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Zwischenwelten

-Sidestory X ~ Veleno-
von

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Beginn: 24.04.2011

Ende: 25.04.2011
 

Kapitel 7
 

Ich beugte mich gerade über eine Sammlung alter Seekarten, die man mir zu Restaurationszwecken leihweise überlassen hatte, als Noël den Raum betrat. Ich fragte mich nicht zum ersten Mal, wie es Menschen trotz dieser Karten geschafft hatten, ihr Ziel zu erreichen und nicht weniger erstaunte es mich, dass mein sonst so schweigsamer Gast schon zum zweiten Mal in dieser Nacht seinen Weg zu mir fand.

Inmitten des Raumes blieb er stehen und sah mich an. Ich überlegte, ihn zu fragen, was ihn hierher geführt hatte, unterließ es dann aber. Er würde es mir ohnehin mitteilen, sofern es ihm wichtig genug war und er nicht plötzlich feststellte, dass ich doch nicht der richtige Ansprechpartner dafür war.

„Warum tut Ihr das?“

Einen Moment lang war ich versucht, ihn in die Geheimnisse und Faszination der Seefahrt einzuweihen. Allerdings nahm ich nicht an, dass dies Gegenstand seines Interesses war und angesichts des vorausgegangenen Gesprächs, wurde diese Möglichkeit noch einmal um ein Vielfaches unwahrscheinlicher.

„Was meinst du?“, fragte ich, nur um ganz sicher zu sein, und maß mit einem zugegebenermaßen etwas altertümlichen Zirkel den Abstand zwischen zwei Punkten auf der Karte nach. Kein Zweifel. Entweder handelte es sich um eine unsachgemäß angefertigte Kopie oder es war eine Fälschung. Höchst bedauerlich für den Besitzer, der mit einiger Wahrscheinlichkeit ein kleines Vermögen in sie investiert hatte. Aber vielleicht brachte mich dies in die äußerst glückliche Lage, dieses optisch sehr ansprechende Stück behalten zu dürfen.

Sorgsam verwahrte ich die Karten wieder und wandte mich dann einem Buch aus meiner eigenen Sammlung zu. Ich wusste, dass dies meinem Gast gegenüber nicht besonders höflich war, aber ich wollte wenigstens diesen einen Gedanken noch zu Ende bringen, bevor ich mich auf ein weiteres Verhör mit ihm einließ.

„Ihr nehmt mich in Schutz, gebt mir sogar Euer Blut...“

„Ah“, erwiderte ich, um anzuzeigen, das ich nun wusste, wovon er sprach. Es war schön zu hören, dass es ihm nicht völlig entgangen war. Ich machte mir eine Notiz an den Rand des Buches und schlug es zu.

„Seid Ihr in mich verliebt?“

Ich hob den Kopf und sah ihn erstaunt an.

„Wie kommst du darauf?“, fragte ich ihn und anders als erwartet, gab er mir tatsächlich eine Antwort.

„Es wäre eine mögliche Erklärung.“

Mit hochgezogenen Brauen sah ich ihn an und musste mich zwingen, nicht fassungslos den Kopf zu schütteln. Es war, als hätte eine innere Stimme Gestalt angenommen, um meine tiefsten, verborgensten Gedanken auszusprechen. Ich setzte mich und begann erneut in meinem Buch zu lesen.

Ihn lieben? Ihn? Wieso hätte ich das tun sollen? Andererseits gab es eine ganze Reihe von Ereignissen und Verhaltensweisen meinerseits, die die gleiche Frage verdient hätten. Er war mir nicht gleichgültig, soviel stand fest. Aber ihn lieben? Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ich für einen Vampir diese Art von Sympathie hegte, aber... Selbst wenn man einmal davon ausging, dass weder Beziehungen noch die dazugehörigen Partner miteinander vergleichbar waren, hätte es sich nicht irgendwie...gut anfühlen müssen? Ein wenig Schwärmerei, ein wenig Herzklopfen, all jene mehr oder weniger umfassenden Anzeichen einer Verliebtheit. Hatte ich irgendetwas gesagt oder getan, das den Eindruck erweckt hatte, ich würde so fühlen?

Die Fragen kreisten in meinem Kopf und gewaltsam schob ich sie beiseite. Ich wusste keine Antwort darauf, aber war die Tatsache, dass ich ernstlich darüber nachdenken musste, nicht bereits ein sehr eindeutiges Zeichen, dass es nicht so war? Sicher, ich war froh, dass er hier war und ein wenig die Einsamkeit aus den Mauern dieses Hauses vertrieb. Aber ihn lieben?

Ich schüttelte den Kopf und versuchte, mich auf den Bericht des Kolumbus über seine vermeintliche Entdeckung Indiens zu konzentrieren. Faszinierend, wozu Menschen fähig waren, wenn sie nur an etwas glaubten und ehrlich davon überzeugt waren. Ganz offensichtlich war mir diese Form der Entschlossenheit nicht gegeben.

Ich hatte angenommen, dass er sich über meine Reaktion verärgert oder gekränkt zeigen und den Raum verlassen würde. Doch meine sonst so präzisen Voraussagen schienen bei dem jungen Vampir nur selten zuzutreffen und er hatte offenbar nicht vor, meine Quote zu verbessern. Er wartete wohl darauf, dass ich noch etwas sagte und als ich es nicht tat, beschloss er selbst zu handeln.

Ich hörte seine Schritte auf dem marmornen Boden und stellte mit einiger Verwunderung fest, dass sie sich mir näherten. Was sollte das werden? Erst sprach er mit mir in einer Nacht so viel, wie in der gesamten Zeit seines Hierseins nicht und jetzt suchte er sogar meine Nähe? Allmählich hatte ich wirklich das Gefühl, dass mir etwas Wichtiges entgangen war, das mir eine Erklärung für die plötzliche Veränderung im Verhalten meines Gastes hätte geben können. So satt wie er war, konnte es wohl kaum die Anziehungskraft meines Blutes sein, die ihn derart zutraulich werden ließ.

Als er hinter mich trat, nahm das Gefühl der Anspannung zu und als er seine Hand auf meine Schulter legte, zuckte ich so heftig zusammen, dass ich um ein Haar die Seiten des Buches beschädigt hätte.

Rasch griff ich nach seiner Hand, damit er sie nicht zurückzog. Es war das erste Mal, dass er freiwillig zu mir kam und ich wollte nicht, dass er meine Überraschtheit als Ablehnung verstand.

Doch er zog sie nicht zurück und blieb auch sonst vollkommen ruhig. Ich dagegen hatte mich schon weitaus größerer Gelassenheit erfreut, als sie mir in diesem Moment vergönnt war. Sein Verhalten, seine Person, einfach alles an ihm irritierte mich.

„Ihr habt meine Frage nicht beantwortet“, sagte er mit ruhiger, klarer Stimme, deren Nuancen ich auf diese Entfernung perfekt ausmachen konnte.

Er hatte recht, aber er würde, zumindest vorerst, auch keine Antwort darauf erhalten. Weil es auf diese Frage keine Antwort gab – oder treffender: Weil ich auf diese Frage keine Antwort wusste. Ich glaubte nicht, dass ich ihn liebte, doch sobald ich auch nur daran dachte es auszusprechen, begann eine leise innere Stimme unbequeme Fragen zu stellen. Und obwohl ich dies hasste, vermied ich es, aus einem plötzlichen Impuls heraus eine Antwort zu geben, die ich später vielleicht bereute.

„Du langweilst dich sicher“, erwiderte ich lächelnd, jedoch ohne ihn anzusehen, und zog meine Hand zurück. „Steels Gegenwart hat deine Verfolger ein wenig zerstreut. Wenn du also einen Ausflug außerhalb dieser Mauern machen möchtest, wäre jetzt eine gute Gelegenheit.“

Eine Weile geschah nichts, dann spürte ich seine Hand von meiner Schulter gleiten und hörte, wie er sich zurückzog. Das Haus verließ er jedoch nicht.
 

Kapitel 7 - Ende



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2011-08-15T10:13:33+00:00 15.08.2011 12:13
O_O"
Direkt, der Kleine! :D
Und der Arme weis keine Antwort! *lach*
Ich hoffe doch, dass irgendwann ein "Ja" kommt :D


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