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Wie ein Plan misslang

RobertxJohnny
von

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Wie ein Plan misslang

Wie ein Plan misslang
 

„Es ist doch so offensichtlich!“

Als der Ruf durch den Speisesaal hallte, blickte Johnny fragend von seiner Lektüre auf und sah hinüber zu Enrico und Oliver, die sich schon seit einer ganzen Weile tuschelnd unterhalten hatten.

Sie befanden sich alle Drei im Moment in Roberts Schloss, da sie über die Ferien gemeinsam dort für die nächste Meisterschaft trainierten, und während Robert Geschäftliches zu tun hatte, hatte sich Johnny auf seinem Lieblingsplatz – einer Liege in Roberts Speisesaal – niedergelassen und angefangen zu lesen – nur um wenig später von Enrico und Oliver aufgesucht und von ihnen flüsternd beobachtet zu werden. Die Beiden hatten sich an den Esstisch gesetzt und Oliver blickte sein Gegenüber nun skeptisch an. „Nun ja, ich weiß nicht...“

„Siehst du nicht, wie sich die Beiden immer ansehen?“

„Enrico, selbst wenn. Das ist nun wirklich nicht unsere Angelegenheit.“

„Sie lieben sich und beide sind zu stolz dazu es sich ein zu gestehen!“

Johnny verdrehte genervt die Augen. „Ich möchte euch beide ja wirklich nicht bei euerem äußerst wichtigen Gespräch stören, aber könntet ihr euch ein bisschen leiser unterhalten? Ich versuche hier zu lesen.“

Der Italiener warf ihm einen düsteren Blick zu, den Johnny gekonnt überging, als er den Versuch unternahm sich erneut in das Buch zu vertiefen.

„Siehst du?!“, wandte sich Enrico erneut lautstark an Oliver, „Seit wann geht das jetzt schon so? Er liest plötzlich Bücher und brüllt nicht mehr so hirnlos in der Gegend herum. Irgendetwas stimmt doch nicht! Das siehst du doch auch! Das ist doch nicht gesund, sich selbst so zu verneinen!“

Zwei Augenpaare musterten Johnny von oben bis unten und dieser ließ sein Buch mit gerunzelter Stirn sinken. „Sagt mal, von wem habt ihr Beiden es da eigentlich die ganze Zeit?“

„Na, von dir.“

„Und...?“

„Robert.“

Als Enrico den Namen aussprach klappte Johnny zuerst förmlich der Unterkiefer herunter, ehe er herzhaft zu Lachen begann. „Oh mein Gott, wie kommt ihr denn auf diesen Unsinn?“ Er wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augen, doch als er die ernsthaften Gesichtsausdrücke auf den Gesichtern seiner beiden Freunde sah, überkam es ihn erneut.

„Er will es überspielen“, murmelte Oliver und Johnny hielt einen Moment inne, um ihn anzusehen. „Was bitte?“

„Ich sage es doch schon die ganze Zeit!“

„Hey, Jungs. Ihr missversteht da etwas, wir-“

Enrico schüttelte den Kopf. „Jonathan McGregor, du solltest dich nicht selbst verleugnen, sondern zu deinen Gefühlen stehen! Was hat es für einen Sinn, wenn du dich komplett änderst? Robert muss dich doch lieben wie du bist und-“

„Bitte, ihr macht mir Angst. Hört auf mit dem Unfug, das ist nicht lustig...“

„Du musst ihm deine Liebe zeigen!“

Johnny wusste für einen kurzen Augenblick nicht, ob er lachen oder weinen sollte und entschloss sich dazu, einfach weiter zu lesen und das Ganze schlicht und ergreifend zu übergehen. „Wie ihr meint.“

Es wäre falsch, sich großartig über die Beiden zu mokieren. Er hatte die letzten Wochen hart mit sich selbst gekämpft, um endlich etwas ruhiger und ausgeglichener zu werden. Das würde er sich jetzt nicht so einfach wieder zerstören lassen.

„Wir helfen dir dabei.“

„Wobei?“

„Dich an Robert heran zu machen, damit ihr zusammen kommt.“

Der junge Schotte spürte, wie ihm das Ganze doch allmählich auf die Nerven ging - er versuchte sich mit guten Gedanken zu beruhigen und spürte, wie er sich langsam wieder entspannte. Weder konnte er es sich leisten, noch wollte er wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen, die er sich mühsam abgewöhnt hatte.

„Danke, das ist wirklich nicht nötig“, meinte er gepresst und warf Enrico einen scharfen Blick zu. Wenn Blicke hätten töten können, hätte Enrico ein grausames Ende gefunden. Doch sie konnten es bekanntlich nicht.

„Ha!“, rief der Italiener freudig triumphierend, „Wir haben tatsächlich seinen wunden Punkt getroffen, Oliver!“

Nun nickte auch noch Oliver beipflichtend und warf Johnny nachdenkliche Blicke zu.

Gereizt sprang Johnny auf. „Verflucht Enrico, lass mich endlich mit diesem Schwachsinn in Ruhe! Der ganze Mist, den du da laberst, ist ja nicht auszuhalten! Kümmere dich um deinen eigenen Scheiß!“

Erst als Enrico und Oliver ihn groß anstarrten, weil sie es nach etlichen Wochen tatsächlich geschafft hatten, Johnny zu einem Wutanfall zu verleiten, und sich deshalb erfreut in die Hände klatschten, wurde Johnny bewusst, dass er eben ausgerastet war. So viel zum Thema Selbstkontrolle. Dass Enrico und Oliver sich entzückte Blicke zu warfen, weil sie sich nun endgültig in ihrer Vermutung bestätigt fühlten, machte die Angelegenheit auch nicht wesentlich angenehmer.

Als dann zu guter letzt noch ein Räuspern zu vernehmen war, gab Johnny endgültig alle gute Hoffnung auf. Dieser Tag mochte ihn einfach nicht. Mit einem leisen, verzweifelten Seufzen wandte sich Johnny zur Tür, in der Robert stand und ihn mit gehobener Augenbrauche und strengem Blick ansah. Johnny biss seine Zähne zusammen, um einen weiteren bösartigen Kommentar gegen Enrico zu verhindern und ließ sich mit genervtem Blick zurück auf die Liege plumpsen. Er griff mit einer Hand zu seinem Buch und hob es vom Boden auf, dann begann er wieder damit, darin zu lesen.

„Wie ein Schoßhündchen“, kicherte Enrico leise zu Johnny, dass Robert es nicht mitbekam. Der junge Schotte unterdrückte das Bedürfnis Enrico einfach eine rein zu hauen und ignorierte die Neckerei.

„Ah! Robert!“, rief Oliver hoch erfreut, sprang auf, lief zu Robert und wedelte mit einem Zettel vor seiner Nase herum, „Wir haben den Trainingsplan fertig. Ich hoffe es ist okay so?“

Der Deutsche warf Johnny, der nun regungslos auf der Liege lag, noch einen kurzen, berechnenden Blick zu, ehe er sich dem Trainingsplan zuwandte. „Ihr seid schon fertig?“

„Du warst ja auch nur zwei Stunden weg“, kam der sarkastische Kommentar von Johnny und Robert musterte ihn skeptisch. „War hier irgendetwas los, während ich weg war?“

Enrico und Oliver warfen sich einen unschuldigen Blick zu und zuckten mit den Schultern, Robert seufzte ergeben und besah sich den Plan in seiner Hand genauer. „Was genau bedeutet ‚Vertrauenstraining’?“ Er sah die beiden fragend an, Oliver hob erläuternd einen Finger.

„Um ein gutes Team zu werden, ist es wichtig, dass wir lernen uns gegenseitig zu vertrauen und uns so auch besser einschätzen können. So würden wir uns auch gegenseitig etwas näher kommen.“ Als er die letzten beiden Wörter sprach, fixierte Oliver Johnny, der dem Gespräch über das Trainingsprogramm aufmerksam folgte. Dieser bemerkte dies durchaus und konterte mit einem giftigen Blick, der Robert nicht entging. „Nun, vielleicht wäre es tatsächlich eine Überlegung wert.“

Johnnys Gesichtsausdruck verriet, dass er sehr wenig von dieser Idee hielt, doch er schwieg und zog nur seine Mundwinkel nach unten.

Enrico strahlte währenddessen vor Begeisterung. „Sehr schön! Wenn wir heute Nachmittag mit dem Trainingsprogramm beginnen, ist ja auch gleich die erste Vertrauenssitzung an der Reihe. Oliver und ich werden gleich mal damit beginnen alles vorzubereiten.“

Mit diesen Worten verließen die beiden das Zimmer und ließen Robert und Johnny alleine zurück. Demonstrativ hob Johnny sein Buch an und versuchte seinen Freund zu ignorieren, in der Hoffnung er hätte den vorhergehenden Zwischenfall schon wieder vergessen. Doch seine Zuversicht ließ nach, als Robert den Raum durchquerte und sich vor ihm hinstellte. In seiner Stimme schwang ein leicht enttäuschter Unterton mit. „Jonathan, wir hatten eine Abmachung.“

Der Schotte blickte über den Buchrand seinen Teamcaptain an und verzog das Gesicht. „Ich weiß.“ Ihm war klar, was jetzt kommen würde und mit Sicherheit hatte er keine Lust sich diese Strafpredigt anzuhören.

„Du weißt, was das heißt.“

Johnny schnaubte und setzte sich auf. „Das ist nicht fair. Enrico hat-“

„Es braucht immer zwei zu einem Konflikt. Du kannst nicht alles darauf abwälzen, dass Enrico dich gereizt hat.“

„Aber-“

„Johnny“, Roberts ermahnender Stimmklang verriet deutlich, dass er keinen Widerspruch duldete und der Angesprochene blickte genervt drein und presste seine Lippen aufeinander. Er empfand die Situation als absolut ungerecht, auf der anderen Seite wusste er nur zu gut, dass Robert nicht mit sich verhandeln ließ. Eine der nervigsten Angewohnheiten des Deutschen. Er selbst war zwar dickköpfig, aber sicherlich nicht so starrsinnig wie Robert.

Der Deutsche seufzte und fuhr sich mit seiner rechten Hand durch die Haare, ehe er einen Stuhl vom Tisch heranzog, ihn mit der Lehne in Richtung Johnny stellte und sich darauf setzte, sodass er seinen Gesprächspartner ansehen konnte. „Worum ging es überhaupt?“

„Nichts wichtiges“, murmelte der Schotte und hob sein Buch wieder etwas an.

„Schmollst du?“

Johnny senkte seine Lektüre und überlegte für einen kurzen Moment, ob es sinnvoll wäre, Robert einfach mit „ja“ zu antworten, entschloss sich dann allerdings dazu es nicht zu tun – für ihre Abmachung wäre es in keinster Weise hilfreich und wenn er nun wieder von vorne anfangen musste, dann doch wenigstens ohne weitere Verzögerung.

„Die Beiden wollen uns verkuppeln“, murrte er schließlich und schnaubte, „Sie meinen, dass sie mir helfen wollen, dein Herz in Sturm zu erobern.“

Im ersten Augenblick konnte Johnny die Mine seines Gegenübers nicht deuten, ehe Robert ein schwaches, jedoch amüsiertes Lächeln zustande brachte. „Wie kommen die beiden darauf?“

Ein Schulterzucken folgte. „Sie meinen, dass man es uns ansieht, dass wir etwas füreinander empfinden.“

Für einen kurzen Augenblick sah Robert recht nachdenklich drein, ehe er ein Grinsen mit seinen Lippen formte.
 

„Ah, da seid ihr beiden ja endlich!“, meinte Oliver mit einem freudigen Lächeln auf den Lippen. Er legte seinen Kopf leicht schief, als Johnny und Robert im Türrahmen stehen blieben und ihn ob seiner guten Laune skeptisch musterten, und deutete ihnen dann mit einer Handbewegung an, hereinzukommen und sich auf jeweils einen der vier Stühle zu setzen.

Enrico und Oliver hatten den Gymnastikraum von Roberts Schloss ausgeräumt – dieser fragte sich unwillkürlich, wo die ganze Einrichtung hingekommen war und vor allem, wer sie wieder in den Raum zurückstellen würde – und vereinzelt ein paar Sportgeräte aufgestellt. In der Mitte des Zimmers stand die besagte Stuhlgruppe wie bei einem Stuhlkreis angeordnet. Der Italiener saß bereits und auch Oliver huschte nun schnell auf seinen Platz. Robert und Johnny tauschten einen kurzen Blick, ehe sie sich ebenfalls zu den Beiden begaben.

„Nun, dann erzählt mal, was genau ihr hier vorhabt“, meinte Robert gelassen und lehnte sich zurück, während Johnny das Schlimmste befürchtete. Er hatte das Gefühl, dass Enrico und Oliver nur wegen ihrem derzeitigen Verkupplungs-Tick auf die Idee dieses ‚Vertrauenstrainings’ gekommen waren und er in der nächsten Stunde mehrere peinliche Demütigungen über sich ergehen lassen müsste. Und darauf hatte er wirklich überhaupt keine Lust.

„Wir haben uns gedacht, dass wir uns doch alle erst einmal gegenseitig sagen könnten, was wir aneinander mögen!“, als er das sagte, zwinkerte Enrico Johnny mehr als offensichtlich zu und der Schotte unterdrückte das aufkommende Bedürfnis, seinen Kopf gegen die Wand zu schlagen. Nein. Besser wäre es, Enricos Kopf gegen die Wand zu schlagen. Genau.

Während er angestrengt darüber nachdachte, was er sagen könnte, damit Oliver und Enrico daraus nicht irgendwelche versteckten Andeutungen auf seine angeblich verdrängte Liebe zu Robert ableiten könnten, überhäuften sich gerade Oliver und Enrico gegenseitig mit Komplimenten, die sie mehr als offensichtlich vorher abgesprochen hatten.

Warum musste er bei diesem Mist überhaupt mitmachen? Mochte sein, dass so etwas dabei half, sich gegenseitig mehr zu respektieren, aber doch wirklich nicht, wenn es derart ins Lächerlich gezogen wurde! Ob man es ihm Übel nehmen würde, wenn er einen Rückzieher machte? Er konnte schon die Gesichter seiner Freunde sehen und Roberts frustriertes Seufzen: „Das ist doch mal wieder typisch, Jonathan!“

Kneifen ging nicht. Hastig rief er in Gedanken alles auf, das er über Robert wusste und plötzlich war die Nachdenkpause vorbei und drei Augenpaare fixierten ihn.

„Und, was magst du an Robert, Johnny?“, meinte Enrico, grinste und zwinkerte ihm wieder mehr als auffällig zu.

„Ähm... Ich habe noch eine kurze Frage zu diesem Spiel“, unterbrach Johnny und hoffte, dass er dadurch etwas Zeit gewinnen konnte, „Was hat es für einen Sinn, wenn ihr beiden euch gegenseitig die Ohren zusülzt und wenn Robert und ich dann gegenseitig das Gleiche tun? Ging es nicht darum, dass die ganze Gruppe sich gegenseitig die positiven Aspekte der jeweiligen Person nennt?“

Enrico musterte Johnny düster und vorwurfsvoll, fast so als hätte er soeben den absoluten Masterplan der Beiden zerstört, den sie doch ihm zuliebe so hingebungsvoll entworfen hatten. Der Schotte verdrehte genervt die Augen und hoffte, dass irgendjemand ihm beipflichten würde.

„Wie immer hast du das Wesentliche der Übung nicht verstanden, Johnny“, kommentierte Oliver und schüttelte hilflos den Kopf. Für einen kurzen Moment verspürte Johnny den Drang aufzuspringen und sich zu verteidigen, riss sich dann jedoch zusammen. Er konnte es sich wirklich nicht leisten, die Abmachung mit Robert noch einmal zu brechen.

„Deshalb würde ich es sehr willkommen heißen, wenn du es mir erklären würdest.“

Der Franzose starrte ihn an und öffnete kurz den Mund, nur um ihn sofort wieder zu schließen. Es war offensichtlich, dass er mit Vielem gerechnet hatte – nur nicht damit.

„Jonathan“, Roberts Stimme hatte einen genervten Unterton, der Johnny ganz und gar nicht gefiel, „Das Ganze hier ist ein Spiel, nichts weiter. Die Beiden haben sich Mühe damit gegeben und es ist nicht sonderlich nett, wenn du diese Arbeit nicht würdigst.“

Johnny knirschte gereizt mit seinen Zähnen und blickte seinen Teamcaptain von der Seite her vorwurfsvoll an.

„In Ordnung. In Ordnung. Also bin ich jetzt an der Reihe?“, der sarkastische Beiklang Johnnys war nicht zu überhören, „Was ich an Robert mag? Lasst mich kurz überlegen. Vermutlich seine liebreizende Art.“

Das saß. Enrico und Oliver warfen sich entsetzte Blicke zu, Roberts Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Er öffnete gerade den Mund, um sich zu Johnnys Bemerkung zu äußern, als Oliver ihm ins Wort fiel.

„Ach, wie schnell doch die Zeit vergeht. Wisst ihr was? Am besten wir ruhen uns alle vorm Abendessen noch einmal aus und beginnen erst ab morgen richtig mit dem Training.“

Er schaute erwartungsvoll in die Runde, doch keiner reagierte sonderlich erfreut.

„Du scheinst den Sinn des Spieles nicht wirklich verstanden zu haben, Oliver“, meinte Johnny im provokativen Tonfall, „Meinst du nicht auch, dass jeder in dieser Runde das Recht haben sollte, dem anderen zu sagen, was er an ihm schätzt?“

„Kein Problem“, warf Robert ein, „Ich kann mich sowieso nicht wirklich zu dem Thema äußern, was ich an Johnny mag.“

Alle drei Anwesenden fixierten ihn, wie er so ruhig und gelassen auf seinem Stuhl saß und den Schotten keines Blickes würdigte. Oliver und Enrico blickten unglücklich drein, hatten sie sich ihre Verkupplungsaktion doch ganz anders vorgestellt. Irgendwie lief alles schief! Sie sahen sich kurz an.

„Okay, da das hier so hervorragend geklappt hat, sollten wir noch ein weiteres Spielchen probieren. Ich denke, das wäre eine gute Möglichkeit sich wieder zu vertragen“, Enrico starrte Johnny, während er das nachdrücklich sagte, mit mahnender Miene an, fast so, als wolle er ihn dazu auffordern, das nicht auch noch zu verpatzen.

„Im Gegensatz zum ersten Teil, der darum ging, zu zeigen, dass man sich gegenseitig schätzt“, Olivers Augen huschten vom Schotten zum Deutschen und wieder zurück, „Geht es jetzt darum, sich wirklich zu vertrauen. Dazu haben wir diesen Kasten hier aufgebaut“, er deutete auf einen etwa ein Meter hohen Sportkasten hinter sich, „Davon wird sich immer einer mit geschlossenen Augen herunterfallen lassen und der andere fängt ihn auf.“

„Schön und gut. Aber ihr wisst, dass aus dieser Fallhöhe ein Einzelner das Gewicht des Herabstürzenden gar nicht halten kann?“

„Was?“

„Na ja, bedenkt doch mal. Wenn aus dem Stehen heraus jemand sich zurückfallen lässt ist das schon sehr schwer. Aber wenn dann noch der Fall dazu kommt und-“

Enrico hob ob Roberts Erläuterung die Hände.

„Okay, okay. Dann stürzt sich einer runter und die anderen fangen ihn gemeinsam auf.“

„Das stärkt dann auch gleich den Teamzusammenhalt“, ergänzte Oliver, auch wenn er nicht sonderlich glücklich dreinblickte.

Im Endeffekt stellte sich der Plan der Beiden als schlechter Scherz heraus. Keines ihrer Spielchen trug nur im Entferntesten dazu bei, dass Robert und Johnny sich wieder vertrugen, geschweige denn sich näher kamen. Als die beiden nach dem ‚Training’ den Raum verließen, ließen sich Oliver und Enrico erst einmal frustriert auf ihre Stühle fallen.

Das Ganze war wesentlich schwieriger, als sie es sich vorgestellt hatten.
 

Mit einem Stapel von sechs dicken Büchern in den Händen und einem dünnen Stapel Papier unter dem Arm geklemmt, lief Johnny pfeifend durch einen der zahllosen Gänge in Roberts Schloss, in Richtung Bibliothek. Er war froh, dass er es – trotz Enricos und Olivers Vertrauenstraining - geschafft hatte, die Bücher innerhalb von vier Tagen zu lesen. Der Zeitraum hatte sich ursprünglich über fünf Tage erstreckt, das hieß, dass er die Anforderungen sogar noch unterschritten hatte. Und das erstaunte ihn selbst wohl am meisten.

Nach kurzer Zeit kam er endlich vor der großen Bibliothek zum stehen. Es war nicht gerade einfach, so voll beladen eine schwere Tür zu öffnen, doch letzten Endes gelang es ihm unter großen Mühen. Als er den Raum betrat blickte Robert, der auf einem breiten Sofa saß, von seinem Notebook auf. „Brauchst du Hilfe?“

Der Schotte schüttelte nur kurz mit dem Kopf, ehe er die Tür hinter sich zu fallen und die Bücher auf den nächst besten Tisch plumpsen ließ. Er nahm die Zettel und trat zu Robert. Er erkannte das Onlinegame, das dieser gerade spielte und blickte ihm über die Schulter.

„Welcher Level?“

„32“

„Du hast ja noch drei Tage, nicht wahr?“, ein Grinsen zog sich über Johnnys Gesicht und Robert warf ihm einen genervten Blick zu: „Du ahnst nicht, wie oft ich schon überlegt habe, diese Aufgabe einfach fallen zu lassen. Ich bin nicht der Typ für so was.“

„Ich habe mich auch durch die Bücher durchgebissen“, Johnny wedelte seinem Gesprächspartner mit dem Papier vor der Nase herum, „Hier. Die Zusammenfassungen mit den persönlichen Kommentaren.“

Ein verwunderter Blick traf ihn. „Du bist schon fertig?“

„Jep.“

Anerkennend schoben sich Roberts Augenbrauen nach oben, ehe er sich wieder auf das Spiel konzentrierte. „Und, hat es dich umgebracht auch einmal was zu lesen?“

Der Schotte schnaubte und ließ sich neben Robert auf das Sofa fallen, sodass dieser ein wenig zur Seite rutschen musste. „Nur weil ich sage, dass ich lieber andere Dinge mache, als immer nur in dicken Wälzern zu schmökern, heißt es nicht, dass ich etwas gegen das Lesen an sich habe.“

„Ich wünschte, ich könnte das Gleiche sagen.“

Sie saßen einige Zeit lang schweigend nebeneinander, ehe Robert erneut das Wort ergriff.

„Was ist mit Enrico und Oliver?“

„Keine Ahnung. Ich habe sie seit dem Abendessen nicht mehr gesehen. Ich glaube, die Beiden nehmen die ganze Sache persönlich.“

„Natürlich nehmen wir das!“

Robert und Johnny blickten erschrocken auf und mussten feststellen, dass sie nicht allein im Zimmer waren. Sie hatten Oliver und Enrico nicht kommen hören.

„Wir haben euch den Streit wirklich abgekauft!“, meinte Oliver empört und stemmte seine Arme in die Seiten. „Zumindest bis zu dem Punkt, als uns klar wurde, dass irgendetwas nicht stimmt“, ergänzte Enrico mit bösem Blick, „Irgendwann dämmerte es uns, dass es wieder eines euerer dämlichen Spielchen ist. Ihr streitet euch zwar oft wegen Banalitäten, aber nicht derart...“

Johnny zuckte nur mit den Schultern. „Wenn ihr euch so einen Mist einfallen lasst, dann müsst ihr auch damit rechnen, dass nicht jeder davon begeistert ist.“

„Wir wollten euch helfen!“, rief Enrico, „Wir-“

„Nein. Das wolltet ihr mit Sicherheit nicht.“

Robert schob den Laptop von seinen Knien und gab ihn Johnny, dann stand er auf.

„Wie ihr bereits wisst haben weder Johnny noch ich zur Zeit das Bedürfnis, miteinander eine Beziehung anzufangen. Das, was ihr versucht habt, ist schlicht und ergreifend euch selbst zu legitimieren.“

Die Beiden blickten sich ratlos an.

„Ihr habt versucht euere eigenen Gedanken und Gefühle auf Johnny und mich zu projizieren, in der Hoffnung, dass – sofern wir durch euch zusammen kämen – ihr euch in euerer eigenen Haut wohler fühlen würdet. Es ist offensichtlich, dass nicht Johnny und ich diejenigen waren, die ihr verkuppeln wolltet, sondern ihr wolltet euch beide selbst zusammen bringen. Und wenn die Teamkollegen auch ein Paar abgeben, ist es doch gleich viel angenehmer sich zu outen, nicht wahr? Dann erscheint das Ganze gleich weniger schlimm.“

Enrico und Oliver tauschten einen betretenen und nervösen Blick, ehe Robert fortfuhr.

„Tut mir Leid, aber ihr könnt mich und Johnny schlecht zusammenbringen. Statt also euere Liebesfantasien an uns auszulassen, solltet ihr euch lieber mal an die eigene Nase fassen und endlich mal Manns genug sein, euch das Ganze einzugestehen.“

Anstatt einer Reaktion starrten die Beiden nur schweigend Robert an, der mit einem verzweifelten Seufzen zur Tür zeigte. „Ihr könnt jetzt gerne beide gehen und euch erstmal über alles, was heute geschehen ist, unterhalten. Und wenn ihr zu einer Lösung gekommen seid, können wir gerne weiter reden.“

Vermutlich hatten der Italiener und der Franzose Angst von Robert gefressen zu werden, denn mit betretenem Schweigen verließen sie das Zimmer.

Johnny schnalzte mit der Zunge. „Nicht schlecht, mein Lieber. Allerdings sehr Schade, können wir so doch das Spiel nicht fortführen.“

„Ich denke, das soll nicht das Problem sein“, der Deutsche ließ sich wieder auf die Couch fallen und lehnte sich zurück, „Aber wenn ich mir vorstelle die nächsten Tage auf Schritt und Tritt von den beiden verfolgt zu werden... Nein, Danke.“

Er lächelte Johnny freundlich an. „Was willst du eigentlich haben?“

Die Aufgaben, die sich Johnny und Robert gegenseitig stellten, waren eine Art Zeitvertreib. Sie hatten erst vor wenigen Wochen damit angefangen, dennoch trug es sehr zu ihrer Erheiterung bei. Neben einem Einblick in eine alternative Lebensweise, hatten sie den klaren Vorteil, dass es für jede erfüllte Pflicht auch eine Belohnung nach Wunsch gab, was es umso reizvoller machte, auch wirklich durchzuhalten.

Drei Wochen lang um sechs Uhr aufzustehen, waren für Johnny die reinste Qual gewesen, auf der anderen Seite hatte er dafür immerhin zwei Nächte lang in Roberts Bett schlafen dürfen. Diesmal hingegen hatte es sich nur um eine kleine Aufgabe gehandelt, und für kleine Aufgaben gab es auch nur kleine Belohnungen. Für große Opfer hingegen gab es größeres. Aus diesem Grund ärgerte er sich besonders darüber, dass er sich von Enrico dazu hatte verleiten lassen, seine sechs Wochen ohne Wutanfall zu vergessen. Und das hätte sie in ihrer Beziehung sicherlich deutlich voran gebracht. Nun durfte er mit dem ganzen Mist von vorne beginnen.

Mit einem Grinsen auf den Lippen zog Johnny sein T-Shirt am Kragen ein wenig zur Seite und deutete auf seinen Hals. „Einen Knutschfleck bitte!“

Robert lächelte ihn an und gab ihm dann einen Kuss auf den Mund. „Was immer du willst...“
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ChogaRamirez
2012-07-28T15:20:07+00:00 28.07.2012 17:20
Total süß, auch wenn ich nicht mit dem Ende gerechnet habe.
Du hast für Robert in der Geschichte übrigens zwei Nationalitäten.
Antwort von:  Phase
07.05.2013 15:10
Danke sehr für den lieben Kommentar!
Ich muss gestehen, dass die Geschichte irgendwie nicht ganz so wollte wie ich, deswegen habe ich irgendwann einfach nachgelassen und die Geschichte machen lassen, haha...

>Du hast für Robert in der Geschichte übrigens zwei Nationalitäten.
Danke auch für's aufmerksam machen! Ich hatte den Fehler zeitnah nach deinem Kommentar ausgebessert. :)
(Nachdem es ja seit einiger Zeit nun bei Animexx die Auf-Kommentar-Antworten-Möglichkeit gibt, mit der ich keine Gästebücher oder Postfächer zuspame, nehme ich mir aktuell die Kommentare von 12/13 vor und beantworte sie jetzt. Besser spät als nie. ^^')


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