Zum Inhalt der Seite

Zwischenwelten

-Sidestory X ~ Veleno-
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Beginn: 01.05.2011

Ende: 01.05.2011
 

Kapitel 9
 

Lustlos blätterte ich in einem Werk über angewandte Ethik und konnte nicht anders, als resigniert zu seufzen. Es war doch wirklich erstaunlich, welchen Einfluss eine, angesichts meines Alters, so lächerlich kurze Zeit haben konnte, wie jene, die Noël in meinem Haus verbracht hatte.

Das Gespräch, das wir über einen möglichen Vertrag geführt hatten und das seinen allmählichen Rückzug aus meiner Welt eingeläutet hatte, lag bereits mehrere Wochen zurück.

Die erste Zeit danach, war für mich mit ungewöhnlich viel Gesellschaft verbunden gewesen, da es mich einige Mühe gekostet hatte, die Jäger dazu zu bewegen, ihn sich zumindest einmal anzusehen und sie letztlich soweit zu bringen, dass sie ihn sogar das Training absolvieren ließen. Mit dem Versprechen, dass er, wenn er es erfolgreich meisterte, zunächst probehalber mit ihnen arbeiten durfte.

Von dieser Nacht an, war die ohnehin eher geringe Häufigkeit unserer Treffen dramatisch gesunken. Noël verließ das Haus noch vor Sonnenuntergang und kehrte meist erst im Morgengrauen zurück. Nur selten hatte ich einen Blick auf ihn erhascht, doch das Leuchten in seinen Augen war unverkennbar gewesen. Er hatte, wenn schon nicht seine Bestimmung, so doch zumindest eine Aufgabe gefunden. Er schien zufrieden, wenngleich ich keine Gelegenheit fand, ihn danach zu fragen. Er mied mich nicht, suchte jedoch, genau wie zu der Zeit vor seiner Zusammenarbeit mit den Jägern, auch nicht meine Nähe.

Ich blätterte zurück an den Anfang des Buches und las zum, ich wusste schon nicht mehr wievielten Male, das Inhaltsverzeichnis. Es blieb dabei. Jeder einzelne Beitrag war höchst interessant – und hätte mir im Augenblick kaum gleichgültiger sein können. Selbst der Klang meines geliebten Grammophons zehrte eher an meinen Nerven, als dass er sie beruhigte und für ein wenig eigene Musik fehlte mir die Muße.

Genau wie ich vermutet und gefürchtet hatte, hatte ich mich zu diesem Zeitpunkt bereits zu sehr an seine Anwesenheit gewöhnt. Erstaunlich, wenn man bedachte, wie selten er mir tatsächlich Gesellschaft geleistet hatte.

Doch diese Zeit war vorüber. Seine Besuche waren seltener geworden und seit die Jäger ihn in ihre Gemeinschaft aufgenommen hatten, hatten sie ganz aufgehört.

Ich wartete nicht auf ihn, doch es änderte nichts daran, dass ich allein war. Er lebte jetzt mit den Jägern zusammen und verbrachte nicht nur die Nächte, sondern auch die Tage mit ihnen.

Das war einerseits erfreulich, andererseits bedauerte ich es. Wohl, weil ich im Stillen doch gehofft hatte, dass die Freiheit, die ich ihm gewährte, ihn davon abhalten würde, mich zu verlassen.

Welch törichter Wunsch.

Nachdem seine Verfolger ihm nicht mehr auflauerten, sich, ob nun um zu sterben oder um sich einen neuen Herrn zu suchen, zerstreut hatten, gab es für ihn nur noch einen einzigen Grund hierher zurückzukehren. Für diese seltenen Treffen nahm er sich erstaunlich viel Zeit, doch es änderte nichts daran, dass er lediglich zum trinken hierherkam.

Wir sprachen nicht miteinander, für das, was er wollte, waren Gesten vollkommen ausreichend.

Er trank jetzt rücksichtsvoller, doch hatte ich nicht das Gefühl, dass er es genoss.

Es war nicht auszuschließen, dass er meinen Groll spürte und es deshalb nicht wagte zu sprechen. Vielleicht sorgte er sich auch darum, dass er mich verärgern könnte und ich ihm daraufhin seine Nahrung verweigerte. Das lag mir zwar fern, doch tatsächlich dachte ich mittlerweile über Alternativen nach. Denn auf das, was ich in jenen Momenten, in denen er bei mir war und mein Blut trank, tatsächlich noch fühlte, konnte ich sehr gut verzichten. Es wurde mehr und mehr zur Zeitverschwendung. Nicht, das ich als Unsterblicher nicht genug davon zu meiner Verfügung gehabt hätte, aber das war mir die Sache einfach nicht wert. Und solange er mein Blut bekam, war der Weg, auf dem es geschah, meines Wissens nach vollkommen gleichgültig. Sollte er sich seine Zeit doch mit einer Weinflasche oder einer Blutkonserve vertreiben. Was kümmerte es mich? Weihnachten war eine einzige große Enttäuschung gewesen.

Ich schlug das Buch zu, legte es vor mir auf den Tisch und stand auf.

Die Art wie auch die Richtung, in die sich meine Gedanken entwickelten, sagten mir, dass es Zeit war auf die Jagd zu gehen. Das würde meine Stimmung heben und mich von unnützen Überlegungen befreien. Ich hatte schon viel zu lange zu viel Zeit in diesem Haus verbracht. Ich sehnte mich nach der kühlen Nachtluft, der Dunkelheit, die mich umfing und der sanften Umarmung eines Menschen, die mich meine Einsamkeit vergessen ließ.

Noël würde sobald nicht zurückkommen und selbst wenn, traute ich es ihm durchaus zu, auch in meiner Abwesenheit mein Haus zu betreten. Zurückhaltung war ja nicht unbedingt eine seiner Stärken. Obwohl ich darüber natürlich nicht viel wusste. Überhaupt wusste ich eigentlich nicht viel von ihm.

Während ich meine Stiefel anzog und mir einen Mantel überwarf, musste ich plötzlich an Steels Worte denken. Eine Ratte. Nun, wenn er tatsächlich recht hatte, dann handelte es sich bei Noël zweifellos um ein ganz besonders edles Exemplar dieser Gattung. Denn das Schiff, das er bewohnt hatte, hatte nicht einmal sinken müssen, damit er es verließ.
 

Kapitel 9 - Ende



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2011-08-19T11:05:42+00:00 19.08.2011 13:05
*hust*
Da ist doch wohl nicht jemand einsam?
Hat er keine Freunde, dass er Noel so vermisst? ._.



Zurück