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Eternal Search

Die Suche nach dem Hier
von

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Erste Begegnung

Ich beobachte sie nun schon seit einer ganzen Weile und noch immer ist sie mir ein Rätsel. Nun, wenn ich ehrlich bin, erging es mir so aber bei jedem neuen „Mitglied“ in unserer Truppe von Suchenden. Ich bin neugierig auf jeden Neuankömmling und ich weiß nicht mal genau wieso. Und dieser hat eine besonders interessante Ausstrahlung.

Sie ist gestern hier erwacht – gestern in dem Sinne, dass ich sie eben erst kennen gelernt habe. Es gibt in dieser Welt ja keine Zeit, also auch kein heute, morgen oder gestern.

Sie ist still, fast ein bisschen scheu. Und jünger als ich, eher ein Mädchen denn eine Frau.

Im Augenblick wuselt Way wie ein aufgescheuchter Hase um sie herum und redet auf sie ein. Bei unserer ersten Begegnung tat er das auch und ich weiß noch, dass ich mich tierisch darüber aufgeregt habe. Sie jedoch tut genau das Gegenteil von dem, was ich getan habe. Sie tut gar nichts.

Außer lächeln.

Ganz zart nur. Als würde ein schwacher Windzug ihre Mundwinkel berühren. Das macht sie noch schöner, als sie ohnehin schon ist. Und Way scheint das auch aufgefallen zu sein. Im blonden Haar trägt sie Blumen, das ist auch etwas, was ich bisher bei keinem gesehen habe. Aber was mich am meisten an ihr fasziniert, sind ihre Augen. Sie haben eine eigenartig vertraute Farbe… blau. Ein besonderes Blau, ein klares, weites und doch beständiges Blau. Ich brauche wieder einen Moment bis ich mich davon lösen kann.

„Okay, das war dann, glaub ich, alles!“, ruft Way mich aus meinen Gedanken und klatscht einmal fest in die Hände. „Jetzt findest du dich besser zurecht, oder?“ Das Mädchen lässt ihn zappeln, indem sie nichts sagt, sondern ihr Lächeln nur ein wenig breiter werden lässt. Ziemlich clever. Vielleicht sollte ich das auch mal ausprobieren. Way ist jedenfalls erstmal sprachlos.

„Nun, äh…“ Er wuschelt sich mehrmals durchs Haar. „Vielleicht kannst du uns jetzt ja deinen Namen verraten?“ Bei diesen Worten spitze ich die Ohren, denn das interessiert mich auch. Als wir sie vorhin hier auflasen, gab sie schon keinen Mucks von sich. Way war der Meinung, sie wäre zu verwirrt, um jetzt schon über sich selbst zu sprechen und zog darum seine Überzeugung durch, indem er ihr erst alles zeigte. Nun, nachdem er ihr sogar erzählt hat, wo er seine vielen Sammelstücke aus anderen Welten aufbewahrt, scheint er nicht länger warten zu können. Na gut, ich eigentlich auch nicht.

„Also, wie heißt du?“ Das Mädchen senkt den Blick, sodass das Blau ihrer Augen verschwindet. Gut, denn ich war gerade schon wieder dabei, mich darin zu verlieren.

„Destiny…“

„Destiny?“, wiederholen Way und ich wie aus einem Munde. Die Kleine nickt und wir werfen uns einen Blick zu, der genauso synchron abläuft wie das Wort eben.

„Das ist alles, oder?“, frage ich dann. Destiny nickt noch einmal und hebt den Blick wieder, sodass ich ihren Augen direkt begegne und mit ihnen dem Gefühl der Vertrautheit.

„Etwas fehlt, aber ich weiß nicht, was.“ Way schüttelt mehrmals klein den Kopf – er kennt dieses Gefühl, genauso wie ich und alle anderen. Wir erinnern uns an nur an den „Teil“ eines Namens. Solange wir nicht gefunden haben, wonach wir suchen, werden wir auch nicht den ganzen erfahren.

„Jep, meinen Namen kennst du ja“, sagt Way dann mit einem Lächeln, um die Situation aufzulockern. „Und die hier heißt…“

„Demon“, komme ich ihm zuvor. Ich mag es nicht, wenn jemand anderes mich vorstellt. Keine Ahnung wieso, es fühlt sich einfach nicht richtig an. Destiny sieht mich lange an, ohne zu blinzeln. Aber seltsamerweise stört mich das nicht. Im Gegenteil, ich falle erneut in den Anblick ihrer großen blauen Augen. Ich könnte diese Farbe stundenlang ansehen.

Erst als Way sich demonstrativ räuspert, fällt mir auf, dass er ja auch noch da ist.

„Wie auch immer“, grummelt er, etwas grantig, in meine Richtung, bevor er sich wieder Destiny zuwendet. „Du weißt, was du als nächstes tust?“ Sie antwortet nicht und es vergehen einige Augenblicke der Stille. Irgendwann wende ich mich an Way, um ihn zu fragen, ob wir sie nicht lieber allein lassen sollten, da flüstert sie plötzlich: „Ich… werde mich auf die Suche machen.“
 

Ich bin nicht großartig überrascht, dass die Welt, die ich betrete, mir nicht bekannt vorkommt und doch hätte ich es mir gewünscht. Allmählich sollte ich mich daran gewöhnen, keine schon mal gesehene Welt wiederzufinden, aber es fällt mir schwerer als gedacht. Vielleicht ist das so, weil dieses Gefühl von Vertrautheit mir sehr viel bedeutet… Unwillkürlich schiebe ich eine Hand in die Tasche und schließe die Finger um die Muschel. Und etwas wiederzusehen… das muss sich doch genauso anfühlen, oder?

Seufzend löse ich den Griff, schließe kurz die Augen und mache mich dann daran die Umgebung nach Hinweisen zu durchforsten. Ich bin mal wieder in einem Wald gelandet. Solche Vegetationsgründe gibt es anscheinend in vielen Welten. Das hier ist zwar kein Dschungel wie der, in dem ich letztens war, aber etwas eigen ist er dennoch. Die Bäume sehen anders aus… Die Stämme sind sehr schmal und bestehen nicht aus Holz, sondern aus… Verblüfft trete ich näher und lege den Kopf in den Nacken, um die Krone zu begutachten. Doch statt Ästen und Blattwerk ist da nur ein großer, runder, grüner Kreis.

„Was zum…?“

„Suchst du etwas?“ Ehe der Schreckensschrei aus meinem Mund schlüpfen kann, presse ich mir eine Hand darauf. In letzter Zeit legt es irgendwie jeder darauf an… Langsam drehe ich mich nach dem Sprecher der eben gesagten Worte um. Ich rechne so ziemlich mit allem; einem wild gewordenen Raubtier wie letztens, vielleicht aber auch nur einem schwarzen gelbäugigen Ungeheuer, wie sie mir schon oft begegnet sind. Obwohl ich bei letzterem nicht davon ausgehe, dass sie sprechen können… na ja, dem Raubtier traue ich es auch nicht zu.

„Vielleicht kann ich helfen? Wenn ich helfen kann.“ Verdutzt lege ich den Kopf schräg und betrachte das merkwürdige Wesen, das einige Meter vor mir auf einem Stein hockt und mich angrinst wie ein Honigkuchenpferd.

„Eine Katze?“, spreche ich meinen Gedanken laut aus.

„Eine Tiger-Katze“, berichtigt sie mich mit unveränderter Miene. Mag sein, ich sehe, dass sie Streifen hat, aber ansonsten ist ihr Fell dunkelrosa – ich wage ja zu bezweifeln, dass das für Katzen normal ist, ebenso wie das breite Grienen auf ihrem Gesicht.

„Gut, Tiger-Katze…“, beginne ich zaghaft. „Also, du sagtest, du könntest mir helfen?“

„Durchaus“, erwidert sie und ich bin unfähig zu sagen, ob sie das ernst meint. „Aber du solltest dich erst fragen, ob du überhaupt Hilfe brauchst.“

„Äh, was?“ Plötzlich verschwimmt ihre Gestalt und dann löst sie sich im wahrsten Sinne des Wortes in Luft auf. „Halt, warte!“ Sie erscheint nicht wieder, aber ich vernehme ihre Stimme von irgendwo über mir.

„Wenn du glaubst, du suchst an falscher Stelle, suchst du wahrscheinlich an genau der richtigen Stelle.“ Ihre Worte verwirren mich nur noch mehr.

„Tolle Hilfe…“ Buchstäblich aus dem Nichts taucht sie wieder vor mir auf.

„Wie ich bereits erwähnte: Vielleicht kann ich dir helfen. Wenn ich helfen kann.“

„Ja“, erwidere ich seufzend, „aber ich soll mich erst fragen, ob ich überhaupt Hilfe brauche.“ Das Grinsen der Katze wird noch breiter – wenn das denn möglich ist.

„Ist dir überlassen.“ Und sie vergeht erneut in Luft, nur diesmal habe ich das Gefühl, dass sie nicht wiederkommen wird. Aber selbst wenn doch, frühestens jetzt vergisst sie mich gerade.

Ratlos schaue ich zu den merkwürdigen Bäumen auf und frage mich, wie viel von dem, was sie sagte, irgendeinen Sinn ergibt. Das Tier mag verrückt erschienen sein, aber ich kann mich nicht dagegen wehren, zu glauben, ihre Rätselsätze hätten eine Bedeutung. Eine wichtige.

Jäh wird mein Gedankengang unterbrochen, als sich ganz in der Nähe ein furchtbarer Tumult erhebt. Eine Frauenstimme beginnt abgehackte Sätze zu kreischen. Zwar verstehe ich ihre Worte nicht, aber es scheint, dass sie Befehle brüllt oder irgendwas in der Art. Nahezu zeitgleich damit wird ein – leicht unkoordiniertes – Trappeln von vielen Füßen laut.

Eigentlich kann es nicht schaden, sich das mal genauer anzusehen und… ehrlich gesagt, die komische Tiger-Katze hat mich jetzt doch ein wenig neugierig gemacht.

Der Wald endet völlig abrupt. Eben ging ich noch über dunkelbraunen Erdboden, als meine Füße plötzlich perfekt zurechtgestutzten Rasen betreten. Links und rechts von mir ragen, ebenso penibel, quadratisch geschnittene Heckenbüsche auf und nur wenige Meter entfernt breitet sich eine Art „Gericht“ auf dem Gras aus. Ich kenne diesen Begriff von einer anderen Welt, in der öfters mal solcherlei Prozesse, wie sie in diesen Räumlichkeiten stattfinden, vollzogen wurden. Und doch ist das hier ganz anders.

Hinter dem Richterpult sitzt eine rundliche Frau in einem rotschwarzen Kleid und fuchtelt völlig aufgelöst vor Zorn mit einem herzförmigen Stab herum. Sie ist es, die ich vorhin gehört habe. Und die, denen sie ihre Befehle um die Ohren wirbelt, sind Karten. Unbewusst führe ich die Hand zum Gesicht und reibe mir die Augen. Tatsächlich, Karten! Lebensgroß, mit Köpfen, Armen und Beinen. Wenn ich das Way erzähle…

„Ab mit dem Kopf!“, faucht die Frau, scheint aber nicht jemand Bestimmtes zu meinen. Schon setzt sie ihre Befehlsorgie fort. Niemand nimmt Notiz von mir. Ich glaube fast, dass ich mich mitten ins Zentrum des Aufruhrs begeben könnte und mich trotzdem keiner beachten würde. In dem Moment erkenne ich eine Bewegung aus dem Augenwinkel und etwas, das mir bekannt vorkommt. Aber gerade als ich den Blick dorthin wende, verschwinden die Gestalten hinter einer der Hecken.

„War das…?“ Ohne groß darüber nachzudenken, laufe ich los. Doch als ich die Hecke erreiche, sind sie nicht mehr dort. Links, ein paar Meter entfernt, steht eine weitere, noch größere Hecke und darin prangt ein Loch in der Form einer Tür. Das einzige Problem ist: auf der rechten Seite befindet sich eine identische Hecke mit Loch. Welchen der beiden Eingänge sie wohl genommen haben?

„Hey, du da! Wer bist du? Was machst du hier?“ Drei der Kartensoldaten kommen auf mich zugepoltert. Jetzt bleibt keine Zeit mehr zum Grübeln. So schnell es eben geht biege ich rechts ab und stürme in das türförmige Loch hinein. Ich achte nicht auf das, was ich auf der anderen Seite sehe, sondern sprinte kopflos weiter, bis ich irgendwann keine Luft mehr bekomme.

Erschöpft lehne ich mich gegen eine der Hecken, die hier gut zweimal so hoch sind wie ich, und stelle zufrieden fest, dass ich keine Verfolger mehr im Nacken habe. Das ist der Vorteil an unserem Schicksal; sobald der, der hinter mir her ist, mich nicht mehr sieht, vergisst er, dass er mich verfolgt hat.

Ich streiche mir das Haar aus der Stirn und bemerke kurz darauf mit – zugegeben – einem leichten Schreck, wo ich gelandet bin. Das Gelände ist nicht länger offen und übersichtlich. Die Heckenbüsche sind jetzt nahe beieinander, sodass sie Gassen bilden... was Sackgassen voraussetzt. Außerdem riecht es stark nach Rosen. Das kann nur ein Irrgarten sein.

„Mist“, forme ich lautlos mit den Lippen. Ich bin so mir nichts dir nichts reingeplatzt, keine Ahnung, wann und wo und ob ich überhaupt abgebogen bin. Zu allem Überfluss sieht hier wirklich alles gleich aus.

Ich erinnere mich wieder an den Grund, der mich dazu brachte, das Labyrinth zu betreten. Tja, dieses Unterfangen dürfte sich gerade erheblich erschwert haben.

Natürlich kann ich mich auch einfach hier und jetzt zurück in meine Welt begeben. Ich muss dafür nicht mal irgendein Portal öffnen, sondern mich nur darauf konzentrieren, zurückzukehren. Aber diese Gestalten… wer weiß, ob ich sie jemals wieder sehe? Kurz zögere ich noch, dann biege ich zielstrebig um die nächste Kurve… und stolpere fast über meine eigenen Füße.

„Ein verdächtiges Individuum!“, meint der Kartensoldat vor mir hart und bringt seine Lanze in Position. „Bleib, wo du bist und komm ja nicht auf den Gedanken, zu widersprechen.“ Es kommt mir so vor, als würde er einen auswendig gelernten Text runterrattern und damit liege ich womöglich gar nicht so falsch.

„Ähm, ja…“, stoße ich, möglichst neutral, hervor und nehme langsam einen Schritt zurück.

„Hey, keinen Schritt weiter!“, ruft der Soldat und stapft zielstrebig auf mich zu. Eines ist mir vorhin schon klar geworden; diese Karten sind nicht die schnellsten.

Ich schenke ihm noch ein kurzes Zwinkern, – das ist eine Premiere, ich schwöre – mache dann direkt auf dem Absatz kehrt und rausche davon. Er schreit mir irgendwas hinterher und ein paar Schritte höre ich auch, aber dann bricht beides augenblicklich ab – er hat mich vergessen. Irgendwie bedauere ich sogar das. Aber der Gedanke an mein Ziel ist jetzt stärker.

Auf ähnliche Weise irre ich weiter durch das Labyrinth, ohne zu wissen, ob ich mich dem Ausgang nähere, den Gestalten, ob ich vielleicht im Kreis laufe oder wie viel Zeit eigentlich vergeht. Aber das ist nicht schlimm. Im Gegenteil. Ich habe mich verirrt, natürlich, hoffnungslos verlaufen. Aber es fühlt sich gar nicht so an.

Komisch. Und doch… befreiend. Vielleicht ist es das, was die Tiger-Katze gemeint hat.

„Ist das möglich?“, sage ich laut, während ich mal wieder vor einem Kartensoldat davonlaufe. „Im Käfig Freiheit zu empfinden, ist das möglich?“

Mir fällt zu spät auf, dass ich eventuell geradeaus schauen sollte, wenn ich laufe, aber da stoße ich schon mit ihm zusammen, verliere das Gleichgewicht und lande unsanft auf meinen vier Buchstaben.

„Entschuldigung!“, erklingt sofort eine helle, dennoch nachdenkliche Stimme. Ein Zweite höre ich seufzen. Vor meinem Gesicht erscheint eine behandschuhte Hand, die ich unverblümt ergreife. Das irritiert mich selbst. Ich halte nicht viel von Körperkontakt, schon gar nicht von Fremden. Aber bei dem hier fühlt es sich anders an. So… vertraut? Nein... aber was dann?

„Bist du in Ordnung?“, fragt die Stimme dessen, der mir aufgeholfen hat. Als ich den Blick hebe, trifft er auf ein unfassbar blaues Augenpaar, zwischen das sich blonde Strähnen schieben. Es ist ein Junge. Jünger als ich, vom Aussehen her nur ein wenig älter als Destiny, vermute ich. Aber in seinem Blick liegt eine unnatürliche Reife. Eine große Entschlossenheit, Mut und etwas sehr Aufrichtiges. Er ist wie ein offenes Buch. Nie zuvor ist mir jemand begegnet, der so unverfälscht ist und doch blickt mich aus diesen klaren Augen auch ein Schatten an, etwas bodenlos Dunkles.

„Ja“, antworte ich, fast mechanisch. Der Junge zeigt mir die Andeutung eines Lächelns. Es sieht nicht ganz echt aus, aber ich kann nicht sagen wieso.

„Ich hätte nicht vermutet, dass hier noch was anderes rumläuft, als Karten und Herzlose.“

„Herzlose?“

„Sie sollte uns wohl zuerst darüber aufklären, für welche Mannschaft sie spielt“, mischt sich der Begleiter des Jungen plötzlich ein. Bis dahin habe ich ihm nicht mal einen Seitenblick zugeworfen. Er besitzt nicht das, was der Junge hat. Er ist beinahe unsichtbar. Aber jetzt sehe ich ihm direkt in die flachsblauen Augen und erkenne nur wenig. Ein unbeschriebenes Blatt, geht es mir durch den Kopf. Diesem Mann fehlt etwas. Etwas sehr, sehr Wichtiges. Auch wenn ich nicht weiß, was. Dem Jungen fehlt es auch, aber bei ihm ist es mir nicht sofort aufgefallen. Wieso nicht?

Ich mustere den Mann – sein kurzes wasserblondes Haar, seine aufrechte Haltung, die Karten in seiner Hand – und da sickert langsam die Erkenntnis in mein Bewusstsein. Das sind die beiden Gestalten, nach denen ich gesucht habe! Und jetzt fällt mir auch wieder ein, was an ihnen mir so bekannt vorkam. Ihre Kleidung.

„Ich spiele für keine Mannschaft“, erwidere ich dem Mann kalt. Dann wende ich mich wieder an den Jungen. „Und ich habe nicht vor, mich für eine Seite zu entscheiden. Ich will nur…“

„Was?“, fragt er freundlich. Etwas an ihm erinnert mich an Way. Ist es dieses Gefühl, ganz man selbst sein zu dürfen?

„Wer seid ihr?“, flüstere ich und muss den Drang runterschlucken, die Luft anzuhalten. Ich will es wissen, einfach so gern wissen. Einen Moment zögert der Junge. Er wirft seinem Gefährten einen Blick zu, der eindeutig dazu dient, nach „Erlaubnis“ zu fragen. Ist er ihm untergeordnet, oder so? Der wasserblonde Mann zeigt keine Emotion, nickt aber, was mich überrascht. Ich war mir sicher, er würde nein sagen. Auch der Junge nickt und wirkt zufrieden.

„Ich bin Roxas. Und das ist Luxord. Und wir sind… na ja…“

„Nicht wichtig“, fällt der Mann namens Luxord ihm ins Wort. „Mehr Karten werden wir nicht aufdecken.“ Seine Augen ruhen dabei auf mir und ich blicke entschieden direkt zurück.

„Damit kann ich leben.“ Roxas gibt so etwas wie ein verlegendes Lachen von sich.

„Und wie heißt du?“ Überrascht löse ich die Augen von Luxord.

„Äh, Demon.“ Die Reaktionen der beiden sind grundverschieden und doch zu erwarten gewesen. Luxord legt nur ganz leicht den Kopf schräg; das ist es, was sein Interesse verrät, sein Gesicht gleicht immer noch einer Maske – ein echtes Pokerface. Roxas hingegen zeigt ziemlich offensichtlich, dass ihn mein Name verwundert. Natürlich. Wie oft begegnet man schon jemandem, der Dämon heißt?

„Das Spiel wird mit jedem Zug interessanter“, murmelt Luxord, klingt aber eher desinteressiert. Hält dieser Mann sich einfach nur sehr gedeckt oder… hat er keine Gefühle?

Mitten in das kurze Schweigen hinein erklingt ein eigenartiges, schepperndes Geräusch. Ich bekomme noch so viel Zeit mich umzudrehen und ein mannsgroßes Wesen mit gierigen gelben Augen zu erblicken, als Roxas meinen Arm packt und mich aus der Schussbahn zerrt.

Zwei Karten, mit Kanten scharf wie Messern, schießen an mir vorbei und bohren sich mitten in das rotschwarze Symbol auf der Brust des Ungetüms. Und dann höre ich ein Klingen, ein reines, helles Geräusch, kraftvoll und… und…

„Ich glaube, wir haben gerade unseren Joker gefunden“, höre ich Luxord rufen. „Das ist der Letzte, Roxas. Schnapp ihn dir!“ Von meiner Position aus kann ich nicht erkennen, womit Roxas sich gegen das Wesen behauptet, aber dieses Geräusch vorhin… Urplötzlich beginnt mein Nacken zu schmerzen.

„Nein“, stammele ich hilflos und presse eine Hand auf den letzten Wirbel unterhalb meines Haaransatzes. „Nicht jetzt!“ Ein Stich – erbarmungslos, kalt und heiß zugleich – trifft mich an der Stelle, wo es immer anfängt, breitet sich aus, frisst sich durch meine Muskeln, dringt in mein Blut vor, lässt es kochen und zischen. „Nein! Geh weg! Verschwinde!“

Aber es ist längst zu spät. Ich kann es nicht mehr zurückhalten. Da sehe ich plötzlich Roxas’ Gesicht, das sich besorgt verzogen hat. Er hat das Ungetüm besiegt, er sieht mich an, ist schon drauf und dran, auf mich zuzugehen. Nein, das darf er nicht…!

„Bleib… bleib da!“, keuche ich und verkrampfe die Finger um die Blätter der Hecke hinter mir. Er bleibt nicht stehen. Er kommt näher.

Dann habe ich keine andere Wahl mehr.

Mit dem bisschen Klarheit, das ich noch aufbringen kann, lächle ich ihm zu.

„Es war schön… dich getroffen zu haben. Leb wohl.“ Die Verständnislosigkeit steht ihm ins Gesicht geschrieben. Aber das ist unwichtig. Er wird vergessen. Und auch Luxord. Für sie werde ich nie da gewesen sein.

Damit kann ich leben.

Mit dem letzten Rest meines Bewusstseins konzentriere ich mich auf das eine Wort, das mich nachhause bringt.

„Gegenwart.“

Dann wird alles schwarz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Xaris
2011-08-18T00:37:53+00:00 18.08.2011 02:37
Ne Neue? Hui, man erfährt immer mehr von ihnen^^
Haha, Way ist mein Lieblingschara deiner Story, er ist so richtig aufgedreht und lustig. XD
Die Namen finde ich sher interessant, sind das vielleicht mehr als nur gewöhnliche Namen...?^^
Ich finde, du bekommst die Charakter sehr gut hin, die sind alle wie die Originale! *_* Vor allem bei der Grinsekatze hätte ich massive Schwierigkeiten gehabt, du hattest damit allerdings keine. xD
Luxord ist auch toll <3 Er ist nach Axel und Xigbar mein Lieblingschara. X3
O_O??? Was hat sie denn angestellt? xD Nja, ich finde deine Story logischer als meine, da du nicht in KH 'eindringst', sondern sie vergessen lässt. Super Idee und ich finde deine Story immer interessanter! :)


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