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Auf Bewährung

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand
von

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Plädoyer

Disclaimer: s. Kapitel 1

Anmerkung: s. Kapitel 1
 


 

~*~*~
 

"Bitte was?" Salic zog die Brauen zusammen. "Wenn ich von Mord spreche, meine ich Mord. Was sonst? Sie wissen, was Mord ist, ja?"
 

"Natürlich." Slant sah seinen Gegner finster an. "Ich glaube nur, dass Sie nicht wissen, was eine Inhumierung ist." Er wandte sich an Crouch. "Laut Paragraph 13 des Artikels 715, Abschnitt b des Gesetzes zur Integrierung der Gilden in die magische Gemeinschaft und Verwaltung, revidierte Fassung von 1889, steht ausdrücklich geschrieben, dass ein Mitglied der Conlegium Sicariorum(1) dazu befugt ist, wenn ein Auftrag an die Gilde vorliegt, die in diesem Auftrag genannte Person zu inhumieren."
 

"Nun, ist Mr. Snape Mitglied der Conlegium Sicariorum?", fragte Crouch mit einem beinahe spöttischen Unterton und sah Severus an.
 

"Jein", antwortete Severus. "Ich bin kein vollwertiges Mitglied, da man nur in einer Gilde richtiges Mitglied sein kann. Diese Mitgliedschaft besteht bereits mit der Alchemistengilde. Gleichzeitig bin ich jedoch ein so genanntes Ehrenmitglied der Gilde -"
 

"- was Sie problemlos in den Aufzeichnungen der Gilde einsehen können", unterbrach Slant. "Des Weiteren können Sie dort auch erfahren, was genau der Unterschied zwischen einem vollwertigen Mitglied und einem Ehrenmitglied ist. Fakt ist jedoch, dass Aufträge, die bei der Gilde abgegeben werden, und die von ihrem Schwierigkeitsgrad her nicht für die höher stehenden Mitglieder bestimmt sind oder explizit von einem bestimmten Sicarianer übernommen werden müssen, auch von den Ehrenmitgliedern erledigt werden können." Slant fixierte Crouch mit einem durchdringenden Blick. "Wenn eine Inhumierung stattfindet - entsprechend dem jeweiligen Auftrag - so verfasst der Sicarianer oder eben der Sicarianer ehrenhalber eine Quittung in dreifacher Ausführung. Eine wird am Ort der Inhumierung hinterlassen, eine geht an die Gilde zwecks Buchführung und eine geht an das Ministerium."
 

Severus fragte sich, ob Crouch überhaupt von der Existenz der Assassinengilde wusste. Es war zweifelhaft, aber Slant hatte Recht - es gab Quittungen. Manchmal sogar mehr als nur drei. Je nach Inhumierung variierten die Richtlinien, aber es war eine Tatsache, dass es Aufzeichnungen gab. Die Frage war nur, ob Slant Recht hatte, wenn er behauptete, dass Severus im Auftrag der Gilde gehandelt hatte. Er hatte zwar die Ehrenmitgliedschaft, aber der Grund war ein gänzlich anderer. Außerdem hatte er nie eine Quittung ausgestellt - es war möglich, dass die Gilde die entsprechenden Aufzeichnungen nachträglich hinzugefügt hatte, sofern ein Auftrag bestand, aber irgendwie schien es Severus darauf hinauszulaufen, dass sein ominöser Helfer, der ihm Slant geschickt hatte, auch die Assassinengilde irgendwie in der Hand hatte, damit diese Quittungen ausstellte für Dinge, die nie Sache der Gilde gewesen waren.
 

Crouch zögerte. Offenbar schien auch er nicht ganz überzeugt zu sein. "Das Gericht wird das prüfen. Inzwischen wird die Verhandlung fortgesetzt", beschloss er schließlich. Der Gerichtsdiener eilte indessen hinaus, um Informationen darüber einzuholen. "Bestehen noch Fragen an den Zeugen Albus Dumbledore?"
 

Severus sah sich um. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass irgendwer noch eine Frage hatte. Dumbledore hatte sehr eindrucksvoll seine Stellung ausgenutzt, um ihnen allen klar zu machen, dass er eine Reihe von Assen im Ärmel hatte - selbst wenn die Hälfte nur aus Bluffs bestand - und Slant erstickte sowieso jeden Widerstand im Keim. Die Gerichtsverhandlung war zu einer reinen Farce mutiert, denn jegliche Anklagepunkte wurden an der Wurzel gepackt, verdreht und ausgehebelt. Es war eine verlorene Schlacht, die Salic schlug, und er schlug um sich, nicht tapfer, aber wild. Leider gingen alle Schläge ins Leere.
 

Crouch zog die Konsequenzen. "Professor, Sie sind entlassen. Halten Sie sich jedoch bereit, falls noch weitere Fragen bestehen sollten." Er nickte Dumbledore zu, als dieser den Saal verließ. Dann sah er in die Runde. "Sind noch weitere Zeugen anzuhören?"
 

"Nein", sagte Slant, "von unserer Seite nicht."
 

Salic schüttelte ebenfalls den Kopf, resignierend. Crouch nickte. "Dann bitte ich Sie um Ihre Plädoyers. Mr. Salic, Sie haben das Wort."
 

Salic räusperte sich und erhob sich. "In Anbetracht der vorliegenden Zeugenaussagen und den Beweisen, die vorgebracht wurden, ist die Anklage noch immer der Ansicht, dass der hier anwesende Severus Snape schuldig ist. Aufgrund dessen veranschlagt die Anklage eine Haftstrafe nicht unter..." Er räusperte sich. "Nicht unter zehn Jahren, ohne Bewährung. Die Anklage ist der Auffassung, dass trotz der Zeugenaussagen die Tatbestände des animus belligerendi und des animus socii weiterhin bestehen, beides in besonders schweren Fällen. Zudem, wenngleich der Angeklagte scheinbar Reue gezeigt hat, so hat er doch zuvor im Einvernehmen mit ihm, dessen Name nicht genannt werden darf, gehandelt, und ist demnach der Mitgliedschaft im Kreis der Todesser schuldig. Des Weiteren ..."
 

Severus seufzte. Salic wiederholte die Anklagepunkte, minus die offiziell ausgeräumten, und es war Wunschdenken, dass er damit durchkam. Crouch hatte zwar das Recht, Slants Vorschläge zu ignorieren und Salics Forderung zu entsprechen, aber es war zweifelhaft, dass er das tun würde. Slant würde ihm die Hölle heiß machen, sollte er das tatsächlich tun, und es war garantiert legal. Was auch immer Crouch entschied - sollte er Slant nicht entsprechen, würde Slant nicht nur in Revision gehen, was Severus' eigenes Verfahren betraf, sondern er würde wohl auch noch ein Verfahren gegen Crouch selbst anstreben. Im Endeffekt lief es darauf hinaus, dass Crouch zu Slants Forderungen ja und Amen sagen würde und die Gerechtigkeit irgendwo auf der Strecke blieb.
 

Severus sah zur Seite. Salic hatte sein Plädoyer beendet und nun war Slant an der Reihe. Slant sah für einen Moment aus wie das nicht ganz blühende Leben, aber das war an sich bereits eine Leistung: Er schien lebendig. Offenbar war es genau das, was Slant sich unter einem guten Zeitvertreib vorstellte, den Gegner mit abstrusen Argumenten in den Boden rammen und das gesamte Rechtssystem auf den Kopf stellen, wenn es ihm gerade passte.
 

"Hohes Gericht", begann Slant und Severus hatte das Gefühl, dass Slant zum finalen Schlag ausholte, "die Verteidigung ist, in Anbetracht aller Beweise, Indizien und Aussagen, der Ansicht, dass der Angeklagte, Severus Snape, in allen Punkten der Anklage unschuldig ist."
 

Slant machte eine Kunstpause, in der alle ihn anstarrten. Teilweise ungläubig, teilweise fürchtend. Es war, alles in allem, eine ziemlich gewagte Deklaration, beschloss Severus. Insbesondere, nachdem Salic so detailliert dargestellt hatte, warum Severus nicht vollkommen unschuldig war. Crouch machte eine Miene, als würde er die kommenden Worte nicht hören wollen.
 

"Zunächst einmal muss bedacht werden, dass hier, wie überall, der Grundsatz errare humanum est(2) wirkungsvoll ist. Das bedeutet, dass wir davon ausgehen müssen, dass der Angeklagte einen Fehler begangen hat - einen Fehler, den er bereut und gesühnt hat, indem er sein Leben riskiert hat, um für die Gegenseite Informationen im Sinne von arcana imperii(3) einzuholen."
 

Severus fiel auf, dass Slant darauf achtete, sich auf keine Seite zu stellen. Nun, vermutlich hätte nicht einmal der Dunkle Lord es gewagt, Slant bei einer etwaigen Machtübernahme anzugreifen - Slant war ein störrischer Bastard, und das war allgemein bekannt: Er war ein Zombie geworden, als er irgendeiner Ungereimtheit bei dem Prozess, der zu seiner Hinrichtung geführt hatte, auf die Spur kommen wollte. Gegen so jemanden kam nicht einmal der Dunkle Lord an: Es bestand die Möglichkeit, dass Slant ihn nach Strich und Faden verklagte, weil er ihn ermordet hatte.
 

"Deshalb möchte ich das Gericht in meiner Rolle des Verteidigers noch einmal schärfstens an den alten Grundsatz erinnern, der da lautet accipere quam facere praestat iniuriam(4). Ich hoffe, Sie werden ihn beachten, sonst muss ich mich auf den Präzedenzfall von 1879 berufen und das Urteil im Sinne des aut viam inveniam aut faciam(5), aus dem hervorging, dass der Richter sich des cacoethes carpendi(6) schuldig gemacht hatte." Slant lächelte finster. "Zudem, wir haben vor diesem Gericht festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund seines Berufsstands leichten Zugang zu gefährlichen Substanzen hatte und obendrein auch noch die Befähigung - und die eingeschränkte Erlaubnis - zu, wie Sie es so krude ausdrücken, Mord. Es ist mehr als eindeutig, dass bei meinem Mandanten der Präzedenzfall des cui peccare licet, peccat minus(7) zutrifft. Was Sie hier versuchen, ist meinen Mandanten aufgrund eines cum catapultae proscriptae erunt tum soli proscibti catapultas habeunt(8) festzusetzen, was aber nicht erlaubt ist, wie Sie sehr wohl wissen sollten. Das wäre Rechtsbeugung in Form von cum finis est licitus, etiam medi sunt licit(9)!"
 

Crouch verzog das Gesicht - ihm schien der Kopf regelrecht zu rauchen wegen der ganzen scheinbaren Grundsätze und Präzedenzfälle, die Slant nun vorbrachte. Severus konnte es ihm nicht verübeln. Der Mann war einfach unglaublich. Man musste sich nur einmal anhören, was er eigentlich sagte. Er hatte gerade behauptet, dass der Zweck die Mittel nicht heiligte, und dabei war es genau das, was er die ganze Zeit über tat. Auch seine anderen Argumente waren, bei genauer Betrachtung, bestenfalls dubios, aber man kam einfach nicht dagegen an, weil er sie so rüberbrachte, als wären es Gesetze, die in Stein gemeißelt waren.
 

Slant räusperte sich und wechselte in seinen monotonen, drögen Vortragsmodus - die Geheimwaffe des Anwalts. "Wir sehen daran, dass mein Mandant wohl de iure(10) nicht zu belangen ist. Das Strafmaß, das die Anklage erhebt, ist überzogen, und die Beweise sprechen nicht gegen meinen Mandanten. Ich möchte auf den Fall des exercitatio artem parat(11) verweisen - wir können daran sehr anschaulich erkennen, dass Mr. Salics Anschuldigungen und Begründungen hinfällig werden. Es wäre nicht mehr als eine Farce, wenn das Gericht dem zustimmen würde." Severus fragte sich, was die Farce war - die Farce oder die Farce der Farce? Bei Slant wusste man nie. "Des Weiteren, ex mea sententia(12), kann ich zu den Taten meines Mandanten nur sagen, dass eum recte fecisse puto(13) der Fall ist. Ich sehe keinen Grund, in allen vorgetragenen Beweisen, der mich davon überzeugt, dass mein Mandant straffällig geworden sein soll. Mr. Salic - und damit die Anklage - ist ganz offensichtlich mit diesem Satz zu beschreiben: Falsus in uno, falsus in omnibus(14). Deshalb, zum Schluss, möchte ich das Hohe Gericht an den Grundsatz erinnern, der da lautet fiat iustitia et pereat mundus(15). Ich verlange als Anwalt der Verteidigung einen vollkommenen Freispruch auf Grundlage des nolens volens(16). Hoc volo, sic iubeo(17). Ich danke Ihnen."
 

Slant nahm Platz und Severus fragte sich, was er da gerade gehört hatte. Das war mehr als nur ein simples quia ego sic dico - das war ein deutliches sit pro ratione voluntas(18). Das hatte nichts mehr mit Berechnung zu tun, das war ein simpler Fall von Siegerwillens. Slant konnte nicht verlieren, auch wenn der Fall bereits verloren war, und dementsprechend musste er sich wohl mit einigen ad hoc(19)-Gesetzen retten. Severus bezweifelte, so verdreht die Rechtsprechung auch sein mochte, dass alle von Slant genannten Gesetze wirklich existierten. Er wusste aber auch genug, um sich dessen nicht sicher zu sein - vermutlich würde man tatsächlich Gesetzbücher darüber finden, und eine Bananenschale in der Nähe, aber das hieß nicht, dass Severus das akzeptieren musste. Ob Crouch sich die Mühe machte, all das nachzuschlagen? Es war eher zweifelhaft.
 

Crouch seufzte. "Nun, das Gericht wird sich zur Beratung zurückziehen. Die Verhandlung wird bis dahin unterbrochen."
 

Severus fragte sich, ob Crouch lange für die Beratung brauchen würde. Der Mann sah fix und fertig aus, als er sich aus dem Raum stahl. Anders konnte man es kaum nennen. Slant hatte ihn vorgeführt, ohne dass man ihn dafür in irgendeiner Weise belangen konnte. Alle im Saal wussten das. Selbst Salic, der trotz allem den Mut gehabt hatte, trotz Slant auf dem Schuldspruch zu bestehen, ließ resigniert den Kopf hängen. Slant hingegen sah mehr als zufrieden mit sich selbst aus.
 

Der Gerechtigkeit würde heute nicht genüge getan.
 

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(1) "Vereinigung der Meuchelmörder" - Eigenbezeichnung der Assassinengilde (TP)

(2) "irren ist menschlich" - jeder Mensch irrt sich irgendwo und irgendwann, aber da Slant als Zombie kein Mensch ist, ist er davon ausgeschlossen und (juristisch) unfehlbar (sky)

(3) "Geheimnisse des Imperiums"

(4) "Es ist besser, eine Ungerechtigkeit zu erleiden, denn eine zu begehen"

(5) "Ich werde entweder einen Weg finden oder einen machen" - so oder so komme ich zu meinem Ziel (sky)

(6) "Die Sucht zu sammeln/markieren (Fehler finden)"

(7) "Wer zu sündigen erlaubt ist, sündigt weniger" - da die Erlaubnis besteht, ist es keine Sünde (sky)

(8) "Wenn Katapulte verboten sind, haben nur noch Verbrecher Katapulte"

(9) "Wenn der Zweck erlaubt ist, sind auch die Mittel erlaubt" - normalerweise Slants Vorgehensweise (sky)

(10) "dem Gesetz nach"

(11) "Übung macht die Kunst" - 'Übung macht den Meister', und da ich mehr Übung als Anwalt habe als du, bin ich der Meister und habe demzufolge natürlich auch Recht (sky)

(12) "meiner Meinung nach"

(13) "Ich meine, dass er richtig gehandelt hat" - und damit ist er über jeden Verdacht erhaben (sky)

(14) "Falsch in einem, falsch in allem"

(15) "Es geschehe Recht und gehe die Welt darüber zu Grunde"

(16) "nicht wollend wollend" - ob du willst oder nicht (sky)

(17) "Dies will ich, so ist's Befehl"

(18) "statt vernünftiger Grund mein Wille"

(19) "zu diesem" - für einen bestimmten Zweck, Improvisation; ein aus dem Stehgreif erfundenes Gesetz, das mit Sicherheit irgendwo im B-Raum zu finden ist, aber sicherlich nicht gefunden wird, weil der Bibliothekar es verhindern wird (sky)



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