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Wer suchet, der findet.

Ob der Fund zur Suche passt ist eine andere Sache
von

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Gerüchteküche

Auf der Fahrt zum Kensington-Asylum schwatzen mein Partner und ich miteinander. Berger spricht gern über seinen Sohn, direkt gefolgt von seinen Eroberungen, die hauptsächlich aus Frauen aus Chefetagen und den Damen der Höheren Gesellschaft zu bestehen scheinen.

Wenn nur die Hälfte davon wahr ist… Bei den Göttern! Ich sollte Charlene Vorwarnen mit was für einem Hallodri sie es zu tun bekommt.

Mein Sexualleben ist dagegen ziemlich unspektakulär. Das vor Bobby geht euch nichts an. Und nach Bobby kam lange Zeit nichts und dann Julian, dem ich treu zu bleiben gedenke. Missversteht mich da nicht. Ich bin treu. In keiner meiner Beziehungen war ich der fremdgehende Part. Darüber hinaus… Meine Homosexualität hat meinen Partner nicht zu interessieren, darum schweige ich mich bei dem Thema aus. Berger knufft mir ohnehin ständig in die Seite und ist durchweg überzeugt, ich hatte was mit der gesamten weiblichen Belegschaft des Reviers. Eine Ausnahme macht er nur bei Captain Brace, verpasst mir nach kurzer Denkpause einen neuerlichen Knuff und schlägt einen verschwörerischen Tonfall an: „So unter uns. Mir kannst du es sagen. Hattest du doch mal was mit Brace?“

„So unter uns. Mir kannst du es sagen. Hattest du doch mal was mit Gertrudes?“ kontere ich.

Die Antwort meines Partners ist ein schwer zu deutendes Grinsen und ich bin mir nicht sicher, ob ich es wirklich wissen will.
 

„Home, sweet Home.“ sinniert meine Partner, als wir den Parkplatz der Klinik befahren. „Oh Mann! Da kommen Erinnerungen hoch.“ Die er allerdings für sich behält.

Ausgestiegen betrachte ich den großen weißen und ultra-modernen Bau. Einzig die Gitter an den Fenstern und die hohe Mauer drum herum erinnern daran, das hier ist eine Klinik für psychisch Kranke und Gewaltverbrecher. Wer es nicht kennt, könnte das Kensington leicht für ein Hotel halten.
 

Der Eingangsbereich gleicht dem eines Flughafens. Eine Sicherheitsschleuse nach der andern. Wir müssen uns ausweisen, unsere Marken zeigen, die Waffen abgeben und Metalldetektoren passieren.

Bei meinem Partner schlägt es jedes Mal an.

Schadenfroh grinsend tippt er sich an den Kopf, als die Kollegen vom Sicherheitsdienst mit den Handscannern nach dem Grund suchen. „Alte Bullen-Wunde.“ meint er. „Metallplatte im Schädel.“

„Ja…“ frotzle ich. „Wusste doch, du hast mal einen zu viel über die Rübe bekommen.“

Sein Grinsend wird weit schadenfroher. „Den anderen hättest du mal sehen sollen. Der saugt sein Hühnchen noch ein paar Jahre durch den Trinkhalm.“

„Toll. Und ich bin der Schläger-Bulle!“ seufze ich übertrieben, was mein Partner bloß mit einem Augenbrauen-Wackeln kommentiert.

„Detectives.“ spricht uns ein Pfleger an. Nicht größer als ich, aber um einiges breiter – seine Stimme jedoch klingt nach der eines kleines Mädchens. „Doktor Maddern erwartet Sie. Bitte seien Sie so gut und folgen mir.“

Berger und ich sehen uns an, den Pfleger und wieder uns. Ein Gelächter können wir uns so gerade eben verbeißen, müssen aber beide husten und röcheln.

Der Pfleger mustert uns abwechselnd und zunehmend feindselig. „Haben die Herren von der Polizei ein Problem? Etwa mit… mir?“

„Ach was! Die trockene Luft hier!“ erklärt Berger und wird nicht einmal rot dabei. „Das sind wir nicht gewohnt. Da kriegen wir immer einen Reizhusten…“

Ich nicke wortlos. Lügen ist nicht meine Stärke.
 

Der Pfleger mit der Fistelstimme führt uns durch einen langen Flur, an dessen Wände Bilder von Patientinnen und Patienten hängen. An einer Reihe von grauen und sichtlich unbequemen Plastikstühlen angekommen bittet er uns Platz zu nehmen und zu warten und versichert uns, Doktor Maddern wäre gleich bei uns. Danach verschwindet er mit schnellen Schritten.

Zum Sitzen habe ich keine Lust, gehe den Flur auf und ab und sehe mir dabei die Gemälde an. Manche sind schön anzusehen, manche erschreckend.

Eines aus der letztgenannten Sparte betrachte ich mir genauer. Schwarzer Untergrund. Ein Mann in einem weißen Mantel und rot umrandet sticht hervor. Er hat einen nackten kleinen Jungen im festen Griff und will ihm – so wie es aussieht – den Kopf abbeißen.

„Wally…“ liest mein Partner die Signatur und tippt auf die Zahl, die dahinter steht. „Elf…“ Er holt tief Luft. „Der Typ im Kittel ist sicherlich Egon Krill. Hat sich als Kinderarzt getarnt, praktizierte unter anderem in Obdachlosenheimen. Ist so an kleine Jungen herangekommen. Brauchte ihnen nur zu drohen, sie würden vollends auf der Straße sitzen und sie schwiegen und haben sich vergewaltigen lassen. Dreiundzwanzig bekannte Opfer. Die Dunkelziffer liegt garantiert höher. Ich schätze zweihundert. Keiner von den Jungs, die sich gemeldet haben war älter als zwölf. Der jüngste gerade mal so alt wie Tyler.“ Berger hebt die Hand und streicht über die Farben. „Krill ist ein widerlicher Typ. Hab ihn verhaftet. Ganz nach Vorschrift. Wegen eines kleinen Fehlers sollte er nicht wieder auf freien Fuß kommen. Und er schwärmt mir die ganze Zeit von seinen ‚Praktiken‘ vor. In den Knast kam er nicht. Eine Gutachterin sah Krill als vermindert schuldfähig. Der Richter folgte dem Gutachten. Krill wurde hier – im Kensington – zu stationären Aufenthalt verurteilt. Zur Therapie. Zwar für siebzehn Jahre und acht Monate, aber… Mann! Der lebt hier wie in einem Luxus-Hotel! Im Knast hätten die ihn schon abgemurkst.“

„Lass mich raten, wer die Gutachterin war.“ Ich atme tief ein. „Diese… Unperson von Artus.“

„Ja… Die da!“ Nickend tippt Berger auf den gemalten Jungen. „Nach den Opfern fragt keiner. Die da am allerwenigsten und die da schert sich ein Dreck darum, ob auch diese Jungs eine Therapie kriegen. Diese Jungs kriegen keine, weil sie sich das nicht leisten können… Nicht mal staatlich unterstützt.“ Mit einer raschen Handbewegung wischt er sich über die Augen. „Seit ich Vater bin, gehen mir Typen wie Krill richtig an die Nieren.“

In den krassen Farben des Bildes versunken spreche ich meine Gedanken laut aus. „Ich habe einen kleinen Bruder. Als unsere Eltern starben war ich zwölf und er sieben. Seit dem Tag gebe ich auf Lars Acht und beschütze ihn.“ Der Mann im Kittel nimmt mein komplettes Blickfeld ein „Wir wussten nicht wohin, kamen irgendwann in United Compass an. Vorerst haben wir in einem Obdachlosenheim gelebt. Und da gab es auch Typen wie Krill. Wer von denen sich an Lars heranmachen wollte…“ Von dem Gemälde abgewandt blicke ich auf Berger, ohne ihn wirklich anzusehen und grinse geistesabwesend. „Ich habe diesen Typen die Hände und Arme gebrochen. Und die Nasen. Ein paar auch den Kiefer.“ Mit einem Seufzer verliert sich mein Grinsen. „Warum ich das tat hat keinen interessiert. Letztendlich mussten nicht diese Typen das Heim verlassen, sondern wir.“

„Und?“ erkundigt sich mein Partner. „Wo seid ihr geblieben? Lars und du?“

„Mal hier, mal da…“ weiche ich aus und kehre ihm den Rücken. Weitere Fragen will ich mir nicht stellen lassen. Noch weniger will ich weitere Fragen beantworten.
 

Ich nehme es als glückliche Fügung, Doktor Roberta Maddern kommt in diesem Augenblick auf uns zu. Zugegeben. Zum ersten Mal sehe ich Bobby als Frau. Als richtige Frau. Ihr rotes Haar ist lang geworden und liegt in weichen Wellen auf ihren Rücken. Die Lider sind geschminkt, die Wimpern getuscht. Eine rahmenlose Brille betont ihre blauen Augen. Und für diese Taille hat sich Bobby garantiert die untersten Rippen wegoperieren lassen.

Die obersten Knöpfe ihrer Bluse trägt sie geöffnet und ich vermag kaum glauben, was ich hinter dem Ausschnitt erspähe. Bobster hat tatsächlich…

„Na!“ flüstert mir Berger tadelnd zu. „Du starrst ihr auf die Brüste…“ Zusätzlich stupst er mich unsanft. „Vergiss es, Partner. Diese heiße Braut ist verheiratet!“

„Äh…?“

„Keine verheirateten Weiber!“ teilt er mit mir seine Lebensweisheit. „Egal wie heiß! Bringt nur Ärger!“

„Ah ja…“

Die Hand ausgestreckt lächelt sie meinen Partner an. „Gerrit. Hallo! Wie geht es Ihnen?“

Mir fällt auf, ihre Stimme ist höher. Das bedeutet eine Operation an den Stimmbändern.

„Gut, Doc. Wirklich gut!“ Berger ergreift Bobbys Hand und schüttelt sie, über das ganze Gesicht strahlend. „Dank Ihrer Pflege und Fürsorge und Dank meines neuen Partners.“ Ihre Hand losgelassen schiebt er mich vor. „Und das ist er. Mein neuer Partner. Aaron Meyers.“ Er klopft mir auf die Schulter und lacht. „Lassen Sie sich nicht von seiner Jugend täuschen. Er ist schon Detective!“
 

Mein Lächeln ist gequält und nur zaghaft hebe ich die Hand. Meine Homosexualität halte ich geheim. Damit verbunden mein wahres Liebesleben. Bobby war mal ein Teil davon. In mancher Hinsicht freue ich mich, sie wiederzusehen. Andererseits geht keinem an, wir waren mal zusammen, weil ich schwul bin. Ich hoffe sehr, Bobby sieht das genauso…

Ihrem Blick nach tut sie es. „Wir kennen uns bereits. Ist ewig her. Aber wir waren beim ‚du‘.“ Sie schüttelt meine Hand. Nicht innig oder erinnerungsselig. Herzlich zwar, dennoch geschäftsmäßig kurz. „Detective, hm? Zu unserer letzten Begegnung warst du Streifen-Officer in Uniform.“

„Vieles ändert sich mit der Zeit.“ gebe ich zurück, bin erleichtert und werde allmählich lockerer. „Du siehst gut aus, Bobby. Die Haarlänge steht dir.“

Sie spielt mit einer Strähne ihres Haares und lächelt wieder. „Gerald, mein Mann, sagt das auch.“ Ein Wimpernaufschlag, den ich von Bobby gar nicht kenne und so was von weiblich aussieht. „Du erinnerst dich an Gerald? Ihm hast du – Wie viele waren es? – um die neunzig Strafzettel ausgestellt. Oder doch mehr?“

„Einhundert und sieben.“ präzisiere ich. „Und alle gerecht!“ kann ich mit Gewissheit sagen.

„Stimmt!“ Ihr Lächeln wird zu einem amüsierten Lachen. „Damit hast du einen notorischen Falschparker kuriert.“ Da ist wieder dieser so was von weibliche Wimpernaufschlag. „Und ganz nebenbei die Staatskasse bereichert.“

Bobster und ich haben uns einvernehmlich getrennt und danach aus den Augen verloren. Amouröse Gefühle gibt es nicht mehr. Bobby ist mir sympathisch und ich mag sie. Wie eine Freundin. Mehr nicht.

Die alten Zeiten genug aufleben gelassen bittet uns Bobby in ihr Büro.
 

Das Büro verrät viel über Bobbys Einfühlungsvermögen. Ein großer und heller Raum, der mit warmem Licht durchflutet ist. Gemütliche Sitzmöbel laden zum Entspannen und Wohlfühlen ein. Und zum Geheimnisse anvertrauen.

Gleichgültig wie gut Bobby darin ist, anderen ihre geheimsten Geheimnisse zu entlocken – meine eigenen habe ich immer für mich behalten.

Bobby lädt uns ein, Platz zu nehmen. „Captain Brace hat mich vorab informiert.“ beginnt sie und lässt sich auf dem Sessel hinter ihrem Schreibtisch nieder. „Jetzt erzählt mal. Um was genau geht es?“

Berger und ich werden abwechselnd erzählen. Mein Partner beginnt und ich bin überrascht. Sein Bericht über Tatorte, Opfer und Obduktions-Ergebnisse ist kurz, knapp und enthält alle wichtigen Details. Er endet und lehnt sich zurück.

„Du bist ein guter Cop.“ erkenne ich.

Berger lächelt. „War’s lange nicht.“ meint er. „Du bist dran.“

Bobby sagt nichts, hebt die Augenbrauen, als ich die Anrufe des möglichen Täters erwähne. Dazu meine vehemente Weigerung mit ihm zu sprechen.

„Trotz Stimmverzerrer… Kommt dir Stimme irgendwie bekommt vor? Oder die Art, wie er Sätze formuliert? Ein Akzent? Ein Sprachfehler?“ fragt sie. „Hast du eine Ahnung wer es sein könnte?“

„Wäre er dann noch auf freiem Fuß?“ entgegne ich bitter.

„Nein.“ muss sie zugeben. „Wäre er nicht.“ Sie erhebt sich, geht ein paar Schritte und grübelt. „Ich wühle mich mal durch alte Akten und frage ein paar Kolleginnen und Kollegen. Sagt ja keiner, das waren die ersten Morde.“

„Danke, Bobby.“ versichere ich und lächle ihr zu. „Deinem Fachwissen und deiner Erfahrung wegen möchte ich dich im Team. Mit dir haben wir alle zusammen. Aber…“ Weg ist mein Lächeln und ich verberge meinen Unwillen nur schwerlich. „Der Commissioner und die Bürgermeisterin haben uns diese… Unperson Carol Artus vor die Nase gesetzt. Und die da tat bereits ihr Möglichstes, dich aus dem Team raus zu halten.“

Ein ernster Blick seitens Doktor Roberta Maddern. „Leute…“ beginnt sie. „Jeder von euch weiß… Werde ich um Hilfe gebeten, hält mich niemand raus!“

Einträchtiges Nicken von meinem Partner und mir.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Witch23
2012-01-21T23:26:30+00:00 22.01.2012 00:26
Schön das sie zumindest zuverlässige Unterstützung bekommen.

Vielleicht wird ja doch alles gut. Naja so gut alles werden kann mit einem Irren Serienkiller.
Von:  Nami_van_Dark
2011-11-25T17:56:21+00:00 25.11.2011 18:56
die >Frau< ist mir echt sympatisch
was Berger so hab ich mich mittlerweile an ihn gewöhnt und fange an ihn zu mögen^^
freue mich tierisch über das neue Kapi XD

bei den typen mit der piepsstimme hätt ich mich bestimmt auch weggegeiert haha


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