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61. Das Richtige

Sie sah ihn an, wie er vor ihr saß, so schön, mit einem so liebevollen Blick, so perfekt. Wie konnte es einen Menschen wie ihn nur geben, jemanden der eigentlich keine Fehler besaß?

Ihr wurde das Herz schwer, wie konnte sie sagen, was sie zu sagen hatte? Sie hätte alles für ihn aufgegeben, sie hatte schon einiges für ihn weggeworfen, was ihr viel bedeutete. Doch es musste sein, es war das Richtige.

Sie konnte noch immer nicht fassen, dass sie überhaupt jemals in diese Situation gekommen war. Hätte es ihr zu Anfang jemand gesagt, hätte sie wohl schallend los gelacht. Es klang einfach lächerlich, es war so surreal.

In dem ersten Moment als sie ihn gesehen hätte, verdoppelte sich ihr Herzschlag, musste sie sich zusammenreißen, ihn nicht bewundernd anzustarren. Vom ersten Moment an hatte sie eine Anziehung gespürt, die sie noch nie zuvor empfunden hatte.

Mit einem Lächeln dankte sie ihm für das Gespräch und entschied sich dann dagegen für ihn zu arbeiten, nahm das Angebot einer anderen Abteilung an. Wie hätte sie mit ihm zusammen arbeiten können, wenn sie immer Herzrasen bekommen hätte, ihre Hände schwitzig geworden wären und sie sich zusammen reißen musste, keine unangebrachten Gedanken zu haben.

Er hatte ihr ihre Entscheidung übel genommen, ignorierte sie, wann immer sie ihm entgegen kam, wandte gar seinen Blick in Geringschätzung ab. Aber sie konnte es ihm nicht verdenken, sie hatte sich immerhin gegen ihn entschieden, hatte andere ihm vorgezogen – Menschen mochten es nicht, wenn man sie nicht wählte. Dennoch tat es weh von ihm nie mit einem auch nur halbwegs netten Blick bedacht zu werden, von ihm wie Luft behandelt zu werden. Vor allem weil ihr Herz weiterhin bei seinem Anblick Saltos schlug.

Und das hätte das Ende der Geschichte sein können.

Hätte es wahrscheinlich auch sein sollen.

Doch dann kam alles anders.

Seine Mitarbeiterin wurde krank, ein Ersatz wurde dringend gebraucht und sie wurde gefragt, ob sie nicht spontan einspringen konnte. Sie hatte Zeit, sie hatte die Fähigkeiten, doch konnte sie wirklich, konnte sie wirklich ständig mit klopfendem Herzen mit ihm zusammen arbeiten? Aber es gab keine Möglichkeit ‚Nein‘ zu sagen. Wie hätte sie ihre Wahl begründen sollen, ohne dass sie komplett lächerlich klang, ohne dass sie den Respekt ihrer Kollegen verlor?

Und so arbeitete sie schließlich doch für ihn. Genau das waren auch seine ersten Worte an sie gewesen. Sie entgegnete nichts. Sie wusste es nur zu genau. Sie wusste, dass sie irgendwie ihre närrische Verliebtheit für ihn überwinden musste, dass sie sich zusammenreißen musste, wenn sie ihn ansah, wenn sie mit ihm sprach. Er war ihr Vorgesetzter.

Anfangs schien ihr das auch zu gelingen. Sie schaffte es, ihn nicht ständig aus den Augenwinkeln anzustarren, sie errötete nicht mehr jedes Mal, wenn er mit ihr sprach, sie brachte ihren Herzschlag und ihre Atmung unter Kontrolle und mit der Zeit stellte es sich heraus, dass sie beide gut zusammen arbeiteten, produktive Treffen hatten und so langsam lernten sie sich kennen.

Sie hoffte, dass sie ihn irgendwann weniger anziehend finden würde, sobald sie andere Seiten an ihm kennen lernte, die nicht so perfekt wirkten.

Sie hoffte vergebens.

Die Anziehung wurde nicht weniger, im Gegenteil, sie schien immer weiter zu wachsen und damit gar nicht mehr aufhören zu wollen.

Doch alles war in Ordnung, alles lief seinen gewohnten Gang, er war ihr Chef und sie seine Mitarbeiterin und nicht mehr. Bis zu diesem einen Tag, als sie gemeinsam zu einer Konferenz fuhren. Nichts hätte passieren sollen. Der Alkohol allerdings hatte andere Pläne.

Als sie am nächsten Morgen in seinem Bett aufwachte, wusste sie nicht, was sie tun sollte. Es war einfach falsch.

Und doch fühlte es sich so richtig an.

„Letzte Nacht ist niemals passiert“, sagte sie. Er nickte. Doch was auch immer sie sagten, die Nacht war passiert und sie musste sich eingestehen, dass die Anziehungskraft so groß war wie am ersten Tag. Sie erkannte jedoch auch, dass es eine gewisse Verlockung wohl nicht nur auf ihrer Seite gab sondern auch auf der seinen. So gab es noch viele Nächte, die niemals geschehen waren.

Bis sie eines Tages aufwachte und wusste, dass sie so nicht weiter machen konnte. Sie konnte ihren Verlobten nicht weiter betrügen.

Und so verließ sie ihn.

Endlich war sie nicht mehr diejenige, die jemanden betrog. Endlich hatte sie sich von dieser Bürde befreit. Sie wechselte die Abteilung, so dass sie nicht mehr mit ihm zusammen arbeiten musste, so dass sie ihn nicht ständig sehen musste.

Sie sah ihn jedoch noch einmal. Sie blickte ihn an, wie er vor ihr saß, so unglaublich schön, so verdammt perfekt. Wie konnte es aussprechen? Die Worte lagen unendlich schwer in ihrem Mund und wollten eigentlich gar nicht heraus kommen. Sie starrte auf ihre Hände, starrte auf die Stelle, an der sie so lange ihren Verlobungsring getragen hatte.

„Ich verlasse dich, wir müssen unsere Affäre beenden. Du musst deine Ehe retten. Für deine Kinder.“

Es war das Richtige.

Für ihn.

Für sie.

Redete sie sich ein.

Auch wenn sie ihn über alles liebte.

Auch wenn es sie falsch anfühlte.

Es war vorbei.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  DemonhounD
2013-05-17T10:49:44+00:00 17.05.2013 12:49
Ich hatte so sehr auf dieses Ende gehofft. - Und da war es! Wäre ja auch ultraschnulzig gewesen, wenn es anders gewesen wäre.
Insgesamt finde ich die Story mal wieder ziemlich gut geschrieben, wenngleich ich mich hier, vielleicht durch die Art der Romantik nicht sonderlich damit identifizieren kann. - Ich glaube aber, dass es anderen Menschen da anders geht.
Soweit sind auch nicht viele Schreibfehler drin.

sie hatte schon einiges für ihn weggeworfen
["Einiges" wird glaube ich hier groß geschrieben. ;-) ]

Das ist der Einzige (:-P) den ich jetzt noch im Kopf habe.

Gelungene Sache! ^^
Antwort von:  w-shine
18.05.2013 12:42
Danke für deinen Kommentar, freut mich natürlich etwas Positives zu hören und dass das Ende so passt, danke, danke!
Und wenn du dich immer mit allem identifizieren könntest, wäre ja auch merkwürdig. Ich dichte ja gerne anderen Leuten irgendwelche Geschichten an - hihi :D


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