Ausflug? Er hatte mit einer Verabredung in Zweisamkeit gerechnet… Aber dennoch, hier ging es um Brian… Er raffte sich auf. „Wo fahren wir überhaupt hin?“ fragte er vorsichtig.
 

„Überraschung!“ strahlte Brian.
 

Lance ergab sich in sein Schicksal, das Beste hoffend.
 

Brian steuerte die Corvette, Gus wieder im Sitz auf der Rückbank, Lance auf dem Beifahrersitz.
 

„Mir ist langweilig, Papa!“ nörgelte der Kleine von hinten, während er mit enervierender Unregelmäßigkeit von hinten gegen Lances Lehne trat. Lance versuchte Nerven zu bewahren. Am liebsten hätte er den kleinen Stinker ordentlich angefahren – aber er vermutete, dass das bei Brian nicht besonders gut ankommen würde.
 

„Möchtest du etwas hören, Gus?“ fragte Brian.
 

„Jaaaa… Ich will Musik!“ kommandierte Gus.
 

„Okay“, antwortete Brian und schaltete die Anlage ein. Lance blieb beinahe das Herz stehen, als plötzlich Kinderlieder, gesungen von einer kreischigen Sopranstimme, in trommelfellzerreißender Lautstärke durch das Auto wummerten. „Wir tanzen, wir tanzen… wie ne Hode Wanzen…!“ hob die Stimme an und Gus fiel in den höchsten Tönen ein, den Takt seiner Tritte noch steigernd.
 

Das erste, schwor sich Lance, was passierte, wenn er und Brian… Dann musste dieses Kind weg, aber sofort! Er schielte zu Brian hinüber. Er schien den Terror überhaupt nicht mit zu bekommen, sondern lächelte nur liebenswürdig, den kleinen schiefen Zahn hinreißend entblößend.
 

Die Fahrt schien sich endlos hin zu ziehen. Wahrscheinlich war es nur eine halbe Stunde gewesen, aber es hätte auch ein Jahr sein können, bis Lance sich wackelig vom flachen Sitz der Corvette hochstemmte. Zunächst realisierte er nicht, wo er war. Dann überkam ihm erneut Grauen. Das konnte doch nicht…
 

Brian hatte seine Brut entfesselt und schlang jetzt voll überschwänglicher Freude den Arm um Lance Schulter. „Ich liebe diesen Ort!“ flüsterte er ihm heiß ins Ohr, dass Lance Herz begann zu klopfen. Gus an Brians Hand sprang aufgeregt auf und nieder.
 

Ein Erlebnispark. Ein Ort voller grauenhaft ungesunder Nahrungsmittel, nutzlosem Blödsinn wie Achterbahnen und vor allem – Kindern! Er konnte ein vieltöniges helles Kreischen gen Himmel steigen hören, als irgendwo vor ihnen eine Wasserbahn in die Tiefe donnerte.
 

Brian nahm seine Hand und zog ihn und Gus wohlgelaunt zum Eingang. Kaum waren sie drin, hatte Gus auch schon einen Sand mit knallrosa Zuckerwatte ausgemacht. Ehe er es sich versah, drückte ihm Brian eine der grausigen Kalorienbomben in die Hand. „Das erinnert mich immer so an meine Kindheit!“ erklärte er freudig, rupfte ein Stückchen ab und ließ es sich mit verklärtem Blick auf der Zunge zergehen, als erlebe er gerade die höchsten Wonnen dieser Welt. Lance konnte nur starren. „Los, probieren Sie!“ forderte Brian ihn auf. Folgsam biss Lance hinein. Das Zeug war abartig süß und schmeckte künstlich. Seine Zähne protestierten schmerzvoll. Brian lachte ihm erwartungsvoll ins Gesicht. „Und?“ wollte er wissen.
 

„Ganz… lecker…“, zwang sich Lance zu sagen, während er verfolgte, wie Brian ein zweites Stückchen verputzte, nicht weniger spektakulär als das erste.
 

„Huch!“ sagte Brian plötzlich. „Gussi… Pass doch auf… Jetzt ist Mr. Whinefourt ganz dreckig…!“
 

„Tschuldigung“, quetschte Gus mit vollem Mund und rosa verschmierten Gesicht heraus.
 

Lance sah sich hektisch um. Gus hatte seine Zuckerwatte gegen seinen Hintern gelehnt, wo eine ordentliche Ladung kleben geblieben war. Auf seiner maßgeschneiderten Anzugshose. Jetzt sah er aus, als wüchsen ihm am Arsch Federn… Brian spähte auf das Schlamassel und puhlte es pflichtschuldig ab. Die plötzliche Gegenwart von Brians Hand auf seiner Kehrseite ließ seinen Verdruss wieder verpuffen.
 

„Dann wollen wir mal“, beschloss Brian. „Wo möchtest du als erstes rein, Gus?“ fragte er seinen völlig in Zuckerwatte garnierten Sohn.
 

„Wasserbahn!“ schrie Gus.
 

„Welche?“
 

„Die ganz große!“
 

Lance spähte auf das angestrebte Fahrgeschäft. Ihm wurde mulmig… das war wirklich hoch… und voller Wasser… „Ich weiß nicht, ob ich…“, protestierte er.
 

„Ach was, Lance! Sie sind doch ein Mann der Tat! Sie scheuen doch keine Risiken! Und wenn Sie Angst bekommen, dürfen Sie sich auch gerne an mir festhalten!“ zwinkerte Brian ihm zu.
 

Dagegen ließ sich schlecht etwas sagen. Dennoch hatte er das Gefühl, im völlig falschen Film zu sein, als der Sicherheitsbügel sich über ihm schloss. Brian hatte sie in die erste Reihe bugsiert, Gus saß direkt hinter ihnen. Der Zug zog an. Leise knatternd stiegen sie immer höher. Lance wurde mulmig. Brian lächelte leicht zu ihm hinüber und ergriff sanft seine Hand. Dann waren sie oben. Und es war wirklich verflucht hoch. Lance fühlte, wie etwas in ihm sich panisch verkrampfte. Aber es gab kein Entkommen. Kurz hielt die Bahn inne, dann rasten sie abwärts. Er war sich nicht sicher, ob er es geschafft hatte, nicht zu kreischen. Spätestens als eine Woge eiskalten Wassers ihn traf, tat er es auf jeden Fall. Er hatte keine Ahnung, wie er den Rest der Fahrt überstanden hatte. Mit zitternden Knien und tropfnass vor sich hin frierend krabbelte er an der Station aus dem Wagen. Brian triefte nicht weniger als er, nur Gus war fast unbeschadet geblieben. Kein Wunder, sie hatten ja auch alles abgefangen…
 

„Herrlich!“ schwärmte Brian und schüttelte sich lachend, dass die Tropfen nur so flogen.
 

„Nochmal, Papa!“ forderte Gus.
 

„Lass uns doch erst mal alles ausprobieren, bevor wir es wiederholen, okay? Papa und Mr. Whinefourt müssen sich auch zunächst ein wenig abtrocknen…“
 

„Okay.“
 

Alles ausprobieren… was… aber abtrocknen… das hörte sich gut an… er fror wie ein armes Schneiderlein…
 

Sie traten in ein wohlig beheiztes Häuschen, das zur Attraktion gehörte. Es war in zwei Teile, je einer für Männer und für Frauen, unterteilt und bot Handtücher sowie Föhne, um sich und seine Sachen wieder trocken zu bekommen. Ein paar Teenager alberten unter der Aufsicht ihres Lehrers herum, Gus setzte sich auf eine der Bänke. Ohne eine Sekunde zu zögern, entstieg Brian seinen nassen Sachen, warf Jacke, Hemd, Hose, Socken und Schuhe von sich, bis er nur noch in seiner Unterhose da stand. Lance Mund wurde trocken… Die Verpackung hatte nicht gelogen… Brians Körper war wunderschön… schlank, mit genau definierten Muskeln, leicht gebräunt – und was sich da abzeichnete… Und neben ihnen saß sein gelangweilt hin und her wippender Sohn und diese dämlichen High School-Schüler… Verdammter Mist… so konnte er hier nicht aus seinen Klamotten… er verkrümelte sich ein Stückchen und schnappte sich Handtücher und Föhn, Brian aus dem Augenwinkel weiter musternd… oh Gott, er wollte… Brian bedachte ihn halb amüsiert halb verschwörerisch mit einem schnellen Blick… oder? Schaute er nur so…? Warum hier…? Bedeutete ihm das was und wollte, dass Lance daran teil habe…? Aber das hier?! Und das Kind! Brian beugte sich hinab, um seine Beine zu trocknen… oh mein Gott…
 

Etwa zwei Stunden später saßen sie an einem Außenheizkörper vor einem kleinen Parkkaffee. Gus tollte auf dem nahe gelegen Spielplatz mit anderen kreischenden Kindern herum. Lance wusste nicht, wie er den „Super Looper“ oder den „Death Fall“ überlebt hatte, aber anscheinend war er doch noch in der Welt allen Irdischen. Brian hatte ihn immer wieder berührt… nichts Weitreichendes… aber nicht bloß freundschaftlich… Er wurde dieses Bild von Brians halbnacktem Körper einfach nicht los. Genauso wie die Schmerzen, die Gus ihm beschert hatte, als er ihm trotzig mit seinen Spikes gegen das Schienbein getreten hatte, als Lance ihm gesagt hatte, dass er noch zu klein für den „Death Fall“ sei. Brian hatte nur nachlässig gelacht, seinem Sohn über den Kopf gestrichen und gesagt: „Gussi… sowas macht man doch aber nicht…“ Das schien „Gussi“ nicht weiter zu beeindrucken…
 

Brian lächelte entspannt vor sich hin und nippte an einem Becher schwarzen Kaffees. „Ein wunderschöner Tag!“ stellte er fest.
 

„Ja…“, stimmte Lance ihm zu. Einiges ja… vieles andere hingegen eher nein. Aber war das nicht um Brians Willen eher zu vernachlässigen…?
 

„Und es bedeutet mir so viel, dass Gus Sie so gerne hat… Vielleicht sollten wir das mit dem „Sie“ endlich lassen…?“
 

Lance räusperte sich: „Gerne, Brian! Gus mag mich…? Ich hatte eher das Gefühl…“
 

„Ach was. Er ist nur ein wenig… lebendig. Du solltest ihn Mal erleben, wenn er jemanden nicht mag!“
 

Das wollte sich Lance besser nicht vorstellen. Das Blondie den kleinen Satansbraten hatte loswerden wollen, konnte er inzwischen bestens verstehen. Was fand Brian bloß an dem?
 

„Ich liebe ihn so… Gus“, fuhr Brian fort, „mehr als alles andere… Ich könnte nicht leben ohne ihn…“
 

Lance starrte Brian an. Was war das in seinem Blick, wenn er seinen Sohn anschaute…? Aber das würde er nicht ertragen! Brian konnte ihn ja immer besuchen fahren… aber bitte ohne Lance. Vielleicht zu seiner Großmutter… Das würde doch schon reichen?
 

„Was hältst du davon, wenn ich dich übernächste Woche, wenn ich wieder hier bin, überrasche, und ich es dann bin, der unseren Ausflug plant…?“ fragte Lance.
 

„Ich habe eine noch viel bessere Idee. Übernächste Woche ist Gus mit seinen Großeltern ein paar Tage verreist. Es ist so einsam in unserem Haus, wenn er fort ist… Möchtest du mich vielleicht besuchen kommen, dann kann ich dich ein wenig rumführen? Und ich habe einen wirklich erstklassigen Whiskey rein bekommen?“
 

Allein mit Brian in dessen Haus… kein Gus… den Whiskey müsste er auch überleben. „Das wäre mir eine große Freude!“ bestätigte Lance wahrheitsgemäß.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
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Von:  brandzess
2011-09-09T20:49:01+00:00 09.09.2011 22:49
Gus spielt das Arschlochkind xd ich hätte so nen kleinen ja längst in der wasserbahn eräuft!
und Brian ist die ruhe selbst und grinst seelig über seinen "lebendigen" Sohn und freut sich am wahsinn xD echt geil!
die Abtrocken-szene war genial! als sich Brian runter gebeugt hat und Lance nen halben herananfall bekommen xD lachflash!
und natürlich die Aufklärstunde á la Brian! was hätte Justin nicht alles gegeben um das zu sehen x'D
und beim nächsten mal wirds bestimmt ganz gemein! wenn Brian lance in sein haus lässt........ich hab da so visionen von einem unvergleichbaren chaos in der ganzen hütte! xD
bin voll gespannt
Von:  chaos-kao
2011-09-09T19:09:30+00:00 09.09.2011 21:09
Psychoterror und Folter à la Brian und Justin! Ich halt mir immer noch den Bauch vor lachen! xDDDD Das Kapitel ist echt genial geworden xDDDD

Lg
Kao


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