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Competition - My Ass!

written by crazypark & me
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Yarakashi

Kapitel 25
 

Da sind wir wieder. Und danke, danke, danke für die vielen Reaktionen der letzten Woche :D

Wir haben uns tierisch darüber gefreut ^__^

Viel Spaß mit dem Kapitel
 

***
 

Yarakashi
 


 

Jin
 

Die Zeit war rasend schnell vergangen und wir hatten bereits die ersten Konzerte hinter uns gebracht. Soweit war alles gut verlaufen. Wir hatten keine Probleme gehabt, unser Programm durchzuziehen und als eine gewissen Routine drin war, hatten wir auch alle viel Spaß bei unseren Auftritten. Zumindest bis wir in Osaka performten. Es war zu erwarten gewesen, dass nicht alle Fans glücklich über den anfänglichen Mitgliederwechsel und der anschließenden Erweiterung in der Band waren, aber die Art, es auszudrücken, war unter aller Sau. Im Normalfall bekamen wir die Reaktionen der Fans nicht zu spüren, weil Fanbriefe vom Management abgefangen wurden und Geschenke nicht erlaubt waren. Außerdem glaubte ich nicht wirklich an die Votings, sondern höchstens an CD-Verkäufe und dem damit einhergehenden Geldsegen auf meinem Konto. Denn man sollte keiner Statistik glauben, die man nicht selbst gefälscht hatte. Konzerte waren somit der einzige Kontakt, den wir mit den Leuten bekamen, die unsere Musik hörten. Aber ganz offensichtlich ging es einigen nicht darum, sondern ihrem Missfallen vor allem Kame gegenüber Ausdruck zu verleihen. Ich hätte am liebsten geschrien, dass sie sich alle ins Knie ficken konnten, stattdessen sagte ich nur, dass sie zu laut waren. Und das war noch nicht einmal gelogen, da man kaum noch den eigenen Gesang hörte.

Kame tat so, als hätte er die Beleidigungen nicht vernommen, aber mir war klar, dass dem nicht so war. Wie er trotzdem seine übliche Show durchziehen konnte, war mir ein Rätsel. Nur zum Abschluss merkte man, dass es ihm doch an die Nieren ging, da er gleich als Erster von der Bühne ging und nicht wie sonst ein Bad in der Menge nahm und sich feiern ließ.

Nach dem Auftritt waren wir alle geschockt und wussten nicht so recht, was wir davon halten sollten. Aber wir beschlossen, diese einmalige Sache bei ein paar gepflegten Bieren in der Hotelbar wegzuspülen. Das funktionierte auch recht gut und selbst Kame lächelte wieder. Das Problem war nur, dass es keine einmalige Sache blieb. Die nächsten drei Tage traten wir auch noch in Osaka auf und diese gehirnverbrannten Fans hatten offenbar alle zu viel Geld, dass sie zu jeder einzelnen Show kamen und denselben Pfeffer abzogen. Da sie scheinbar der Meinung waren, noch nicht genug Schaden angerichtet zu haben, verstärkten sie ihre Maßnahmen. Dumme Zwischenrufe reichten nicht mehr. Jetzt brachten sie sogar Banner mit, auf denen stand, dass Kame sterben gehen sollte, versperrten anderen Fans die Sicht auf die Bühne und hatten sich irgendwie in der Anzahl verdoppelt, sodass die Sprechchöre noch besser zu hören waren. Ich konnte sogar beobachten, wie sie einmal versuchten, Kame das Shirt auszuziehen. Als ob der Exhibitionist das nicht sowieso zum Ende der Show freiwillig getan hätte. Wenigstens konnte die Security eingreifen und diese Fotz...Frösche von der Veranstaltung verweisen. Leider gab es immer noch welche in den Massen, die man nicht so leicht ausfindig machen konnte.

Während der MC-Einlage des letzten Abends in Osaka sagte Kazuya keinen Ton, obwohl er sonst derjenige war, der am meisten redete. Er versuchte noch nicht einmal, ein Lächeln auf sein Gesicht zu bringen und ich hatte einen Knoten im Magen. Ich konnte den Anblick keine Sekunde länger ertragen und beschloss, diesen Part abzubrechen und weiter zu singen, damit wir die Show möglichst schnell hinter uns brachten. Meine Kollegen warfen Kame besorgte Blicke zu, doch der schien gar nichts mehr wirklich mitzubekommen und sang nur noch mechanisch mit. Seine ganze Energie schien aus ihm herauszufließen und ich wusste nicht, was ich dagegen tun sollte. Der sonst so selbstbewusste Kame wirkte verzweifelt, unsicher und schutzbedürftig. In mir brodelte verdammte Wut den „Fans“ gegenüber, doch ich konnte nichts machen, schließlich wollte die Mehrheit des Publikums etwas Gutes für ihr Geld sehen. Und so zogen wir unser Programm weiter bis zum bitteren Ende durch.

Kame verschwand auch dieses Mal als Erster von der Bühne. Ich folgte ihm in Anschluss und fand ihn mit dem Rücken zum Ausgang zugewandt vor. Seine eingesunkenen Schultern verrieten, wie es wohl um ihn stand. Ich stellte mich vor ihn, um sein Gesicht zu sehen, was unmöglich war, da er den Kopf hängen ließ.

„Kame?“, fragte ich und bewirkte damit, dass er mich mit einem Ausdruck ansah, den ich noch nie an ihm gesehen hatte. Es machte mir eine riesengroße Angst, in seine wässrigen Augen zu sehen.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und mir war klar, dass Worte in so einer Situation eh nicht helfen würden, also nahm ich ihn kurzerhand in den Arm. Das war wohl auch die beste Entscheidung gewesen, da er sich wie ein Ertrinkender an mich klammerte. Allerdings löste er sich sofort wieder von mir, als die anderen den Backstagebereich betraten. Es gehörte ja nicht nur unsere Band zu den Auftritten sondern auch unsere Tänzer und die mussten das Drama nicht noch so mitbekommen.

Wir packten unsere Sachen zusammen, um möglichst schnell ins Hotel zu kommen - zum Glück zum letzten Mal in dieser Stadt. Dort angekommen verspürte keiner von uns Lust, sich noch in die Hotelbar zu setzen und unseren Erfolg zu feiern. Kame verabschiedete sich auch sofort mit dem Hinweis, dass er schlafen gehen wolle.

„Versuch, ihn irgendwie aufzumuntern“, meinte Koki und drückte mir seinen Zimmerschlüssel in die Hand. Normalerweise lösten wir die Zimmeraufteilung per Schere-Stein-Papier und heute hätte sich Koki mit Kame ein Doppelzimmer geteilt, aber er wusste, dass es so besser war und ich war ihm verdammt dankbar dafür.

Auf dem Weg zum Kazuya kamen mir allerdings meine Zweifel, dass ich mein Versprechen Koki gegenüber einlösen können würde. Ich hatte keinen Plan, was ich sagen oder tun sollte, um das Geschehene weniger schlimm zu machen.

Auf leisen Sohlen betrat ich das Zimmer, in dem kein Licht brannte und an dessen Fenster sich durch die Stadtlichter die Silhouette Kames abzeichnete. Vorsichtig drückte ich die Tür ins Schloss und näherte mich meinem Kollegen, der keine Reaktion zeigte. Ich stellte mich neben ihn und betrachtete sein ausdrucksloses Profil, was mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Langsam drehte er sich zu mir und gewährte mir einen kurzen Blick auf seine matten Augen, bevor er seinen Blick wieder senkte. Ich nahm ihn erneut in die Arme, bekam dieses Mal jedoch keine Resonanz. Ihn so still und leblos zu sehen, machte mich halb wahnsinnig. Ich hatte ihn noch nie so erlebt und wusste einfach nicht, damit umzugehen.

„Kann ich irgendetwas für dich tun?“, fragte ich in die erdrückende Stille und erntete ein Schulterzucken.

„Willst du ins Bett?,“ versuchte ich es weiter und bekam diesmal ein Nicken zur Antwort.

Ich löste meine Umarmung und versuchte, in seinem Gesicht irgendeine Regung auszumachen, doch da war nicht viel zu finden.

Nachdem wir noch das Nötigste im Bad erledigt hatten, krochen wir in unsere Betten und mich beschlich der schlechte Gedanke, dass ich Kame kein Stück geholfen hatte. Vorhin im Backstagebereich war es einfacher gewesen, da ich dort wenigstens sicher war, das Richtige zu tun. Nur wusste ich aufgrund der fehlenden Reaktionen nicht, ob ich nicht eine imaginäre Grenze überschritt und ihn noch mehr verletzte.

„Jin?“, wurde ich durch eine brüchige Stimme unterbrochen.

„Ja?“, sagte ich und meine eigene Stimme klang in der Stille unpassend laut.

„Ich möchte nicht allein schlafen.“ Und mehr Stichworte waren nicht nötig. Schnell hatte ich mein Bett an Kames herangezerrt und mich wieder hinein geschmissen, sodass ich sogar ein kleines Lachen erntete. Wenn meine dämliche Art noch vermochte, ihn aufzuheitern, waren mir alle damit einhergehenden Peinlichkeiten es durchaus wert.

„Hi“, flüsterte ich und sah in Augen, die etwas von ihrem alten Glanz zurückgewonnen hatten. Als Antwort bekam ich ein angedeutetes Lächeln und eine angehobene Bettdecke. Dieser Hinweis reichte mir, um mich darunter an seinen kühlen Körper zu legen.

„Ich muss dich aufwärmen“, stellte ich fest und kuschelte mich sogleich näher, um dies in die Tat umzusetzen. Ich zog die Decke fester um uns und ließ meine Hand dann seinen Rücken auf und ab wandern. Allmählich wich auch die Anspannung aus Kame und er schmiegte sich weich gegen mich. Als ich ein kleines Seufzen vernahm, lächelte ich zufrieden. Offenbar war ich doch nicht zu dämlich, ihn wieder aufzumuntern.
 

Kame
 

Der Raum war dunkel. Neben mir ertönten die ruhigen Atemzüge von Jin. Er war vor wenigen Minuten eingeschlafen. Die Hand auf meinen Rücken ruhte nun. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen. Viel zu sehr genoss ich die wohlige Wärme, welche der Ältere ausstrahlte.

Vor gut einer Stunde war ich noch kurz davor gewesen, alles hinzuschmeißen. Ich wollte nicht mehr oder konnte wohl eher. Niemand konnte sich vorstellen, was das für ein Gefühl war, auf die Bühne zu gehen und diese Worte zu lesen oder zu hören. Das erste Mal redete ich es mir noch schön. Es war die erste Tour. Vielleicht hatte ich tatsächlich irgendetwas falsch gemacht. Nun wusste ich, dass der einzige Fehler wohl in meiner bloßen Existenz lag. Sie wollten mich nicht und diesen Umstand hatte ich zu akzeptieren.

Es war ja nicht unbedingt so, dass ich in meiner rosa Welt lebte, in welcher alles ganz wunderprächtig lief, mich alle liebten und nun das böse Erwachen kam. Schon damals, als ich der Band beitrat, wurde ich darauf hingewiesen, dass es Menschen gab, welche mit dieser Entscheidung nicht unbedingt einverstanden waren. Der Großteil der Fans gewöhnte sich schnell an die Änderung und wir waren nie auf wirkliche Ablehnung gestoßen, Skepsis ja, aber niemals auf so etwas Extremes. Ich war darauf nicht vorbereitet gewesen und es traf mich härter, als ich zugeben wollte.

Heute hatte es mich meine gesamte Willensstärke gekostet, nicht einfach von der Bühne zu rennen und mich in einer dunklen Ecke zu verschanzen. Ich wusste nicht, wie ich es schaffen sollte, übermorgen wieder da hinauf zu gehen und einfach weiterzumachen.

Jins Seufzen lenkte mich von meinen düsteren Gedanken ab. Ich schmiegte mich noch etwas näher an ihn. Seine Anwesenheit beruhigte mich immens. Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn tun würde.

Der nächste Morgen brach viel zu schnell herein. Entgegen aller Erwartungen hatte ich tatsächlich gut geschlafen, scheinbar genauso wie mein Kollege. Zumindest schlummerte dieser weiter friedlich neben mir, nachdem ich den Weckruf von der Rezeption entgegen genommen hatte. Ein kurzes Grummeln ertönte, danach war der Ältere wieder ruhig gewesen. In zwei Stunden würde uns ein Van zum Flughafen fahren und anschließend ging es direkt zurück nach Tokio, wo die letzten zwei Konzerte der Tour stattfanden. Allein der Gedanke daran ließ meinen Magen sich schmerzhaft zusammen ziehen. Nur noch zwei Mal auf diese Bühne, dann war es vorbei. Die Frage war, ob das nur für die Shows oder auch für meine Karriere galt. Ich machte mir nichts vor. Jeder war ersetzbar. Das sollte ich am besten wissen. Wenig motiviert wühlte ich mich aus dem Bett und ging schon mal ins Bad, mich fertig machen.

Ich war gerade wieder herausgetreten, als ein leises Klopfen ertönte. Koki grinste mich verschlafen an und murmelte, dass er an seine Sachen müsste. Ich hatte völlig verdrängt, dass ja er mein eigentlicher Zimmergenosse war. Ich nickte nur und ließ ihn eintreten. Sein Blick fiel natürlich auf die zusammengeschobenen Betten und den unter Decken vergrabenen Jin, welcher langsam aber sicher zu sich kam.

Tanaka sagte nichts, aber es war nicht schwer, an seiner Mimik zu erkennen, was er dachte. Ich hatte nur leider gerade andere Probleme, als mich auch noch damit zu beschäftigen. Es war ja nicht nicht einmal etwas gelaufen. Seit Wochen nicht!

„Morgen“, nuschelte es vom Bett aus.

„Moin. Die anderen sind schon beim Frühstück. Kommt einfach, wenn ihr soweit seid.“ Koki nickte mir noch einmal zu, tatschte auf meine Schulter und verschwand dann mit seinen Sachen.

„Alles okay?“ Jin war aufgestanden und stand nun direkt vor mir, während er mich ausführlich musterte.

„Ja, ich brauch nur erst mal einen Kaffee“, wiegelte ich das Thema schnell ab und packte schon mal vorsorglich das Nötigste, während sich Akanishi fertig machte.
 

Ich schloss die Tür hinter mir und atmete tief aus. Ueda hatte sich mit mir ein Taxi geteilt und war nun weiter zu sich gefahren, jedoch erst, nachdem ich ihm fünfmal eindringlich versichert hatte, dass ich okay war und mir nichts antun wollte. Er hatte schon nach dem letzten Konzert mit den Sklaventreibern geredet. Wir beide waren zu einer Privataudienz zitiert worden. Das Gespräch war recht simpel verlaufen. Das Management stimmte zu, die MCs einfach vollständig zu streichen, mehr Security einzusetzen, welche sowohl für unsere Sicherheit als auch für das neu eingeführte Verbot von Bannern zuständig sein sollten. Die Solo-Auftritte würden bleiben. Mehr konnten sie nicht tun. Ich drückte höflich meine Dankbarkeit aus und meinte, es wäre alles in Ordnung. Ich wusste schon nicht mehr, wie häufig ich dies heute gesagt haben musste.

Ich schmiss meine Tasche in die nächste Ecke und schlurfte in die Küche. Der Kühlschrank war natürlich leer bis auf ein paar Dosen Soda und ein Stück Käse. Wie gut, dass sich mein Hunger eh in Grenzen hielt.

Die Vorfälle hatten sich natürlich herumgesprochen. Zuerst rief Pi an, danach noch einige andere Kollegen von JE. Sie machten sich Sorgen, worüber ich mich freuen sollte. Es war nur verdammt anstrengend.

Koki hatte mir angeboten, mit ihm und ein paar Crew-Mitgliedern einen heben zu gehen. Ich lehnte ab, weil ich nur noch in meine Wohnung wollte, um meine Ruhe zu haben. Jetzt, wo ich hier war, wünschte ich mir, ich hätte zugestimmt. Die Stille war erdrückend.

Mit einer Flasche Wein und einem Glas bewaffnet machte ich es mir auf meiner Couch bequem und lehnte meinen Kopf nach hinten, sodass ich mal wieder meine Decke anstarren konnte.

Die Klingel ließ mich aufschrecken. Eigentlich erwartete ich heute niemanden mehr, daher war ich am Überlegen, einfach sitzen zu bleiben und den Störenfried zu ignorieren, aber auf der anderen Seite hatte ich ja nicht unbedingt viel vor. Sich die ganze Zeit mit seinen negativen Gedanken zu beschäftigen, war auch keine erstrebenswerte Ablenkung. So trank ich den letzten Schluck aus meinem Glas und machte mich auf zur Tür.

Mit hochgezogen Augenbrauen schaute ich den Älteren an, welcher mir mit einem unsicheren Lächeln den Pizzakarton überreichte.

„Ich dachte, du könntest vielleicht etwas Gesellschaft gebrauchen“, erläuterte Jin sein plötzliches Auftauchen.

„Komm rein.“ Ich verstaute den Sixer Bier im Kühlschrank, während es sich mein Kollege im Wohnzimmer gemütlich machte.

„Wie war es in der Chefetage?“ Zumindest kam er gleich auf den Punkt. Warum auch Smalltalk führen? Ich seufzte erst einmal und goss mir ein neues Glas ein, nachdem ich Jin auch eines anbot und ihm in die Hand drückte. Ich hatte keine sonderliche Lust, das Thema weiter zu erörtern.

„Wie soll es schon gewesen sein?“, antwortete ich deshalb leise und rückte etwas näher zu dem anderen. Seine Nähe hatte gestern auch geholfen. Warum sollte es heute anders sein? Vielleicht war es egoistisch, aber ich brauchte die Ablenkung. Ich brauchte ihn.

Ich lehnte mich gegen ihn und platzierte meinen Kopf auf seiner Schulter.

„Bleibst du heute Nacht hier?“, wisperte ich leise.

„Ja.“ Wir saßen eine Weile so da. Sein Arm lag locker um meine Hüfte. Ich drehte mein Gesicht so, dass ich zuerst mit meiner Nase über seine Halsbeuge strich, bevor ich hauchzarte Küsse auf die warme Haut platzierte. Ein tiefes Seufzen ertönte und ich konnte nicht anders, sah wieder auf und versiegelte unsere Lippen miteinander. Er erwiderte den langsamen Kuss und schlang seinen Arm enger um meine Taille, während sich meine Finger in seinen Haaren vergruben.

Ich ließ mich sanft nach hinten drücken, sodass wir eine bequemere Position im Liegen finden konnten. Für mich hätte dieser Moment ewig dauern können. Er erfüllte seinen Zweck. Mein Kopf war völlig leer, nicht gänzlich, denn eigentlich schwirrte nur noch Jin darin herum. Leider geht alles schöne immer viel zu schnell zu Ende. Der Ältere löste irgendwann den Kuss und blickte mich mit diesem unglaublichen Ausdruck in den Augen an, bei welchem man(n) gar nicht anders konnte, als spontanen Fickreiz zu bekommen. Keine gute Idee in diesem Moment. Auf einen Mitleidsfick konnte ich gut und gerne verzichten. Denn etwas anderes wäre es in dieser Situation nicht gewesen.

„Ich fürchte, inzwischen ist die Pizza kalt“, nuschelte ich, um ein neutrales Thema anzustimmen

„Dafür auch das Bier.“ Die Antwort war so typisch gewesen, dass ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

„Wenn du von mir runter gehst, kann ich uns welches holen.“

Wir machten es uns anschließend bei einem Bier vor dem Fernseher gemütlich, bevor wir ins Bett gingen und zwar nur zum Schlafen. Ich war ja schon beinahe so etwas wie stolz auf uns beide.
 

Gegen Nachmittag kam ich an der Halle an. Allein, denn mein Kollege war bereits heute morgen noch einmal zu sich gefahren, nachdem ich auch ihm hundert Mal versichert hatte, mir nichts anzutun. Ich fühlte mich scheiße, aber deswegen würde ich doch nicht gleich meine Pulsadern aufschlitzen.

Im Backstagebereich herrschte wie immer ein reges Treiben. Zuerst Maske, dann die Kostümanprobe und dann weiter zur Technik. Zwar war die Band immer nahe zusammen, aber man hatte nur wenig Zeit, auch nur einen ganzen Satz zu wechseln. Ich war als erstes fertig und setzte mich in der Nähe vom Bühnenaufgang auf eine der Boxen. Die Halle schien sich langsam aber sicher zu füllen. Zumindest schloss ich das aus dem steigenden Lärmpegel. Mein Herz wummerte lautstark und ich bekam schweißige Hände, diesmal leider nicht nur durch die Aufregung, welche ich vor jedem Auftritt verspürte. Diesmal war sie gepaart mit einem nicht sehr schönen Gefühl. Ich hatte verdammte Angst.

Jin kam auf mich zu und versuchte mich wahrscheinlich durch sein mattes Grinsen aufzumuntern.

„Bereit?“ Sein Blick war abschätzend. Vielleicht dachte er, dass ich mich in letzter Sekunde noch irgendwo verstecken wurde. Ganz so unrecht hatte er mit dieser Vermutung nicht. Alles in mir schrie nach Flucht. Ich wollte nicht dort hinaus. Um ehrlich zu sein, hatte ich regelrechte Panik davor.

„Nicht wirklich.“ Ich quälte mir ein Lächeln auf die Lippen, was wahrscheinlich nicht sehr überzeugend wirkte. „Ich würde dir so gern irgendwie helfen.“

„Lass mich da draußen einfach nicht allein.“ Er nickte nur und schon war es an der Zeit, sich fertig zu machen. Vielleicht war es heute das vorletzte Mal, dass ich auf dieser Bühne stehen würde. Ich musste aus dieser Sache meine Konsequenzen ziehen und es war den anderen nur fair gegenüber, immerhin litten sie genauso darunter.

Es wurde besser. Die Zahl der pöbelnden Fans hatte entweder abgenommen oder die zusätzliche Security schreckte sie ab. Wir zogen unser Programm soweit ohne große Zwischenfälle durch. Hier und da erfolgten noch ein paar unschöne Rufe, aber die Routine war leicht zu bewältigen. Ich hielt mich im Hintergrund, brachte meine Passagen ohne größere Patzer hinter mich und verschwand wieder nach hinten, sobald ein Teil zu Ende war.

Mein Solopart stand nun als nächstes an. Mir war eiskalt und ich hatte große Mühe, meine Atmung unter Kontrolle zu halten. Bis auf ein paar Backroundtänzer war ich allein auf der Bühne. Der schlimmste Teil der Show seit den letzten Konzerten. Es war auch nicht gerade einfacher, wenn man schon wusste, was auf einen zukam. Ich fragte mich ernsthaft, warum ich da wieder hinaus ging, um es mir erneut anzutun. Noch war alles dunkel, als ich mehr oder weniger motiviert die Bühne betrat. Ich konnte nur die vielen Stimmen der Menge hören. Mir war spontan danach, einfach in Ohnmacht zu fallen. Aber was würde das schon groß nützen? Während ich zu meinem Platz lief, entdeckte ich tatsächlich Jin auf der anderen Seite der Bühne, nahe am Ausgang. Eigentlich müsste er jetzt hinten sein und sich auf seinen Auftritt vorbereiten, aber er war hier, für mich, um sein Versprechen zu halten. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Egal was jetzt kam, ich hatte jemanden, der mich wieder auffing. Das war ein verdammt schönes Gefühl.

Letztlich kam doch alles anders, als ich und vermutlich alle anderen es vermutet hatten. Die Banner waren den Fans ja schon am Eingang abgenommen wurden, daher wusste ich nicht ganz, was ich eigentlich erwartet hatte. Ganz bestimmt nicht das.

Kaum dass die Musik für den Song angestimmt wurde, kreischte die Menge los. Jedoch nicht in negativer Hinsicht. Die Halle verwandelte sich in ein Meer aus kleinen Leuchtstäben in Herzform. Ich war so perplex, dass ich prompt meinen Einsatz verpasste und dazu noch zwei falsche Zeilen sang. Als die letzten Töne erklangen, fiel mir ein regelrechter Felsbrocken vom Herzen. Die Menge versuchte scheinbar die Störenfriede mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, so laut, wie sie schrien. Selbst wenn irgendwelche Hassbekunden kamen, hätte ich sie bei diesem Krach unmöglich hören können. Ich war mehr als erleichtert, dass scheinbar nicht die Masse die selbe Meinung vertrat, aber diese Aktion rührte mich dann doch fast zu Tränen, welche ich irgendwie versuchte, herunterzuschlucken. Ich bedankte mich bei den Fans, verbeugte mich vor ihnen und machte, dass ich von der Bühne kam, bevor ich wirklich noch anfing zu heulen.

Die restliche Show verlief ruhig. Entweder die anderen in der Masse hatten diesen negativen Fans die Leuchtstäbe über den Schädel gezogen, oder sie hatten es tatsächlich aufgegeben. Ich ermahnte mich selbst, mich nicht zu früh zu freuen, immerhin stand morgen noch ein weiteres Konzert auf dem Programm.

Ich atmete erleichtert auf, als ich im Backstagebereich ankam und mir ein Techniker beim Entkabeln half. Es war ungewohnt zeitig, aber ohne die MCs fiel ein großer Teil weg und ich war sicher nicht böse, nach so einem Auftritt ein wenig eher nach Hause zukommen. Ich war immer noch völlig durcheinander.

Ich verabschiedete mich von den anderen und verschwand zeitnah. Jin bot mir an, mich zu begleiten, aber ich lehnte ab, genau wie eine erneute Einladung von Koki. Ich brauchte heute Abend einfach meine Ruhe.

Leider wurde mir diese nur teilweise gewährt, denn kaum war ich zur Tür rein, klingelte auch schon mein Telefon. Bereits zwei Sekunden, nachdem ich den Anruf entgegen genommen hatte, wünschte ich mir, das verfluchte Ding einfach ignoriert zu haben.

„Kazuya, endlich. Ich versuche, dich seit Tagen zu erwischen.“ Meine Mutter. Welch eine Freude!

„Ich war mit der Band unterwegs“, versuchte ich mein ungeheuerliches Versäumnis zu entschuldigen. Zum Glück hatte ich damals „vergessen“, ihr meine Handynummer zu geben.

„Das ist kein Grund, seine eigene Mutter zu vernachlässigen“, meckerte sie sofort los. Was sollte ich dazu sagen? Widersprechen hatte eh keinen Sinn, also entschuldigte ich mich brav und erkundigte mich, warum sie anrief.

„Ich komme nächste Woche in die Stadt. Ich habe das schon viel zu lange vor mich hergeschoben.“ Oh Gott, ich ahnte fürchterliches.

„Nicht einmal deine Freundin hast du uns vorgestellt. Das müssen wir dringend nachholen.“

„Hä?“ Ich hatte keine Ahnung, wovon diese Frau sprach. Was für eine Freundin? Mit kam spontan Jin in den Kopf, in Kleid und mit Perücke. Ich musste mich schwerlich zusammenreißen, nicht loszukichern.

„Na die nette, junge Frau, welche ich bisher ja nur aus der Zeitung kenne.“ Der Vorwurf in ihrer Stimme war nicht zu überhören und bei mir machte es langsam Klick. Das Screening! Der blöde Artikel danach über die Sumpfkuh und mich. Meine Mutter hatte damals angerufen und ich hatte es irgendwie verpasst, sie darüber aufzuklären, dass das ganze nur eine Show war. Aus Selbstschutz sozusagen, da sie mich sonst monatlich nervte, wann ich mir endlich eine Frau suchen würde. Ja, ich hatte auch verschwitzt, ihr das ein oder andere über mich zu erklären und nun hatte ich den Salat.

„Ähm, ja…also.“

„Dann ist ja alles geklärt. Ich ruf dich noch mal an, wann du mich abholen kannst. Und vielleicht fragst du die anderen Jungs auch gleich.“ Die würden begeistert sein. Alle bis auf Jin kennen und fürchten meine Mutter.

„Mach ich.“ Keine Minute später war das Gespräch beendet und ich offiziell am Arsch. Ich hatte eine Woche Zeit, die Sumpfkuh zu überzeugen, meine Freundin zu werden. Da konnte ich mir auch gleich die Kugel geben. Wenigsten hatte ich heute gleich zwei Gründe, um meinen Weinvorrat kräftig zu dezimieren.
 

TBC

Bis nächste Woche :)

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Astrido
2012-01-13T22:06:48+00:00 13.01.2012 23:06
das kapitel ist schön geschrieben. nur wegen der fans in osaka steh ich grad voll aufm schlauch... weshalb sind die ausgeflippt?
kame tut mir leid.
aber jin hat ihn ja gut unterstützt!
lg
Mayuura
Von:  Sehunnie
2012-01-13T21:42:34+00:00 13.01.2012 22:42
Stimm ich zu, was fällt denen in Osaka ein?! :D
Aber gut, dass er Jemanden wie Jin hat x3
*Die beiden total süß zusammen findet*
Tolles Kappi, da stimme ich sahne-4-live zu.

Von:  Ma_Petite
2012-01-13T10:47:33+00:00 13.01.2012 11:47
Armes Kame o.o
Böse Fans!
Aber Jin ist ja süß *^*
Tolles Kappi wie immer!


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