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You Always Meet Twice A Lifetime

Final Fantasy VII
von

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Kiss Me Goodbye

~Einen Tag später...~
 

Lustlos starrte Raika auf ihren Fernseher und zappte unmotiviert durch die Programme. Obwohl es bald schon Mittag war, hatte sie - außer für einen kurzen Aufenthalt im Badezimmer - das Bett noch kein einziges Mal verlassen. Wozu auch? Ihre Bewacher ließen sie nicht viel unternehmen und mit ihren Verletzungen konnte sie ohnehin nichts anstellen. Außerdem hatte sie gar keine Lust, irgendwas zu tun. Alles in ihrem Leben, das vor ein paar Tagen noch einen Sinn ergeben hatte, war weg.
 

Ihr geliebtes Bike war zerstört. Anstatt zu ihrer Rettung anzurücken, hatte der Kommandant ihr einen unheimlichen Killer auf den Hals gehetzt. Und Elena, die sie zwischenzeitlich für ihre einzige Verbündete hier gehalten hatte, hatte sie belogen, ausgenutzt und dann auch noch damit geprahlt, Lorgan erschossen zu haben.
 

Sie biss auf ihre Unterlippe und versuchte, nicht schon wieder zu flennen; mit nichts anderem hatte sie die letzte Zeit verbracht. Sie wollte seinen Tod immer noch nicht wahrhaben. Sie hatte fast jeden Tag der vergangenen vier Jahre an Lorgans Seite verbracht, schon bevor sie sich Mishimas Truppe angeschlossen hatten, und konnte sich nicht vorstellen, was sie jetzt ohne ihn tun sollte.
 

Die hier zuständigen Quatschköpfe schienen allerdings genauso wenig zu wissen, was sie mit ihr anstellen sollten. Dieser Reeve hatte durchblicken lassen, dass sie wohl glimpflich davonkommen würde. Wahrscheinlich würden sie sie in ein Heim stecken.
 

Raika schnaubte verächtlich. Sollten sie ruhig! Lange würde sie sich dort nicht festhalten lassen. Nur hatte sie keine Ahnung, was sie danach machen sollte. Wahrscheinlich war es das Beste, einfach wieder Bomben zu basteln und dann Elena ausfindig zu machen. Sie würde an dem Versprechen festhalten, das sie dem Miststück gegeben hatte.
 

Sie wurde unsanft aus ihren Rachegedanken gerissen, als die Tür aufflog und Cid in ihr Zimmer polterte.
 

"Kannst du mich nicht einmal in Ruhe lassen, alter Sack?", knurrte sie ihn an und sah dann demonstrativ weg. Ihn schien das nicht weiter zu stören. Er schaltete den Fernseher aus und warf etwas Schweres auf die Bettdecke - und ihre Zehen darunter.
 

"Hey, pass doch auf, du Idiot!", schrie sie ihn mehr aus Zorn als aus Schmerz an. Dann erst bemerkte sie, dass es sich bei dem schweren Objekt um einen Stapel Bücher und Zeitschriften handelte. "Was ist das?", fragte sie ihn und versuchte, nur halb interessiert zu wirken.
 

Er deutete mit seiner gesunden Hand über die Schulter auf den Fernseher. "Was vernünftigeres als der ganze Mist aus dieser Schrottkiste." Seine Stirn legte sich fragend in Falten. "Du kannst doch lesen, oder?"
 

Raika verdrehte die Augen und versuchte, ihn zu ignorieren. Es nervte sie unwahrscheinlich, dass sie im Moment nicht mal demonstrativ ihre Arme verschränken konnte. Sie schaffte es, seinem Blick eine knappe Minute lang standzuhalten, gab aber schließlich doch auf.
 

"Natürlich kann ich lesen, alter Sack!", schnappte sie. "Ich bin nicht blöd!"
 

"Hast du dich um dein Bike selbst gekümmert?"
 

"Ja. Warum?" Langsam wurde sie misstrauisch. Er wollte mehr, als ihr nur wieder auf die Nerven gehen. Er ließ sich nicht annähernd so leicht provozieren wie zuvor.
 

Sein bohrender Blick haftete immer noch an ihr. "Du kannst also mit Werkzeug und Motoren umgehen?"
 

"Viel mehr als das, ich bin schließlich ein Genie!", prahlte sie stolz. Das sollte er ruhig wissen! Cid zeigte sich jedoch wenig beeindruckt.
 

"Für mich bist du in erster Linie eine kleine, irre Bombenlegerin. Aber du scheinst mir gerade geschickt und helle genug zu sein." Er schob ihr den Stapel hin. "Ich bin zwar der Meinung, dass Wissen aus Büchern nur halb soviel bringt wie das, was man sich selbst mit den Händen erarbeitet, aber im Moment kannst du nicht viel anderes tun. Also lies dich einfach schon mal ein bisschen ein."
 

"Wofür?" Sie sah den Stapel durch. Es waren ausschließlich technische Magazine und Bücher über Motoren und Maschinen. "Worauf willst du hinaus?"
 

"Du schuldest mir ein Flugzeug."
 

"Einen Scheiß tu ich!" Erbost warf sie ein Buch und ein paar der Zeitschriften vom Bett. "Du Arsch hast mein Bike geschrottet! Wir sind quitt!"
 

Ihre Beleidigungen zeigten immer noch keine Wirkung. "Keine Sorge, das habe ich zur Kenntnis genommen. Aber das deckt nur einen Bruchteil von meiner Tiny Bronco ab." Er beugte sich bedrohlich nach vorne, worauf sie bis an das Kopfende ihres Bettes zurück rutschte. Der Ausdruck in seinen Augen machte ihr Angst. "Den Rest wirst du für mich abarbeiten."
 

"WAS?! Spinnst du?!" Das konnte nicht sein Ernst sein.
 

Cid grinste kurz und richtete sich wieder auf. "Mit Reeve hab ich das schon geklärt. Du wirst nicht eingesperrt, stehst dafür aber ab sofort unter meiner Aufsicht", erklärte er ihr und marschierte wieder Richtung Tür. Mehr Diskussion schien er zu dem Thema nicht zu benötigen.
 

Raika starrte ihm fassungslos hinterher. Es war ihm ernst.
 

"Soll... Soll das heißen, ich bin jetzt deine Sklavin?"
 

Cid hielt kurz inne, dann drehte er sich ein letztes Mal um und grinste sie überlegen an. "Das liegt an dir."
 

* * *
 

Keine einzige Wolke war Himmel zu sehen, als Elena auf die Dachterrasse trat. Sie schloss die Augen, legte den Kopf nach hinten und genoss einen Moment lang einfach nur die warmen Strahlen der Herbstsonne. Es war zwar nur ein subjektives Empfinden, aber der Dauerregen der letzten Tage hatte die vergangenen Ereignisse nur noch anstrengender gemacht. Es schien, als würde mit dem Wetter auch wieder alles andere besser werden.
 

Das wichtigste war, dass Tifa in der letzten Nacht aus der Intensivstation entlassen worden war. Sie würde sie bald besuchen dürfen.
 

Außerdem war es unglaublich, was einige Stunden ununterbrochenen Schlafes ohne Alpträume und diese Ruhe in ihrem Kopf für ihre Laune taten. Die hässlichen Streifen, die ihren Körper verunziert hatten, waren ebenfalls verschwunden. Davon hatte Elena sich heute morgen ausgiebig überzeugt indem sie knapp eine Stunde vor dem Spiegel verbracht und sich immer wieder von oben bis unten untersucht hatte. Es war zwar ironisch, aber dank Sarcones zweitem Serum erinnerte sie nun zumindest äußerlich nichts mehr an das, was er ihr angetan hatte.
 

Außer ihrem Bein - aber die Schuld daran gab sie jemand anderem.
 

Soviel zu ihrer guten Laune. Mit einem Seufzen öffnete Elena die Augen wieder und blinzelte mehrmals, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Schließlich erblickte sie den eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit hier.
 

"Hallo", begann Elena zaghaft, während sie ihm vorsichtig näher kam und neben ihm an die Brüstung trat.
 

Valentine warf ihr nur einen flüchtigen, aber strengen Blick zu, mit dem er ihre Anwesenheit zur Kenntnis nahm; dann wandte er sich wieder Midgars Skyline zu. Auch wenn er in den Klamotten, die er von Reeve bekommen hatte, deutlich weniger bedrohlich wirkte als damals in der Nacht im Lagerhaus, so jagte er ihr immer noch eine Heidenangst ein.
 

Nach einem kurzen Zögern fuhr Elena fort. "I-Ich wollte mich entschuldigen. Für alles. Es war meine Schuld, dass sie dich gefangen genommen haben. Ich kann mir vorstellen, was du durchgemacht hast. Mich haben sie... Ich..." Sie brach ab und schluckte schwer. Darüber wollte sie eigentlich nicht reden. "Ich erinnere mich zum Glück kaum daran."
 

Es verging eine quälende Ewigkeit, bis Valentine ihr endlich antwortete.
 

"Was getan ist, ist getan. Du kannst es nicht ungeschehen machen." Er sah sie wieder an; seinem bohrenden Blick hielt sie nicht lange stand und senkte schuldig den Kopf. "Ich plane jedoch nicht, mich an dir zu rächen, wenn es das ist, wovor du Angst hast. Im Übrigen musst du dir erst einmal selbst verzeihen."
 

Elena seufzte, auch wenn sie unsicher war, ob es erleichtert oder niedergeschlagen war. Sie wusste nicht, was für eine Antwort sie überhaupt erwartet hatte - diese war es jedoch nicht. Aber noch näher an Vergebung würde sie bei ihm wohl nicht herankommen. Wahrscheinlich war es das Beste, sie einfach hinzunehmen. Unschlüssig, was sie nun sagen sollte, folgte sie seinem wieder in die Ferne gewanderten Blick. Es vergingen mehrere Minuten, in denen die beiden Turks einfach nur schweigsam nebeneinander standen.
 

"Was sind wir?", fragte Elena, als sie die Stille schließlich nicht mehr aushielt. "Ich meine, bin ich jetzt unsterblich?"
 

Die Frage war ihr ernst. Zu Beginn ihrer Jagd damals hatte sie Valentines Akte gelesen. Als Turk war er mit siebenundzwanzig vorläufig aus ShinRas Aufzeichnungen verschwunden. Davor war er ein normaler Mensch gewesen, soweit das auf einen Turk zutreffen konnte, mit Eltern und einem nachvollziehbaren Lebenslauf. Das war über dreißig Jahre her. Er wirkte nicht, wie jemand, der demnächst Sechzig wurde. Die Vorstellung, in absehbarer Zeit wie Valentine auszusehen - leichenblass und diese dämonisch roten Augen - jagte einen kalten Schauer über Elenas Rücken.
 

Diesmal musste sie nicht ganz so lange auf eine Antwort warten. "Ich weiß es nicht. Ich war bereits tot, als Hojo sein Werk an mir verrichtete. Aber ob wir unsterblich sind?" Für einen Moment glaubte Elena, so etwas wie einen Hauch von Amüsement in seiner Stimme wahrzunehmen. "Ich überlasse es dir, das auszuprobieren."
 

Elena schmunzelte kurz und gab sich mit dieser Antwort zufrieden; immerhin hatte er Recht. Sie würde sich jedenfalls nicht aus Neugierde vor einen Zug werfen. Es war wohl das Beste, einfach abzuwarten, was die Zukunft mit sich brachte. Wenn es nach Elena ging, war ihr Zustand ohnehin nicht von Dauer.
 

"Wirst du hier bleiben?", fragte sie Valentine. "Um auf Arculas Heilmittel zu warten?"
 

"Es gibt keines."
 

Die knappe Antwort war genug, sie aus der Fassung zu bringen. "Wa... Woher willst du das wissen?"
 

"Weil es kein Gegenmittel für das gibt, was ich getan habe. Oder für das, was du getan hast."
 

Sie hatte mit diesem Mann bereits zweimal auf Leben und Tod gekämpft, seine dunkle Seite hautnah erlebt, aber der Blick, den er ihr gerade zuwarf, ließ ihre Seele gefrieren. Dementsprechend war sie eingeschüchtert.
 

"W-Was bitte meinst du damit? Ich habe nichts getan. Das war Sarcone."
 

Valentine ließ sie nicht aus den Augen, sein Blick wurde nur noch unerträglicher. Schließlich begann er zu erklären.
 

"Du warst auch einmal ein Turk. Du wirst Sachen getan haben, auf die du nicht stolz bist - zumindest hoffe ich für dich, dass du nicht stolz darauf bist. Aber dennoch hast davor deine Augen verschlossen und bist weiter deinen Weg gegangen, ohne dich lange umzusehen, weil es so besser oder einfacher schien. So ist es ein Leichtes die eigenen Sünden zu übersehen und zu vergessen. Aber eines Tages kehren sie zurück und dann zeigen sie uns ihre hässliche Fratze. Sie zeigen uns was wir getan haben; was wir sind. Dafür gibt es kein Heilmittel. Denn die Wahrheit ist: Wir waren schon lange zuvor Monster."
 

"Blödsinn!" Noch während er gesprochen hatte, war trotziger Zorn in Elena hochgekocht. Sie trat einen Schritt zurück und begann, hin und her zu marschieren, um ihrem Ärger Luft zu machen. "Du redest als wäre das unser unvermeidbares Schicksal gewesen. Ich weiß nicht genau, wie es bei dir war, aber ich war zur falschen Zeit am falschen Ort und bin einem Irren in die Hände gefallen, der mich für ein Experiment missbraucht hat. Und das ist etwas, das sich rückgängig machen lässt."
 

"Das habe ich auch einmal geglaubt." Sie glaubte, einen Funken Schmerz in seinen Augen zu erkennen, ansonsten blieb Valentine aber ungerührt. "Dass ich in einem ungerechten Alptraum gefangen bin. Dass es einen Ausweg geben muss. Dass es vielleicht vorbei geht, wenn ich einfach nur die Augen verschließe und es ignoriere. Aber es ging nicht vorbei. Bis ich erkannte, dass alles so kommen musste. Dass alles, was ich getan oder nicht getan habe, zu diesem Punkt geführt hat. Ich habe Jahrzehnte gebraucht, bis ich das verstanden hatte. Vielleicht brauchst du ebenfalls soviel Zeit, bis du es verstehst."
 

"Was willst du mir sagen? Dass wir es verdient haben?"
 

"Du hast dich dazu entschieden, ein Turk zu werden. Menschen zu töten."
 

"Weil ich sonst nicht mehr am Leben wäre. Ich hatte keine Wahl!", schrie Elena voll Wut. Das schlimmste war seine Gleichgültigkeit, er ließ sich davon nicht einmal beeindrucken. Mit geballten Fäusten wartete sie auf eine Reaktion. Irgendeine. Schließlich stieß sie ihren Frust mit einem lauten Seufzen aus und wandte sich zum Gehen. Eine Diskussion mit ihm war sinnlos.
 

"Du hast Recht", meinte sie, ihm bereits den Rücken zugekehrt. "Du und ich, wir unterscheiden uns. Ich war hier, weil ich mich entschuldigen wollte. Das habe ich getan. Leb wohl!"
 

"Eines Tages wirst du vielleicht erkennen, dass du immer eine Wahl hattest. Wenn es soweit ist, können wir diese Unterhaltung noch einmal führen."
 

Aufs Neue erzürnt fuhr Elena herum.
 

"Ich werde ganz sicher nicht..."
 

Sie stockte. Valentine war verschwunden.
 

"Freak", murmelte sie leise. Dann trat sie an das Geländer und blickte auf die Stadt hinab. Das hatte sie nun davon. Eigentlich hätte die Entschuldigung bei Valentine den gegenteiligen Effekt haben sollen, aber nun fühlte sie sich mieser als zuvor.
 

Gerade als sie sich damit trösten wollte, jetzt wenigstens die sonnige Dachterrasse für sich allein zu haben, hörte sie Schritte hinter ihr.
 

"Hier versteckst du dich also."
 

Reno. Genervt schloss sie die Augen. Das Schicksal meinte es heute nicht gut mit ihr.
 

"Arcula will dich nochmal sehen", teilte er ihr mit, während er näher kam.
 

Elena drehte sich nicht zu ihm um und atmete lange aus, in der schwachen Hoffnung, genug Kraft sammeln zu können, seine Gegenwart einfach zu tolerieren.
 

"Kann ich danach endlich zu Tifa?", ignorierte sie seine Aufforderung.
 

"Wo denkst du, dass du bist? Im Vergnügungspark? Wir sagen dir, wann du wo hingehst."
 

Sie konnte sein überhebliches Lächeln förmlich hören. Unwillens, sich auf ein Gespräch mit ihrem ehemaligen Kollegen einzulassen, drehte Elena sich entschlossen um und marschierte ohne Augenkontakt an ihm vorbei auf die Tür zu. Ärgerlicherweise packte er sie an der Schulter und hielt sie an.
 

"Warum so schlecht gelaunt? Ich bekomme fast das Gefühl, du magst mich nicht mehr."
 

"Das fragst du noch?!", platzte es aus ihr heraus. "Ich hasse dich! Absolut alles, was mir widerfahren ist, ist deine Schuld."
 

Er grinste immer noch. Warum musste der Dreckskerl immer dieses Grinsen vor sich her tragen? Angewidert stieß sie seine Hand beiseite und eilte zur Eingangstür.
 

"Es sind immer die anderen, nicht wahr?", rief er ihr hinterher. "Du kannst für nichts gerade stehen. Deshalb warst du auch nie mehr als ein Pseudo-Turk."
 

Elena spürte ihren ganzen Körper beben vor hilflosem Zorn. Eine Hand bereits am Türgriff, drehte sie sich noch einmal um. Jetzt wollte sie den Blickkontakt. Er sollte wissen, dass sie es ernst meinte.
 

"Das nächste Mal, wenn ich die Gelegenheit dazu habe, werde ich dich umbringen."
 

Reno lachte nur. "Viel Glück."
 

* * *
 

~Später...~
 

Schwerfällig öffnete Tifa ihre Augen. Es war nicht das erste Mal, dass sie das Bewusstsein wiedererlangte, aber sie war immer noch so erschöpft, dass sie die meiste Zeit schnell wieder einschlief. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihre Sicht scharf wurde, dann erst erkannte sie den blonden Schopf ihres ersten Besuchers.
 

"Hey", begrüßte sie Cloud schwach.
 

"Hi." Er wirkte besorgt, aber auch erleichtert. Sie bemerkte, dass er ihre Hand hielt. "Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt."
 

"War nicht meine Absicht." Tifa dachte angestrengt nach. Chaos hatte sie beinahe umgebracht, das wusste sie noch. Danach erinnerte sie sich an nichts mehr, bis sie von piependen medizinischen Apparaten umringt aufgewacht war. Von den Vorfällen dazwischen hatte ihr bisher niemand berichtet.
 

"Was ist passiert, Cloud? Wie haben wir es geschafft, da noch einmal lebend herauszukommen?"
 

"Elena. Sie hat Vincent aufgehalten."
 

"Sie lebt noch?" Freudig überrascht versuchte Tifa sich aufzusetzen. Es gelang ihr nicht. Stattdessen bestrafte ihr Körper sie mit Schmerzsignalen aus allen Richtungen.
 

"Nicht bewegen", ermahnte Cloud sie, bevor er auf ihre Frage antwortete. "Ja, Elena geht es bestens. Vincent übrigens auch. Er ist wohl nur etwas in seinem Stolz verletzt."
 

"Das ist gut." Erleichtert entspannte Tifa sich und ließ sich tiefer in ihre Kissen sinken. Für einen kurzen Moment fühlte sie sich schuldig, weil sie an Vincent gar nicht gedacht hatte, obwohl der Einsatz in erster Linie seiner Rettung gedient hatte. Sie war einfach zu froh, dass Elena noch lebte. Sie hatte nicht geglaubt, dass die Turk noch am Leben war, nachdem Chaos sie aus dem Fenster geworfen hatte.
 

"Wie lange muss ich hier bleiben?", fragte sie, um von dem schrecklichen Gedanken wegzukommen.
 

"Einer der Ärzte meinte, zehn Tage mindestens."
 

Ernüchtert stieß Tifa einen langen Seufzer aus. "Ich schließe mich Cids Meinung an: Ich will meine Materia zurück."
 

"Reeve ist ziemlich stur in dieser Hinsicht, aber ich versuche weiterhin mein Glück." Unvermittelt sah Cloud zur Tür. "Da ist noch jemand hier, um dich zu sehen."
 

Tifa folgte seinem Blick und spürte, wie ihre Mundwinkel nach oben schossen, als sie den Neuankömmling erkannte. "Elena!", rief sie erfreut, aber immer noch geschwächt.
 

Cloud drückte ihre Hand ein letztes Mal und stand auf. "Ich lasse euch allein."
 

"Danke", sagte Elena leise, als er an ihr vorbei aus dem Raum trat und die Tür hinter sich schloss; anschließend begann sie zu lächeln. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich als Letztes zu dir gesagt habe, du sollst dich verstecken", meinte sie mit gespieltem Vorwurf. "Ich bin froh, dass es dir gut geht."
 

"Ich auch", scherzte Tifa und stellte dabei fest, dass selbst ein leichtes Lachen ihr ebenfalls weh tat. Sie musterte Elena. Die Turk wirkte frischer und ausgeschlafener als jemals zuvor. "Wie geht es dir?"
 

"Großartig." Als Beweis streifte Elena ihre Ärmel zurück und präsentierte ihre Unterarme. Tifa erkannte sofort, was sie ihr damit zeigen wollte: Die roten Streifen, die sich mit fortschreitender Verwandlung immer weiter ausgebreitet hatten, waren verschwunden.
 

"Arcula meint, die Arbeit an einem besseren Gegenmittel geht gut voran", fuhr Elena fort, geriet dann aber ins Stocken und setzte sich auf den Hocker neben Tifas Bett. Die Art, wie sie mit ihrem Blick auswich, verriet Tifa, dass ihr etwas unangenehm war. "Ich... ich muss dir etwas sagen."
 

"Was hast du?"
 

"Ich werde nicht hier bleiben."
 

Das kam überraschend. Tifa brauchte einen Moment, bis sie sich für eine Antwort gesammelt hatte. "A-Aber dein Deal mit Reeve?"
 

"Reeve ist mir egal."
 

"Elena", protestierte Tifa in warnendem Tonfall. "Ohne das Gegenmittel wirst du dich in ein paar Tagen wieder verwandeln, das..."
 

"Für wie dumm hältst du mich?", unterbrach die Turk sie, bevor Tifa mit ihrer vorwurfsvollen Rede richtig in Fahrt geriet. Ein triumphierendes Lächeln zeigte sich in ihrem Gesicht. "Ich habe Arcula bestochen. Er versorgt mich auch weiter mit dem Gegenmittel und arbeitet gleichzeitig an einem Heilmittel."
 

Tifa war zu sprachlos, um darauf antworten zu können. Sie glaubte nicht, dass Elena sie anlog. Sie konnte sogar verstehen, warum sie es tat. Die Vorstellung, ein Leben als Versuchskaninchen führen zu müssen war nicht die angenehmste, auch wenn Tifa annahm, dass Reeve dafür sorgte, dass Elena besser behandelt wurde, als es bei Sarcone der Fall gewesen war. Aber dieser Plan bedeutete, dass Elena sich wieder auf der Flucht befinden würde - wer wusste schon wie lange diesmal. Und so wie es sich anhörte, wollte Elena alleine gehen. Tifa verspürte einen Schmerz, der nichts mit ihren Wunden zu tun hatte. Vor allem, weil sie wusste, dass Elena sich nicht umstimmen lassen würde.
 

"Aber vorher schulde ich dir noch etwas", wechselte Elena abrupt das Thema und hielt ihr einen silbernen Armreif vor die Nase, in dessen Fassung eine grün leuchtende Kugel eingelassen war - eine Materia. Tifa musste nicht raten, um welche Art es sich dabei handelte.
 

"Wo hast du das her?"
 

"Ebenfalls von Arcula", erklärte Elena, während sie den Reif an ihrem Handgelenk anbrachte. "Der Mann mag ein seltsamer Eierkopf sein, aber er hat gute Verbindungen. Darf ich?"
 

Tifa nickte stumm, woraufhin Elena ihren rechten Arm ergriff. Ein schwaches Leuchten erschien um die Hand der Turk, als diese begann die magischen Kräfte der Materia anzuzapfen. Sie berührte Tifas Hand und arbeitete sich von den vom Kampf geschundenen Fingern aus den Arm entlang zur Schulter vor. Tifa genoss das angenehme, warme Kribbeln, als ihre Blessuren und Kratzer unter Elenas Berührung verheilten. Ihre Wohltäterin beugte sich über sie und wiederholte die Prozedur am anderen Arm. An der Schulter, die Ajig ihr ausgekugelt hatte, verharrte sie einen kleinen Moment länger, dann wanderten Elenas Hände weiter zu ihrer Stirn, um sich um die genähten Platzwunden zu kümmern.
 

"Das fühlt sich gut an", murmelte Tifa entspannt, als Elena ihre Hände wegnahm. Sie konnte bereits spüren, wie Kraft in ihre Glieder zurückkehrte. Sollte nur irgendein Arzt versuchen, sie zehn Tage hier zu behalten!
 

"Wir sind noch nicht ganz fertig."
 

Elena schlug die Bettdecke zurück und schob ihre Hände behutsam unter Tifas Krankenhaushemd, bis sie ihren bandagierten Bauch erreichte. Tifa entwich ein lautes Seufzen, als Elena erneut ihre Magie wirkte. Die warme Berührung, unter der ihre Haut und die zerrissenen Muskeln wieder zusammenwuchsen, war einfach unbeschreiblich. Tränen der Erleichterung traten ihr aus den Augen. Aber die Behandlung war immer noch nicht abgeschlossen. Elenas Hände glitten weiter nach oben, ihre Flanke entlang bis zu der Stelle, wo Trax' Kugel sie getroffen hatte. Tifa fühlte einen leichten Stich, als die zerschossene Rippe sich regenerierte und damit auch die Heilung ihrer letzten Wunde beschleunigt wurde.
 

Tifa hatte gar nicht bemerkt, dass sie die Augen geschlossen hatte, so sehr hatte sie Elenas Behandlung genossen. Auch jetzt kostete sie noch verzückt die Nachwirkungen des altvertrauten Gefühls aus, das sie schon viel zu lange nicht mehr verspürt hatte. Erst das Paar Lippen, das sich sanft auf die ihren presste, holte sie aus ihrem Taumel zurück. Im selben Moment, als sie die Augen öffnete, zog sich Elena auch schon wieder zurück.
 

"War das jetzt eine angenehmere Situation als die letzten beiden Male?", fragte die Turk mit einem unschuldigen Lächeln.
 

Tifa erwiderte es. "Ich lasse es mal als eine solche durchgehen." Sie bewegte testweise ihre Arme und setzte sich im Bett auf. Ein paar Tage würde ihr immer noch alles weh tun. Selbst Heilmateria konnte Wunden nicht einfach so spurlos verschwinden lassen, aber nun fühlten sich ihre Verletzungen nur noch nach einem schlimmen Muskelkater und ein paar gröberen Kratzern an.
 

"Danke."
 

"Jetzt sind wir quitt."
 

"Nein", widersprach Tifa scharf, was Elena sichtlich erschreckte. "Quitt sind Menschen, die danach nichts mehr miteinander zu tun haben."
 

"S-So habe ich es nicht gemeint", gab die Turk kleinlaut von sich.
 

"Wir sind..." Tifa umfasste Elenas Hand mit den ihrigen und suchte nach dem richtigen Wort. "Freunde, Elena. Ich würde dir jederzeit wieder helfen."
 

"I-Ich dir auch." Ein schwaches Lächeln, das jedoch nicht richtig überzeugt wirken wollte, kehrte auf das Gesicht der anderen Frau zurück.
 

"Dann sind wir uns ja einig."
 

* * *
 

~Ein paar Tage später...~
 

Midgars Flughafen war der größte der Welt und dementsprechend überfüllt. Menschen von überall her wollten überall hin. Die meisten davon hatten es eilig und waren schlecht gelaunt, aber Tifa hatte sich in einer derart lauten Menschenmenge noch nie wohler gefühlt. Obwohl sie noch nicht vollständig genesen war und jeder Rempler, den sie abbekam, nach wie vor schmerzte, war es befreiend, sich wieder ohne die Angst verfolgt und erkannt zu werden, unter Leute begeben zu können.
 

Ebenso war sie froh, den Midgar-Tower verlassen zu haben. Man hatte sich zwar gut um sie gekümmert, aber das Gebäude würde für sie immer das ShinRa-Hauptquartier bleiben. Sie fühlte sich dort einfach nicht wohl. Eigentlich galt das mittlerweile für ganz Midgar. Und ohne ihre Bar oder irgendwelche anderen Besitztümer hatte sie auch nichts mehr, was sie hier festhielt. Reeve hatte angeboten, ihr finanziell unter die Arme zu greifen. Tifa glaubte zwar nicht, dass sie es annehmen würde, war ihm aber sehr dankbar dafür. Zudem stand ihr das Angebot noch längere Zeit offen. Zuerst einmal wollte sie Barret und Marlene besuchen. Sie hatte die beiden schon viel zu lange nicht mehr gesehen. In Corel würde sie in aller Ruhe ihre Verletzungen auskurieren und sich überlegen, wie es mit ihrem Leben weiter gehen sollte.
 

"Was soll das heißen, es gab kein Wechselgeld?" Cids erregte Stimme riss sie aus ihren Gedanken, als der Pilot mit seinem neuen Schützling aus dem Snackshop zurückkehrte. "Das waren fünfzig Gil! Was kann so eine verdammte Dose Cola denn bitte kosten?"
 

"Fünfzig Gil offensichtlich. Am Flughafen ist alles teurer", erklärte Raika ungerührt und nippte an ihrem Getränk, wobei Tifa glaubte, ein freches Grinsen zu erkennen.
 

Mit ihren identischen Armschlingen und den ewigen Zankereien gaben die beiden ein komisches Bild ab, das Tifa ein ums andere Mal zum Schmunzeln brachte. Raika ließ zwar keine Gelegenheit aus, Cid das Leben schwer zu machen, aber echte Fluchtversuche hatte sie bisher keine unternommen. Tifa glaubte nicht, dass das an ihrer Verletzung lag. Das Mädchen stand mit genauso wenig wie sie selbst da. Sie bezeichnete sich zwar ständig als Cids Sklavin, aber etwas an Raika strahlte eine gewisse Art der Erleichterung aus. Wahrscheinlich war sie froh so etwas wie ein Heim und eine Aufgabe vor sich zu haben. Bei Cid war sich Tifa ebenfalls nicht sicher, ob er das ganze wirklich nur wegen seinem zerstörten Flugzeugs mitmachte.
 

"So, wir müssen dann langsam los", meinte Cloud, nachdem er von der Gepäckaufgabe zurück gekommen war. Tifas eigener Flug ging über eine Stunde später.
 

"Pass auf dich auf!", begann Cid die Verabschiedung und umarmte sie, so gut es sein Zustand eben zuließ. "Grüß Barret von uns."
 

"Mach ich. Und du werd' wieder gesund. Ihr beide." Sie wandte sich mit einem Lächeln an Raika und flüsterte ihr ins Ohr. "So schlimm, wie du denkst ist er gar nicht, also treib ihn bitte nicht komplett in den Wahnsinn."
 

Raika zuckte ungerührt mit ihrer Schulter und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Getränk. "Ja ja."
 

Bevor Tifa sich von Cloud verabschieden konnte, warf Cid einen schnell Blick zwischen ihr und ihm hin und her, dann schob er Raika an, um sie in Bewegung zu versetzen.
 

"Los komm! Wir müssen dem Anfänger von Piloten noch klar machen, dass er seine Maschine heute nicht selber fliegen wird."
 

"Du spinnst doch!", rief der Teenager im Weggehen. "Außerdem, hör auf mich zu schubsen. Du kannst doch einfach sagen, dass wir nicht beim Knutschen stören sollen."
 

Tifa und Cloud stießen gleichzeitig ein kurzes Lachen aus.
 

"Ich glaube, das haben wir hinter uns", sagte Cloud, während er dem ungleichen Paar hinterher blickte.
 

"Ja, haben wir", pflichtete Tifa ihm mit etwas mehr Wehmut in der Stimme bei, dann trat sie dennoch auf ihn zu und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, bevor sie ihn fest umarmte. "Mach's gut."
 

Er erwiderte die Umarmung. "Ja, du auch."
 

"Danke, dass du wieder einmal den Lebensretter für mich gespielt hast."
 

"Das war ich nicht alleine."
 

Ein betrübtes Gefühl schlich sich in Tifas Gedanken. Das Gespräch in ihrem Krankenzimmer war das letzte Mal gewesen, dass sie sie gesehen hatte. Gleich darauf hatte Elena die Situation ausgenutzt und sich aus dem Staub gemacht. Vincent war ebenso verschwunden. Reeve war außer sich gewesen. Berechtigterweise, wie Tifa zugeben musste, aber es gefiel ihr, Elena in Freiheit zu wissen. Dennoch nagte etwas an ihr. Vor etwas mehr als zwei Wochen hatte sie noch nicht mal einen Gedanken an Elena verschwendet, nun war es so, als würde ihr plötzlich ein kostbarer Teil ihres Lebens fehlen.
 

"Du kommst zurecht?", fragte Cloud, als er sich aus der Umarmung löste.
 

"Ja." Tifa fühlte sich ertappt und versuchte, die Gedanken zu verdrängen. "Ja, klar. Ich setze mich in die Sonne, bestelle mir einen großen Kaffee und blättere durch irgendwelche Zeitschriften. Die Stunde wird schnell vorüber sein."
 

"Das meinte ich nicht."
 

Sein Blick verriet ihr, dass er genau wusste, was ihr gerade durch den Kopf gegangen war. Seufzend sah Tifa durch die Fenster der Abflughalle in die Ferne.
 

"Ob ich sie wohl nochmal wieder sehe?"
 

"Man trifft sich immer zweimal im Leben. So sagt man doch, oder?"
 

Ja, das Sprichwort kannte sie. Aber es half ihr nichts. Fragend sah sie ihn an. "Glaubst du, es gibt auch ein drittes Mal?"
 

"Warum nicht?" Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. "Bei uns hat es ja auch geklappt."
 

Tifa musste unwillkürlich lachen. "Wenn man das 'klappen' nennen will." Aber sie wusste, was er ihr damit sagen wollte. "Danke."
 

Bevor sie in die Bedrängnis kam, nicht mehr zu wissen, was sie noch sagen sollte, wurde seine Flugnummer über die Lautsprecher durchgerufen.
 

"Ich muss dann wirklich los."
 

"Ja, gute Reise."
 

Cloud drückte sie ein letztes Mal, dann wandte er sich zum Gehen. Tifa sah ihm nach, dann fiel ihr doch noch eine Sache ein, die sie auf dem Herzen hatte. Kurz entschlossen lief sie ihm hinterher.
 

"Cloud."
 

"Hm?"
 

Sie biss sich auf Unterlippe und zögerte einen Moment. Eigentlich ging es sie ja nichts an.
 

"Ich weiß, dass in Nibelheim jemand auf dich wartet", begann sie dann vorsichtig. "Wenn du sie schon für nicht erwähnenswert hältst, dann sei wenigstens so fair und sag ihr, wie es ist. Mit den Toten können wir nicht mithalten. Keine Frau kann etwas dafür, dass sie nicht Aeris ist."
 

Sein Blick wurde nachdenklich und fiel zu Boden. Tifa konnte förmlich beobachten, wie ihre Worte auf ihn einwirkten.
 

"Wahrscheinlich hast du Recht", gab er schließlich zu. "Ich werde wohl ohnehin nicht mehr lange dort bleiben."
 

Dann marschierte er endgültig davon. Diesmal lief Tifa ihm nicht mehr nach. Sie wartete, bis er durch das Gate verschwunden war, dann bahnte sie sich ihren Weg durch die Menschen zum Aussichtsdeck. Es war ein sonniger Tag und trotz der herbstlichen Temperaturen hielten sich eine Vielzahl Personen hier oben auf und beobachteten die Flugzeuge beim Starten und Landen. Dennoch fand Tifa ein kleines Eck, in dem sie relativ ungestört war. Sie lehnte sich gegen das Geländer und beobachtete, wie ihre Freunde in ihr Flugzeug stiegen. Cids wilde Gesten deuteten darauf hin, dass er es nicht geschafft hatte, den Piloten von seinem Posten zu verdrängen.
 

In aller Ruhe beobachtete Tifa das Flugzeug, wie es fertig beladen wurde, auf die Startbahn rollte, an Geschwindigkeit aufnahm, abhob und letztendlich am Himmel immer kleiner wurde.
 

Als sie sich schließlich zum Gehen wandte, wurde sie von einem warmen Windstoß erfasst. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen blickte Tifa zum Himmel.
 

"Ich denke, ich weiß jetzt, was du mir sagen wolltest, auch wenn ich nicht glaube, dass du das damit gemeint hast. Trotzdem ist es schön zu wissen, dass du immer noch für uns sorgst."
 

Einer Antwort gleich fegte ein zweiter Hauch über sie hinweg.
 

"Ich vermisse dich auch, Aeris."
 

* * *
 

"Ist das alles, Reeve? Ist das dein abschließender Bericht?"
 

Reeve drückte seinen Rücken durch, als er sich bemühte möglichst aufrecht zu stehen.
 

"Ja, Sir."
 

Der Verteidigungsminister von Midgar trommelte unzufrieden mit seinen Fingern auf dem Schreibtisch. Er war sein direkter Vorgesetzter, deshalb war es für Reeve keine neue Erfahrung hier zu stehen, dennoch empfand er es immer wieder als unangenehm. Das Büro hoch über Midgar glich mehr einem Thronsaal als sonst etwas. Es gab keine Sitzgelegenheiten für etwaige Besucher und auf dem Schreibtisch hatte er bis heute noch kein einziges Blatt Papier oder auch nur einen Stift liegen sehen. Die Statur des Ministers und die Art, wie er in seinem Sessel saß, riefen ebenfalls ungewollte Erinnerungen an Präsident ShinRa in Reeve hervor.
 

"Das ist eine einzige Katastrophe, ein Desaster!", fuhr der aufgebrachte Minister fort und blätterte ein weiteres Mal oberflächlich durch Reeves Bericht. "Was sollen wir damit anfangen? Ihr konntet keinen einzigen Beweis finden, um unseren Verdacht zu untermauern. Von Sarcones Aufzeichnungen und Ergebnissen konnte nichts sicher gestellt werden."
 

"Jemand, den wir nicht auf dem Radar hatten, war sehr gründlich dabei sämtliche Spuren zu verwischen."
 

"Und dann sind dir auch noch die beiden einzigen lebenden Exemplare aus dem Hauptquartier entkommen?!"
 

"Ich werde Reno beauftragen, sich darum zu kümmern, sobald er sich erholt hat."
 

"Wir haben viele gute Männer bei dieser Sache verloren. Wenigstens ist es uns gelungen, Mishimas Söldnertruppe zu zerschlagen, also war nicht alles umsonst. Das macht immerhin ein Problem weniger aus ShinRas Hinterlassenschaft." Sein harter Blick fixierte sich auf Reeve. "Was ist mit den gestohlenen Jenova-Zellkulturen?"
 

"Sie werden im Bericht nicht erwähnt. Ganz so, wie Sie es wollten."
 

"Ja ja, aber was ist mit ihnen geschehen?"
 

"Es deutet vieles darauf hin, dass Sarcone sie Mishima verabreicht hat, um ihn von seinen schweren Verletzungen zu heilen."
 

"Beide, oder nur eine?"
 

"... Beide... Nehmen wir an..."
 

"Wollen wir es hoffen. Sollte das jemals herauskommen, werden Köpfe rollen."
 

"Ich habe sämtliche Archive auf den Kopf stellen lassen. So etwas wie mit Sarcone wird nie wieder geschehen."
 

"Zumindest eines hat uns diese Sache gezeigt: Wir brauchen wirklich Spezialisten für weitere Situationen dieser Art."
 

"Sir?"
 

"Der Rat hat deinem Antrag zugestimmt", erklärte der Minister. "Du darfst ein neues Team um Reno aufbauen, dass sich in Zukunft um die delikateren Angelegenheiten unseres Arbeitsbereichs kümmern soll. Schließlich wurden Zivilisten mit in die Sache hineingezogen. Das ist ein untragbarer Zustand!"
 

"Diese Zivilisten sind meine Freunde, Sir. Ich vertraue ihnen. Außerdem haben sie nur die Spitze des Eisberges gesehen."
 

"Ich glaube dir, aber trotzdem soll es nicht mehr vorkommen. Verstanden?"
 

"Ja, Sir."
 

"Gut, du kannst gehen."
 

Ohne sich seine Erleichterung anmerken zu lassen, wandte sich Reeve zum Gehen.
 

"Halt! Eines noch", rief ihm der Minister hinterher. "Dieses neue Team. Nenne es nach Möglichkeit nicht 'Turks'. Wir wollen schließlich kein falsches Bild vermitteln."
 

"Das hatte ich nicht vor, Sir."
 

* * *
 

"Dass sich diese Spinner überhaupt trauen, für so etwas Geld zu nehmen", schimpfte Cid laut, als er die Tür zu seinem Haus unsanft öffnete.
 

Cloud folgte ihm schweigend ins Innere. Der nächste kommerzielle Flughafen lag nicht gerade in der Nähe von Rocket-Town. Zwei Stunden lang Busfahren war für Cid, der es gewohnt war, vor seiner Haustür zu landen, eine neue Erfahrung gewesen - eine, auf die er gerne verzichtet hätte. Das hatte auch jeder ihrer Mitreisenden deutlich zu hören bekommen. Das Rauchverbot mochte auch damit zu tun gehabt haben.
 

"Willst du da draußen Wurzeln schlagen?", pfiff er Raika an und winkte sie ins Haus. Das Mädchen folgte der Aufforderung im Schneckentempo, aber Cid ignorierte die erneute Provokation zur Ausnahme mal. "Shera! Ich bin zu Hause."
 

"Das war nicht zu überhören", ertönte Sheras Stimme aus dem hinteren Teil des Hauses.
 

"Sag bloß, diese Shera gibt's wirklich", meinte Raika leise zu Cloud.
 

"Was hattest du denn gedacht?"
 

"Dass ich an einen perversen, alten Sklavenhändler verkauft wurde."
 

Bevor er darauf etwas erwidern konnte, betrat Shera das Zimmer.
 

"Willkommen zu..." Ihre freudige Begrüßung blieb ihr sichtbar im Hals stecken, als sie Cids Verletzung bemerkte. "Was hast du denn angestellt?!"
 

"Das ist eine längere Geschichte, erzähl' ich nachher. Shera, die kleine Irre hier ist unser Gast. Kleine Irre, Shera. Benimm' dich gefälligst ihr gegenüber."
 

"Mein Name ist Raika, nicht 'Kleine Irre'!"
 

"Hallo, Raika", begrüßte Shera das Mädchen und meinte dann mit Blick auf die Armschlinge: "Lass mich raten. Das ist auch eine längere Geschichte?"
 

Ohne langes Zögern deutete Raika anklagend auf Cid. "Er hat mir die Schulter gebrochen, mein Bike in die Luft gesprengt und mich dann auch noch versklavt!"
 

Shera warf Cid einen viel sagenden Blick zu, den Cloud so noch nicht von ihr kannte, bevor sie sich mit einem verschwörerischen Lächeln wieder an Raika wandte. "Ich sehe, du hast Cid bereits von seiner besten Seite kennen gelernt."
 

"Ich hab ihr das Leben gerettet!", protestierte der Pilot vergebens. "Außerdem hat sie meine Tiny Bronco..."
 

Ohne auf Cids Einwand zu achten, nahm Shera das Mädchen an der Hand und führte es davon. "Komm mit, Raika. Wir haben hier hinten noch ein Zimmer frei. Ist das alles was du dabei hast?"
 

"Ja. Meine Granaten hat er mir nämlich auch weggenommen...", war das letzte, was Cloud von den beiden hörte, bevor sie den Raum verließen. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als Cid verzweifelt den Kopf hängen ließ und die Augen mit seiner Hand bedeckte.
 

"Warum zur Hölle hab ich mir das nur angetan?"
 

"Weil du guter Kerl bist und es das richtige war."
 

"Pah! Das werd' ich erst noch sehen. Ich hab jetzt schon das Gefühl, ich altere doppelt so schnell wie zuvor." Schneller als Cloud es einem Einarmigen zugetraut hatte, hatte Cid sich eine Zigarette angesteckt. Er nahm zwei schnelle Züge, die ihn sichtbar entspannten. "Willst du was zu trinken?"
 

"Danke, aber ich sollte nach Cesku sehen..."
 

Cid winkte ab. "Bitte! Dein dämlicher Vogel hat's so lange ohne dich ausgehalten, ein paar Minuten mehr machen da auch nichts mehr aus."
 

"Nein, das nicht, aber ich sollte mich dann langsam auf den Weg machen."
 

"Hast du sie noch alle? Es wird dunkel, bevor du die Berge überhaupt erreicht hast. Und da oben ist doch mittlerweile sicher alles zugeschneit." Cid klopfte ihm fest auf die Schulter. "Du bleibst die Nacht über hier, mein Freund. Wir hatten noch nicht mal die Gelegenheit, unseren großen Sieg zu feiern. Dein Bergkaff kann auch bis morgen auf dich warten."
 

Cloud hatte dem nicht viel entgegenzusetzen. Tifas letzte Worte hatten zwar ein schlechtes Gewissen bei ihm ausgelöst, aber das war nichts, was sich nicht auch noch um einen Tag verschieben ließe.
 

"Also gut, Cid. Du hast mich überzeugt."
 

* * *
 

"Das soll es nun gewesen sein? Die glücklichen Sieger kehren nach Hause zurück?"
 

"Was stört dich daran so sehr?", fragte Aeris, von seinem schroffen Tonfall überrascht.
 

"Du hast meine Zeit verschwendet!", fuhr Sephiroth sie an. "Du hast mir weisgemacht, unser aller Zukunft stünde auf dem Spiel, aber stattdessen hast du mich nur benutzt, deinen Freunden dabei zu helfen, Vincent zu befreien. Jenova hatte nichts mit dieser Sache zu tun."
 

"Du musst ihre Präsenz doch auch gespürt haben", entgegnete sie ihm defensiv, aber ruhig.
 

"Ja, das habe ich. Und? Mishima trug ihre Zellen wohl in sich. Dennoch war er immer noch der gleiche alte Narr."
 

"Du denkst also, er ist tot?"
 

"Es schert mich nicht. Das nächste Mal, wenn du deinem geliebten Cloud beistehen willst, tu es gefälligst alleine."
 

Mit diesen Worten verschwand er in den Tiefen des Lebensstroms und ließ sie alleine zurück. Aeris warf einen letzten sehnsüchtigen Blick auf Cloud, dann schloss sie das Fenster zur Welt der Lebenden. Sie war froh, dass es ein gutes Ende genommen hatte. Auch wenn sie es nicht als Zeitverschwendung ansah, so hoffte sie, Sephiroth würde Recht behalten und sie hätte die Sache für größer befunden, als sie es gewesen war. Aber das düstere Gefühl, das sie vor einiger Zeit verspürt hatte, jenes kalte Grausen, das sich wie ein Krebsgeschwür durch ihren Geist fraß, war immer noch da.
 

Es fühlte sich nicht wie eine Einbildung an.
 

---------- Ende Kapitel 20 ----------
 

Anmerkungen des Autors:
 

Nein, das war immer noch nicht das Ende. Ein bisschen was kommt noch. Also schnell weiterlesen!
 

Einen Kommentar, wie's euch gefallen hat, dürft ihr aber trotzdem gerne hinterlassen ^^
 

Nguyen Tran Loc, 20. Juni 2009



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  -Lesca-
2009-08-08T20:09:16+00:00 08.08.2009 22:09
Na? Habe ich vielleicht recht und da kommt noch was mit Mishima?
Aeris Worte lassen ja darauf schließen, also mal schauen.
Schade das das mit Tifa und Elena doch nicht geklappt hat. Zumindestens bisher noch nicht ...
Mal schauen was gleich noch kommt!
lg
Lesca
Von:  Leylis
2009-08-08T19:47:49+00:00 08.08.2009 21:47
Wurde dummerweise unterbrochen, hab jetzt aber doch gleich weitergelesen und hänge an jedem Satz.
Allerdings werd' ich so langsam hibbelig. Ich vermisse irgendwie das eigentliche Finale... So wie schon durch Aeris angedeutet: Eigentlich ist ja alles schön und gut, aber das kanns doch noch nicht gewesen sein... oder?
Dementsprechend: Mal ein schönes ruhiges Kapitel zum Durchatmen... bin gespannt, was jetzt noch kommt.
Bis gleich! ^^

Leylis


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