Zum Inhalt der Seite

Ikiteru ★ Breaking the rules

Die Regeln brechen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Citrin

Ryouga saß entspannt neben Uruha auf dem Sofa und sah fern. Noch hatte er nichts zu tun. Der Nachmittag bei Nao war zwar wieder schön gewesen, nebenbei auch ziemlich anstrengend, und die Wand im Wohnzimmer war von feinen, braun-schwarzen Linien überzogen, zumindest auf halber Höhe, wie eine Bordüre. Und er hatte Nao gar nicht erst von einem Drachen überzeugen müssen, ein jadegrüner sollte im Schlafzimmer die sonst weiße Wand zieren. Und dann war schon die Zeit davongelaufen, weil Nao noch etwas vorhatte, aber das war Ryouga nur recht. Heute hatte er immerhin seinen ersten Probearbeitstag, in den nächsten zwei Wochen würde er Kazuki zur Arbeit begleiten. Wenn er sich in diesen zwei Wochen bewährte, hätte er immerhin einen Job neben der Schule, in dem er auch nicht schlecht verdiente.

"Uruha, ich zeichne in der Schule seit ein paar Wochen", meinte er plötzlich, in der nur vom Fernseher durchbrochenen Stille, auch wenn er selbst nicht wusste, wie er jetzt darauf kam.

"Im Unterricht solltest du eigentlich etwas anderes machen", tadelte der Blonde ihn scherzhaft. "Warum erzählst du mir das?"

"Ich würde die Motive gern colorieren, aber… Der Tisch ist meine Leinwand und ich brauche deine Genehmigung."

Uruha seufzte. "Unter einer Bedingung: Ich sehe mir die Zeichnungen Montag an, und wenn sie gut sind, darfst du, wenn nicht, dann nicht."

Ryouga nickte lächelnd. Sicher würde der Rektor seine Zeichnungen für gut befinden.

Dann stand er auf, zog sich um und verschwand ins Bad. Für die Arbeit als Barkeeper musste er gut aussehen, und genau das hatte er vor, er musste einen guten Eindruck hinterlassen.

Plötzlich erschien Kazuki neben ihm im Spiegel und begann ebenfalls, sich ein wenig zu stylen. "Du siehst gut aus. Können wir dann gleich los?"

"Klar. Du übrigens auch. Passt das Outfit?"

Der Ältere musterte ihn einen Moment genau und nickte dann. "Sehr gut. Und nicht vergessen, mit den Kunden zu flirten und ein wenig Smalltalk zu betreiben. Die wichtigsten Regeln: Oberflächlich bleiben, niemals die Handynummer herausgeben und auf jeden Fall professionell bleiben. Nächste Woche gebe ich dir die Rezepte der Cocktails, die wir anbieten, bis Freitag kannst du die dann auswendig."

Ryouga nickte langsam. "Und wie viele sind das?"

"Cocktails an sich nur sieben, das schaffst du schon. Hast du noch mehr schwarze Hemden und Jeans?"

"Jeans ja, Hemden nur zwei andere."

"Dann solltest du dir noch ein paar zulegen", riet Kazuki ihm. "Komm jetzt, wir müssen los."
 

Ryouga stellte ein paar gerade abgetrocknete Gläser zurück in das Regal. Diese Bar war an sich wirklich schön, die Sitzecken waren gemütlich und die Kollegen nett. Nur der Chef war ein absoluter Kotzbrocken.

"Alles klar, Ryou?", fragte Kazuki ihn.

"Ist der Boss immer so oder hat der heute nur schlechte Laune?"

"Der ist fast immer so. Kisaki ist der Teufel persönlich, aber er ist bekannt in der Stadt, wer in seinem Club arbeitet, wird eher von anderen Clubbesitzern angeheuert als Personal aus irgendwelchen anderen Clubs. Und außerdem bezahlt er gut."

"Wenn ich ehrlich bin, habe ich jetzt schon nicht das Bedürfnis, mich mit ihm anzulegen."

Aufmunternd klopfte der Ältere ihm auf die Schulter. "Wir sehen ihn meistens nur zwei Mal täglich, und dass sehr kurz: Zu Beginn und zu Feierabend. Das wird schon."

Seufzend wischte Ryouga den Tresen ab und lehnte sich dann leicht dagegen. Draußen hörte man schon die ersten Gäste reden, während sie auf Einlass warteten. In ein paar Minuten würde es losgehen. Ryougas Herz schlug nervös gegen seine Brust. Ja, er war aufgeregt, immerhin könnte dieser Abend sein weiteres Leben entscheidend beeinflussen. Einen Moment hielt er die Luft an, als die Türen sich öffneten.
 

Punkt acht Uhr. Nao klopfte an die Wohnungstür Jins und nur einen Augenblick später öffnete sich diese.

"Manabu, komm jetzt, wir wollen los!", rief der Kleinere in die Wohnung, während er das Treppenhaus betrat und sein Portemonnaie und Handy in den Taschen seiner Jeans verstaute. "Schön, dich zu sehen, Nao." Kurz umarmte der andere ihn, sah danach aber wieder genervt seufzend in den Flur seiner Wohnung. "Junge, jetzt mach schon!"

"Ja, ja, ich bin ja schon da." Schnell stopfte der Schwarzhaarige seine Wertsachen und den Schlüsselbund in seine Hosentaschen.

"Nao, das ist Manabu. Umgekehrt kommt fast das Gleiche heraus, also auf jetzt, wir müssen Byou noch abholen."

Grinsend lief Nao neben Jin nach unten, nachdem er dessen Freund kurz begrüßt hatte.

"Jin, du glaubst doch nicht wirklich, dass Byou pünktlich fertig ist, oder?" Fragend sah er den Jüngeren an.

"Nein, besonders nicht wenn Yuuto bei ihm ist. Entweder lagen sie wieder viel zu lange im Bett oder sie streiten sich seit Stunden. Byou ist so oder so nicht fertig."

"Yuuto? Der Lover, von dem Byou erzählt hat, der seit letzter Woche bei ihm wohnt?"

"Ganz genau", mischte Manabu sich ein. "Und ein guter Freund von mir."

"Kommt er auch mit?"

"Nein, er muss um halb zehn selbst arbeiten. Er ist… Tänzer."

Nao nickte, horchte aber auf. Manabus Zögern machte ihn schon misstrauisch. Was hatte Byou sich da wieder für einen Freund ausgesucht? 'Tänzer' ließ schon mal nicht darauf schließen, dass es - mal wieder - ein Stricher war. Wobei man bei Byou ja fast schon damit rechnen musste. Also, was konnte sein Neuer denn dann beruflich machen? Das lag ja auch überhaupt nicht auf der Hand. "Mit Tänzer meinst du Stripper, oder?"

Manabu lachte. "Ja. Ahnt man das?"

"Bei Byous Lieblingen definitiv. Der hat schon Pornosternchen angeschleppt."

Alle drei lachten und liefen weiter, unterhielten sich auf dem Weg zu Byous Heim über dies und das. Manabu war, wie Nao fand, ein angenehmer Zeitgenosse. Er hatte zwar einen etwas eigenartigen, sexistischen Humor, aber schlimmer als Byou war er auf gar keinen Fall.

Und genau vor dessen Haus standen sie nun. Und ein Kissen flog durch das Fenster. Mit hochgezogener Augenbraue sah Nao zu Jin und schüttelte zweifelnd den Kopf. "Ist das hier immer so?"

Jin nickte nur und ging zielstrebig zur Haustür, wo er auf den Klingelknopf drückte, seine beiden Begleiter neben sich stehend. Sekunden später flog die Tür auf.

Byou kümmerte sich gar nicht um seinen Besuch sondern lief wieder in das Haus. Jin zuckte nur mit den Schultern und betrat den Hausflur. Nao folgte zögernd, wobei Manabu ihn eher schubste. Das einzige, was man von Byou sah, war aufgebrachtes durch die Gegend laufen.

"Yuuto, wo ist mein Haarspray?", rief der Hellblonde aufgebracht.

"Woher soll ich wissen, wo dein Haarspray ist?!" Angesäuert stapfte ein Braunhaariger die Treppe hinunter.

"Du räumst hier doch immer alles weg!"

"Ja, weil du deine Sachen immer so im Weg herumliegen lässt, dass alle anderen darüber stolpern!"

"Also, wo ist jetzt mein Haarspray?"

"Keine Ahnung!" Der Brünette - Yuuto offenbar - seufzte genervt und rieb sich über die Schläfen. "Vorschlag: Nimm meins, das steht im Bad auf dem Schrank, ich suche noch weiter. Wenn hier wieder Ruhe eingekehrt ist, findet sich das bestimmt wieder an. Aber vorher holst du das Kissen noch rein!"

Ergeben nickte Byou und lief schnell in den Vorgarten, damit er sich danach endlich fertigmachen konnte. Yuuto strich sich durch die Haare und lehnte sich an die Wand. "Tut mir leid, dass ihr das mitbekommen habt." Entschuldigend lächelte er die Besucher an, nachdem Byou das Kissen in das Wohnzimmer geschmissen hatte und die Treppe hinauf verschwunden war.

"Schon gut, Yuu." Aufmunternd klopfte Manabu ihm auf die Schulter. "Weißt du wirklich nicht, wo sein Haarspray ist?"

"Doch, aber eine kleine Lektion in Sachen Ordnung tut ihm ganz gut."

Jin nickte eifrig. Die Wohngemeinschaft, die er früher mit Byou gehabt hatte, war im Chaos versunken. So schnell, wie der Blonde alles zu gemüllt hatte, hatte er gar nicht mehr hinterher räumen können.

"So schlimm war er schon immer", bemerkte Nao lächelnd.

"Habe ich von Jin auch schon gehört. Du musst Nao sein. Ich bin Yuuto, freut mich." Spontan umarmte Yuuto ihn.

"Gleichfalls." Lächelnd schob er den anderen ein Stück von sich. Zu viel Nähe völlig unbekannter Menschen empfand er zwar nicht als katastrophal, aber doch war es ihm unangenehm.

"Schön, dass ihr euch versteht, aber wir können los." Byou küsste Yuuto kurz, als dieser Nao losgelassen hatte.

Nao wusste nicht genau, warum, aber diese kleine, zärtliche Geste versetzte ihm einen Stich. Wie gern hätte er einen Freund, der ihn so verabschiedete. Im Idealfall vielleicht sogar Ryouga.

"Los jetzt, Nao." Kurzerhand packte Jin ihn am Arm und zog ihn aus der Tür.
 

Unsicher sah Nao sich um. Der Club war schön, farblich gehalten in schwarz und rot. Die Gäste waren aus so ziemlich allen Altersgruppen, von gerade mal 16 Jahren bis hoch zu über 50 Jahren. Die Lichter tanzten durch den Raum, künstlicher Nebel war teilweise noch nicht ganz verflogen. Hinter der Bar standen drei junge Männer und waren ziemlich beschäftigt, zumindest sah es so aus. Und einer von ihnen schien sich vor willigen, neugierigen Mädchen kaum noch retten zu können.

Plötzlich wurde Nao an die Hand genommen und von Jin zielstrebig hinter Manabu her zur Bar gezogen, wo er einfach nur auf einem Hocker platziert wurde.

"Kazuki!", schrie der Jüngste unter ihnen über die Musik hinweg, so dass einer der Barkeeper aufblickte und sie anlächelte, nachdem er Manabu entdeckt hatte. Kurz tauschte er mit seinem schwarzhaarigen Kollegen die Plätze, konnte so direkt vor ihnen weiterarbeiten.

"Manabu, schön dich zu sehen." Unbeirrt mixte er weiterhin Cocktails und zog dabei eine kleine Show ab. Nach und nach wurde die Schlange immer kürzer, nur einer der Barkeeper schien seinen Fanclub nicht vollständig loswerden zu können.

"Wartet mal kurz, unser Neuling braucht Hilfe."

Kurzerhand schnappte Kazuki sich seinen Kollegen. Gemeinsam ordneten sie die Gruppe. Nao erhaschte einen Blick auf das offenbare Objekt der Begierde - und fiel aus allen Wolken. Dann war natürlich klar, weshalb so eine Hysterie herrschte. Wer konnte besser beurteilen als er selbst, welche Wirkung Ryouga auf seine Mitmenschen hatte, und das allein in Schuluniform. Heute Abend war er aber perfekt gestylt, sein Outfit war komplett schwarz, ein schlichtes Hemd, das nicht ganz zugeknöpft war, und eine einfache Jeans, dazu etwas Silberschmuck. Seine Haare waren nicht aufwendig, aber sorgfältig gestylt, das leichte Make-Up betonte seine Gesichtszüge etwas. Und er trug seine Piercings, wie eigentlich immer. Selbst in der Schule trug er sie, trotz Verbot.

"Nao, alles in Ordnung?", fragte Jin ihn und folgte seinem Blick.

"Alles super." Beruhigend lächelte er Jin an. Auch wenn Ryougas Anwesenheit den Plan ziemlich durcheinander brachte und der Schüler schon fast verboten gut aussah.

"So, ich denke, die beiden packen das allein." Kazuki lehnte sich über den Tresen. "Was darf ich euch geben? Zur Feier des Tages geht eine Runde aufs Haus."

"Hm… Ich nehme einen Caipirinha. Jin?"

"Sex on the Beach."

Manabu pfiff leise. "Schätzchen, du gehst aber ran. Nao?"

"Tequila Sunrise."

"Byou?"

"Auch Caipirinha."

"Klar, ist in Arbeit." Kazuki grinste und suchte sich die Flaschen zusammen, während Manabu die beiden anderen Barkeeper einen Moment betrachtete. "Kazu, wer ist der Neue? Ray kenne ich, aber den anderen habe ich hier noch nie gesehen."

"Ryouga hat heute erst seine zwei Wochen Probezeit angefangen, er geht noch zur Schule und macht das hier nur als Nebenjob. Im Moment wohnt er auch bei mir und meinem Freund. Er hält sich tapfer, dafür, dass er am Wochenende hier gleich im Hochbetrieb anfängt."

Leicht nippte Nao an seinem Getränk, nachdem sie angestoßen hatten, und beobachtete seinen Schüler weiterhin. Er sah einfach umwerfend aus, und das schienen auch die vier Mädchen zu finden, die versuchten, seine Aufmerksamkeit zu ergattern. Ein teuflisches Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als Ryouga sie zurechtwies.

"Nao." Jin tippte ihm auf die Schulter. "Ist das der Ryouga, der ich denke?"

"Mein Schüler? Der Grund für meine momentane, emotionale Instabilität? Ja, genau der." Nao lachte leise.

"Wow. Heiß", bemerkte Jin anerkennend, wurde aber gleich ernst. "Wenn du hier weg willst, musst du es mir nur sagen. Wie diese Miststücke sich an ihn heranschmeißen." Der Kleinere rümpfte angewidert die Nase.

"Mädchen sind halt manchmal so. Aber ich bin mal gespannt, was das wird, wenn die Eifersüchteleien untereinander beginnen. Das wird sehenswert."

Jin lachte auf. "Auf jeden Fall. Hast du eine Kamera mit?"

"Handy mit Videofunktion. Reicht völlig."

Der Kleinere grinste und legte sein Kinn auf Naos Schulter. "Lange müssen wir nicht mehr auf die kleine Showeinlage warten, die Weiber versuchen ja jetzt schon, sich gegenseitig mit Blicken umzubringen."

Nao nickte nur. Wie gern würde er jetzt dieser blondierten Schlampe, die sich an Ryouga heranmachte, die Augen auskratzen. Gut, das wäre ein bisschen auffällig, aber das Blondchen schien nicht aufgeben zu wollen. Finster starrte er ihren Rücken an.

"Nicht eifersüchtig werden, Nao", meinte Jin dicht an seinem Ohr und piekste ihm in die Rippen. "Als ob die dir das Wasser reichen könnte. Zumindest nicht, wenn er ein Fünkchen bi ist."

"Ist er nicht." Nao grinste. "Laut seinem besten Freund schwankt er eher in Richtung schwul."

"Na also. Warum dann dieser abgrundtiefe Hass der Barbie gegenüber?"

Nao zuckte mit den Schultern. "Ich glaube, die Show beginnt."

Und er hatte recht. Kurz darauf kippte eine der anderen der Barbie 'versehentlich' ein Glas Cola über das pinke T-Shirt. Diese nahm ihr Glas und entleerte es über dem Kopf der 'Angreiferin'. Wütend schubsten die sich durch die Gegend, die anderen beiden wurden auch in den eskalierten Streit mit eingebunden. Und keiner der Umstehenden schien eingreifen zu wollen, bis letztendlich die beiden Securities hinzukamen und die hysterischen Mädchen an die frische Luft beförderten. Nao musste lachen, als er daran dachte, dass keines dieser Mädels Ryougas Handynummer ergattert hatte. Tja, er hatte sie in seinem Handy eingespeichert. Und Schadenfreude war halt immer noch die schönste Freude.

Jin grinste amüsiert. So ein kleiner Zickenkrieg war doch eine ganz nette Abwechslung, auch wenn die Angestellten hier das wohl nicht so sahen. Ryouga wirkte er genervt, als er die Theke abwischte.

"Kazuki, gibst du noch eine Runde aus oder muss ich?", fragte Byou nach einer Weile frech grinsend.

"Mach du mal, der Chef wird sauer, wenn ich zu viel spendiere. Noch mal dasselbe?"

"Klar."

Nao grinste vor sich hin. Wahrscheinlich war es nur Schadenfreude, aber dieses Gefühl ließ eine wohlige Wärme durch seinen Körper fließen. Vorerst war der Abend gerettet.

"So, Jungs, noch einmal anstoßen. Auf uns, auf Spaß, auf den Kater, den wir morgen haben werden und den Rausch, den wir heute Nacht noch erleben werden. Und", Byou senkte seine Stimme, so dass nur ihr kleiner Kreis es hören konnte," auf Nao, der hoffentlich auch bald in eine glückliche Beziehung rutscht. Cheers!"

"Cheers!"

Nao seufzte und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Objekt der Begierde zu - und sah etwas, dass seine Laune schlagartig wieder umschwenken ließ. Jetzt machte sich keine dämliche Tusse an Ryouga ran, nein, das wäre ja noch erträglich gewesen. Dieses Mal war es so ein komischer Checker in Lederjacke, trotz der unangenehmen Hitze.

Nao starrte diesen Möchtegern-Aufreißer mit einem weniger geübten, aber guten Todesblick an. Warum zum Teufel hatten es offenbar alle auf Ryouga abgesehen? Warum musste der auch heute im Dienstoutfit so verdammt heiß aussehen? Genervt schnaubte Nao und versuchte, Ryougas neuesten Verehrer mit Blicken zu töten.

Wobei er sich fragte, ob es nicht irgendwie dämlich war, eifersüchtig wegen einem 13 Jahre jüngeren Schüler zu sein, mit dem er nichts hatte.

Oh, verdammt. Zähneknirschend wandte er den Blick seinem Glas zu und versuchte, sich darauf zu konzentrieren. Egal, wie sehr er es versuchte, länger als maximal 60 Sekunden am Stück konnte er den Blick aber nicht von dem Jüngeren lassen. Und nach ein paar Minuten wirkte dieser von seinem Verehrer schon leicht genervt.
 

"Ich glaube, ich muss meinen neuen Kollegen einmal kurz retten", bemerkte Kazuki lächelnd und gesellte sich zu Ryouga. "Vertrau mir", meinte er gerade laut genug, damit Ryouga ihn verstehen konnte.

Der legte nur den Kopf schief, nickte dann aber. Schlimmer konnte diese Situation eh nicht werden, er wurde seit Dienstbeginn von hysterischen pubertierenden Mädchen, komischen Tussen und irgendwelchen Möchtegern-Checkern angegraben. Nicht, dass es ihm nicht schmeichelte und sein ohnehin schon gut ausgeprägtes Selbstbewusstsein noch stärkte, aber unter diesen ganzen… Wesen war noch nicht einmal etwas Nettes fürs Bett dabei. Die Situation war zum Heulen.

Plötzlich spürte er Kazukis Lippen auf seinen, landete so wieder in der Realität. So kurz und flüchtig diese Berührung auch war, umso wirksamer war sie.

"Honey, holst du mir eine Kiste Bier und eine der Mischkisten aus dem Lager? Ich bin zu schwach dafür", säuselte der Ältere für Ryougas nerviges Anhängsel hörbar.

Der größere Barkeeper nickte grinsend und ging dann ins Lager.
 

Nao bemühte sich, Kazuki nicht zu sehr mit Blicken töten zu wollen. Das war einfach nur seelische Folter. Musste er heute Abend wirklich durch die Hölle gehen?

"Nao, lass das Glas leben! Weil Kazuki deinen Angebeteten geküsst hat, musst du das unschuldige Glas nicht umbringen! Das kann nämlich wirklich nichts dafür." Jin versuchte, das arme Glas aus Naos festem Griff zu befreien.

"Kazuki, ich dachte, du hast einen Freund", bemerkte Manabu verwundert, als der Barkeeper sich wieder zu ihnen gesellt hatte, dabei Naos Todesblick gar nicht zu bemerken schien.

"Habe ich auch, und ich bin mit Uruha mehr als zufrieden, aber irgendwie musste ich das Kindchen ja befreien."

Mit dieser Begründung verflog Naos Wut urplötzlich wieder. Auf einmal war Kazuki ihm wieder sehr sympathisch. Diese verfluchten Stimmungsschwankungen…

"Kazu, deine Kisten." Seufzend stellte Ryouga die beiden wirklich schwer aussehenden Kisten hinter dem Tresen ab.

Nao konnte nicht anders, als anerkennend zu pfeifen. "Nicht schlecht", meinte er grinsend und beobachtete die Reaktion des Schülers.
 

Ryouga sah etwas erschrocken auf, als er diese vertraute Stimme hörte. Nao war hier. Warum war Nao hier? Spielte das überhaupt eine Rolle? Ein leichtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht. "Gelernt ist gelernt, nicht wahr, Nao?"

"Absolut." Wie selbstverständlich lächelte Nao zurück. Sein Herz schlug ungewohnt schnell. Wie gut, dass er sich zum Weggehen ebenfalls herausgeputzt hatte.

"Ihr kennt euch?" Fragend sah Kazuki zwischen ihnen hin und her.

Ryouga lachte. "Ja, sieht so aus, oder? Du kannst ja Uruha fragen, wenn du mehr wissen willst. Oder ich erklär's dir, wenn wir wieder zuhause sind."

Kazuki nickte besänftigt, wandte sich dann wieder an Manabu, während Ryouga seine Aufmerksamkeit wieder Nao schenkte und diesen kurz musterte. Das Styling war, so weit er das beurteilen konnte, relativ schlicht, das weiße Shirt ließ den schlanken Körper gut zur Geltung kommen, der schwarze Schriftzug und der etwas weitere Ausschnitt betonten die blasse Haut. Um den Hals trug er eine einfache, dünne Silberkette mit einem kleinen Kreuzanhänger.

Kurz beugte Ryouga sich über den Tresen und hob den Anhänger etwas an, wobei seine Finger zart die nackte, seidige Haut da unter streiften. Er bemerkte, wie der Ältere etwas die Luft einsog.

"Bist du Christ?", fragte Ryouga nur für Nao hörbar und strich über das feine Schmuckstück.

"Nein, bin ich nicht, aber ich finde dieses Kreuz sehr schön." Forschend betrachtete er den Jüngeren.

"Das ist es wirklich." Ruhig zog Ryouga seine Hand zurück und stützte sich auf dem Tresen ab, sah seinem Lehrer fest in die Augen. "Es passt wirklich gut zu dir."

Nao lächelte ihn sanft an. War das gerade so etwas wie ein Kompliment gewesen? Was sollte er darauf denn jetzt antworten? "Zu dir würde es auch gut passen, wobei… Es würde zu brav wirken."

"So böse bin ich nicht."

Nao seufzte leise. Die Wärme im Blick des Größeren löste in ihm eine Hitzewelle aus, die sich von seiner Brust aus in seinen ganzen Körper ausbreitete. "Das habe ich auch nicht gemeint, aber was mir andere erzählt haben, auch Reno, passt nicht zu dem, was ich von dir sehe."

"Was sagen denn die anderen?" Neugierig lehnte Ryouga sich weiter über den Tresen. Jetzt wollte er es schon von Nao hören.

"Aggressiv und ziemlich leicht reizbar, vorlaut und ungehorsam, und ziemlich sexbesessen und gefühlskalt." Nao räusperte sich. Hatte er jetzt eigentlich gerade ernsthaft zugegeben, dass er sich über seinen Schüler erkundigt hatte? Ja, genau das hatte er getan. Dann konnte er auch gleich mit den Zusatzinfos von Reno herausrücken. "Aber wenn es um deine Freunde geht, sollst du zuverlässig wie kaum ein anderer sein. Und das Verhältnis zu deinem Vater soll schon lange ein Problem sein."

Ryouga nickte immer noch lächelnd. "Den letzten Teil hast du von Reno. Aber was siehst du von mir, was den anderen Punkten widerspricht?"

"Aggressiv warst du in meiner Gegenwart noch nie, selbst Taka gegenüber bist du eher gelassen geblieben. Auch als du so miese Laune hattest, hast du mich nicht angegriffen. Leicht reizbar… Na ja, du kannst bestimmt ziemlich austicken und dann auch zuschlagen, aber ich denke, nicht grundlos."

Ryouga grinste. "Ich denke, dass geht auch noch zu dem Punkt zum Thema Sex."

"Vorlaut vielleicht ein bisschen, aber nicht so schlimm wie alle sagen", fuhr Nao unbeirrt fort. "Ungehorsam bei mir überhaupt nicht, wir diskutieren zwar manchmal, aber im Unterricht tust du, was ich sage. Sexbesessen…", er senkte seine Stimme, "wir haben in einem Bett geschlafen und ich war mit den Nerven so weit runter, dass ich dich sicherlich nicht von irgendetwas abgehalten hätte. In meiner Wohnung waren wir beide halbnackt, aber du hast mich nur geärgert, nicht versucht, mich zu verführen. Unter sexbesessen verstehe ich ein kleines bisschen etwas anderes. Und gefühlskalt… Das ist situationsabhängig, aber mir gegenüber hast du diese völlige Gleichgültigkeit noch nie gezeigt. Du hast dich vorgestern um mich gekümmert, mir zugehört und mir auch in der Nacht einfach nur Halt gegeben. Heute Morgen warst du wieder für mich da und hast ehrlich besorgt gewirkt. Wirklich gefühlskalt bist du nicht." Nao sah ihm fest in die Augen.

"Du kannst Menschen gut einschätzen", lobte Ryouga mehr oder weniger und lächelte den Lehrer geheimnisvoll an. "Zu dem 'Sexbesessen' wollte ich noch etwas sagen. Ich habe gern Sex, ja, auch mit verschiedenen Partnern, aber… In der Situation habe ich gar nicht daran gedacht, etwas mit dir anzufangen. In manchen Momenten ist so etwas einfach unpassend."

Nachdenklich nickte Nao. Wenigstens war der Jüngere so weit ordentlich erzogen. Wahrscheinlich hätte er es ihm auch spätestens am nächsten Morgen übel genommen.

"Und? Hast du irgendwelche Pläne fürs Wochenende?"
 

Drei Uhr morgens. Nach und nach war die Menschenmasse übersichtlicher geworden, die letzten Gäste machten sich langsam auch auf den Weg. In einer halben Stunde war nun einmal Ladenschluss angesagt, und daran konnte man nichts ändern.

Nao seufzte leise. Wahrscheinlich sollten sie auch bald gehen. Jin und - viel schlimmer - Byou waren schon ziemlich betrunken. Zum Glück hatte Ryougas Anwesenheit ihn davon abgehalten, sich ebenfalls die Kante zu geben. "Ryouga, hilfst du mir morgen eigentlich wieder?"

"Klar." Angesprochener lächelte ihn fast schon sanft an, wusch aber weiterhin Gläser ab und gab sie an seinen schwarzhaarigen Kollegen, Ray, der diese dann abtrocknete und wegstellte. "Wenn du nicht zu verkatert bist und ausgeschlafen hast, kannst du mir ja eine SMS schicken."

"Kein Problem." Vorsichtig erhob Nao sich vom Hocker. Er hatte sich zwar nicht abgeschossen, aber trotzdem nicht gerade wenig getrunken und wusste nicht, wie er auf allzu plötzliche Bewegungen reagierte. Einen Augenblick sah er etwas verschwommen, kam aber sonst ganz gut zurecht.

"Kazu, Ray, ich geh gleich mal eine rauchen." Ryouga fragte seine Kollegen gar nicht erst, er informierte sie lediglich. Der Hauptbetrieb war auch vorbei, also konnte er sich eine Auszeit gönnen. Außerdem wollte er sich noch in aller Ruhe und ohne Bar zwischen ihnen von Nao verabschieden. Und dafür sorgen, dass dieser zum Hotel gebracht wurde und nicht allein - schutzlos - mitten in der Nacht durch die Gegend lief.
 

"Manabu, wollen wir los?", fragte Nao und zog nach dem Nicken des Schwarzhaarigen Byou von seinem Barhocker. Gequält stützte der Blonde sich auf ihn und riss ihn so fast um. Manabu zahlte noch schnell, hob Jin dann einfach hoch und trug ihn zum Ausgang. Nao folgte nur langsam. Byou war größer als er, und definitiv nicht gerade leicht, und er hatte dessen Gewicht komplett zu tragen. Erleichtert keuchte Nao auf, als die Hälfte der Last von ihm genommen wurde. Auf der anderen Seite stützte Ryouga Byou und lief zielstrebig auf die große Ausgangstür zu. Draußen blieben sie stehen und sahen gerade noch, wie Manabu sein Handy wieder in die Tasche steckte. "Ich habe zwei Taxis gerufen", meinte er und packte seinen deutlich schwankenden Freund, der umzufallen drohte und irgendetwas von einem pinken Einhorn und einer blauen Kuh vor sich hin murmelte.

Ryouga zog seine Zigaretten aus der Tasche und steckte sich eine an, passte aber sorgfältig auf, dass nicht wieder das ganze Gewicht Byous auf Nao fiel.

Es dauerte nur zwei Minuten, bis die beiden Taxis vor ihnen hielten.

Manabu bugsierte Jin auf die Rückbank des einen, winkte Nao kurz zu und setzte sich auf den Beifahrersitz.

Nao legte Byou auf der Rückbank des zweiten Taxis ab und gab dem Fahrer konkrete Anweisungen. Danach fuhr auch dieses davon. Erschöpft fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht.

"Und wie kommst du jetzt ins Hotel?"

Lächelnd drehte Nao sich zu dem Größeren um. "Ich kann laufen, oder ich nehme eine Bahn." Ein leichte Windstoß ließ ihn frösteln.

"Das wirst du nicht", widersprach Ryouga entschieden. Kurz entschlossen nahm er den Kleineren in den Arm, versuchte ihn so zu wärmen.

"Aber ich habe nicht mehr genug Geld. Außerdem ist Laufen gesund und gut für die Figur."

"Und um diese Zeit gefährlich. Ich gebe dir Geld für ein Taxi, du kannst es mir ja morgen zurückzahlen."

"Ryouga, das…"

"Jetzt hör auf, mir zu widersprechen!" Das unheilvolle Blitzen in Ryougas Augen ließ ihn ergeben nicken und nach unten sehen. Frierend drückte er sich an den Größeren, während dieser ihm ein Taxi rief und ihm mit der anderen Hand leicht über den Rücken rieb. "Nao, tust du mir einen Gefallen?", fragte der Schüler plötzlich.

Müde nickte er. Er konnte und wollte nicht richtig antworten, jetzt, wo die Müdigkeit da war, und wieso sollte er auch?

"Schlaf dich aus. Wenn es dir morgen nicht gut geht, ruhe dich aus. Schick mir einfach eine Nachricht. In Ordnung? Du hast heute nämlich nicht wenig getrunken."

Wieder nickte Nao. Natürlich wusste er, dass er eigentlich eine ganze Menge getrunken hatte, auch wenn er diese in Gläsern nicht mehr festlegen konnte. Er war zwar nicht betrunken, aber doch ziemlich angeheitert. Er wollte sich gar nicht vorstellen, welche Ausmaße das Saufgelage angenommen hätte, wäre Ryouga nicht dagewesen.

"Dein Taxi ist da", bemerkte der andere viel zu schnell und ließ ihn los, gab ihm das Geld für die Fahrt. Spontan hauchte Ryouga ihm einen Kuss auf die Lippen, lächelte ihm noch einmal zu und ging dann wieder in den Club.

Nao realisierte das noch gar nicht, stieg in das wartende Auto, gab dem Fahrer die Adresse des Hotels und schloss dann die Augen. Dieses widerliche Schwindelgefühl sollte weggehen. Er wollte dieses andere, wärmere, berauschende Gefühl endlich genießen. Er wollte endlich wieder alles augenblicklich wahrnehmen. Und an das Gefühl erinnert werden, welches ihn jedes Mal in Ryougas Armen in Besitz nahm.
 

_________________________________________________________________________________
 

Ein laaaanges Kapitel.

Und ihr hattet recht mit eurer Vermutung. (Okay, das war auch offensichtlich.)
 

Was soll ich großartig sagen? Ryouga schleppt Nao nicht ab, und auch nicht umgekehrt. Nur hat Nao noch gar nicht begriffen, dass Ryouga ihn geküsst hat. Was das wohl wird, wenn das zu seinem Verstand durchdringt...
 

Das nächste Kapitel kommt in genau zwei Wochen. Wegen dieser Regelmäßigkeit gibt es auch keine Benachrichtigungen mehr. Wenn ich denn wegen Urlaub einmal nicht pünktlich hochladen kann, kündige ich das an, aber das wird vielleicht erst nächstes Jahr passieren.
 

Ich bin Samstag bei Dir en grey in Bochum. Sollte irgendwer das Bedürfnis haben, mich zu treffen, kann man mich ruhig fragen. ;)
 

Bis zum nächsten Kapitel!
 

Hikari



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  klene-Nachtelfe
2011-08-22T17:16:10+00:00 22.08.2011 19:16
Wie süüüüüß!!!
Total genial...vorallem wie eifersüchtig Nao wird!!!
Kawai!!! xD
Hihi einfach toll!!!
Ich freu mich schon sehr auf das Nächste!!!!
LG -^.^-
Von:  Rei_
2011-08-11T18:10:30+00:00 11.08.2011 20:10
waaaiii *nao piecks* er hat dich geküüüsst! ;DDD
aaahh das kapi is tolligst...weiberfetz XD aber bei IHM kein wunder *_____* also wenns um die beiden geht MÜSSEN die regeln einfach gebrochen werden :DDDD
<3 maRii


Zurück