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Geschwister für die Blader

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Der Brief

Geschwister für die Blader

Prolog: Der Brief
 

Sehr geehrter Herr Jonathan McGregor,
 

Ich bin mir sehr wohl darüber bewusst, dass Sie jeden Tag hunderte von Briefen erhalten und Sie nicht bei jedem den genauen Inhalt prüfen können. Dennoch ist es von enormer Wichtigkeit, dass Sie gerade diesem Brief hier die nötige Aufmerksamkeit schenken.
 

Bei einiger Recherche über Sie bin ich auf eine überaus erstaunliche Tatsache gestoßen, die selbst Sie verwundern und vielleicht sogar begeistern wird.

Es geht um ein Ereignis in Ihrer frühesten Kindheit, das Sie mit aller Sicherheit nicht mehr in Erinnerung haben, das Ihr Leben jedoch ausschlaggebend verändert hat.
 

Mein Brief mag vielleicht etwas kryptisch und verwirrend auf Sie wirken, aber ich rate Ihnen dazu, es sich am besten selbst anzusehen, denn nur so können Sie sich davon überzeugen, dass ich die Wahrheit spreche.
 

Natürlich kann ich nicht davon ausgehen, dass Sie kommen werden, dennoch würde es mir eine große Erleichterung verschaffen, wenn Sie in der nächsten Woche am Dienstag, den vierten August, um drei Uhr nachmittags am örtlichen Flughafen bei den Ankünften erscheinen könnten.
 

Ich bin mir sicher, dass Sie es nicht bereuen würden zu erscheinen, allerdings habe ich durchaus auch Verständnis, wenn Sie nicht erscheinen. Entscheiden Sie nach Ihrem besten Gewissen.
 


 

Mit freundlichen Grüßen,

S. Dickenson
 

~*~

Überraschung

Geschwister für die Blader

1.Kapitel: Überraschung
 

Da stand er nun also, mitten in der riesigen Halle des Glasgower-Flughafens. Er war schon fast ein Jahr lang nicht mehr hier gewesen, doch allzu viel hatte sich glücklicherweise nicht verändert.

Obwohl sich sein Verstand eigentlich komplett gegen den Inhalt des Briefes versperrt hatte, war er trotzdem gekommen. Er wusste nicht einmal genau wieso – vermutlich war es einfach seine natürliche Neugier gewesen, die ihn zum Flughafen getrieben hatte. Außerdem, was schadete es? Der Flughafen war ein öffentlicher Ort, das bedeutete, dass eine Entführung oder ein Attentat auf ihn zwar nicht unbedingt ausgeschlossen, die Wahrscheinlichkeit dafür jedoch dennoch relativ gering war. Die Unterschrift unter dem Text hatte außerdem „S. Dickenson“ gelautet. Vermutlich kam der Brief also vom Chef der BBA - sofern er nicht eine Hinterlist war. Das würde die Wahrscheinlichkeit eines Überfalls allerdings drastisch steigern, weshalb Johnny diese Möglichkeit einfach außer Acht ließ.

„Johnny, hier drüben!“

Die vertraute Stimme Roberts ließ Johnny zusammenzucken und sich verwirrt nach seinem Freund umblicken, bis er ihn rechts, etwas abseits der ein- und ausströmenden Menschenmasse erkannte. Mit gerunzelter Stirn kämpfte er sich bis zu ihm durch und sah ihn dann fragend an. „Was machst du hier?“

Robert hatte keinen Besuch angekündigt, deswegen war es mehr als nur unwahrscheinlich, dass er wegen ihm hier war. Aber wieso dann? Hatte er ihm den Brief geschrieben? Unwahrscheinlich. Robert war niemand, der derartige Scherze machte. Das war eher Enricos Fachgebiet.

Der Angesprochene zuckte kurz mit den Schultern, ehe er einen Brief aus seiner Hosentasche zog. „Das Selbe wie du und alle anderen auch. Ich habe einen Brief erhalten, der mich bat, mich am Flughafen einzufinden, weil Dickenson etwas über meine Vergangenheit herausgefunden hätte. Es mag verrückt klingen, aber ich hab’s getan. Ich wurde abgeholt und zu einem Flieger gebracht. Einige der Anderen waren schon im Flugzeug, den Rest haben wir auf dem Herweg noch mitgenommen. Und hier soll es jetzt dazu kommen, dass... dieses Geheimnis, oder wie man es bezeichnen mag, gelüftet wird. “

Johnny dachte für einen kurzen Moment darüber nach, wieso sich Robert auf eine derart verrückte Sache einließ, entschied sich dann jedoch, seinen Freund später darüber auszufragen. „Wer ist noch hier? Du redest die ganze Zeit von den Anderen und...“

„Alle“, meinte Robert schlicht und blickte Johnny ob der Frage etwas verwirrt an, „Also, so ziemlich alle Beyblader. Von den AllStarz bis zu den White Tigers.“

„Haben alle diesen Brief bekommen?“

Johnny kam das Alles allmählich ziemlich suspekt vor. War das ein schlechter Scherz von Mister Dickenson gewesen? Einfach, um mal wieder alle Beyblader versammelt zu haben? Er musste zugeben, er war ernsthaft enttäuscht ob dieser Entwicklung. Eigentlich hatte er sich sehr für dieses mysteriöse Geheimnis seiner Vergangenheit interessiert, aber da er sich nicht daran erinnern konnte, vor seiner Beybladekarriere jemals Kontakt zu den Demolitionboys oder den anderen gehabt zu haben, ahnte er, dass das Ganze mit ihm persönlich eher weniger zu tun hatte.

„Ja“, murmelte Robert, dem das allem Anschein nach ebenfalls nicht sonderlich zu gefallen schien, „Jedenfalls habe ich angeboten, dass ich hier auf dich warte und wir dann wieder zu den anderen stoßen. Du musst wissen, du bist der Letzte, der noch fehlt. Von daher sollten wir uns auch allmählich bei den anderen einfinden, damit wir endlich erfahren, was es nun genau mit dieser Brief-Aktion auf sich hat. Denn ich finde es schon sehr fragwürdig, dass jemand alle Beyblader so umständlich zusammen trommelt.“

Johnny nickte, denn er hatte nichts an Roberts Argumentation auszusetzen und war in Gedanken immer noch damit beschäftigt, gegen die aufkeimende Enttäuschung an zu kämpfen. Er fuhr sich durch die Haare und seufzte. „Schon mal darüber nachgedacht, ob jemand ein Motiv hat, sämtliche Spitzenblader der Welt aus dem Weg zu räumen?“

Sein Freund schaffte es, sich ein schwaches Lächeln abzuringen. „Da würde ich eher einen PR-Gag für wahrscheinlich halten. Denn so viel Zeit und Geld zu investieren, nur um sämtliche bekannten Beybladeteams aus dem Weg zu räumen, das halte ich doch für leicht übertrieben.“

„Okay, okay. Das klingt durchaus plausibel. Also, wo findet nun diese Veranstaltung statt? Wenn sich nämlich herausstellt, dass das alles nur ein schlechter Witz ist, dann würde ich meinen heutigen Tag gerne sinnvoller nutzen, als ihn auf einem Flughafen zu verbringen.“

„Hier entlang“, Robert führte Johnny durch einen etwas schmaleren Seitengang zu einer Treppe, die sie hinunter stiegen. Dann folgten sie wieder dem Gang, ehe Robert vor einer großen Doppeltür stehen blieb und diese dann öffnete. Der Raum war sehr groß und geräumig, einige Tische – die vermutlich einmal in der Mitte des Zimmers gestanden hatten – standen an den Wänden, um den zahlreichen Gästen genügend Platz zu machen. Johnny vermutete, dass es sich bei dem Raum gewöhnlicher Weise um eine Art Speisesaal handelte, aber im Grunde genommen war es ihm relativ egal. Es gab wichtigere Dinge, mit denen man sich beschäftigen konnte.

Er sah sich einen kurzen Augenblick verwirrt um, als er Robert aus den Augen verloren hatte, sah ihn jedoch relativ bald bei einem in einem schwarzen Anzug gekleideten Mann, der kurz nickte und dann in den vorderen Teil des Raumes verschwand.

In der Menschenmenge konnte Johnny fast nur bekannte Blader sehen. Er sah die Bladebreakers und die Demolitionboys, sogar die Justice5 waren anwesend. Alle unterhielten sich angeregt mit befreundeten Beybladern und Teams.

Verwirrt ob der zahlreichen Jugendlichen hob Johnny seine Augenbrauen, als ihm plötzlich jemand von hinten die Augen zu hielt. Ein Kichern folgte und er verdrehte genervt die Augen. „Ich weiß, dass du es bist, Enrico, und jetzt hör’ auf mit dem Scheiß.“

Er packte grob die beiden Hände, zog sie beiseite und drehte sich um, nur um sich im nächsten Moment Oliver und Enrico gegenüber zu sehen. Der Italiener zog gekränkt einen Schmollmund. Als er sprach, konnte man deutlich seinen italienischen Akzent hören, doch Johnny wusste, dass Enrico ohne größere Schwierigkeiten fast akzentfreies Englisch beherrschte. Vermutlich fand er es so einfach erotischer. „Woher wusstest du, dass ich es bin?“

„Ich kenne sonst niemanden, der so sehr nach Damenparfum riecht.“

„Ha! Ich kann nichts dafür, dass mich die Frauen so sehr lieben. Und wenigstens stinke ich nicht.“

Johnny stierte sein Gegenüber mit zusammengekniffenen Augen böse an. „Was willst du damit sagen, du triebgesteuerter Möchtegern-Weiberheld?!“ Er wartete jedoch gar nicht erst auf eine Antwort, sondern holte sofort mit seiner Faust aus, um Enrico ins Gesicht zu schlagen. Doch seine Hand wurde grob zurück gehalten und als er nah bei sich ein strenges Räuspern hörte, zuckte er kaum merklich zusammen. Na prima.

„Ich dachte wir hätten uns auf gewisse Grundregeln der Kommunikation geeinigt, Jonathan.“

Genervt verzog er sein Gesicht und Enrico grinste ihn frech an, während Oliver sichtbar ein Lachen unterdrückte. Wiederum hatte er nur einen düsteren Blick für die Beiden übrig und fragte sich schlagartig, weshalb er überhaupt mit diesen Idioten in einem Beybladeteam war. Und Robert war als Teamcaptain mit seinen ewigen Vorträgen und Predigten auch meist nicht wirklich zu ertragen.

„Dazu gehört zum einen, dass man sein Gegenüber nicht einfach schlägt. Gewalt ist nun wirklich keine gute Gesprächsebene, findest du nicht? Aber zu diesen Grundregeln gehört auch, dass man jemanden auch die Zeit gibt, auf Fragen zu antworten. Nun, Enrico? Willst du Johnny nicht eine Antwort geben?“

Der Italiener starrte Robert für kurze Zeit verblüfft an. „Ähm...“

„Schön, dass Sie alle hier so zahlreich erschienen sind“, die laute Stimme, die aus den Lautsprechern dröhnte, ließ alle Anwesenden zu der kleinen Bühne herumfahren, die im vorderen Teil des Raumes aufgebaut war. Auf ihr stand eine etwas ältere, kräftiger gebaute Frau in einem grauen Hosenanzug. Ihr Haar war schwarz-grau und zu einem Dutt hochgesteckt. Sie lächelte freundlich in die Menschenmenge. „Aber erst einmal möchte ich mich Ihnen vorstellen. Mein Name ist Stalley Dickenson. Wie Sie sich alle vielleicht denken können, haben Sie diese geheimnisvollen Briefe von mir erhalten und-“, sie brach ab und blinzelte verwirrt, als sie eine Meldung unter den Beybladern sah, „Ja, bitte?“

„Entschuldigen Sie, dass ich Sie unterbreche. Aber mich würde interessieren, ob Sie in irgendeiner Weise mit Mister Dickenson verwandt sind.“

Johnny erkannte als Sprecher die kleine, braunhaarige Brillenschlange der Bladebreakers. Danny, oder wie der Typ hieß.

„Ah, Kenny. Neugierig wie immer.“

Oder eben so.

„Der Ihnen vermutlich bekannte Stanley Dickenson ist mein Bruder. Ich unterstütze ihn von Zeit zu Zeit bei seiner Arbeit, halte mich meist jedoch eher im Hintergrund“, ein erneutes Lächeln zierte ihre Lippen, als ein murmelndes Raunen durch die kleine Halle ging. Dann fuhr sie fort, „Natürlich mag es Ihnen absurd vorkommen, dass ich jedem Einzelnen von Ihnen einen Brief zukommen lassen habe, in denen ich von Ihrer jeweiligen Vergangenheit gesprochen habe, doch jedes Wort, das ich Ihnen geschrieben habe, habe ich absolut ernst gemeint. Sie alle haben mehr gemeinsam, als Sie vielleicht im Moment denken.“ Sie deutete mit einer Hand zu einem der Männer in den schwarzen Anzügen, die an der Seite der Bühne standen und dieser nickte und verschwand durch eine Seitentür in einen Nebenraum.

„Da es sich bei jedem von Ihnen um ein individuelles Ereignis handelt, hielten wir es für sinnvoll, für jeden von Ihnen einen speziellen Ort auszuwählen, an dem Sie sich mit den Geheimnissen Ihrer Vergangenheit auseinandersetzen können. Hierzu haben wir Ihnen eine Karte dieses Flughafens angefertigt, wo Sie auf meine Angestellten treffen werden, die Ihnen die Informationen geben werden. Danach treffen wir uns alle gemeinsam wieder hier in dieser Halle.“

Der Mann kam mit einem Karton unter seinem Arm wieder aus dem Nebenzimmer heraus und auf die Bühne, um Frau Dickenson diesen zu überreichen, wobei er neben ihr stehen blieb. Diese nickte ihm dankbar zu.

„Sie erkennen meine Angestellten an dem schwarzen Anzug und dem jeweiligen Namensschild“, sie deutete auf ein Kärtchen, das am Anzug des Mannes neben ihr befestigt war. Darauf war das Logo der BBA abgebildet und daneben stand der Name der Person. „Ich werde Sie nun der Reihe nach aufrufen und Ihnen die Karte für ihren Treffpunkt überreichen. Es steht Ihnen frei diesen aufzusuchen, Sie sind nicht dazu verpflichtet, dennoch möchte ich Ihnen noch einmal ans Herz legen, dass dies die einzige Möglichkeit für Sie sein wird, hinter die unglaublichste Geschichte Ihrer Kindheit zu kommen, endlich das Geheimnis zu lüften.“

Sie begann damit in alphabetischer Reihenfolge die Namen aller Beyblader aufzurufen und Johnny musterte sie skeptisch, ehe er sich an Robert wandte: „Es fällt mir schwer, das hier alles ernst zu nehmen.“ Sein Gegenüber nickte stumm und wollte den Mund öffnen, als sich Enrico einmischte.

„Ach komm schon, Johnny. Sei doch nicht so zimperlich! Was soll an einem öffentlichen Ort schon groß passieren? Wenn Frau Dickenson meint, dass Sie uns unsere Vergangenheit näher bringen will, dann glaub ihr doch einfach. Schlimmstenfalls warten Leute von der Presse an den jeweiligen Treffpunkten. Aber hey, Interviews sind gute Publicity.“

Genervt verdrehte Johnny die Augen und Oliver legte seinen Kopf ein wenig schief. „Enrico hat recht. Wir sollten dem Ganzen eine Chance geben. Wir sind hier in einem öffentlichen Gebäude. Was soll schon großartig passieren?“
 

Hätte er sich nur nicht von Oliver und Enrico bequatschen lassen, dann wäre er jetzt schon wieder zu Hause und könnte ein wenig Tennis spielen. Stattdessen war er gerade auf dem Weg zu einem kleinen Café, das sich in der Haupthalle des Flughafens befand. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, aber seine anfängliche Begeisterung und Neugier waren inzwischen schon ziemlich abgeebbt. Mit einem Seufzen fuhr er sich durch die Haare und steckte dann beide Hände in seine Hosentaschen, als er die Halle durchschritt. Er konnte das kleine Geschäft bereits erkennen und er suchte die Tische nach Männern im Anzug ab. Davon gab es hier sicherlich mehr als nur genug. Gereizt verzog er sein Gesicht, als ihm klar wurde, dass er jetzt auch noch nach dem Angestellten suchen musste. Das konnte ja heiter werden.

Als er sich weiter näherte, erkannte er jedoch relativ schnell das kleine BBA-Schildchen, das ein blondhaariger Mann an einem der hinteren Tische gut sichtbar an seiner rechten Brusttasche trug. Doch er saß nicht alleine am Tisch. Verdattert blieb Johnny stehen, als er neben ihm ein mürrisch dreinblickendes Mädchen erkannte. Ihre Haare waren kinnlang und - wie seine auch - feuerrot und standen wild in alle Richtungen ab, sie wurden alleine durch ein blaues Kopftuch ein klein wenig gebändigt. Sie trug ein weites, dunkellila-farbiges T-Shirt, auf dem untereinander drei gelbe Symbole abgebildet waren: ein Herz, die Ziffer Zwei und ein Felsen. Ihre lange Cargohose war schwarz und nur andeutungsweise unter dem Tisch zu erkennen.

Gerade als Johnny überlegte, ob er wirklich wissen wollte, was es mit dem Mädchen auf sich hatte, trafen sich ihre Augen für einen kurzen Augenblick. Violett.

Konnte das wirklich sein?!

„Ist er das?“, hörte er ihre Stimme und sie deutete auf ihn. Der Mann neben ihr blickte auf und winkte Johnny zu. „Ah! Herr McGregor! Schön, dass Sie gekommen sind, setzen Sie sich doch bitte zu uns.“

Für einen kurzen Augenblick überlegte er sich, ob er einfach wegrennen sollte. Dann wurde ihm klar, dass das Ganze vielleicht gefilmt oder er bei seiner Flucht beobachtet wurde und er entschied sich dagegen. Ob es eine dieser schlechten Sendungen mit einer versteckten Kamera war? Bei Gott, in was war er da nur hineingeraten? Das Mädchen sah aus wie eine weibliche Form von ihm!

Nur zögerlich trat er näher und quetschte sich durch die zahlreichen Tische und hoffte, dass dieser schlechte Scherz bald aufgeklärt sein würde. Das Mädchen starrte ihn mit großen Augen an, während der Mann - auf dessen Namensschild in großen Lettern D. Madison stand - ihn freundlich anlächelte. Er setzte sich langsam, ohne seine Augen von der Rothaarigen zu nehmen.

„Darf ich Sie beide nun miteinander bekannt machen? Das hier ist Joanne-“

„Joanny“, wurde er sofort verbessert, dann deutete er auf Johnny, „Und das hier ist Jonathan McGregor.“

Für einen kurzen Moment überlegte der junge Schotte, ob er Madison ebenfalls verbessern sollte, aber er hielt sich zurück – er hasste zwar die lange Form seines Namens, aber er war nicht bereit, sich auf all das hier einzulassen, solange er das Gefühl hatte, hier gerade in irgendeiner Weise verarscht zu werden. Der Mann wandte sich wieder an ihn.

„Joanny ist Ihre vor langer Zeit verschollene, jüngere Schwester.“
 

~*~

Streitpunkt

Geschwister für die Blader

2.Kapitel: Streitpunkt
 

Das Gesicht des Mädchens hatte sich inzwischen ein wenig aufgehellt. Joanny blickte erwartungsvoll und unsicher zugleich ihren Bruder an, fast so, als erfüllte sich gerade ihr sehnlichster Wunsch. Für einen kurzen Augenblick fragte sich Johnny, ob er lachen oder weinen sollte. Das war alles ein schlechter Scherz, oder? Er hatte mit großer Sicherheit keine vor langer Zeit verschollene, jüngere Schwester, davon wüsste er. Wer auch immer sich diesen Witz ausgedacht hatte, hatte einen sehr schlechten Humor.

Doch wie sollte er reagieren? Er wollte sich nicht in aller Öffentlichkeit blamieren, indem er eine Szene machte, auf der anderen Seite konnte er diese abstrusen Behauptungen kaum auf sich sitzen lassen. Alles abzustreiten war vermutlich die sinnvollste Methode, denn wenn er mitspielte, konnte er schon tausende von Fernsehzuschauern lachen hören. Dass hier eine versteckte Kamera im Spiel war, dessen war er sich inzwischen absolut sicher.

„Es tut mir Leid, Sie müssen sich irren. Ich habe keine vor langer Zeit verschollene, jüngere Schwester. Und wenn sie mich hier verarschen wollen, dann bitte ich Sie, augenblicklich davon abzusehen, da das nur unnötig meine Zeit verschwendet“, er musterte das Mädchen, das ihm gegenüber saß und ihn nun skeptisch mit verschränkten Armen anblickte und wandte sich dann wieder mit einem erzwungenen Lächeln an Madison.

Dieser blinzelte ihn nur verwirrt an, ehe er freundlich und beschwichtigend meinte: „Ich verstehe, dass diese Situation für Sie ungewohnt ist. Es erwartet auch niemand von Ihnen, dass Sie sich sofort damit abfinden und-“

„Wenn es sich wirklich hierbei um meine Schwester handeln würde, warum haben Sie sich dann an mich gewendet? Warum nicht an meine Eltern? Oder meinen Bruder? Wäre es nicht sinnvoller, meine ganze Familie an so einem wichtigen Ereignis teilhaben zu lassen? Es tut mir Leid, dieses Szenario hier ist schlicht und ergreifend nicht logisch. Es ist höchstens ein schlecht durchkonzipierter PR-Gag.“

Ihm wurde relativ schnell klar, dass er Madison nicht so einfach knacken konnte. Der BBA-Angestellte spielte seine Rolle zu gut und auch jetzt blickte er ihn nur verständnisvoll an. Also musste er diese Schmierenkomödie wohl an anderer Stelle aufbrechen: bei seiner Schwester. Er drehte sich zu ihr herum und bemerkte, dass ihr Gesichtsausdruck eigenartig verklemmt und betroffen wirkte. „Mädchen, wie heißt du wirklich?“

„Joanne!“, fuhr sie ihn ungehalten an und kniff die Augen zusammen, „Mein Name ist Joanne!“ Sie sprang von ihrem Platz auf und knallte ihre Hände auf den Tisch. „Und tut nicht so, als wäre ich nicht da, während ihr über mich sprecht!“ Verwirrt blickte Johnny ihr hinterher, als sie – nach einem zornigen Blick auf ihn und nachdem sie ihm ihren Mittelfinger entgegengestreckt hatte – mit schnellen Schritten vom Tisch wegstapfte.

„Sie müssen verstehen“, meinte Madison und Johnny sah ihn fragend an, war er noch ein wenig durcheinander von der heftigen Reaktion des Mädchens, „dass diese Situation auch für Ihre Schwester nicht unbedingt einfach ist. Sie hat fast ihr ganzes Leben ohne Familie in einem Waisenhaus in England verbracht. Ich weiß nicht, ob Sie sich an die Entführung Ihrer Schwester erinnern. Sie waren damals noch klein, drei Jahre alt, Ihre Schwester gerade erst geboren. Es ging damals durch alle Medien. Die Entführer nahmen zwar das Lösegeld, gaben die Geisel jedoch niemals zurück. Als Frau Dickenson über Sie recherchiert hat, ist sie auf diesen fehlenden Teil Ihres Lebens gestoßen und sie hat alles Mögliche getan, um Ihnen Ihre Schwester wiederzugeben. Vergessen Sie bitte nie, dass Sie in all dieser Zeit noch Ihre Familie hatten – Joanne hatte niemanden. Dass Sie ihr dann so feindselig gegenüber stehen, macht ihr die Sache nicht leichter, hatte sie sich doch von ihrer Familie recht viel versprochen.“

Johnny hob skeptisch eine Augenbraue und wollte gerade den Mund öffnen, um einen Protest einzuwerfen, als Madison ihn mit einer knappen Geste zum Schweigen brachte. „Entschuldigen Sie mich für einen Moment...“, er griff an seinen Gürtel, an dem ein kleines Sprechgerät angebracht war. „Joanne McGregor wird vermisst. Sie ist eben abgehauen“, sprach er in den Apparat hinein und prompt kam die Antwort: „Schon wieder?!“ Für einen kurzen Augenblick bildete sich ein breites Grinsen auf Johnnys Gesicht, ehe er sich bemühte, wieder seine abweisende Haltung anzunehmen. „Wenn jemand Sie sieht, bitte zum Treffpunkt im Café zurückbringen. Danke.“ Madison befestigte den Gegenstand wieder an seinem alten Platz, ehe er sein Gegenüber neugierig anblickte. „Sie wollten etwas sagen?!“

Der Schotte schüttelte nur den Kopf. „Wissen Sie, ich glaube Ihnen kein Wort.“

„Das müssen Sie auch nicht“, meinte Madison und lächelte ihn an, „Glauben Sie den Tatsachen. Glauben Sie Ihrer Schwester. Geben Sie Ihr eine Chance und lernen Sie sie erst einmal kennen, bevor Sie sie von sich stoßen und es später vielleicht bereuen...“

Johnny besah ihn mit einem skeptischen Blick, schwieg jedoch. Er hatte inzwischen eingesehen, dass es keinen Sinn hatte, den Versuch zu unternehmen, Frau Dickensons Leute mit Vernunft und Logik davon zu überzeugen, zuzugeben, dass das Ganze nur ein übler Schwindel war. Aber wie lange würde dieser Betrug schon dauern? Wenn er Glück hatte, wäre er die ganze Geschichte am Abend los und er würde nie wieder etwas von diesen schauerlichen Ereignissen hören.

„Lassen Sie mich gefälligst los!“, die bekannte Stimme riss Johnny aus seinen Gedanken und er wandte sich zu der Quelle des Lärmes um – ebenso wie einige andere Besucher des Cafés. Joanny riss sich gerade mit gereiztem Blick von einem der BBA-Angestellten los, der Madison kurz zunickte. Als sich der schwarzhaarige, hochgewachsene Mann wegdrehte und wieder ging, streckte ihm das Mädchen die Zunge heraus und verschränkte dann die Arme vor der Brust.

„Ich denke es wird Zeit, dass Sie beide sich wieder gemeinsam am Treffpunkt einfinden“, Johnny fuhr zu Madison herum, der auf seine Uhr blickte und sich von seinem Sitzplatz erhob, „Dort wird Frau Dickenson Sie auch in alles Weitere einweisen und Ihnen die Pläne für die nächsten Tage verraten.“

„Nächsten Ta-...? Moment! Was soll das heißen?!“

„Sie kommen noch zu spät, beeilen Sie sich besser“, mit diesen Worten ließ er Johnny und Joanny alleine zurück. Mit düsterer Miene blickte der Schotte ihm hinterher und in Gedanken ging er alle Möglichkeiten durch, die er hatte. Entweder er tat, was man ihm vorgeschlagen hatte, oder er verschwand einfach. Wenn er blieb, dann würde er das Mädchen, dass sich als seine Schwester ausgab, noch eine ganze Weile an der Backe haben, auf der anderen Seite würde sie ihm vermutlich auch folgen, wenn er jetzt gleich das Gebäude verließ. Andererseits interessierte es ihn, welche düsteren Geheimnisse wohl seinen Teamkollegen offenbart wurden. Innerlich grinste er, als er darüber nachdachte, ob Enrico wohl eine seiner unzähligen Freundinnen auflauerte und ihm erzählte, dass sie schwanger von ihm sei. Das wäre lustig. „Und was machen wir jetzt?“

In all seinen Gedanken hatte er sein Problem ganz vergessen gehabt. Er drehte sich um und sah sich seiner trotzig dreinblickenden Schwester gegenüber. Allem Anschein nach war sie mit der Situation auch nicht sonderlich zufrieden. „Ich werde jetzt zurück zum Treffpunkt gehen“, meinte Johnny mit einigem an Nachdruck, „Was du machst, ist dir überlassen. Hör zu, Mädchen: Wie viel Geld du auch immer dafür bezahlt bekommst, dich als meine lange verschollene Schwester auszugeben, es ist wirklich nicht witzig und du solltest einfach damit aufhören und am besten jetzt gleich von hier verschwinden. Meinetwegen gebe ich dir auch das Doppelte der Summe. Geh zu deinen Eltern oder sonst wem, aber lass mich in Ruhe.“

Sein Gegenüber starrte ihn fassungslos an, ehe sie es fertig brachte den Mund zu öffnen. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und wirkte diesmal wirklich wütend und verletzt. „Du bist so ein verdammtes Arschloch!“, sie machte auf dem Absatz kehrt und wollte erneut weglaufen, als einer der BBA-Angestellten, der etwas weiter entfernt stand, ein paar Schritte auf sie zu ging. Vermutlich, um sie gegebenenfalls wieder zurück zu bringen. Sie verharrte in ihrer Position und presste beide Lippen aufeinander, so als wüsste sie nicht sicher, was sie tun sollte.

Allem Anschein nach nahmen es die mutmaßlichen Geldgeber ziemlich genau damit, dass sie bei ihm blieb. Anders konnte er sich das Verhalten nicht erklären. Johnny seufzte gequält auf und entschied sich dazu, dass es wohl das Beste wäre, einfach zum Treffpunkt zu gehen - ob mit oder ohne seine Schwester, das war ihm inzwischen so ziemlich egal. Zumindest hätten er und seine Teamkollegen ein bisschen was zum Lachen, wenn er ihnen ihre Geschichte erzählte. „Zum Treffpunkt geht’s da lang“, meinte er genervt, nickte mit einer knappen Kopfbewegung nach rechts, steckte seine Hände in die Hosentaschen und setzte sich in Bewegung. Obwohl es ihn wirklich unheimlich interessierte, wie das Mädchen wohl reagieren würde, gab er sich größte Mühe, das zu verbergen. Es wäre ja noch schöner, wenn sie das Gefühl bekam, dass er Interesse für sie hegte.

„Das weiß ich selbst!“, murrte sie und eilte ihm hinterher. Johnny wusste, dass der Weg einige Minuten in Anspruch nehmen würde und obgleich er die Zeit durch einen schnellen Schritt hätte verkürzen können, beeilte er sich nicht. Das Mädchen betrachtete bewundernd die Umgebung des Flughafens und Johnny verdrehte ungläubig die Augen. „Warst du noch nie auf einem Flughafen?!“, murrte er skeptisch.

„Nur in London, als ich hergebracht wurde“, kam sofort die Antwort und er spürte einen misstrauischen Blick auf sich ruhen, „Warst du denn schon mal auf einem so großen Flughafen?“ Augenblicklich blieb Johnny stehen und wandte sich zu dem Mädchen um, blickte sie argwöhnisch an und stemmte die Hände in seine Seiten. „Soll das ein Witz sein? Was soll diese dämliche Frage?“ Die eben noch entspannte Miene Joannes verdüsterte sich augenblicklich und in ihren Augen konnte er einen stillen Vorwurf erkennen. Sie zog einen Schmollmund, als sie die Arme vor der Brust verschränkte und im störrischen Tonfall meinte: „Woher soll ich-“ „Du wirst doch wohl schon einmal von mir gehört haben!“

Joanne blickte ihn ratlos an und blinzelte verwirrt, so als wüsste sie nicht genau, worauf er in dem Moment konkret hinaus wollte. „Jonathan McGregor. Der Jonathan McGregor. Klingelt da bei dir vielleicht etwas?!“ Sie schüttelte nur unsicher den Kopf, wusste nicht genau, was in diesem Augenblick von ihr erwartet wurde. Aufgebracht stöhnte Johnny auf. „Berühmte Familie? Reich? Schottischer Beyblade-Champion?“ All das schien ihr nichts zu sagen, als er jedoch die letzten Worte aussprach, glänzten ihre Augen, „Du bladest?“ „Oh mein Gott, ich geb’s auf!“, rief Johnny verzweifelt aus und fasste sich mit den Händen an den Kopf, „Du kannst mir nicht weiß machen, dass du noch nie irgendetwas über mich gehört hast!“

Ein hilfloser, jedoch gekränkter, Blick traf ihn und Johnny fuhr sich durch die Haare und schloss seine Augen. „In Ordnung“, murmelte er, ehe er es noch einmal nachdrücklicher wiederholte, „In Ordnung.“ Ohne ein weiteres Wort setzte er seinen Weg fort, während er deutlich den gereizten Gesichtsausdruck des Mädchens in seinem Rücken spürte.

Als sie letzten Endes wieder am Raum ankamen, in dem die erste Veranstaltung stattgefunden hatte, stieß Johnny mit düsterer Mine die Tür auf, nur um im nächsten Moment fassungslos an seinem Platz zu verharren. Zwar waren immer noch nicht alle Beyblader wieder zurück in den Räumlichkeiten, doch die Zahl der Anwesenden hatte sich deutlich vermehrt, denn jeder hatte allem Anschein nach eine gegengeschlechtliche – sich im Alter jedoch unterscheidende – Kopie von sich selbst bei sich und unterhielt sich angeregt mit ihr oder mit den Teamkollegen oder deren mutmaßlichen Geschwistern. Johnny wusste für einen kurzen Augenblick nicht, was ihn mehr schockieren sollte: Dass jeder seinen persönlichen Klon hatte, oder dass keiner auch nur daran dachte, die Situation zu hinterfragen. Nahm denn keiner davon Notiz, dass hier irgendetwas nicht stimmen konnte?

„Ah, na wenn das nicht Johnny ist...“, die vertraute Stimme mit dem italienischen Akzent ließ den Angesprochenen herumfahren und sein Team fixieren. Er war sich unsicher, ob er zu ihnen gehen sollte. Ob er das wirklich wollte. Auch seine Teamkollegen hatten ein Pendant zu sich bei sich stehen und wirkten gut gelaunt. Johnny konnte ihre Freude nicht teilen. „Wer ist das?“, die zögerliche Frage Joannes riss ihn aus seinen Gedanken und er seufzte gequält auf. Was blieb ihm schon groß übrig? „Komm mit“, murrte er, „Ich stelle dir mein Team vor.“

Ohne auf eine Reaktion zu warten, schob er sich an ein paar Bladern vorbei, ehe er bei Enrico und den anderen zum Stehen kam. Joanny folgte nur Augenblicke später, wirkte jedoch sehr verunsichert und nervös. Während Oliver das Mädchen neugierig musterte, spiegelte sich in Enricos Augen eher ein sexuelles Interesse an ihr. Robert hingegen warf ihr nur einen kurzen Blick zu, ehe er sich wieder seiner kleinen Schwester zuwandte. Sie war noch relativ jung, vielleicht sechs, sieben Jahre alt, und Robert hatte sie auf seinen Arm gehoben. Ihre Haare waren im gleichen Violett gehalten, wie die ihres Bruders, waren jedoch ein wenig länger und zu zwei Zöpfen gebunden, die mit Hilfe zweier großer, gelber Schleifen zusammengehalten wurden. Ihre Augen waren kindlich-groß und hatten ebenfalls die gleiche Färbung wie Roberts. Sie trug ein süßes, grünes Latz-Kleidchen, darunter ein weißes T-Shirt, weiße Kniestrümpfe und schwarze Lackschuhe.

Noch bevor Johnny sich weiter mit ihr beschäftigen konnte, hatten sich zwei Brüste in seine Sicht geschoben. Er blickte auf und konnte ohne größere Schwierigkeiten Enricos Schwester identifizieren. Ihre leicht lockigen Haare waren blond, gingen ihr bis knapp über die Schulter und schienen sehr gepflegt und aufwendig frisiert zu sein. Die blauen Augen wurden durch das Make-Up in ihrem Gesicht sehr betont und ihre roten Lippen umrahmten ihre strahlend weißen Zähne. Ihre Kleidung war modisch, sowohl vom Schnitt her, als auch von den Farben. Das goldschimmernde Top war schulterfrei und lief zum Bauchnabel hin spitz zu. Sie trug passend dazu einen knappen, jedoch luftigen, grünen Rock. Ihre Beine waren lang und führten zu ihren High Heels, die sich farblich exakt an das Oberteil hielten. Vom Alter her war sie vermutlich etwas jünger als er selbst. Was ihre Art und Weise anging, so wirkte sie sehr aufdringlich und blickte Johnny flirtend an. „Hey, ich bin Enrica. Hast du heute Abend schon etwas vor?“ Der Schotte starrte sie mit offenem Mund verstört an, wandte sich sofort ab und wieder dem Rest des Teams zu, während Enricos Schwester damit begann, ihre Reize spielen zu lassen, um sich weiter an ihn heran zu machen. Verzweifelt versuchte er das zu ignorieren.

Olivers Schwester erschien in seinem Blickfeld. Sie war vermutlich an die zwölf Jahre alt und wie er bereits zuvor beobachtet hatte, waren auch hier die Haar- und die Augenfarbe mit ihrem Bruder geradezu identisch. Ihr Haarschnitt glich dem von Oliver, nur dass sie ihre schulterlangen Haare nicht offen trug, sondern zu einem kleinen Pferdeschwanz gebunden. Sie trug – im Gegensatz zu manch anderem anwesenden Mädchen – nur leichtes Makeup, das sie ein bisschen wie eine Puppe wirken ließ. Das Auftreten, das sie an den Tag legte, wirkte eher zurückhaltend und schüchtern, und ihr sommerliches, rotes Kleid, über dem sie ein blaues Jäckchen trug, unterstrich dieses Charakterbild. Ihre Schuhe waren flache, weiße Lackschuhe.

Sein Blick fiel auf Joanny, die sich gerade mit Oliver, Enrico und deren Geschwistern unterhielt. Sie lächelte ihm kurz schüchtern zu, als sie das bemerkte, doch der junge Schotte wandte sich ohne eine Reaktion zu zeigen von ihr ab. Es fiel Johnny sehr schwer, mit der Situation zurechtzukommen und sie zu akzeptieren. Was auch immer hier geschah, es war mit Vernunft nicht zu erklären – und allem Anschein nach war er der Einzige, dem das auffiel! Was war nur los?

Nun, Robert war wohl einer der wenigen Anwesenden in diesem Raum, der für gewöhnlich seine Bedenken teilen müsste. Doch er schien es nicht zu tun. Johnny riss sich zusammen und ging zu seinem Teamcaptain, um ihn mit einem skeptischen Blick zu mustern, der diesem nicht entging. „Kann ich kurz mit dir sprechen? Unter vier Augen?“ Robert sah ihn kurz fragend an, setzte seine Schwester auf den Boden und bat Oliver, für einen kurzen Augenblick auf sie aufzupassen, ehe er dem düster dreinblickenden Johnny aus dem Raum und auf die Männertoilette folgte.

Der Raum war nicht der größte, doch er bot genügend Platz, um zu reden, ohne im Weg zu stehen. Die Einrichtung war schlicht gehalten und neben drei Waschbecken gab es vier Pissoirs und vier Toilettenkabinen. Die Leute, die im Raum waren, ignorierte der Schotte geflissentlich. Kaum war die Tür zugefallen, brach es aus Johnny heraus: „Robert, was hältst du von der ganzen Sache?!“ Der Angesprochene blinzelte verwirrt und runzelte die Stirn. „Tut mir Leid, ich weiß nicht ganz, worauf du hinaus willst...“

Johnny seufzte ergeben. „Hör zu. Irgendetwas stimmt hier doch nicht, das muss dir doch auch aufgefallen sein! Nicht nur die Tatsache, dass plötzlich jeder einzelne von uns ein langverschollenes Familienmitglied haben soll. Nein! Die schauen dann auch noch alle aus, als wären sie Klone von uns, nur mit anderem Geschlecht. Und die Namen! Es kann doch wirklich nicht sein, dass die auch noch fast genauso heißen wie wir. Bitte Robert, dir muss es doch auch komisch vorkommen!“, er war aufgebracht und gereizt, als er sprach. Es traf ihn tief, dass er der einzige zu sein schien, der Zweifel an dem ganzen Szenario hegte. Sein Freund zögerte für einen kurzen Augenblick. „Ich verstehe, dass für dich die Situation ungewohnt ist und-“

„Robert! Denk doch bitte nach! Wenn es wirklich so wäre, dann hätte man nicht uns, sondern unsere Familien kontaktiert und-“, er unterbrach sich, als er den düsteren Blick von Robert bemerkte. Innerlich seufzte er verzweifelt auf, hatte er unbeabsichtigt exakt den wunden Punkt getroffen. Robert hatte keine Familie mehr. Plötzlich ergab sein Verhalten einen Sinn und Johnny wurde klar, warum er sich so gegen alle Logik sträubte. „Jonathan, deine Skepsis in allen Ehren, aber akzeptiere doch einfach die Sachlage!“, Robert wandte sich um, um das Zimmer zu verlassen.

Ich soll die Sachlage akzeptieren? Robert, bitte, das meinst du doch nicht ernst“, im Gegensatz zum bisherigen Gespräch war Johnny diesmal nicht wütend, sondern sehr ernst, als er sprach. Robert verharrte in seiner Position. „Derjenige von uns, der durch sein Wunschdenken geblendet ist, bist ja wohl du!“

Es war das erste Mal, dass er Robert wirklich zornig erlebte, umso erschrockener war der Schotte. „Was weißt du denn schon, Jonathan? Meine Mutter war im neunten Monat schwanger, als das Flugzeug abgestürzt ist! Roberta kann meine Schwester sein. Schau dir die Fakten doch an! Du siehst die Ähnlichkeit, sie hat das richtige Alter! Und – bei Gott – es ist einfach nur logisch, dass sie gerettet werden konnte. Warum sollte ich das in Frage stellen? Sie hat ihr ganzes Leben bisher alleine in einer Pflegefamilie in Amerika verbracht, warum sollte ich ihr jetzt nicht der Bruder sein, der ich ihr bisher nicht sein konnte?!“

Johnny wusste nicht, was er sagen sollte und er schüttelte einfach nur den Kopf. Konnte das wirklich sein? Die Wahrscheinlichkeit, dass das Mädchen Roberts Schwester war, lief gegen null. Robert war von seinem Wunsch besessen, Johnny wollte nicht wissen, was geschehen würde, wenn sich das Ganze als ein schlechter Scherz der Medien oder der BBA herausstellte. Charakterlich war Robert nicht unbedingt zerbrechlich, aber es würde ihn mit Sicherheit zutiefst verletzen. Auf der anderen Seite war es für ihn mit Sicherheit ein leichtes, die aktuelle Situation als Realität anzuerkennen. „Robert, du musst doch auch sehen, dass das alles einfach nur eine große Lüge ist!“ „Ist es das? Warum sträubst du dich so sehr dagegen es zu glauben?!“ „Und warum sträubst du dich so sehr dagegen, deinen Verstand zu gebrauchen und das Ganze zu hinterfragen?!“

Es gab viele Dinge, mit denen Johnny in diesem Augenblick gerechnet hatte, aber sicher nicht damit, dass Robert handgreiflich wurde und ihn grob nach hinten schubste. Er keuchte erschrocken auf und schaffte es gerade noch, sich mit seinen Händen abzustützen, um nicht mit dem Kopf aufzuschlagen. Dennoch stürzte er hart und er starrte von seiner Position am Boden mit wütender Miene zu Robert auf. „Sag mal, spinnst du?!“, fuhr er ihn an. Für einen kurzen Augenblick schien Robert unentschlossen zu sein. Allem Anschein nach bereute er seine Tat zutiefst und wollte sich entschuldigen. Dann jedoch verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck erneut und er wirkte ernst und verschlossen. Ohne ein weiteres Wort verließ er die Herrentoilette. Johnny starrte ihm sprachlos hinterher.
 

~*~

Der Wochenplan

Geschwister für die Blader

3.Kapitel: Der Wochenplan
 

„Das hört sich ja nach üblen Streitigkeiten bei den Majestics an“, meinte Michael beiläufig, als er Johnny aufmunternd zulächelte und ihm hilfsbereit seine Hand entgegenstreckte, um ihm beim Aufstehen zu helfen. Der Schotte warf ihm einen trotzigen und gekränkten Blick zu, ehe er die Hand ergriff und sich aufrappelte, sagte jedoch nichts. Er hatte während Roberts und seiner Auseinandersetzung nicht wirklich darauf geachtet, ob jemand im Raum anwesend gewesen war, von daher war er nun ziemlich überrascht, als er Michael und Ian bemerkte.

Michael trat zum Waschbecken, während er weiter sprach: „Aber falls es dich tröstet, ich denke ähnlich über die ganze Angelegenheit. Es ist wirklich sehr seltsam und diese Michaela kann gar nicht meine Schwester sein.“ Er betätigte den Wasserhahn und begann damit, sich die Hände zu waschen, was Johnny dazu veranlasste, entsetzt und angewidert zugleich seine eigene Hand anzusehen. Kopfschüttelnd trat er neben Michael und drehte das Wasser auf.

„Wieso denkst du das?“, meldete sich Ian zu Wort, der die beiden skeptisch musterte und seine Arme vor der Brust verschränkte, „Hast du irgendwelche Beweise, die dagegen sprechen, dass sie deine Schwester ist, Michael?“ Trotz seiner geringen Größe hatte der Russe eine Ausstrahlung, die es so ziemlich unmöglich machte, ihn zu übersehen.

„Ihr Charakter“, antwortete Michael prompt und nahm sich ein Tuch aus dem Handtuchspender, „Sie ist so arrogant und eingebildet. Sie empfindet sich selbst als großartig und toll. So jemand kann nicht meine Schwester sein.“ Johnny stöhnte entgeistert auf und verdrehte genervt die Augen, was ihm einen düsteren Blick Michaels bescherte. „Das ist der Grund, warum du auf meiner Seite bist?!“, fragte Johnny ungläubig, doch der Amerikaner hob nur seine Augenbrauen, als wolle er damit ausdrücken, dass er nicht verstand, was nun genau sein Problem war.

„Ich kann Johnnys Argumente durchaus ein wenig nachvollziehen, aber ihr könnt nicht von Anfang an ausschließen, dass es sich nicht doch um die Wahrheit handelt“, warf Ian ein, was Johnny und Michael dazu veranlasste, wieder zu ihm herüberzublicken, „Natürlich wirkt es vielleicht ein wenig unglaubwürdig, aber wenn man sich die Tatsachen ansieht, gibt es tatsächlich die Möglichkeit, dass es sich um unsere leibhaftigen Geschwister handelt. Ich meine, bei den meisten Beybladern gibt es einen guten Grund, weshalb ihre Geschwister erst jetzt gefunden werden konnten und-...“ „Und womit haben sie dich gekauft?“, warf Johnny mit zusammengekniffenen Augen im scharfen Tonfall ein. Ian zögerte kurz, ehe er leise seufzte.

„Wir sind in der Abtei aufgewachsen, also Bryan, Spencer, Tala und ich. Wir haben unsere Familien nie kennen gelernt. Aber Frau Dickenson hat sie ausfindig gemacht. Nach dieser Woche werden wir sie treffen. Es besteht doch die Möglichkeit, oder etwa nicht?“

„Und warum holt dich deine Familie dann nicht ab? Warum kommt zuerst dieses Mädchen? Warum noch eine Woche warten?“, der Schotte schüttelte nur sprachlos den Kopf. Ian schenkte ihm ein mildes Lächeln, legte den Kopf schief und erklärte dann: „Frau Dickenson dachte sich wohl, dass ein Vermittler das Einleben der neuen Geschwister erleichtern würde. Wenn du deine Schwester eine Woche lang kennen gelernt hast, wird es ihr mit dir als Bezugsperson mit Sicherheit leichter fallen, sich in deine Familie einzugewöhnen, als wenn sie sofort mit so vielen unbekannten Gesichtern konfrontiert wird, oder? Versetze dich doch mal in ihre Lage – und gib ihr einfach eine Chance!“

Mit diesen Worten trat der kleine Russe aus dem Zimmer, Michael folgte ihm, jedoch nicht ohne sich vorher noch einmal zu Johnny umzudrehen, zu schnipsen und dann mit dem Zeigefinger auf ihn zu deuten: „Hey, ich bin auf deiner Seite!“

Alleine zurück blieb Johnny, der nur fassungslos den Kopf schüttelte und sich fragte, womit er diese gesamte Situation verdient hatte. Für einen kurzen Augenblick verharrte er in seiner Position, ehe er sich in Bewegung setzte und sich auf den Weg zurück zum Saal begab.

Mittlerweile hatten sich dort allem Anschein nach wieder alle Beyblader (und deren Geschwister) eingefunden, denn die Halle war nun voll gestopft mit Jugendlichen und Frau Dickenson machte sich gerade wieder auf den Weg zur Bühne. Eilig begann Johnny damit, sich einen Platz zu suchen, von dem er die Ansprache von Frau Dickenson verfolgen konnte, ohne Gefahr zu laufen, in der Masse unterzugehen. Glücklicherweise wollten die meisten Anwesenden möglichst weit vorne stehen, so dass er sich ohne größere Schwierigkeiten hinter ihnen vorbei bewegen und sich dann – wie er hoffte - an der hinteren Wand niederlassen konnte. Er gab sich keine Mühe, nach seinen Teamkollegen Ausschau zu halten. Das Letzte, was er jetzt wollte, war, Robert zu treffen. Bei der Wut, die er momentan im Bauch hatte, wusste er nicht, wie er wohl reagieren würde, wenn er ihm unter die Augen trat. Und es war wohl unumgänglich, dass er bei Oliver und Enrico stand. Da das die einzigen Beyblader im Raum waren, die er zumindest ansatzweise leiden konnte, saß er lieber gleich alleine.

Als er aus dem größten Gewimmel draußen war, seufzte er jedoch genervt auf, als er Joanny erblickte, die es sich abseits der anderen auf dem Fußboden bequem gemacht hatte. Da, wo er sich eigentlich hatte niederlassen wollen. Für einen kurzen Augenblick überlegte er, ob er verschwinden und sich woanders einen Platz suchen sollte, auf der anderen Seite sah er es überhaupt nicht ein, wegen diesem seltsamen Mädchen auf seinen Wunsch-Platz zu verzichten. Mit düsterem Gesichtsausdruck setzte er sich demonstrativ neben sie, um zu verdeutlichen, dass er mit Sicherheit nicht vor einer weiblichen Version Seinerselbst kuschte.

Er verschränkte seine Arme vor der Brust und starrte stur geradeaus, um zu verdeutlichen, dass er sich mit Sicherheit nicht aus Mitgefühl neben seine Schwester gesetzt hatte, während Frau Dickenson ihre Ansprache begann. Joanny blickte ihn kurz verunsichert an, ehe sich ihr Gesichtsausdruck verdüsterte und sie ihn böse musterte.

„Meine lieben Beyblader, es freut mich wirklich außerordentlich, dass Sie alle die Chance wahrgenommen haben, sich Ihrer Vergangenheit zu stellen. Ich hoffe, dass meine Mühen und die Gelder, die ich investiert habe, sich gelohnt haben und ich Ihnen eine Freude bereiten konnte“, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen sah sich Frau Dickenson kurz im Saal um, „Ich hoffe, dass sich auch meine weiteren Investitionen als lohnenswert herausstellen werden. In der Tat erachte ich es als äußerst wichtig, dass Sie und Ihre Geschwister die notwendige Zeit und einen angemessenen Rahmen erhalten, um sich gegenseitig kennenzulernen.“

Ein erstauntes Raunen ging durch den Raum und Johnny schnaubte gereizt. Wenn er etwas absolut nicht benötigte, dann war es Zeit, um seine Schwester kennen zu lernen. Er hatte wesentlich wichtigere Dinge zu erledigen, als sich mit einem Haufen Klonen herumzuschlagen und sich dabei von allen Seiten anhören zu dürfen, dass er nicht ganz dicht war, weil er an der Sinnhaftigkeit der Situation zweifelte.

Joanny tippte ihm auf die Schulter, rutschte ein Stückchen näher zu ihm und er verdrehte genervt die Augen. „Jonathan, ich muss dich etwas fragen.“ Dass er in keiner Weise reagierte, schien sie positiv zu deuten und sie fuhr fort: „Warum sehen sich so viele in diesem Raum so ähnlich?“ Für einen kurzen Augenblick starrte er sie entgeistert an. Wollte das Gör ihn verarschen? Doch eine Antwort blieb ihm glücklicherweise erspart, da in diesem Augenblick Frau Dickenson mit ihrer Ausführung fortfuhr.

„Die kommende Woche werden Sie alle in kleinen Gruppen mit je einem von der BBA gestellten Gruppenleiter verbringen, damit Sie sich in aller Ruhe kennen lernen können. Ich habe hierzu ein ausführliches Programm auf die Beine gestellt, das Ihnen hoffentlich zusagen wird. Und machen Sie sich bitte keine Sorgen! Die BBA hat das alles bereits mit Ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten abgesprochen und auch Ihr Gepäck für eine Woche wurde bereits eingeladen.“

Johnny erstarrte. Seine Eltern wussten von dem ganzen Mist hier? Sie hatten zugestimmt? Und ihm nichts davon gesagt? Fremde waren in seinem Zimmer und an seinen Sachen gewesen? Das konnte doch alles wirklich nicht wahr sein! Es musste einfach ein ziemlich mieser PR-Gag sein! Seine Eltern hätten das doch niemals zugelassen! Oder?

„Eine ganze Woche aus dem dämlichen Waisenhaus draußen!“, freute sich währenddessen Joanny und setzte ein breites Grinsen auf. Ihr Bruder besah sie skeptisch, äußerte sich jedoch nicht dazu. Er hatte absolut keine Lust, sich mit Joanny auseinanderzusetzen. Es würde sowieso nur im Streit enden. Und die Auseinandersetzung mit Robert lag ihm immer noch schwer im Magen, für den heutigen Tag hatte er sich bereits genug gezofft.

Verdammt noch mal, in was war er hier nur hineingeraten?

„Ich werde Sie nun aufrufen und in Gruppen einteilen, Ihre Betreuungsperson wird Ihnen dann den Ablauf der Woche erklären“, Frau Dickenson entfaltete eine Liste und begann damit, die Namen verschiedener Beyblader vorzulesen.

Johnny und Joanny landeten in Gruppe vier, gemeinsam mit Mariah und Mario, Lee und Lea, Ian und Iana und Michael und Michaela. Auch wenn er nicht sonderlich erfreut über diese Zusammenstellung war, musste Johnny zugeben, dass er zumindest froh war, dass Robert nicht in seiner Nähe war. Das verschaffte ihm zumindest einen gewissen Freiraum.

Ihr Betreuer war kein geringerer als Madison, der Johnny und Joanny einander vorgestellt hatte. Vermutlich lag das zum einen daran, dass er bereits Erfahrungen mit Joanny gesammelt hatte, zum anderen daran, dass es ein offenes Geheimnis war, dass Johnny allem Anschein nach der Einzige war, der sich gegen alles, was geschah, sträubte.

Während sich Madison daran machte, ihnen die Grundregeln der kommenden Woche zu erläutern (seid nett zueinander, bleibt schön zusammen, habt Spaß, blablabla...), besah Johnny mit skeptischem Blick Mario. Der Junge hatte pinke, zu einem Pferdeschwanz gebundene Haare! Er war ein kleines Stückchen größer als seine Schwester und schien auch ein wenig älter zu sein. Seine Kleidung wirkte relativ normal, er trug eine schwarze Hose und dazu ein rosa Hemd. Als er Johnnys Blick bemerkte, grinste er ihn etwas schief an, fast so, als konnte er nicht nachvollziehen, warum er Aufmerksamkeit auf sich zog. Der junge Schotte erschauderte und sah zu Mariah hinüber. Er kannte sie nicht allzu gut, hatte sie höchstens ein paar Mal flüchtig gesehen und bisher weder Zeit noch Lust gehabt, sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Johnny hatte noch selten ein so rosafarbenes Mädchen gesehen. Wie ihr Bruder Mario hatte sie pinke Haare, die sie zu einem Zopf gebunden trug, der durch eine auffällige, rosa Schleife zusammengehalten wurde. Auch ihre chinesisch anmutende Kleidung, ihre Schuhe und ihre Handschuhe waren in dieser Farbe.

Kopfschüttelnd und mit zweifelnder Miene betrachtete Johnny Lee und Lea. Sofern er es mitbekommen hatte, waren Lee und Mariah Geschwister, sodass sie nun insgesamt zwei neue Geschwister hatten. Während Marios Ähnlichkeit mit seiner Schwester Mariah nicht zu übersehen war, kam Lea ganz nach ihrem Bruder Lee. Ihre ungebändigten, kurzen, schwarzen Haare und ihr aufmerksamer Blick ließen sie fast wie eine Wilde wirken, die ihre Umgebung jederzeit genauestens im Auge hatte. Um Ihren Hals trug sie eine gelbe Kette mit grünen Steinen, über ihr weißes Shirt eine kurzärmelige, dunkelgrüne Jacke, passend dazu eine gleichfarbige Hose und schwarze Schuhe. Sie wirkte eher wie ein Junge als ein Mädchen.

Ians Schwester Iana hingegen wirkte sehr mädchenhaft und gepflegt, vermutlich kam sie aus sehr guten Hause. Die beiden Geschwister waren in etwa gleich groß, ob das Mädchen nun allerdings älter oder jünger als Ian war, wusste Johnny nicht. Er war sich nicht einmal genau sicher, in welche Altersstufe er den Bruder überhaupt einordnen sollte.

Iana hatte sorgfältig zu den Seiten gekämmte, schulterlange bläulich-graue Haare, und trug ein feines, mattgrünes Kostüm, dazu eine beige Bluse. Ihre schwarzen Lackschuhe glänzten und wirkten tadellos.

Neben ihr stand Michaela, was das junge Mädchen gleich noch ein Stückchen zierlicher und kleiner wirken ließ. Michaela war mit Sicherheit an die einen Meter und neunzig groß, also hoch gewachsen und zusätzlich noch sehr gut durchtrainiert. Sie schien in jedem Fall regelmäßig Sport zu treiben – Johnny tippte ja fast darauf, dass sie wie ihr Bruder zumindest Baseball spielte – und ihre ganze Körperhaltung und Ausstrahlung verrieten deutlich ihre Selbstüberzeugung.

Was ihre Kleidung betraf, war auch hierbei sehr auffällig, wie sehr diese der ihres Bruders ähnelte: Sie trug eine weiß-blaue Cappy, passend dazu eine Sportjacke, darunter ein gelbes T-Shirt und kurze grüne Hosen und an ihren Füßen hatte sie blaue Turnschuhe. Ihre Haare waren brünett, schimmerten jedoch ein wenig rötlich, und sie hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Haarsträhnen, die ihr möglicherweise ins Gesicht hätten hängen können, hatte sie mit Hilfe von Haarklammern seitlich befestigt.

Als sie bemerkte, dass Johnny sie musterte, grinste sie ihn überheblich von oben herab an. Johnny hob skeptisch seine Augenbrauen, verdrehte die Augen und wandte sich ab.

„Nun gut, ich hoffe, ich kann mich darauf verlassen, dass ihr euch an diese Regeln haltet“, meinte Madison, legte seine Aktentasche auf einen der Tische, die an der Seite des Speisesaals standen, öffnete sie und zog einen kleinen Stapel A5-Papier aus ihr, wobei er jedem Anwesenden jeweils ein Blatt gab.

Genervt beäugte Johnny die Liste, auf der die Planung der anstehenden „Abenteuer-Woche der Geschwister“, wie es so schön übertitelt war, stand und musste ein verzweifeltes Seufzen unterdrücken. Joanny neben ihm wurde langsam hibbelig und schien sich ziemlich über einige Programmpunkte zu freuen.

„Nachdem wir den heutigen Abend in einem Hotel verbringen und uns zunächst einmal besser kennen lernen werden – ich habe ein paar tolle Kennenlernspiele vorbereitet! – geht es morgen früh dann auch schon los. Wir werden mit einem Bus in die Highlands fahren. Dort erhält jede Gruppe eine ganz individuelle Wanderkarte und wird den Ausflug zum Zeltlager an einem anderen Startpunkt beginnen. Ich nehme an, dass Sie am Abend dann gerne etwas ausruhen wollen oder ähnliches, deshalb haben wir Ihnen diesen Abend freigehalten“, verkündete Madison und Johnny fragte sich unwillkürlich, in was er da hineingeraten war. „Nach einem kleinen Beybladeturnier am Donnerstagvormittag, haben sie dann bis Nachmittag frei. Abends treffen wir dann erste Vorbereitungen für die Gruppenbeiträge der abschließenden Feier. Der Freitag wird ganz einer Art Olympiade gewidmet sein. Es wird zwischen allen Gruppen einen kleinen Wettkampf geben, wer sich insgesamt bei den verschiedenen Disziplinen die meisten Punkte holt. Nach einer nachmittäglichen Pause wollen wir uns dann abends wiederum bezüglich des Programms für die abschließende Feier treffen.“

Madison blickte Johnny einen kurzen Moment düster an, als dieser mit den Augen rollte, fuhr dann jedoch weiter mit seiner Ausführung fort: „Am Samstag findet eine kleine Schatzsuche statt. Welche Gruppe zuerst allen Hinweisen folgt und die Schatztruhe findet, hat gewonnen. Diese Aktion hat kein festgesetztes Ende, sodass es vielleicht bis abends dauern kann, bis alle Teilnehmergruppen zurückgekehrt sind.“

„Und was-“, setzte Johnny an, doch Madison winkte ab und lächelte: „Fragen bitte erst am Schluss.“ Der Angesprochene zuckte mit den Schultern und steckte seine Hände wiederum in seine Hosentaschen, wo er auch seinen Ablaufplan verstaut hatte. Er konnte mit seiner Frage durchaus warten.

„Der Sonntag ist ganz den Geschwistern und Familien gewidmet“, Madison klang ziemlich überschwänglich, als er das sagte, „Sie können sich über Ihr bisheriges Leben austauschen, von Ihren Familien erzählen und sich gegenseitig auf die bevorstehende Familienwiedervereinigung vorbereiten. Nachmittags findet wieder ein Treffen wegen des Abschlussfestes statt und am Abend wollen wir ein großes Lagerfeuer mit allen Teilnehmern veranstalten. Deshalb beginnen wir am Montag auch erst mittags mit unserem Programm“, Madison zwinkerte den Jugendlichen vor ihm zu, als ob er erwartete, dass sie sich alle bis spät nachts unter den Tisch saufen würden, und wirkte dabei so, als hätte er dafür natürlich vollstes Verständnis und würde das auch noch unterstützen. Johnny fragte sich unwillkürlich, was nur in diesem seltsamen Typen vorging.

„Nachdem am Dienstagmittag bereits die Abschlussfeier beginnt, werden wir am Montag hauptsächlich innerhalb der Gruppen die entsprechenden Vorbereitungen treffen. Bis dahin müsste das Programm ja immerhin stehen und wir können uns darum kümmern, benötigte Materialien zu besorgen. Der Abend steht dann wieder zur freien Verfügung. Und Dienstag ist noch einmal eine abschließende Probe der Gruppenbeiträge. Und natürlich die große Schlussparty.“

Madison grinste. „Na, klingt das nach nichts?“

Alle Anwesenden wirkten sehr angetan und fröhlich. Nur Johnny zog eine Schnute, wie sieben Tage Regenwetter und er seufzte. „Kann man jetzt Fragen stellen?“

„Ja, natürlich“, meinte Madison verständnisvoll und blickte ihn freundlich an, „Was ist denn das Problem?“

„Was passiert, wenn man auf den ganzen Mist hier keinen Bock hat? Kann man dann jetzt gleich wieder gehen?“

Alle Anwesenden der Gruppe wandten sich zu ihm um und blickten ihn entgeistert an doch Johnny zuckte nur beiläufig mit den Schultern. Er war es gewohnt, den Buh-Mann zu spielen. Madisons Lächeln erstarb. „Nein, natürlich nicht.“

Johnny seufzte resigniert. „Habe ich mir fast schon gedacht.“
 

~*~



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Rikuto
2014-02-09T19:57:20+00:00 09.02.2014 20:57
Sorry, dass ich erst jetzt schreibe, aber durch die Uni könnte ich nur Stückweise lesen XD

Schon erstaunlich, dass alle Blader verschollene Geschwister bekommen haben. Sehr großer Zuwachs somit für alle. XD
Mal sehen, ob sich Johnny und Joanne noch vertragen werden und ein tolles Team bilden.
Auch schön, dass bekannte Beyblade-Teams aufgetaucht sind oder zumindest erwähnt worden.
Ich hoffe, dass sich Johnny und Robert noch ihre Differenzen beilegen können werden. Würde die Majestics gerne in der Fanfic beim Bladen erleben. ^^ Wäre bestimmt ein cooler Kampf.
Wirst du denn noch an der Fanfic weiter schreiben? Würde gerne wissen wie es weiter geht X3
Antwort von:  Rikuto
09.02.2014 20:59
Vergessen XD
Beyblade Rekommentar
Antwort von:  Phase
10.02.2014 09:02
Vielen Dank für deinen Kommentar!
Zunächst: Sobald ich mein Staatsexamen durch habe, geht es hier in jedem Fall wieder weiter. Immerhin habe ich für die FF ewig viel geplant und das will ich auch noch alles umsetzen. Der Leser muss ja schließlich noch erfahren, was es mit den ganzen Geschwistern auf sich hat und wo die auf einmal her kommen. Mit rechten Dingen kann das ja nicht zugehen... oder doch? Das müssen die Jungs und Mädels aber selbst herausfinden. ;)
Joanne und Johnny... ja, auf der Geschwisterbeziehung der beiden wird der Schwerpunkt der FF liegen - aber ich finde die beiden so putzig als Bruder und Schwester. xD''
Im Verlauf der FF werden viele Beyblader Gastauftritte haben, wobei der Schwerpunkt der FF bei Michael, Ian, Johnny, Mariah, Lee und deren Geschwistern liegt. D. h. andere Figuren sind nur am Rand mit dabei, die 10 Leutchens haben die Hauptrolle (wobei eigtl. hauptsächlich die 5 und Joanne).
Und Robert und Johnny... die beiden haben zur Zeit eine schwierige Phase. Wäre in der Tat schön, wenn sie sich wieder vertragen würden, wobei sich aktuell ja beide stur stellen. Mal sehen, was kommen wird. ;)
Argh, eigentlich hätte ich voll Lust jetzt hier weiter zu arbeiten, aber leider steht morgen EWS an und ich wollte vorher nochmal alles durchlesen.

Nocheinmal Danke dir für deinen Kommentar! :)
Liebe Grüße,
Phase
Antwort von:  Rikuto
10.02.2014 09:10
Dann bin ich schonmal gespannt drauf was so kommen wird.
Von:  ChogaRamirez
2012-07-27T22:27:49+00:00 28.07.2012 00:27
Schreibst du noch weiter? Bisher finde ich die Geschichte sehr interessant und ich möchte wissen, wie es weiter geht.
Antwort von:  Phase
07.05.2013 14:11
Zunächst einmal Danke für deinne Kommentar! Es freut mich, dass dich der weitere Verlauf der FF interessiert! :D

Ich werde in jedem Fall diese Geschichte hier zu Ende schreiben, die Frage ist nur wann. Da ich jedoch viel Planungsaufwand in die Geschichte gesteckt habe, ist sie mir in jedem Fall viel zu Schade, um in alle Ewigkeit unabgeschlossen zu bleiben. Zumal ich die Geschichte wirklich ins Herz geschlossen habe.
Da ich jedoch aktuell unimäßig sehr eingespannt bin, weiß ich jedoch noch nicht, wie ich voran kommen werde und wann es das nächste Kapitel geben wird. Allerdings bin ich im Moment (offline) dabei meine angefangenen Arbeiten abzuschließen. Sollte sich die Motivation halten, wird es wohl in wenigen Monaten bei allen meinen FFs weiter gehen. :)


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