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Wer suchet, der findet.

Ob der Fund zur Suche passt ist eine andere Sache
von

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Schuld und Bestie.

Gerrit Bergers Stimme ist kühl und nüchtern, als er mir von dem Anruf des Irren erzählt. Fassungslos lehne ich mich an die Wand. Dieser Irre hat sich jetzt Charlene ausgesucht? Bei den Göttern. Was ein Scheiß. Sie ist nicht ohne Grund Pathologin geworden. Mit den Toten kommt sie besser klar, als mit den Lebenden. Auch wenn sie es gut zu verbergen weiß.

Zum Zeitpunkt des Anrufes war er gerade abwesend, wie er seinen Toilettenbesuch umschreibt.

Kaum wieder im Leichenkeller hat er unsere Pathologin auf dem Stuhl sitzen sehen. Bleich wie der Tod selbst, meine Nummer schon in ihrem Mobilfon eingetippt, aber zu keiner Äußerung fähig. „Sie hat es mir in die Hand gedrückt.“ berichtet er und erläutert weiter. „Glücklicherweise ist Charlene ein kluges Köpfchen und hat den genauen Wortlaut sofort auf Band gesprochen.“ Mein Partner spielt es ab und was ich zu hören kriege ist dem Wortlaut nach eindeutig der Stil des Schlitzers, aber mit Charlenes sanfter und melodischer Stimme… Hört sich extrem an. Viel hatte dieser Scheißkerl diesmal nicht zu sagen. Scheint, als wollte er sich vorstellen und – ganz nebenbei – über unsere Pathologin und ihre Arbeit lustig machen.

Mittendrin höre ich das ‚I was made for loving you, Baby…‘ im Hintergrund. Der Klingelton meines Partners. Er geht dran, murmelt undeutlich und meldet sich danach über Charlenes Telefon. Seine Stimme ist nicht mehr kühl und nüchtern. Sie ist eiskalt. „Er hat wieder zugeschlagen. Gar nicht so weit weg vom Lipinski-Tatort. Im Hinterhof eines Clubs.“ Berger gibt mir die Adresse und ich versichere ihm, in maximal fünfzehn Minuten bin ich da. Und ich brächte noch jemanden mit.

„Okay…“ meint Berger. „Fester Magen ist aber Voraussetzung.“

Ist es eine Anspielung auf meine Kotzattacke gegen sein Jackett? Ich weiß es nicht und halte mich dahingehend geschlossen, verabschiede mich und schlüpfe in meine Jacke. „Julian. Ein neues Opfer.“ erkläre ich und füge hinzu. „Du begleitest mich bitte und siehst es dir an.“ Kaum habe ich meine Bitte ausgesprochen – und Julian seine Zustimmung gegeben – macht sein Mobilfon mit dem Rock-Song auf sich aufmerksam.
 

()Das etwas nicht stimmt erkennt Julian bereits an der Mimik Aarons. Erst erfreut lehnt sein Schatz an der Wand und zeigt sich dann bestürzt.

Aaron lauscht hauptsächlich, sagt wenig. Was er schließlich, sagt lässt Julian Schlüsse ziehen. Nur Sekunden später bestätigen sich diese Schlüsse. Eine neue Leiche, die er sich ebenfalls ansehen soll.

Unbehaglich schluckt er und stimmt wortlos zu. Genau in diesem Moment meldet sich sein Mobilfon. In dem entgegengenommenen Gespräch wird ihm befohlen, worum sein Schatz ihn bittet und Julian schlüpft in seine Slipper, streift sich seine eigene Jacke über und gemeinsam verlassen sie den Loft.
 

Auf dem Weg zum Wagen seines Schatzes grübelt Julian und reimt sich das eine und andere zusammen. Aaron schweigt nämlich. Selbst ganz in Gedanken.

„Dieser…“ Es kostet Julian unglaublich viel Überwindung, den Irren so zu nennen. „Dieser… Mensch ruft dich also nicht mehr an.“

Erst am Auto angekommen schüttelt Aaron den Kopf, kramt in seiner Jackentasche nach seinem Schlüssel und saugt die Luft ein. Ein scharfes zischendes Geräusch entsteht. „War ihm wohl zu still.“ murmelt er. „Hätte mehr auf ihn eingehen sollen. Dann würde er Charlene in Ruhe lassen.“

Seine Schritte beschleunigt überholt Julian seinen Schatz und baut sich vor ihm auf. Die Arme vor der Brust verschränkt sucht er den Blick in Aarons Augen. „Jetzt mal ehrlich! Gibst du etwa dir die Schuld?“ verlangt er zu wissen. „Nein, Schatz!“ gibt er sofort die passende Antwort und schüttelt dazu den Kopf. „Oh nein! Der Typ hat entschieden. Nicht du!“ Eine Hand auf Aarons Schulter wird Julians Stimme eindringlicher. „Wer kann schon sagen, ob der das nicht sowieso vorhatte! So einer… Das ist kein Mensch mehr! Und du…“ Sein Ton wird ruhiger. „Und du bist nicht für diese… Bestie verantwortlich!“ Die Hand von der Schulter, legt er diese an die Wange seines Schatzes. „Niemals und nie und nimmer bist du für eine solche Bestie verantwortlich.“ Julian nimmt die Hand herunter, verschränkt neuerlich die Arme vor der Brust und sieht seinem Schatz weiterhin in die Augen. „Du weißt das! Du solltest es zumindest wissen!“()
 

„Ich weiß das.“ nuschele ich, gehe an Julian vorbei und schließe mein Auto auf, bitte ihn einzusteigen und rutsche hinter das Lenkrad. Wir fahren Richtung Tatort. Keiner von uns wagt eine Äußerung über das, was uns erwarten könnte.

Natürlich weiß ich das. Im Kopf. Fühlen tue ich was ganz anderes. Nämlich eben jene Schuld, die mir mein Schatz auszureden versucht. Charlene – meiner lieben und guten Charlene habe ich – und allein ich – diesen Irren auf den Hals gehetzt!

„Wird dein Kollege vor Ort sein?“ erkundigt sich Julian irgendwann. „Und die Forensik?“

„Ja.“ erwidere ich einsilbig und erweitere es. „Vermutlich.“

„Dann…“ meint er weiter und stockt, grübelt und zieht dabei eine Schnute… Niedlichkeit hoch X und in den letzten paar Minuten das einzige, was mich von allzu trüben Gedanken ablenkt. „Dann haben wir uns zufällig beim Einkaufen getroffen.“

„Ich bin nicht gut im Lügen.“ gebe ich zu, werde gleich darauf von Julian angestupst und er gluckst. „Ich auch nicht!“ gesteht er. „Nicht mal diese kleinen Notlügen kriege ich richtig hin! Diese ‚Ja. Das Kleid steht dir wirklich klasse.‘ oder ‚Nein! Natürlich bist du nicht zu dick!‘ Oder ‚Toll! Das habe ich mir schon immer gewünscht.‘ Ausreden. Das ist ab und an ein echtes Elend.“

„Wem musstest du denn sagen: ‚Ja. Das Kleid steht dir wirklich klasse.‘ oder ‚Nein! Natürlich bist du nicht zu dick!‘? Nur so aus Interesse…“

„Mutter und Schwester.“ erwidert er und sein Ton ist nicht gerade der liebevolle Ton, mit dem man von seiner Familie spricht. Mein Schatz sieht sogar ziemlich wütend aus. „Und meinen Vater sagte ich: ‚Toll! Das habe ich mir schon immer gewünscht.‘ Egal, wie gelogen, aber… Ich sollte ihn ja nicht enttäuschen. Reichte doch schon, dass ich…“ Julian schweigt abrupt, senkt den Kopf und starrt auf seine Hände. „Dass ich…“ setzt er neuerlich an, bricht wieder ab und bleibt endgültig stumm.

Eine Hand auf seinen Oberschenkel gelegt lächele ich kurz zu ihm herüber. Zum Trost. Zur Aufmunterung. Weil ich ihn – Ihr wisst es ja schon! – liebe. Den Blick zurück auf die Fahrbahn und wieder beide Hände am Lenkrad hadere ich mit mir. Fragen? Oder nicht fragen? Bin Bulle. Also frage ich. „Mit wem hast du eben telefoniert?“ Sachlich, aber bestimmt erkundige ich mich danach, obwohl es mir eiskalt den Rücken herunterläuft, an sein Gelächter denkend. „Dieses Lachen, Schatz. Das klang so gar nicht nach dir.“

Diesmal ist es Julian, der die Luft mit einem scharfen Zischen einzieht. „Das Telefonat… Das war privat.“ erwidert er. Dabei klingt er bekümmert und schaut stur auf seine Hände – die Finger sind ineinander verkrampft.

Ein Vorwurf, dass ich es mitgehört habe, bleibt aus. „Verzeih. Wollte nicht lauschen.“ sage ich trotzdem und ergänze es mit einem „Echt nicht.“ Kurz zu meinem Schatz herübergeschielt – keine Reaktion von ihm – wechsele ich das Thema und schlage bewusst einen zwanglosen Plauderton an. „Bist du eigentlich gut darin?“ erkundige ich mich. „Im Renovieren von Wohnungen, meine ich.“

Das gewechselte Thema und der zwanglose Plauderton zeigen Wirkung und mein Schatz sieht auf. Auch ein Lächeln huscht über seine Lippen und er räuspert sich. „Ja.“ Julian räuspert sich ein weiteres Mal. „Ich bin da gut drin.“ Er guckt mich an, muss nur gerade mit meinem Profil vorlieb nehmen. „Der Loft war billig, aber in einem desolaten Zustand“ erzählt er und wiegt den Kopf. „Da musste viel dran gemacht werden.“

„Hast du alles allein gemacht? Wirklich? So… Ganz allein?“

Mein Schatz nickt, nicht ohne Stolz.

„Finde ich klasse.“ meine ich. „Und deine Arbeit kann sich sehen lassen.“ Für ein paar Sekunden hebe ich beide Daumen – wenn auch ich dafür das Lenkrad loslasse.

Hey! Wer meckert denn da? Das waren höchsten drei Sekunden auf schnurgerader Strecke! Und ich fahre achtsam! Ich gebe unsere Leben damit noch lange nicht in die Verantwortung höherer Mächte und habe meine Hände längst wieder da, wo sie sein sollten. Ja. Auf dem Lenkrad und nicht auf Julian. Also wirklich! Ihr alle habt schmutzige Gedanken!

Obwohl… Ich hätte meine Hände jetzt schon gerne…

Bei den Göttern! Meyers! Konzentration! Zurück zum Gespräch!

„Bei mir müsste ich auch mal wieder ein paar Räume aufhübschen…“ erkläre ich beiläufig. „Ein Anstrich im Bad und neue Tapeten im Wohnzimmer.“ Nachdenklichkeit vorgeschoben behalte ich den Plauderton bei. „Schatz…“ fange ich harmlos an. „Leihst du mir dafür deinen braunen Overall?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Witch23
2012-12-01T00:30:54+00:00 01.12.2012 01:30
Keiner von und wagt eine Äußerung über das, was uns erwarten könnte. uns?

uh das ist mal ein ende eines Gespräches. Das was jetzt kommen wird ist dann schon interessant.


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