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Eternal Search

Die Suche nach dem Hier
von

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Dénouement

„Wenn du nur da stehst und geradeaus schaust, wird das heute nichts mehr mit der Therapie.“

Ein Hauch von Spott hat sich in Ilamurás Stimme geschlichen, kaum fassbar in dem samtweichen Grundton. Ich vermute, egal, was dieser Mann sagt, es würde immer charmant klingen. Langsam drehe ich herum und begegne seinem ruhigen Blick. Er deutet nach wie vor auf den Stuhl zu seiner Rechten.

Seufzend leiste ich seiner Bitte folge und lasse mich darauf fallen.

„Na also. So, jetzt atme ganz ruhig, entspann dich.“ Ich weiß nicht, was er vorhat, schiebe mein Misstrauen aber mürrisch beiseite – mir ist nicht danach, zu streiten. Im Moment will ich lieber vergessen, was eben passiert ist. Ich will mir einbilden, dass Esmeralda wiederkommt und mich erkennt, ich will…

„Au“, stoße ich ungewollt hervor.

„Entschuldige, tat das weh?“ Sofort zieht Ilamurá seine Hand zurück. Ich habe nicht groß darauf geachtet, was er tat – meinen Puls nachfühlen, glaube ich – aber eben haben seine Fingerspitzen etwas gestreift, von dem ich mir am liebsten einreden würde, ich besäße es nicht. Obwohl seine Berührungen mit größter Vorsicht vollzogen wurden, spürte ich das Stechen im ganzen Körper.

„Kaum…“, lüge ich, ohne ihn anzusehen. „Nur ein Kratzer, nicht der Rede wert.“

„So?“ Für einen Augeblick glaube ich, er würde noch einmal meinen Nacken berühren wollen, tut es aber nicht. Meine Haare bedecken ihn hoffentlich ausreichend. Ich möchte nicht versuchen müssen, ihm zu erklären, was da auf meiner Haut prangt. „Wie du meinst. Lass mich dein Gesicht sehen.“

Achtsam legt er mir die Finger unters Kinn und hebt es ein Stück an. Erst als er mit der zweiten Hand meine Haare zur Seite streicht und sein Daumen auf meiner Stirn verharrt, beginne ich zu begreifen, was ich da mit mir machen lasse. Ohne Widerspruch. Ja, ohne überhaupt den Funken von Protest.

Körperkontakt gehört nicht zu meinen Stärken; Ways gelegentliche Austritte lasse ich gerade noch so durchgehen. Und was soll das jetzt? Wo ist der Widerstand, die Abneigung dagegen, die ich sonst immer empfinde?

„Hm, das ist wahrlich… eigenartig“, holt Ilamurá mich aus den wirren Gedanken. Er mustert mich noch einmal prüfend, dann verschwindet er ohne ein weiteres Wort in das Zelt.

Mit der Stumpfheit, die mich gerade komischerweise einnebelt, fällt mein Blick auf eine Vase mit Rosen neben mir. Rote Rosen, die den Kampf gegen den Verfall noch nicht aufgegeben haben. Aber auch sie werden auf kurz oder lang welken. Kein Lebewesen kann dem Tod entgehen.

Von der Vase schweifen meine Augen weiter zu den Kindern, die noch immer um den Brunnen herumsitzen und schweigend auf die Wasserschalen in ihren Händen starren. So still… Das ist ungewöhnlich für ihr Alter. Ist es der Schock der vergangenen Stunden, der für ihre Abwesenheit sorgt? Nein… irgendwas ist hier faul.

„Übrigens, du hast mir noch gar nicht deinen Namen verraten, junges Fräulein.“

„Ein junges Fräulein bin ich auch nicht“, erwidere ich trocken und ich weiß absolut nicht, warum ich das sage.

„Sprach sie und verriet mir ihren Namen nicht“, seufzt er und streicht sich mit einer eleganten Bewegung das Haar aus der Stirn. „Wäre dir Mademoiselle genehm?“

Mademoiselle? Der Ausdruck ist mir unbekannt, aber mir gefällt sein Klang. Kurzerhand nicke ich.

„Schön. Dann sind wir jetzt beim Namen angelangt?“ Während er redet, geht er zum Brunnen hinüber und füllt die Schale auf, die er eben aus dem Zelt geholt hat.

„Demon“, flüstere ich nach kurzem Zögern. Er hält kurz inne, dann sieht er mir – für meinen Geschmack – viel zu offenkundig ins Gesicht.

„So, so.“ Die volle Wasserschale in den Händen, geht er vor meinem Stuhl wieder in die Knie. Dann holt er eine kleine Phiole aus seinem Umhang, öffnet sie und träufelt ein paar Tropfen der grünlichen Flüssigkeit in das Wasser. Sofort steigt mir der milde Duft von Kräutern in die Nase. Ilamurá reicht mir das Gemisch vorsichtig. „Trink, Mademoiselle. Danach fühlst du dich besser.“

Bevor ich die Lippen an die Ränder der Schale lege, frage ich mich noch einmal, wieso alle das Gefühl zu haben scheinen, ich bräuchte Pflege. Und da sehe ich plötzlich mein Spiegelbild in der Oberfläche des Wassers. Beinahe lasse ich die Schüssel fallen.

„Meine…“ Ich kann nicht weitersprechen, so sehr zittern mir die Lippen. Auf einmal legen sich zwei warme Hände behutsam auf meine Schultern.

„Beruhige dich.“ Beruhigen? Wie? Meine Gedanken rasen, überschlagen sich fast. Die Erinnerung an das letzte Mal, als ich mein eigenes Gesicht sah, steht mir so deutlich vor Augen wie seit langem nicht mehr. Die schmalen Züge, der kleine Mund, das matt glänzende, schwarzgraue Haar mit den schlohweißen Strähnen dazwischen und dann die Augen; groß, tiefblau- und grün, vielleicht wie Regen... giftiger Regen. Aber ganz gleich wie abstoßend ich sie finde, das letzte Mal waren sie nicht so… leer?

Einer plötzlichen Eingebung folgend, wende ich den Blick von meinem Wasserspiegel ab und sehe zu den Kindern hinüber. Und da weiß ich mit einem Mal, was so anders an ihnen ist.

Ihren Augen fehlt das Licht. Sie sind ausdruckslos, starr, nur Iris und Pupille. Kein Widerschein. Kein Leben.

„Was bedeutet das…?“, keuche ich, denn es fühlt sich an, als würden unsichtbare Fäden meine Kehle zuschnüren.

„Das wüsste ich auch gern“, sagt Ilamurá leise. Ich löse den Blick von den Kindern und sehe ihn an. Seine Miene hat sich verdunkelt. „Diese Kinder wurden von den Monstern angefallen, aber anders als die anderen, lösten sich ihre Körper danach nicht auf. Nun ja… jedenfalls nicht gleich.“

„Wie meinst du das?“ Seufzend nimmt er eine der halbverdorrten Rosen aus der Vase neben mir und betrachtet sie, ohne richtig hinzusehen.

„Bei den Erwachsenen gab es keine Ausnahme. Jeder, dem die Wesen zu nahe kamen, verging restlos. Aber viele Kinder, die es erwischt hatte, blieben körperlich anwesend, geistig jedoch…“ Sein Blick schweift kurz die Betroffenen, dann gilt wieder alle Aufmerksamkeit der Rose. „Esmeralda brachte sie hierher, aber nach einiger Zeit begannen die ersten sich ebenfalls aufzulösen. Nur diese fünf sind noch übrig. Es scheint, dass mein Trank sie wieder zu Kräften kommen lässt. Noch vor ein paar Stunden konnten sie nicht einmal aufrecht sitzen.“ Wieder seufzt er. „Ich weiß nur nicht, ob das reicht.“

„Was ist das für ein Gemisch?“, frage ich schließlich nach einem Moment des Schweigens. Ilamurá lächelt ein wenig.

„Das sind spezielle Kräuter, die ich in meinem Garten aufziehe. Inzwischen dürfte davon aber kaum noch etwas geblieben sein. Diese Bestien schienen den Pflanzen nicht sonderlich geneigt und verwüsteten ihn darum.“

„Haben sie einen Namen? Die Kräuter, meine ich.“ Langsam lässt er die Blume sinken, wobei sein Blick seltsam nachdenklich wird. So als sei ihm gerade ein Gedanke gekommen, den er bis jetzt noch nicht in Betracht gezogen hat.

„Sie heißen Herzgespann. Und du solltest jetzt auch was davon trinken, Mademoiselle. Obschon du mir sehr viel lebendiger vorkommst, als die Kinder.“

„Tja…“, murmele ich bloß. Was soll ich darauf schon erwidern? Die Sache ist schlichtweg verrückt. Meine Augen sind ebenso lichtlos wie die der Kinder, aber ich fühle mich nicht anders als sonst auch – zumindest nicht drastisch. Trotzdem, das Zeug zu trinken wird schon nicht schaden.

„Was sind das für Menschen?“, frage ich Ilamurá unvermittelt, nachdem ich alles runtergestürzt habe – schmeckt übrigens scheußlich. „Die, die nicht so bunt gekleidet sind wie der Rest.“

„Ha!“, schnaubt er verächtlich, aber mit einer Spur… Neid? „Das sind die selbst ernannten Heiligen dieser Stadt. Adlige. Für die waren wir Zigeuner nie mehr als Ratten, die in der Gosse rumlungern und ihnen bei passender Gelegenheit sofort die Kehle aufschlitzen und sie bis aufs Unterhemd ausrauben würden. Aber kaum taucht eine größere Bedrohung auf, sind wir ihre besten Freunde.“ Sanft lässt er die Rose zurück zu den anderen in die Vase gleiten. „Ein interessantes Dénouement, wenn du mich fragst.“

„Auf mich wirkt ihr nicht wie Ratten.“ Schon wieder habe ich etwas gesagt, ohne vorher darüber nachzudenken. Ich frage mich, was an diesem Menschen mich dazu bringt, so offen zu sein. Ein samtenes Lächeln umspielt seine Lippen.

„Jemand sagte mal: ‚Beurteile den Baum nicht nach seiner Rinde’. Das gleiche gilt wohl auch für dich, kleine Mademoiselle.“ Er zwinkert mir verschwörerisch zu. „Ich werde das Gefühl nicht los, dass du dich verirrt hast.“ Verwundert sehe ich ihm in die Augen, die zwar klarblau, aber vollkommen unergründlich sind.

„Nicht wörtlich gesprochen, versteht sich. Aber du bist definitiv der Gnade des Meeres ausgesetzt. Den Hafen hast du noch nicht gefunden.“ Seine Erklärungen verwirren mich nur noch mehr. „Hm, ich glaube…“ Er lässt die Hand unter den Ausschnitt seiner Kleidung gleiten und zieht sich dann eine Art Kette über den Kopf, die er mir reicht. Neugierig betrachte ich das leicht ovale Gebilde an dem Lederband. Offenbar wurde es von Hand gearbeitet, sehr aufwendig noch dazu. Ein feines Gitter bildet den Grundriss zwischen der subtilen Holzkonstruktion, in welches mit leuchtenden Farben Symbole eingewebt worden sind.

„Was ist das?“ Ilamurá deutet auf das große weiße Kreuz in der Mitte.

„Das ist Notre Dame.“ Jetzt fährt er die blaue Linie entlang. „Und das die Seine. Und hier…“ – sein Finger verharrt auf dem kleineren Kreuz, das in einem Kreis steckt – „ist der Hof der Wunder. Es gibt auch einen Reim dazu.“ Er räuspert sich einmal und beginnt dann in anmutigem Singsang zu rezitieren. " Trägst du dies gewebte Band, hältst du die Stadt in deiner Hand. Jeder Zigeuner kennt die Bedeutung dieser Worte und wird hier willkommen geheißen. Und du auch, Mademoiselle.“

Ein etwas verlegendes Lachen folgt. „Nun ja, Clopin pflegt manchmal auch zu sagen: Der Hof der Wunder, wo es ein Wunder ist, wenn du überlebst. Aber… nimm das nicht zu ernst.“

Irgendetwas in seiner Stimme bringt meine Gesichtsmuskeln dazu, ein Lächeln zu formen. Er sieht mich halb erstaunt, halb erfreut an.

„Wer hätte das gedacht? Du kannst lächeln, Mademoiselle.“

„Ist nicht unbedingt mein herausragendstes Talent, aber ja“, erwidere ich schlicht. Ich will ihm den Talisman zurückgeben, aber Ilamurá winkt ab.

„Behalt’ sie. Ich kann jederzeit eine neue flechten und davon mal abgesehen, werden in naher Zukunft wohl keine benötigt; jetzt weiß ja die halbe Stadt, wo wir sind.“ Wieder zwinkert er. „Außerdem glaube ich, dass du einen Kompass gut gebrauchen kannst – auch wenn er nur aus Bändern und Perlen besteht.“

„Danke…“, sage ich leise und bin sicher, er kann nur halb verstehen, wie dankbar ich mich wirklich fühle. So lange… jetzt bin ich schon so lange mit einem Menschen zusammen, in dessen Erinnerungen ich keinen Platz finden werde. Unter der Atmosphäre unseres Gesprächs, ist mir diese Tatsache völlig entgangen. Doch kaum denke ich daran, fängt eines der Kinder plötzlich an zu schreien.

Ilamurá ist sofort auf den Beinen und eilt auf das Mädchen zu, das mit weit aufgerissenen Augen an einen Punkt an der Decke starrt. Bevor ich ihrer Blickrichtung folge, sehe ich noch, dass die anderen vier Kinder anfangen, sich aufzulösen.

Meine Augen treffen für den Bruchteil einer Sekunde auf die leuchtend gelben des Monsters, dann springe ich reflexartig zur Seite. Hinter mir knirscht Holz – der Stuhl – und die Vase zerbricht scheppernd. Was danach geschieht, scheint sich gänzlich in Zeitlupe abzuspielen und gleichzeitig geht es zu schnell, als dass ich es hätte verhindern können.

Nur Augenblicke nach dem Eintreffen der ersten Kreatur, kommen ein dutzend weitere von der Decke gesprungen und stürzen sich voller Gier auf die umstehenden Menschen. Panische Schreie werden laut, Zelte zerfetzt, Ilamurás Blumen zertrampelt. Das Mädchen, das vorhin schrie, kann ich nicht mehr sehen. Aber ich sehe etwas anderes – so deutlich, als wäre das hier ein Albtraum. Mein Albtraum. Der mich quälen soll.

Ilamurá steht einige Meter von mir entfernt, eine Sense in der Hand und mein Bewusstsein ist so komisch verdreht, dass ich sogar noch bemerke, dass daran Schmutz und Pflanzenstückchen kleben – er muss sie bei der Gartenarbeit verwenden. Er benutzt sie, um eines der Wesen wegzuschlagen, das sich über eine junge Frau hermachen wollte und…

„Pass auf!“, schreie ich so laut wie möglich und rapple mich auf. Aber zu langsam.

Gerade als er sich umdreht, landen die Pfoten der schwarzen Bestie auf seiner Brust, reißen ihn um und noch bevor sein Körper den Boden berührt, dringt die Klaue in seinen Brustkorb ein. Ich sehe es ganz deutlich, so deutlich, dass mir schlecht wird. Ein rot glühendes, kristallenes Herz pulsiert zwischen den Krallen des Monsters. Ilamurás Körper kommt leblos auf dem Boden auf, seine Augen fallen zu und dann… verschwindet er im Nichts. Meine Hand greift ins Leere.

„Nein…!“, knurre ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Gib es zurück! Gib es ihm zurück!“ Schmerz schießt mir in den Nacken, aber ich ignoriere ihn.

Ich will dieses Wesen zerstören, ich will, dass es dafür bezahlt, was es angerichtet hat, es soll in tausende Stücke zerbersten, es soll genau die gleichen Qualen empfinden, wie die, die es bestohlen hat!

Der Schmerz schwillt an. Schon spüre ich das Ziehen in meinem Rücken und an den Fingern, die sich allmählich wandeln.

Das gelbäugige Monster beobachtet mich und obwohl es keine Mimik besitzt, in der ich lesen könnte, glaube ich, so etwas wie Angst zu erkennen und… Schmerz.

„Demon. Lass es sein. Das hier ist nicht deine Aufgabe.“

Die Stimme kommt so unvermittelt, dass ich tatsächlich innehalte und für einen Moment meine gesamte Wut auf das Ungeheuer vergesse. Dann verschwimmt mein Sichtfeld. Die Energie in meinem Körper sinkt rapide und nach und nach verblassen alle Konturen, alle Geräusche, alle Gefühle. Ich kann mich nicht dagegen wehren.

Ich falle ins Nichts.
 

„Du kannst nicht vor dem fliehen, aus dem du gemacht bist. Du warst von Anfang an ein Teil der Dunkelheit, leugne es nicht. Deine Angst, deine Wut, deine Verzweiflung sind die Antriebsräder deiner Existenz. Es ist gleich, wie oft du davonläufst, du kannst ihr nicht entkommen. Du bist ihr blutiger Schatten. In dir schlummert die ganze Vielfalt ihrer Kraft.

Du kannst es nicht vergessen.

Alles Glück der Welt wird auf Trauer gebaut. Und alles Licht entspringt der Dunkelheit.“
 

Die Betäubung hält nicht lange an. Aber als allmählich wieder Gefühl in meine Glieder kommt, bin ich nicht länger im Hof der Wunder. Nicht länger in dieser Welt.

Ich liege auf der Seite, zusammengekauert wie ein Neugeborenes. Als ich die Augen aufschlage breitet sich die karge Einöde einer Welt vor mir aus, die nichts als Steine und Wolken kennt. Ich fixiere meinen Blick auf einen Kieselstein, der genau neben meiner unbewegten Hand liegt. Er ist leicht bläulich, was ihn vom staubgrauen Rest unterscheidet. Solche Unikate gibt es nur selten und meistens sind sie kleiner als ihre Geschwister, sodass man sie leicht übersehen kann. Ich weiß, dass Way diese Stücke sammelt…

Wie Regentropfen kommen in Bruchstücken die Erinnerungen an das eben Geschehene zurück und ich mein Magen krampft sich unangenehm zusammen. Ilamurá… ich kannte ihn kaum, aber das ändert nichts daran, dass er eine Bedeutung hat. Er war der erste Mensch, mit dem ich so viel Zeit verbrachte und… es wäre mir lieber gewesen, er hätte mich für immer vergessen, als das. Was ist mit ihm geschehen? Ist er tot…? Ich seufze.

Was ist überhaupt geschehen? Irgendjemand oder irgendetwas hat mich zurück in diese Welt gebracht. Da war doch eine Stimme… Ich erinnere mich nicht mehr an ihren Klang, aber an die Worte, die sie gesprochen hat. Das hier ist nicht deine Aufgabe...

Wie soll ich das verstehen? Von welcher Aufgabe ist die Rede? Ich seufze noch einmal.

„Oh. Na sieh mal einer an! Wenn das nicht unser süßes Monster ist.“ Als ich die Stimme identifiziere, zucke ich ungewollt zusammen.

Von allen Lebewesen, die ich je getroffen habe, ist er der letzte, dem ich jetzt begegnen will.

Ohne Antwort zu geben, richte ich mich auf und komme auf die Beine. Hinter mir knirschen Schritte im Kies. Sogar die haben etwas Charakteristisches, etwas, das ich immer wieder erkennen würde.

„Ah, jetzt sind wir also bei der Phase angelangt, in der du mich ignorierst“, kommt es spöttisch von hinten. „Was ist als nächstes dran? Läufst du wieder davon, wie jedes Mal?“

„Was willst du von mir, Void?“, frage ich kühl, ohne mich umzudrehen. Mit einem Lachen, das trieft vor Hohn, spaziert er an mir vorbei, nur um sich dann umzuwenden und mich mit seinen schneeblauen Augen herausfordernd anzufunkeln.

„Oh bitte! Wer bin ich denn, dass ich von dir was wollte!“, erwidert er boshaft und mustert meine – durch die Ereignisse von eben wohl eher heruntergekommene – Erscheinung abschätzig.

„Das frage ich mich schon länger…“ Als ich versuche, mich an ihm vorbeizuschieben, packt er, nicht gerade sanft, meinen Oberarm und zwingt mich, ihm wieder in die Augen zu sehen. Ich hasse Voids Augen. Sie sind wie grell funkelnde Eisdiamanten; kalt, hart und unnatürlich blass.

„So zerbrechlich, hm?“, raunt er. Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt und ich muss gestehen, dass es mich Überwindung kostet, ruhig zu bleiben. „Die kleine, wehrlose Demon… Tz. Wenn es etwas gibt, dass du nicht bist, dann zerbrechlich!“

Sein Haar streift meine Wange, als er sich zur Seite beugt und seine Lippen nahe meinem Ohr zum Stillstand kommen.

„Der Blonden kannst du vielleicht was vormachen, aber nicht mir. Irgendwann wird ihre Ruhe einen Riss bekommen, irgendwann wird sie dich genauso ansehen wie alle anderen. Spätestens wenn sie herausfindet, zu was du noch so fähig bist.“

Mit einem Ruck befreie ich mich aus seiner halben Umarmung. Aber dann sehe ich, wie Void sich mit schmerzverzerrter Miene die Schulter reibt. Zu viel Kraft…

Sein süffisantes Grinsen kehrt zurück – bei ihm kommt Schadenfreude lange vor Schmerzempfinden.

„Was sage ich? Hinter deinem Schleier aus Unschuld bist du letztendlich doch das, was dein Name jedem klar machen sollte. Ein Dämon.“

„Halt den Mund“, stoße ich hervor, doch es ist kaum mehr als ein Flüstern. Void hebt den Arm und renkt mit einem unschönen Knacken, das mir in den Ohren nachklingt, seine Schulter wieder ein. Dann macht er erneut einen Schritt auf mich zu – er ist noch lange nicht fertig mit seiner Schikane.

„Noch ein Wort und dein Gesicht wird um die fünfzig blauen Flecken reicher, du Maulheld!“ Verwirrt schaue ich auf und erblicke Way, der auf uns zugestapft kommt, mit der Miene, die ich gerne als das absolute Gegenstück seiner sonstigen bezeichne. Wenn er wütend ist, kann er wirklich Furcht erregend sein.

„Oh?“, erwidert Void und das Grinsen entblößt seine etwas spitzeren Eckzähne. „Spannend. Komm her und beweis’ es mir, Milchgesicht!“ Beinahe synchron nehmen beide ihre Angriffshaltung ein.

„Way!“, sage ich, gerade laut genug, dass er mich versteht. „Bitte.“

„Was?!“, schnappt er und wirft mir einen Blick zu, als hätte ich den Verstand verloren. „Der Kerl hat’s nicht anders verdient, D! Er wird nicht noch mal so mit dir umspringen!“

„Bitte“, wiederhole ich nur. Voids widerliches Gelächter hallt von den Steinen wider.

„Nein, wie süß! Das Monster zieht feige den Schwanz ein. Wer hätte gedacht, dass du dazu fähig bist, jemanden zu verschonen, Demon.“ Seine Worte gehen nicht ins Leere; ungewollt zucke ich noch einmal zusammen.

„Du elendes…!“, brüllt Way, aber bevor er sich auf Void stürzen kann, ergreife ich seinen Arm.

„Bitte.“ Diesmal flüstere ich. „Keinen Kampf mehr.“ Für einen Augenblick befürchte ich, er würde nicht auf mich hören, aber als Reaktion auf irgendwas in meinem Gesicht, löst er dann doch die angespannten Muskeln.

„Tz! So viel also zum Thema Maulheld. Wer ist das jetzt, Way? Du oder ich?“

„Du bist die Erklärung nicht wert, Void“, erwidert er, schnappt sich mein Handgelenk und zieht mich Richtung der Ruinen, wo wir uns meistens aufhalten.

„Und wieder läufst du weg, nicht wahr, Demon?“, ruft er uns nach. Way spannt die Arme an, geht aber weiter. „Entweder das oder du sorgst für ein Massaker. Was glaubst du, passt besser zu dir?“ Falls er danach noch etwas sagt, höre ich es nicht mehr, weil ein dumpfes Klingen meine Ohren betäubt.

So sehr ich Void auch verabscheue, wovon er redet, ist die Wahrheit.
 

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Geschafft! Das Kapitel war der reinste Drahtseilakt. ^-^

Am Ende ist jetzt also endlich der vierte im Bunde aufgetaucht; Void (Bedeutet im Übrigen so viel wie Leere oder Ungültigkeit – verbessert mich, falls ich mich irre). Er ist ein Fiesling, aber ich mag ihn. Fast mehr als Way. …hoffentlich hat er das nicht gehört. ^-^

Zu den leeren Augen der Kinder sollte ich vielleicht was sagen: Auch das ist meiner eigenen Fantasie entsprungen. Im ersten Teil von KH fällt Kairi in ebenso einen komatösen Zustand, weil ihr Herz – obgleich gestohlen – keinen Funken Dunkelheit besitzt. Ich dachte mir, bei Kindern (deren Herzen ja auch noch sehr rein sind) könnte etwas Ähnliches passieren. Da sie aber letztendlich nicht wie Kairi sind, lösen sie sich dann doch auf. (Wie sich das anhört…)

Halbwegs logisch? ^-^’

Herzgespann gibt es übrigens wirklich (dürfte bekannt sein, oder?). Und ja, es hilft angeblich bei Herzbeschwerden. Bezieht sich zwar eher auf das Organ „Herz“, aber mir gefiel diese Anlehnung einfach so gut, dass ich es reingenommen habe. ^-^

Zuletzt Ilamurá: Himmel, was haltet ihr davon??? O.o Ich habe versucht, ihn dem echten Marluxia möglichst gleichzusetzen, ohne ihn „böse“ zu machen. (Das hört sich auch an…)

Dieses Wort „Dénouement“ stammt übrigens aus einem Zitat von Marluxia in KH Re: CoM… Wisst ihr, welches ich meine? ^-^

Bezüglich der Sense… ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich die Idee im Nachhinein genial oder lächerlich finde. Was denkt ihr?

Okay, genug gelabert. Ich hoffe, es hat euch gefallen!

Im nächsten Kapitel werde ich anfangen aufzulösen, was es mit Demons „dunklem Geheimnis“ auf sich hat. Also dann. Kommentare sind nach wie vor erwünscht. ^-^
 

Rainblue



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Xaris
2011-08-28T02:05:22+00:00 28.08.2011 04:05
Hallu <3

O.O Oha, so viele neue Informationen! <3
Ich mag Marluxias Jemand sehr, so könnte ich mir das Original vorgestellt haben! *_*
Das mit der Sense fand ich gut und das mit Marluxias Zitat weiß ich leider nicht mehr. xD
Das Kapitel war sehr gut, ich finde es war wesentlich spannender, wie du Gefühle beschreiben kannst und auch alles Allgemein, aber super! >o<
Von:  -Marlin-
2011-08-19T17:55:40+00:00 19.08.2011 19:55
Hallo erstmal^^

also ich ab die story gerad gefunden und find sie total genial!
ich freu mich riesig drauf wies weiter geht und auf noch mehr KH charas :)

Lg Aveleen


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