Zum Inhalt der Seite

Kinder ihrer Zeit

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Bist du des Wahnsinns?

„Dad?“

Harry wandte seinen Blick von dem Artikel im Tagespropheten, dem er sich gerade gewidmet hatte und blickte in die Augen seines ältesten Sohnes James. Verdächtig große Bettelaugen. Noch einmal wiederholte er seine Eingangsbegrüßung, nur dass er dieses Mal das „a“ enervierend lang zog. Daaaaaaaaaaaad.

„Was gibt es James?“

Harry ahnte bereits böses. Für gewöhnlich gingen mit James‘ Bettelaugen nur zwei Szenarien einher und beide endeten mit Zerstörung. Entweder hatte der Junge das Übel bereits angerichtet und wollte das schlimmste verhindern, indem er seinen Vater von vornerein zu besänftigen versuchte, oder er wollte ihn um etwas bitten, von dem er wusste, dass es schwer zu bekommen war und dass er garantiert im Zuge eines Streiches mit seinem Bruder oder Rose einsetzen würde – und damit etwas zerstörte. In diesem Fall sollte sich Harry Potter jedoch gewaltig irren. Das worum sein Sohn ihn bitten würde war für ihn von gewaltiger Bedeutung, es entsprach keinen Grundegoistischen Motiven, es würde sich um eine Frage im Zuge der Freundschaft handeln. Eine Frage im Zuge der Freundschaft, die nur eines zerstören würde – Harrys Weltbild. James setzte sich zu seinem Vater an den Küchentisch.

„Letztes Jahr hat Al doch über die Ferien seinen Kumpel eingeladen, oder? Und Toddy ist quasi auch immer hier.“

Harry war sich nicht ganz sicher worauf sein Spross hinauswollte. Wenn er jemanden einladen wollte, konnte er das doch einfach sagen.

„Ich würde gerne jemanden über die Sommerferien einladen. Ich weiß, dass ist eine lange Zeit, aber bei ihm zuhause läuft es gerade ziemlich stressig. Seine Eltern lassen sich scheiden und er will den ganzen Ärger zuhause nicht um die Ohren haben. Außerdem-“

Harry unterbrach seinen Sohn.

„Du brauchst hier keinen ellenlangen Rechtfertigungen aufzählen mein Junge. Wenn einer deiner Freunde Probleme hat helfen wir natürlich gerne. Wer ist es denn? Thomas? Ich dachte immer zwischen seinen Eltern lief es gut…“

„Tut es auch…“

Harry war irritiert davon wie verunsichert James wirkte. Er war doch kein so strenger Vater gewesen, oder? James jedoch stierte auf die Tischplatte und kaute auf seiner Unterlippe herum.

„Und wenn es ein Slytherin wäre?“

Zugegebenermaßen war Harry überrascht. Sein Sohn pflegte Freundschaften mit einem Slytherin? Bei Albus hatte er mit der nötigen Offenheit gerechnet aber James war gerade in diesem Punkt immer eher konservativ eingestellt gewesen. Aber gut, warum nicht? Nach all dem, was ihm widerfahren war hatte Harry beschlossen die Sache mit den Häusern weit weniger eng zu sehen als er dies in seiner eigenen Schulzeit getan hatte.

„Nun, das wäre OK. Aber jetzt machst du mich wirklich neugierig. Hast du geglaubt, dass ich eine deiner Freundschaften nicht gutheißen würde nur weil sie einen Slytherin involviert?“

„Und wenn es Scorpius Malfoy wäre?“

So sehr James den Augenkontakt vorher gescheut hatte desto mehr suchte er ihn jetzt. Das war eine ganz neue Situation. Seid seinem Kampf gegen Lord Voldemort war Harry nicht mehr passiert, was ihm jetzt widerfuhr: Er wusste nicht im Geringsten, was er tun sollte. Scorpius Malfoy? Seit 3 Jahren sah er diesen Jungen auf dem Bahnsteig meist in Begleitung seiner Mutter. Wenn er genauer darüber nachdachte hatte er Malfoy seit Albus‘ Einschulung nicht mehr gesehen. Kein Wunder dass es in deren Ehe kriselt, dachte Harry gehässig, mit Malfoy könnte ich auch keine Ehe führen. Und wie stand es mit seinem Sohn? Wenn der so war wie sein Vater, dann würde er diesen Jungen keine 6 Wochen überleben können. Er müsste dann wie sein Sohn 15 Jahre alt sein. Malfoy war in diesem Alter unausstehlich gewesen. Er war in jedem Alter unausstehlich gewesen. Alles in ihm sträubte sich dagegen ja zu sagen. Was ihn zuletzt doch dazu bewog war der flehende Ausdruck in den Augen seines Sohnes. Es musste James sehr viel Überwindung gekostet haben ihn zu fragen. Vielleicht war es auch einfach an der Zeit die Fehden der Vergangenheit zu begraben.

„Meinetwegen.“

James wirkte ehrlich erleichtet. Beruhigt atmete er aus und lächelte seinen Vater strahlend an.

„Danke Dad. Du bist der beste!“

„Es wird aber Regeln geben!“, ermahnte er seinen Sohn.

„Ja, ist klar. Ich muss nach oben und Scorpius einen Brief schreiben.“

„Glaubst du sein Vater wird es ihm erlauben?“

Dass er selbst bereit war die Streitigkeiten der Vergangenheit ruhen zu lassen hieß lange nicht, dass das auch für Malfoy galt.

„Scorpius kann sehr überzeugend sein! Außerdem war es glaube ich sogar die Idee seines Vaters, dass er sich ein paar Wochen Ruhe von zuhause gönnt bis er und seine Mutter das nötigste geklärt haben.“

Und schon war James die Treppe nach oben gesaust und ließ seinen Vater in der Küche zurück, der sich beim besten Willen nicht mehr auf die Zeitung konzentrieren konnte.
 

„Malfoy?!“ Ron prustete seinen gesamten Kakao über den frisch gewischten Tisch und bekleckerte dazu auch gekonnt sein gesamtes T-Shirt. Scheinbar hatte er es sogar noch geschafft ein bisschen der Flüssigkeit in seine Luftröhre zu verfrachten, denn er hustete bedenklich. Harry rollte die Augen nach oben und entfernte die Sauerei mit einem einfachen Schwenker seines Zauberstabs. Auch nach all diesen Jahren erschien es ihm wie ein Wunder solche Dinge einfach so mit einem kleinen Zauber erledigen zu können. Als Ron mit seinem Hustenanfall fertig war blickte er ihn entgeistert an.

„Du duldest Malfoy in deinem Haus?!“

„Es ist nicht Malfoy, sondern sein Sohn.“

Ron hob eine Augenbraue. Die andere zuckte bedenklich.

„Als wenn das einen Unterschied macht. Lucius Malfoy war scheiße, Draco Malfoy war scheiße und sein Sohn ist es garantiert auch!“

„Findest du nicht, man sollte ihm eine Chance geben?“

Rons Blick machte klar, dass er das definitiv nicht fand.

„Was sagt Ginny eigentlich dazu?“

„Sie war sauer, dass ich über ihren Kopf hinweg entschieden habe. Ich war so irritiert dass ich James gar nicht gefragt hatte was sie dazu sagt. Allerdings ist sie auch der Ansicht, dass wir die Fehden der Vergangenheit vergessen sollten. Außerdem sind jetzt gerade mal Winterferien. Das heißt ich habe bis zum Sommer noch viel Zeit mich seelisch vorzubereiten. Vielleicht haben die Malfoys ihre Angelegenheiten dann auch schon geregelt und Scorpius kommt gar nicht zu uns.“

Insgeheim war es genau das worauf Harry spekulierte. Ron stand auf um einen neuen Kakao zu machen. Ein deutliches Zeichen dafür dass er aufgebracht war – normalerweise erledigte er derlei mit Magie. Das Haus in dem er jetzt mit Hermine und seinen zwei Kindern Rose und Hugo lebte unterschied sich stark vom Fuchsbau. Es war groß und ordentlich. Es war nicht hoffnungslos überfüllt. Es sah nicht danach aus als würde es direkt zusammenfallen. Seine Umgebung hatte sich komplett geändert, aber Ronald Weasley war der Gleiche geblieben. Es hatte schon einen Grund das Hermine zu sagen pflegte dass Ron nie erwachsen werden würde.

„Es wunder mich allerdings nicht, dass seine Ehe in die Brüche gegangen ist, Mann. Wer hält es schon so lange mit dem aus? Na gut, die Parkinson vielleicht. Oh Mann, wie die ihn angehimmelt hat. War schon eklig.“

Harry konnte nicht umhin zu Grinsen, wenn er daran dachte wie Pansy Parkinson all die Jahre wie ein Schatten an Malfoy geklebt hatte. Und wie dieser dabei immer ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter gezogen hatte. Außer im letzten Jahr. Das, in dem er seine Bestimmung zu erfüllen hatte. Harry erinnerte sich nur zu gut daran, wie sehr sich der Blonde verändert hatte. Wie die Verzweiflung ihn wie alle anderen gepackt hatte. Wie er vor Angst um seine Familie geweint hatte wie alle anderen auch. Harry dachte daran, dass Malfoy Dumbledore nicht hatte töten können. Dass er auch ihn nicht hatte töten können. Damals hatte er Malfoy einfach nur für feige gehalten. Aber heute sah er die Dinge in einem anderen Licht: Draco Malfoy war vieles, aber kein Mörder. Das Lächeln war derweil aus seinem Gesicht verschwunden. Wenn man es so betrachtete war es eigentlich schade, dass der Blonde auch danach seinen Frieden nicht gefunden hatte. Harry und Ron hatten ihre Bestimmung im Familienglück gefunden. Und Malfoy? Harry wusste nicht einmal was der ehemalige Slytherin jetzt beruflich machte. Harry hatte sich gegen seine hehren Pläne als Auror entschieden. Vom Kämpfen hatte er genug. Er hatte sich für einen ruhigeren Job im Ministerium entschieden. Ron hingegen hatte es wider aller Erwartungen durch die Aurorenprüfung geschafft. Er jagte die restlichen schwarzen Magier die es noch gab. Umso erstaunlicher dass er keine Untersuchung mehr im Malfoy Manor gehabt hatte… vielleicht war auch einfach nur ein anderer dort gewesen. Harry konnte sich nicht vorstellen, dass Malfoy sich von der schwarzen Magie verabschiedet hatte.

„Harry?“

Ron schreckte den Jungen-der-lebte, der mittlerweile der-Mann-der-lebte war, aus seinen Gedanken.

„Hmm?“

„Du wirktest etwas abwesend, Alter. Ich sag dir nur: Pass auf dass dir der Bengel nicht deinen James verdirbt!“

Dinge, die ich nie erwartet hätte

Harry Potter war nervös. Es war eine Art Nervosität, die er nicht kannte und mit der er nicht recht umzugehen wusste. Er kannte die Nervosität vor dem Kampf, die eher Angst war. Er kannte die Nervosität vor einem Date, die eher Aufregung war. Aber er wusste nicht, was das für eine Form war, die sich da in seiner Magengrube bemerkbar machte. Er fühlte sich flau und konnte doch nicht stillhalten. Seine Kehle war trocken, egal wie viel er trank. Sein Herz fühlte sich seltsam schwer an. Er war unsicher. Und so viel mehr. Nach all dem, was er erlebt hatte, konnte er nicht mal damit umgehen, dass sein ehemaliger Erzfeind sein Haus betrat? Ja, Draco Malfoy höchst persönlich würde seinen Sohn bei den Potters vorbeibringen. Er hatte tatsächlich zugestimmt. Hatte er vielleicht wie Harry darauf spekuliert dass der jeweils andere Vater „nein“ sagen würde? Ginny hatte ihn so oft ermahnt ruhig zu bleiben, aber er konnte nicht. Etwas hielt ihn rastlos. Malfoy und er hatten so viel zusammen erlebt. Ohne Malfoy wäre viel nicht passiert. Irgendwie waren sie doch aneinander gewachsen. Als es an der Tür knallte und dann klingelte wusste Harry Potter, dass der Moment gekommen war, vor dem er sich unerklärlicherweise fürchtete. Mit weichen Knien ging er zur Tür und wurde auf dem Weg von James überholt der in einem Affenzahn auf die Tür zu flitze und sie aufriss. Auch Ginny betrat den Flur, hielt sich aber dezent im Türrahmen auf. Lily und Rose waren draußen am spielen.

Und da stand er. Immer noch ein bisschen größer als Harry. Immer noch weißblond. Immer noch Augen von der Farbe eines eisigen Gletschers. Und das war’s dann auch schon, was der heutige Malfoy noch mit seinem Ich vor 23 Jahren gemeinsam hatte, als sie die Schule beendet hatten. Seine Haare waren kurz geschnitten und nicht mehr von 10 Litern Gel nach hinten gekleistert. Sein Gesicht mochte noch die selbstbewussten, stolzen, ja fast arroganten Züge haben, jedoch wirkte er nicht mehr als müsse er über seine eigenen Füße fallen weil er die Nase zu weit oben trug. Er war kräftiger geworden und hatte seine schlaksige Gestalt mit den Jahren verloren. Gekleidet war er in einfache schwarze Kleidung. Teuer wahrscheinlich aber ohne all den Schnickschnack. Ohne Familienwappen. Mit anderen Worten: Malfoy wirkte wie jemand der erwachsen geworden war. Harry fragte sich wie er auf den anderen wirken musste. Wirkte er wie jemand der erwachsen geworden war? Er hatte seine Brille noch, seine Haare hatte er nie unter Kontrolle bekommen und er neigte immer noch dazu seine Pullover eine Nummer zu groß zu kaufen weil er es einfach so gewohnt war. Hatte er vielleicht ebenfalls nur die jugendliche Schlacksigkeit abgelegt, die sie alle verloren hatten? – abgesehen von Ron. Harry atmete tief durch und konzentrierte sich auf die herzliche Begrüßung zwischen Scorpius und seinem Sohn, die ihn so sehr an Ron und sich vor so vielen Jahren erinnerte, dass er nicht umhin konnte etwas zu lächeln.

„Hallo, Potter.“, begrüßte ihn Malfoy mit seiner kühlen Stimme, die endlich diesen enervierenden schnarrenden Ton verloren hatte.

„Tag, Malfoy.“, entgegnete Harry lahm.

„Ach Gott, Jungs. Steht doch nicht so steif herum!“

Auch Ginny hatte nicht vergessen, was für ein Mensch Malfoy war…gewesen war?...immer noch war? Dennoch schien sie fest entschlossen die Situation in geregelte Bahnen zu lenken.

„Hallo Ginny. Lange nicht gesehen.“

Seine Begrüßung klang auch ihr gegenüber kühl aber er reichte ihr die Hand, die sie auch annahm.

„ Können Scorpius und ich schon mal nach oben gehen?“, fragte James.

„Ja, natürlich. Aber erst einmal: Hallo Scorpius. Ich hoffe du fühlst dich einigermaßen wohl bei uns in den nächsten Wochen.“, antwortete Ginny. Zum ersten Mal wandte Harry sich dem jungen Gast zu und schämte sich etwas für sein Verhalten. Bisher hatte er jedes Kind freundlich begrüßt, dass in dieses Haus gekommen war. Er war einfach zu abgelenkt gewesen. Scorpius war wie das junge Ebenbild seines Vaters. Er sah fast genauso aus wie sein Vater vor Jahren, nur dass er weniger die verkniffenen und unsympathischen Gesichtszüge aufwies. Möglicherweise war seine Kindheit einfach sorgenfreier ausgefallen… auch wenn Harry sich das schwer vorstellen konnte. Mit Sicherheit hatte Malfoy hohe Erwartungen an seinen Spross.

„Ja, macht es euch bequem. Ihr könnt euch auch was zu essen aus der Küche nehmen.“, sagte er und war froh überhaupt etwas herausbekommen zu haben.

„Danke Mr. Und Mrs. Potter!“, bedankte sich Scorpius und sah zu seinem Vater. Dieser beugte sich zu ihm herunter und lächelte ihn aufrichtig an. Harry traf es wie ein Schlag. Er hatte diesen Menschen noch nie, nie, nie, nie, nie, nie, nie!!!, Lächeln sehen. Höhnisch Grinsen. Höhnisch auslachen. Boshaft über das Leid anderer lachend. Das ja. Aber nicht so. Er wuschelte seinem Sohn durch das halblange blonde Haar und drückte ihm seine Tasche in die Hand.

„Geh schon. Ich muss hier noch ein bisschen was klären, ja? Ich komm noch mal hoch bevor ich gehe.“

Scorpius nickte und nahm sich seine Tasche um mit James nach oben zu verschwinden.

Malfoy richtete sich wieder auf und wandte sich direkt an Harry und Ginny.

„Vermutlich findet ihr die Situation genauso seltsam wie ich.“, begann er. „Aber ich würde sagen wir versuchen erst mal die alten Zeiten zu vergessen. Ich würde gerne noch mit euch über ein paar Sachen reden.“

„Natürlich. Aber da musst du mit Harry vorlieb nehmen. Ich habe noch einen Termin im Ministerium. Ich fürchte ohne mich kann der Minister nicht mal seinen Federkiel auf dem Schreibtisch finden.“

„Du arbeitest für den Minister?“

„Nichts Besonderes. Ich bin seine Tippse. Eigentlich. Im Prinzip aber eher seine rechte Hand. Wie auch immer. Ich muss.“

Sie gab Harry einen herzlichen Kuss, der sich vor Malfoys Nase komisch anfühlte. Dann griff sie nach ihrem Umhang und verließ die Wohnung. Harry hatte gewusst, dass sie gehen musste. Aber er hatte auch gehofft Malfoy würde direkt wieder verschwinden.

„Komm doch rein.“, sagte Harry nach kurzem Schweigen und trat zur Seite. Malfoy schritt an ihm vorbei und legte seinen eigenen Umhang ab. Ein leichter Geruch von Kräutern haftete an ihm, wie Harry ihn aus dem Zaubertränkekeller kannte.

„Am besten gehen wir in die Küche.“

Malfoy folgte ihm schweigend. Sie setzten sich gegenüber und Harry schwenkte ungefragt den Zauberstab, so dass sich von alleine Tee aufbrühte.

„Dass du die Ungesagten doch mal hinbekommst.“

Das war es wieder dieses verfluchte spöttische Lächeln. Doch fehlte ihm dieses Mal die absichtliche Boshaftigkeit so dass Harry sich zusammenriss.

„Was gibt es?“

„Es ist… sehr nett, dass du meinen Jungen hier unterkommen lässt.“, Dieser Satz schien ihn viel Überwindung gekostet zu haben. Unsicher ließ er seine Hand durch seinen Haarschopf fahren.

„Ich hätte nie gedacht, dass gerade unsere Jungs sich anfreunden. Aber die Zeiten haben sich wohl geändert… um ehrlich zu sein hatte ich drauf spekuliert dass du nein sagst und sich diese seltsame Situation hier vermeiden lässt…“

„Das hatte ich auch.“, gab Harry zu und ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment bis es ihnen beiden zu unangenehm wurde.

„Ich denke James hat dir erzählt weshalb es für Scorpius besser ist erst einmal woanders zu bleiben?“

Mein Gott war die Situation peinlich! Umso erstaunter war Harry dass Malfoy nahezu gelassen wirkte als es auf das Thema Scheidung kam.

„Ich sag’s dir, das Weib macht mich bekloppt. Wenn ich sie endlich ein für alle Mal los bin gehe ich mich ordentlich besaufen. Wie auch immer: Es geht ein wenig heftig zu. Victorias Temperament war zwar unter anderem der Grund weshalb ich sie geheiratet habe, erweist sich aber in der jetzigen Situation als eher schwierig. Mit anderen Worten: Wir verfluchen uns den ganzen Tag über – im wahrsten Sinne des Wortes. Da sagt man ein falschen Wort und direkt hetzt sie einem einen Lähmungszauber oder sonst was auf den Hals. Sei froh, dass ihr zwei eine gute Ehe führt. Nebenbei: Ich hätte nicht erwartet, dass ein Weasleyspross sich so gut entwickelt. Herzlichen Glückwunsch zu deiner außerordentlich hübschen Frau.“

Harry verstand die Welt nicht mehr. Woher kam denn dieser plötzliche Anflug von Humor? Und hatte Malfoy ihm da gerade zu seiner Ehe beglückwünscht? Da stimmte doch was nicht!

„Zieh nicht so ein Gesicht, Potter. Damit machst du dem dümmlichen Gesichtsausdruck von Ron Weasley ordentlich Konkurrenz.“

„Dieser Satz beruhigt mich. Ich dachte schon man hätte dich einer Gehirnwäsche unterzogen. Du bist seit 15 Minuten hier und hast keinen von uns beleidigt.“

„Tja, ich bin ja auch gerade derjenige, dem hier ein Gefallen getan wird… aber falls es dir hilft: Ich habe schon so einiges runtergeschluckt.“

„Ich kann’s mir denken…“

Die Teetassen schwebten auf den Tisch und ließen sich vorsichtig vor ihnen nieder.

„Die Sache ist die, dass ich den Jungen zwischendurch sehen will. Ich würde gerne zwischendurch vorbeikommen.“

„Und deine Frau?“

„Exfrau. Bald.“

„Ok. Und deine baldige Exfrau?“

„Die wird dem Jungen Briefe schicken. So wie immer. Mag ja sein, dass sie diejenige ist die Scorpius zum Zug bringt, aber das war es dann auch schon. Zu Beginn des Schuljahres bin ich nie da, weil zur gleichen Zeit jährlich der Kongress für Zaubertränke tagt. Und da ich leitender Direktor in der Forschung nach neuen Tränken bin muss ich da anwesend sein. Sonst bin ich derjenige der mehr mit dem Jungen zu tun hat. Ist ein Wunder, dass sie sich annähernd um den Haushalt kümmert… sie meint jedenfalls dass ihr das ganze stressig genug ist und sie froh ist wenn wenigstens der Junge mal für ein paar Wochen aus dem Spiel ist. Ich denke also nicht dass sie hier auf der Matte stehen wird. Hoffe ich für dich.“

„Okaaaaaaaay. Das klingt alles sehr...freundlich.“

„Du machst dir keine Vorstellung. Es ist einfach dumm gewesen eine Italienerin mit derartigem Temperament zu heiraten. Aber was soll ich sagen: Mein Penis war mein Eheberater.“

Harry verschluckte sich fast an seinem Tee was Malfoy ein amüsiertes Lächeln entlockte.

„Also werde ich wohl 2 Mal die Woche vorbeikommen und schauen wie es ihm so geht.“

Plötzlich wurde sein Gesicht ernst.

„Das ganze geht ihm natürlich ziemlich nahe. Immerhin ist sie seine Mutter. Dass wir uns wegen jeder Kleinigkeit direkt aufs Böseste bekämpfen macht es ihm nicht gerade leichter. Versuch also bitte es ihm hier so angenehm wie möglich zu machen. Ich weiß, du hast selber nicht die rosigste Familie gehabt…deswegen glaube ich dass du deinen Job ganz gut machen wirst. Schließlich bist du Harry Potter, der Junge mit dem unverbesserlichen Helfersyndrom.“

Harry wusste nicht recht, wie er reagieren sollte. Natürlich konnte (und wollte) er Malfoy den Kontakt zu Scorpius nicht untersagen. Er war nur unheimlich irritiert von dem Malfoy der da vor ihm saß und in Ruhe seinen Tee trank.

„Weißt du wie die Jungs sich kennengelernt haben?“

Harry schüttelte den Kopf. Aus irgendeinem Grund hatte er das nicht fragen wollen.

„Die beiden waren in das gleiche Mädchen verliebt. Irgendwann sind sie dann richtig aneinander geraten. So wie wir zwei. Nur dass die beiden schlauer waren als ihre Väter und während des Nachsitzens beschlossen haben, dass es ziemlich dämlich ist wegen einer Frau zu streiten.“

„Wir haben nicht wegen einer Frau gestritten.“

„Nein. Schlimmer. Wir haben gestritten, weil ich beleidigt war, dass du meine Hand ausgeschlagen hast und weil du der Meinung warst, ich sei zu abgehoben. Andere reden da einfach nicht mehr miteinander. Wir mussten eine ganze Seifenoper daraus mache. Immerhin haben wir es dann im fünften Schuljahr auf die politische Ebene angehoben.“

Machte er sich da gerade über ihre Feindschaft lustig? Spielte er das nicht ein wenig herunter? Sie hatten doch nicht wegen eines verletzten Egos mit ihrem Streit begonnen…doch, hatten sie.

„Wäre es anderes gewesen hätte ich deine Hand damals nicht ausgeschlagen?“

„Das frage ich mich ziemlich oft. Ich meine… ich war bedingt durch meine Erziehung ein ziemlicher Arsch und wir wären uns wohl nie richtig grün geworden. Muggel sind mir immer noch…sagen wir suspekt. Was Leute wie Granger angeht…Herr Gott, ich habe eingesehen, dass sie in jedem Kurs außer Zaubertränke schlauer war als ich. Meinetwegen. So oder so, sie ist eine gute Hexe. Du hast da eine ganz andere Einstellung gehabt. Auf der anderen Seite wollte ich nie ein Todesser sein. Ich meine… bis zum Trimagischen Turnier und den darauffolgenden Vorfällen war das alles irgendwie ein Spiel für mich. Der Dunkle Lord war keine aktive Bedrohung. Er war das Leitmotiv der Erziehung meiner Eltern. Man konnte seinen Namen in den Mund nehmen und sich dadurch zugehörig zu elitären Kreisen fühlen. Der Name hat nicht mehr bedeutet als etwas Besonderes, Besseres zu sein. Und dann kam er zurück. Schuljahr 5 und 6 waren die Hölle. Du weißt wie es ist ihm als Feind gegenüberzustehen. Aber du weißt nicht wie es ist seine Erwartungen erfüllen zu müssen mit der stetigen Angst dass dein Versagen nicht nur dich betrifft sondern auch alle die du liebst. Und auch wenn mein Vater kein guter Mensch war habe ich ihn geliebt. Und du kannst nicht daraus ausbrechen. Wenn wir uns angefreundet hätten wie unserer Söhne dann wäre vielleicht vieles anders gekommen. Aber ich glaube das wäre nicht möglich gewesen. Wir sind Kinder unserer Zeit, zu unterschiedlich um miteinander auszukommen. Jetzt ist der dunkle Lord nicht mehr. Reinblüter und Schlammblüter sind Begriffe geworden, die nur noch für wenige von Bedeutung sind. Man kann in Sicherheit aufwachsen. Herkunft spielt weniger eine Rolle als zu unserer Zeit.Mit elf Jahren waren wir nicht erwachsen genug um so etwas einzusehen. Ich würde sagen, es kam wie es kommen musste.“

Harry realisierte dass ihm der Mund nach unten hin. Er musste unheimlich dämlich aussehen. Die schlichte Analyse, die ihm Malfoy da an den Kopf warf erschien ihm viel zu einfach. Ihre Feindschaft konnte doch nicht einfach nur ein unausweichliches Aufeinanderfolgen gesellschaftlicher Missstände gewesen sein! Sie mussten doch irgendwie eine Wahl gehabt haben. Malfoy war ein arroganter Arsch gewesen und mit Sicherheit konnte er auch ganz viel dafür! Irgendwo wusste Harry jedoch, dass der Blonde Recht hatte. Das mochte nicht alle Taten rechtfertigen, die er begangen hatte, aber es erklärte sie. Es machte ihm deutlich, was immer zwischen ihnen gestanden hatte. Und trotzdem hatte ihre Beziehung mit dem Ablehnen von Malfoys Hand nicht geendet. Sie hatte da erst angefangen. Sie waren aneinander gewachsen, an ihrem ewigen Drang nicht zu unterliegen.

„Du meinst also, würde man die Zeit zurückdrehen würde es beim alten bleiben?“

„Wir waren dumm. Ich vielleicht ein bisschen dümmer als du. Immerhin hast du die Welt gerettet und so.“

„Die Frage ist: wäre ich ohne dich so weit gekommen?“

„Wie meinst du das? Ich habe dir immer Steine in den Weg gelegt.“

„Darum geht es ja. Wäre ich nicht immer so misstrauisch dir gegenüber gewesen hätte ich viele Hinweise nicht bemerkt und alles wäre ganz anders gekommen. Hätte ich nicht dich für den Erben der Kamer des Schreckens gehalten wäre ich auch auf so viel anderes nicht gekommen. Und das war doch eigentlich jedes Jahr so. Ich habe dich oder Snape für alles verantwortlich gemacht. Und dieses Misstrauen hat mich immer angestachelt wachsam zu bleiben.“

Nachdenklich nippte Malfoy an seinem Tee.

„Das werden wir wohl nie richtig auseinanderdröseln. Tatsache ist aber, dass ich nie gedacht hätte wir könnten mal gemeinsam am Tisch sitzen ohne uns auseinanderzunehmen.“

„Ja, das ist erstaunlich. Wozu Kinder so in der Lage sind.“

„Und Exfrauen.“

„Was hat sie denn damit zu tun?“

„Ich habe einfach in letzter Zeit genug Gemeinheiten verteilt. Wahrscheinlich bin ich innerlich unausgeglichen.“ Er schien amüsiert über seine eigene Theorie zu sein „Und kann das nur raus lassen wenn ich andere fertig mache. Victoria ist da perfekt. Ich glaube unsere Ehe funktioniert nicht weil wir uns zu ähnlich sind.“

„Wo hast du sie eigentlich kennengelernt. Ich hätte gewettet du heiratest Parkinson.“

Malfoy warf ihm den typischen Gefrierblick zu, den Harry noch zu gut kannte. Beruhigend dass er den noch beherrschte.

„Herr Gott, nein. Diese Person bin ich nach der Schule losgeworden. Victoria habe ich in Irland kennengelernt. Nach dem Krieg musste ich mich erst einmal wieder selbst finden und war lange Zeit in Irland bei entfernten Verwandten, die mit diesem Reinblüterwahn nicht viel am Hut hatten – ausgebrannte Flecken im Familienstammbaum.“

Harry erinnerte sich an das Haus von Sirius Familie, an den Wandteppich aus dem man ihn einfach herausgebrannt hatte. Das schien da wohl so Brauch zu sein.

„Viktoria war wie ich im Bereich Zaubertränke tätig. Am Anfang war es nur eine Affäre. Und die wurde zur Gewohnheit. Unsere besten Zeiten hatten wir als wir einfach nur gevögelt haben. Ich weiß nicht genau, was uns dann in eine Beziehung und schließlich in die Ehe getrieben hat. Vielleicht ein unentdeckter Gehirntumor. Jedenfalls ist das einzig Gute und produktive dass dabei herumgekommen ist unser Sohn.“

„Du hast deine herzliche Art nicht verloren.“, kommentierte Harry, der dennoch über Malfoys Schilderung des Sachverhaltes Lachen musste.

Der Blonde warf einen Blick auf die Uhr.

„Ich muss wieder los. Auf mich wartet noch eine aufreibende Analyse eines Heiltranks-in-Arbeit. Ich werde noch eben zu Scorpius hochgehen.“

Er stellte die Tasse ab.

„Was dagegen wenn ich nächste Woche um die gleiche Zeit wiederkomme?“

„Nein, das sollte passen.“ Harry überlegte einen kurzen Moment bevor er seinen nächsten Satz aussprach.

„Möchtest du dann zum Essen bleiben?“

Bedeutungsschwanger hing der Satz zwischen ihnen in der Luft.

„Warum nicht? Mal sehen wie sehr wir noch die Kinder unserer Zeit sind.“

Damit schritt er aus der Küche. Das war der Tag an dem sich Harry Potters Leben auf eine Art veränderte, die er niemals für möglich gehalten hätte.
 

So, das war es erst einmal.

Darf es noch ein Nachschlag sein?

Soo, nach langer Zeit geht es nun endlich weiter. Es tut mir Leid, dass so etwas bei mir immer so lange dauert. Schande über mein Haupt. Aber die Uni macht mich beizeiten wirklich wahsinning.
 

Scorpius entpuppte sich als ein im Großen und Ganzen höflicher Junge- abgesehen von seinem leichten Hang zu sarkastischen, morbiden Äußerungen, den er mit Sicherheit von seinem Vater hatte. Da sich jene Äußerungen in diesem Fall nicht gegen Harry oder seine Familie richteten, verliehen sie dem Jungen jedoch einen fast sympathischen Zug. Er war witzig. Möglicherweise wäre sein Vater unter anderen Umständen ähnlich gewesen. Scorpius war wie die bessere Version von Draco Malfoy. Malfoy 2.0 sozusagen. Harry jedenfalls bereute nicht, dass er dem Jungen gestattet hatte die Ferien hier zu verbringen. Ginny war überrascht gewesen, als er ihr davon erzählt hatte wie gut er sich mit Malfoy verstanden hatte. Glücklicherweise schien sie aber kein Problem mit seiner Einladung zum Essen zu haben. Stattdessen schien sie etwas nervös zu sein und Harry ertappte sie des Öfteren dabei die Kochbücher zu durchblättern, die sie zuvor nie angerührt hatte. Eins allerdings stand noch aus: Die Beichte. Ihm graute bei dem Gedanken davor Ron zu erzählen wie oft Malfoy dieses Haus betreten würde. Dabei ging das den Rothaarigen eigentlich nichts an. Sicher, sein Kinder waren oft hier, aber es war ja nicht so als würde Malfoy jeden Tag 24/7 in Harrys Haus verbringen. Und doch fühlte er sich etwas als Verräter. Ein kindisches Verhalten, die Nachwirkungen ihrer damaligen Allianz gegen Malfoy und seine Gorillas. Er hatte einfach das Gefühl, dass es nicht richtig war Malfoy einzuladen, solange Ron das nicht guthieß. Aber so oder so: Die Einladung stand und zumindest dieses eine gemeinsame Dinner würde es geben.
 

„Und, wie war es?“

Hermine starrte ihn über den Küchentisch hinweg an. Es war nicht ihr sonstiger interessierter aber doch höflich distanzierter Blick, den sie aufzulegen pflegte, wenn jemand etwas zu erzählen hatte. Dieser Blick war fordernd und spiegelte die gleiche innere Anspannung wieder wie ihre Hände, die sich etwas zu fest um den Kaffeebecher krallten. Draco Malfoy war ein Relikt der Vergangenheit, das so vieles von dem widerspiegelte das sie zusammen erlebt hatten. Dass er wieder in ihrem Leben auftauchte war der größte Einbruch seit Ende des Krieges und selbst Hermine Granger blieb davon nicht unberührt. Ron hingegen war nicht in der Lage ruhig am Tisch zu sitzen. Die ganze Zeit wippte er mit den Beinen und riss riesige Stücke von seinem Hähnchen-Sandwich ab, die er dann wütend kaute und trotzdem fast im Ganzen zu verschlucken schien. Sein Gesicht war leicht rötlich verfärbt. Man brauchte das Wort „Malfoy“ nur zu denken und sein Blut begann zu kochen. Wahrscheinlich rechnete er mit einem Bericht nicht enden wollender Beleidigungen und atemberaubender Kämpfe um Leben und Tod in Harry’s vier Wänden.

„Erstaunlich friedlich um ehrlich zu sein.“

Hermine entspannte sich sichtlich und warf Ron einen triumphierenden Blick zu. Dieser schaute ziemlich bedröppelt und auch ein wenig deprimiert drein.

„Ich habe es dir doch gesagt, Schatz! Harry ist nicht mehr so kindisch, dass er direkt auf Malfoy los geht. Und er ist ja schließlich auch älter geworden.“

Ron warf ihr einen angesäuerten Blick zu, beschränkte sich aber weiterhin damit sein Sandwich zu vertilgen.

„Ich habe mit Ron gewettet. Er war der festen Überzeugung du würdest Malfoy nach 5 Minuten rausschmeißen.“

Harry merkte wie er schwer schluckte und langsam selbst etwas nervös wurde. Wie sollte er Ron erklären, dass er nicht nur ohne Opfer mit Malfoy zurechtgekommen war sondern ihn auch noch zum Essen eingeladen hatte? Was in drei Teufels Namen hatte ihn da nur geritten?

„Nein, es war wirklich in Ordnung. Er war sich wohl bewusst, dass er derjenige war, der um einen Gefallen gebeten hat.“

Vielleicht ließ er das lange und erstaunlich intime Gespräch, das er mit Malfoy geführt hatte erst Mal außen vor. Er konnte sich immer noch später mit Hermine darüber unterhalten wenn Ron ins Ministerium musste.

„Kann ich mir kaum vorstellen. Vermutlich hat der dich in Gedanken verflucht! Wie ist denn sein Kind so? Bestimmt unausstehlich, oder?“

„Erstaunlicherweise nicht. Der Junge ist zwar selbstbewusst, schlagfertig und manchmal auch ein bisschen frech… aber er nutzt es besser als sein Vater. Außerdem ist er höflich und versucht uns so wenig Aufwand wie möglich zu machen. Er hat sogar mit James zusammen die Gnome aus dem Garten geschmissen. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Sein Einfluss auf James ist geradezu vorbildlich! Er ist jetzt 3 Tage da und es ist nichts kaputt gegangen. Beide versuchen wohl einen möglichst guten Eindruck zu machen.“

„Hast du mal überlegt, dass er vielleicht ein Spion ist?“

„Bei Merlins Bart! Ron! Jetzt mach dich nicht lächerlich. Du klingst schon fast wie Mad-Eye…“

Empört starrte Ron seine Frau an und wollte schon zu einer Erwiderung ansetzen als Harry in unterbrach.

„Ich bin selbst auch sehr überrascht. Du müsstest ihn mal kennen lernen. Kommen Hugo und Rose nicht sowieso bald mal wieder vorbei?“

„Ja, übermorgen, wenn es dir recht ist. Ron und ich wollten mal wieder einen Abend nur für uns haben.“

In drei Tagen würde auch Malfoy wieder kommen. Zum Essen. Aber wahrscheinlich würden Ron und Hermine die Kinder entweder früh morgens oder abends abholen. Dass sie mittags die Zeit dafür fanden war eher selten. Und trotzdem… ein Grund, warum er hier saß war doch sein Plan zur Beichte…

„Ja, klar. Ich freue mich immer wenn die beiden vorbeikommen.“

Tatsächlich fand er manchmal nichts schöner als ein volles Haus. Kinderlachen, der Geruch von leckerem Essen, auch Lärm, aber ein guter Lärm, der von Freude zeugte und davon, dass hier Menschen lebten, die glücklich waren. Es ließ ihn die Albträume voller Kälte und Stille, die nur von gellen, schmerzerfüllten Schreien durchbrochen wurde, vergessen. Die die noch viel zu lebendige Erinnerung an Zeiten die vorbei waren quälte Harry in regelmäßigen Abständen, unbarmherzig und ohne Unterlass. Für ihn war diese Zeit des Krieges und der Angst nicht tot, verblasst und beerdigt. Einiges konnte er nicht vergessen. Von Hermine wusste er, dass sie auch häufig daran dachte und auch Ron hatte den Tod seines Bruders noch immer nicht ganz überwunden. Ob es Malfoy auch so erging? Mit Sicherheit. Oft beneidete er Ginny um ihren ruhigen Schlaf. Auch sie trauerte noch um Fred, aber sie hatte akzeptiert was passiert war und es zu den Akten gelegt. Für sie war die Zeit ihrer eigenen Familie angebrochen und dieses Glück überlagerte allen Schmerz.

„Dann bringen wir sie abends gegen acht vorbei. Aber um mal wieder auf das andere Thema zurückzukommen: Wie ist er so? Was macht er jetzt beruflich?“

Ron verdrehte genervt die Augen, hatte sich aber wohl damit abgefunden, dass das Thema des Tages sich vorerst nicht ändern würde.

„Er arbeitet in der Forschung für Zaubertränke. Deswegen bringt er Scorpius auch nie zum Zug. Er muss da immer auf so einen Kongress.“

„Pff. Klar. Keinen Bock hat der.“, schnaubte Ron.

„Ron!“

„Er ist nicht mehr ganz so arrogant wie früher. Und etwas humorvoller. Ich war ziemlich überrascht wie liebevoll er mit seinem Sohn umgeht. Ich glaube es ist einfach was von seiner Kälte verschwunden.“

„Vielleicht lernen wie ihn ja auch nochmal kennen.“

„Bloß nicht!“

Harry ertappte sich dabei wie er breit grinste. Auch wenn es eigentlich ziemlich beschränkt von Ron war seine Meinung partout nicht ändern zu wollen, so war es doch auch irgendwie köstlich amüsant wie er da schmollend auf der anderen Seite des Tisches saß und darauf beharrte, das Malfoy das personifizierte Böse war. Es war einfach typisch Ron.

Wenn er so darüber nachdachte war wohl kaum zu erwarten, dass der Rothaarige sich da je ändern würde. Aber genauso unwahrscheinlich war es auch, dass er dauerhaft wütend sein würde. Ein bisschen beleidigt vielleicht.

„Ron, da gibt es noch was, was ich dir gestehen muss.“

„Das klingt nicht gut.“

„Wenn ihr die Kinder am Samstag abholt, dann kann es sein, dass vielleicht Besuch da ist… also… ich habe im Eifer des Gefechts… habe ich…ichhabeMalfoyzumEsseneingeladen.“

Besser er ließ es kurz und schmerzlos (und etwas undeutlich) aus seinem Mund sprudeln als weiter so rumzustottern. Ron hörte auf zu kauen. Seine Augen schienen aus seinen Augenhöhlen springen zu wollen. Sein Mund öffnete sich. Und schloss sich. Und öffnete sich.

„Wie kam es denn dazu?“

Auch in Hermines Gesicht spiegelte sich deutliche Überraschung wider. Aber im Gegensatz zu Ron war sie der englischen Sprache noch mächtig.

„Ach, ich weiß auch nicht… wir haben über alte Zeiten geredet und darüber wie dumm wir eigentlich waren. Dann hatte er gefragt ob es Okay ist wenn er zwei Mal die Woche bei uns aufläuft um Scorpius zu sehen und wann er das nächste Mal kommen könnte… und da kam ich halt irgendwie auf den Gedanken das könnte eine gute Idee sein.“

„Hat er dich verhext oder so?“

„Nein, Ron. Vielleicht solltest du auch einfach kommen. Du würdest schon sehen-“

„Das ist eine wunderbare Idee Harry!“, unterbrach Hermine ihn.

Harry vermutete, dass er sie genauso entgeistert anstarrte wie Ron. Er hatte das nur gesagt, damit Ron ablehnte. Malfoy wäre mit Sicherheit auch nicht begeistert den Rotschopf zu sehen und würde direkt die Flucht ergreifen.

„Also… ich sollte ihn vielleicht schon vorher…vorbereiten.“

„Habt ihr jetzt auch Briefkontakt oder was?“

Es war wie er befürchtet hatte: Ron war eingeschnappt. Mit Sicherheit hatte er das Gefühl, dass Harry ihre alte eingeschworene Gemeinschaft verriet. Das gleiche Thema hatten sie schon durchgekaut als er sich gegen ihren gemeinsamen Traum entschieden hatte Auror zu werden.

„Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur, dass es seine gute Sache wäre in Anbetracht der Tatsache, dass sein Sohn 6 Wochen bei uns ist.“

„Ist es auch!“, pflichtete ihm Hermine bei. Harry verstand noch nicht ganz weshalb sie so begeistert von der Idee war. Auch Ginny war erstaunlich positiv gestimmt. Irgendetwas schien ihm da entgangen zu sein.

„Er kommt doch sicher vorher vorbei oder? Dann frag ihn doch einfach was er von einem großen Essen hält und je nachdem bleiben Ron und ich dann noch, wenn wir Rose und Hugo abholen…“

„Werde ich hier eigentlich noch gefragt? Ich buchte den Spinner höchstens ein. Hundert Prozent hat der noch irgendwo Dreck am Stecken!“

„Sieh es einfach als Spionagegelegenheit Ron.“

„Vielleicht war das wirklich etwas übereilt von mir.“, sagte Harry und ließ dabei offen ob er die Einladung in Bezug auf Draco oder Ron meinte.

„Kneif jetzt bloß nicht!“, ermahnte ihn Hermine.

Das war der Moment in dem sowohl Harry Potter als auch Ron Weasley ihr in die Augen blickten und begriffen, dass jeglicher Widerstand zwecklos war. Sie hatte sich etwas in den Kopf gesetzt und sie würde es durchbringen, komme was da wolle.

Wo war er da nur reingeraten?
 

So und weil es so lange gedauert hat direkt das nächste hinterher:
 

Das Essen bereitete sich schon geraume Zeit selber zu unter der nachlässigen Aufsicht von Ginny, die in ein Buch vertieft war. Angeblich. Denn Harry registrierte, dass sie selten umblätterte. Also las sie entweder nicht oder sie hatte Probleme sich auf die Worte zu konzentrieren und kam deshalb nur langsam voran. Beides deutete darauf hin, dass auch sie gestresst war. Oder nervös. Sie beide hatten Angst davor dass Ron und Malfoy sich an die Gurgel gehen würden. Im schlimmsten Fall hatte sie sich doch kurzfristig entscheiden ebenfalls sauer auf Harry zu sein. Das kam vor. Erst sagte sie, alles sei bestens und dann war sie heimlich doch sauer. Oder wurde erst später wütend, wenn sie näher über die Situation nachdachte. Frauen...

Harry jedenfalls entschied, dass es das Beste sei, seine Frau vorerst nicht anzusprechen. Es gab mit Sicherheit Gründe weshalb sie sich hinter einem Buch verschanzte.

Er zuckte nicht zusammen als es vor der Tür knallte und es dann klingelte. Scorpius schien genau darauf gewartet zu haben, denn er huschte schnell aus dem Wohnzimmer Richtung Tür. Harry, der versuchte seine Frisur zu richten, rief ihm zu, er könne die Tür ruhig öffnen. Was fummelte er da überhaupt die ganze Zeit an seinen Haaren herum?! Er konnte ohnehin nichts daran ändern und es war eigentlich gar nicht wichtig. Oder? Er hörte wie sich Scorpius und Malfoy im Flur begrüßten.

„Du siehst ganz schön Scheiße aus, Dad.“

„Lieb von dir. Ich habe die ganze Nacht durchgearbeitet. Dieses neue Rezept treibt mich in den Wahnsinn. Aber wenn es nicht bald fertig wird, kann ich es ganz vergessen und dann war die ganze Scheiße umsonst. Zum Kongress ist es nicht mehr lang.“

Harry atmete tief ein und verließ dann, wie er hoffte beschwingt, die Küche. Malfoy hängte gerade seinen Mantel auf. Harry war ziemlich irritiert von dem leichten Dreitagebart der sein markantes Gesicht zierte und den leichten Augenringen. Er sah ein wenig wahnsinnig aus. Und gefährlich. Nicht unbedingt auf die die schlechte Art. Weniger geleckt eben.

„Hallo.“

„Tag.“, erwiderte Harry. Das mit der Begrüßung hatten sie noch nicht richtig raus.

„Besser Sie gestehen es direkt, Mr. Potter.“, sagte Scorpius, zwinkerte ihm zu und verließ den Flur wieder Richtung Wohnzimmer. Dieser verfluchte…! Von wegen sympathisch!

„Was gestehen?“ misstrauisch wurde er von einem Paar eisgrauer Augen fixiert.

„Als ich dich zum Essen eingeladen habe, habe ich das ernst gemeint und du kannst auch gerne kommen. Allerdings haben sich Hermine und Ron auch eingeladen. Viel mehr Hermine.“

Malfoys Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen.

„Tja, Frauen geben wohl immer den Ton an, was?“

„Also, der Deal war, dass ich dich frage…und wenn es dir nicht behagt holen die beiden nur ihre Kinder ab. Rose und Hugo. Die sind oben, zusammen mit James, Severus und Scorpius. Der ja aber jetzt gerade im Wohnzimmer ist.“

„Nervös, Potter?“

In diesem Moment hätte Harry Malfoy sein Grinsen gerne aus dem Gesicht geboxt. Weil der Blonde recht hatte. Es machte ihn nervös, wie er fixiert wurde.

„Nein. Nur verwirrt. Alles wie immer.“

„Ich glaube ohne Granger hätten Weasley und du niemals den Weg in die Klassenzimmer gefunden.“

„Unwahrscheinlich. Aber immerhin habe ich die Welt gerettet. Und das ganz ohne Gedächtnis, Plan und Orientierungssinn.“

„Das spricht entweder für Grangers Qualitäten oder sehr gehen die Fähigkeiten des dunklen Lords.“

„Um unser Leiden nicht zu schmälern plädiere ich für die erste Möglichkeit.“

„Akzeptiert.“

Eine Weile standen sie etwas peinlich berührt im Flur bis Malfoy sich räusperte.

„Ich geh dann mal zu Scorpius. Das mit dem Essen kann ich ja sicherlich spontan entscheiden, oder?“

„Klar.“

Harry beobachtete wie Malfoy Richtung Wohnzimmer schritt und die Tür hinter sich schloss um etwas mit seinem Sohn alleine sein zu können. Er ging auch ganz anders. Immer noch selbstbewusst, aber nicht mehr so als gehöre ihm die Welt. Keine Aggression mehr. Als hätte er einfach eine große Last abgeworfen.

„Seltsam, was?“

Harry drehte sich um und sah Ginny im Türrahmen zur Küche stehen.

„Wir kennen ihn ganz anders. Er scheint sich sehr verändert zu haben.“

„Psst. Er hat Fledermausohren. Der hört uns.“, flüsterte Harry

„Das stimmt, Ginny.“, tönte es aus dem Wohnzimmer.

„Wir gehen besser in die Küche.“

„Und machen da auch die Tür zu. Ist ja unheimlich.“, erwiderte Ginny.

„Was hat er wegen des Essens gesagt?“, fragte sie, als sie sich an den Küchentisch setzte.

„Er entscheidet spontan.“

„Aber der Bart steht ihm findest du nicht?“

Wie kam sie denn jetzt darauf?

„Sowieso finde ich er hat sich gut gemacht…“

„Soll ich ausziehen?“, fragte Harry im Spaße auch wenn er nicht sicher war worauf Ginny hinauswollte.

„Du Quatschkopf. Nein. Aber du scheinst Schwierigkeiten damit zu haben, dass er sich so geändert hat.“

„Nein… es ist nur… ich hatte etwas anderes erwartet.“

„Du hast dich auch geändert.“

„Nicht so sehr, wie er das getan hat.“

„Das stimmt. Bei dir war es aber auch nicht so nötig. Du warst schon immer großartig.“

„Ich fühle mich geehrt, das aus deinem Munde zu hören.“

Er drückte ihr einen Kuss auf den Mund, der einen hohlen Nachgeschmack hinterließ. Ja, Draco Malfoy, war ein gutaussehender Mann. Aber war es das, was ihn störte und irritierte? Mit Sicherheit störte ihn, dass Ginny das so einfach feststellte. Normalerweise war das kein Problem. Sie hatte nie einen Hehl daraus gemacht, wenn sie jemanden attraktiv fand. Normalerweise.Hier in dieser Situation störte es ihn. Auch wenn er es sich nicht wirklich erklären konnte.

„Ich will ja nur sagen, dass ich mit etwas ganz anderem gerechnet hatte.“

„Ich auch, glaub mir das. Ich weiß auch wirklich nicht, was ich mir dabei gedachte habe so eine Situation herbeizuführen… selbst wenn er sich dazu entscheidet mit den beiden essen zu wollen… also ich glaube nicht, dass das gut geht.“

„Vielleicht überrascht er dich nochmal.“

„Damit es gut geht müsste mich dann auch Ron überraschen.“

„Hermine ist ja auch dabei.“

Glücklicherweise. Sie war der einzige Hoffnungsschimmer am Horizont. Auch wenn Ron und Hermine nach wie vor gerne stritten, beugte sich Harrys bester Freund in wirklich relevanten Dingen meist seiner Frau.

„Ach, das wird schon.“

Ginny wirkte selbst nicht sonderlich überzeugt. Aber was brachte es über das Thema zu philosophieren, wenn noch gar nicht sicher war, dass die Situation überhaupt eintrat? Nachdem sie eine Zeit lang über relativ belanglosen Kram geredet hatten klopfte es an der Tür. Harry hatte ganz vergessen dass sie sich abgeschottet hatten.

„Herein.“, rief er etwas beschämt und fragte sich wie dieses Verhalten wohl auf Malfoy wirken musste.

„Wegen des Essens… also Scorpius würde sich auf jeden Fall freuen, wenn ich bleibe. Und ich kann dir wohl kaum abschlagen deine Freunde einzuladen. Also würde ich sagen, dass es einen Versuch wert ist. Wenn wir beide miteinander zurechtkommen, dann schaffe ich es bestimmt auch einen Abend mit dem Wiesel an einem Tisch zu sitzen.“

Ginny räusperte sich vernehmlich.

„Ich bin auch ein Wiesel, Malfoy.“

„Du, Ginny, bist eine gutaussehende Frau mit magischem Talent. Dein Bruder ist ein deformierter Trottel, der ohne seine Frau nicht mal in der Lage wäre seine Socken täglich zu wechseln.“

Ginny schien sich nicht sicher zu sein, ob sie sich von der ersten Aussage geschmeichelt fühlen oder wegen der zweiten sauer sein sollte.

„Ich denke, was meinen Bruder angeht sind wir verschiedener Meinung.“

„Du bist also der Meinung er ist gut organisiert, von großer Begabung und überdurchschnittlich attraktiv sowie vollkommen selbstständig und erwachsen?“

„… Touché. Aber es muss ja nicht immer nur schwarz oder weiß sein. Er ist ein guter Mensch, wenn auch manchmal etwas anstrengend.“

"'Er ist ein guter Mensch' ist eine Aussage, die man macht wenn man nichts anderes zu sagen hat, Ginny.“

„Okay, er ist witzig, herzlich, liebevoll, loyal und der beste Bruder überhaupt.“

Langsam schien sie doch wütend zu werden. Harry war sich nicht sicher, ob er sich einmischen sollte.

„Hör zu, Ginny, dass ich mich deiner Familie gegenüber damals immer wie der letzte Arsch verhalten habe ist mir durchaus klar und ich bin nicht stolz darauf. Ich würde euch mittlerweile keineswegs mehr als ‚Blutsverräter‘ bezeichnen oder euch für minderwertig halten, weil eure finanzielle Situation nicht die beste ist. Aber dass ich Ron nie gemocht habe war davon vollkommen unabhängig. Ich halte einfach nicht sonderlich viel von ihm. Nicht nur, dass er viel zu schnell aus der Haut fährt, er ist auch ständig eifersüchtig und wegen jedem Mist sofort beleidigt. Wie oft hat er Harry hängen lassen, weil er auf seinen ‚Erfolg‘ eifersüchtig war? Und das, obwohl keiner von sich ehrlich behaupten könnte mit Harrys Schicksal tauschen zu wollen. Ich jedenfalls nicht.“

Bevor Ginny darauf antworten konnte musste Harry eine Frage loswerden:

„Das ist dir alles aufgefallen?“

„War schwer zu übersehen, Potter.“

Er jetzt, wo Malfoy wieder seinen Nachnamen benutze sickerte es in Harrys Bewusstsein durch, dass Malfoy gerade noch von ihm als „Harry“ gesprochen hatte. Was war hier nur los?

„Aber trotzdem kennst du Ron nicht.“

Bei näherem Hinsehen schien Ginny eher beleidigt und trotzig als sauer zu sein.

„Mag sein. Aber ich bin auch nicht unbedingt scharf drauf unserer Beziehung einen intimen Touch zu geben. Trotzdem werde ich mein bestes geben mich zu benehmen.“

„Wenn du keine Witze mehr über unreines Blut und Armut reißt wird sich das schon geben…“, murmelte Harry. Es war ihm nicht gerade lieb sich an all die Gemeinheiten zu erinnern, die Malfoy ihm und vor allem Ron damals an den Kopf geworfen hatte. Irgendwie machte es die ganze Situation krampfig.

„Du denkst gerade darüber nach, was für ein Mensch ich war, oder?“

Der durchdringende Blick aus Malfoys grauen Augen war Harry in diesem Moment sehr unangenehm. Als könne er genau in seine Gedanken gucken. Ein leiser Schauer lief ihm über den Rücken und er musste sich kurz schütteln, als wolle er dieses eklige Gefühl vollkommen geröntgt zu werden abwerfen.

„Ja.“

Malfoy schnaubte, nicht abfällig, viel mehr genervt.

„Vielleicht sollten wir das doch lieber lassen…“

„Nein.“

Harry war selbst überrascht wie schnell und vor allem bestimmt ihm dieses kleine Wörtchen entwichen war.

„Das ist doch Quatsch. Ich halte das nach wie vor für eine gute Idee. Wir haben uns letztes Mal doch auch vertragen. Und Scorpius freut sich doch so… er hat viel von dir erzählt.“

„Ja, er hat gerade auch in den höchsten Tönen von euch gesprochen. Ich bin froh ihn hier gelassen zu haben.“

„Dann ist die Sache ja wohl klar.“, sagte Ginny. „Aber wehe du beschwerst dich über meine Kochkünste!“

„Würde mir nie im Leben einfallen Mylady.“

„Setzt dich noch.“, sagte Harry und zauberte wie beim letzten Mal eine Kanne Tee herbei.

„Für dich auch Ginny?“

„Nein, danke.“

„Scorpius ist wieder draußen bei den anderen. Es tut ihm ganz gut über die Ferien so viel Gesellschaft zu haben. Wir wohnen ja relativ weit ab, so dass er in den Ferien nicht allzu oft Freunde besucht.“

„Malfoy Manor?“

„Um Gottes willen, nein. Den Laden habe ich hinter mir gelassen. Zu viele Erinnerungen. Ich besuche meine Eltern regelmäßig in Azkaban und das ist schlimm genug. Ich habe eine Zeit lang versucht weiter in dem alten Haus zu wohnen, aber ich habe keine Nacht gut geschlafen. Wir wohnen jetzt relativ ländlich an der Küste in Wales.“

Harry hatte gar nicht daran gedacht, dass Lucius und Narzissa Malfoy nach wie vor eine Haftstrafe zu verbüßen hatten. Zwar war diese nicht so hoch ausgefallen wie die für andere Todesser, aber sie schienen trotzdem noch inhaftiert zu sein.

„Du hast mir meine Frage damals nie beantwortet.“

„Welche?“

„Warum du mich damals nicht verraten hast.“

Nachdenklich nippte Malfoy an seinem Tee.

„Aus dem gleichen Grund, warum ich Dumbledore nicht töten konnte. Ich bin kein Mörder. Und ich habe nie wirklich an die ganze Sache geglaubt. Das ist schwierig zu erklären… von Kindesbeinen an ist mir immer nur die Lehre des dunklen Lords eingetrichtert worden. Bis zu meinem elften Lebensjahr hatte ich das vollkommen verinnerlicht. In Hogwarts musste ich dann ständig das Gegenteil sehen. Ich habe Hermine nie dafür gehasst muggelgeboren zu sein, sondern dafür dass ihre bloße Existenz mein ganzes Weltbild zum Wanken brachte. Mir ist damals gar nichts anderes übrig geblieben als mich in meinen Hass hineinzusteigern. Aber je ernster die Zeiten wurden desto größer waren die Zweifel. Jetzt fragst du dich bestimmt, warum ich nie die Seiten gewechselt habe. Ich habe oft darüber nachgedacht… aber meine Angst war einfach zu groß. Und ich wusste auch, dass meine Familie mir nicht folgen würde. Und ganz egal, was sie für schlechte Menschen sein mögen, ich habe sie sehr geliebt und tue das auch noch. Ich konnte mich einfach nicht gegen sie wenden. Hättest du die Menschen, die du liebst einfach verraten können, wenn das bedeutet hätte, dass ihr Feinde auf Leben und Tod werdet? Ich hatte gar nicht mal so große Angst zu sterben. Ich hatte Angst ein ausgebrannter Fleck auch dem Teppich zu werden.“

So hatte Harry das Ganze noch nie gesehen. Aber konnte er das wirklich als Entschuldigung akzeptieren?

„Denkst du dir das jetzt im Nachhinein so aus Malfoy oder ist es wirklich so?“, fragte Ginny, die an der Küchenzeile lehnte. „Bist du dir sicher, dass du das nicht nur sagst um deine Schuld weniger schlimm erscheinen zu lassen?“

„Sehr sicher. Ich will meine Taten damit ja auch nicht entschuldigen. Ich will sie nur erklären. In der Hoffnung, dass mit mittlerweile so was wie ein Rückgrat gewachsen ist.“

Er lachte hohl auf, was Harry aus unerfindlichen Gründen einen leichten Stich ins Herz versetzte.

„Ich kann leider nicht von mir behaupten so tapfer oder klug wie Severus gewesen zu sein.“

„Es tut mir heute noch Leid, dass ich ihn so verurteil habe…“

„Hätte ich an deiner Stelle vermutlich auch. So ist das halt. Häufig lernt man die wahre Natur eines Menschen erst dann kennen, wenn es zu spät ist. Manchmal auch die eigene. Mir ist das alles erst wirklich bewusst geworden als ich halb verblutend auf dem Boden lag.“

Er warf Harry einen vielsagenden Blick zu. Nur allzugut erinnerte er sich daran, wie er den Sectumsempra auf Malfoy abgefeuert hatte.

„Erst da ist mir klar geworden, wie ich zu all dem stehe. Und dass ich trotzdem alles tun würde um bei meiner Familie zu bleiben, auch wenn das bedeuten würde, dass ich meine Seele verliere.“

„Sicher, dass du nicht einfach nur nicht sterben wolltest?“, fragte Ginny.

„In dem Moment dachte ich, ich müsste es. Es war nicht so schlimm, wie ich dachte. Ginny, der Gedanke, dass deine Seele zerstört wird ist viel schlimmer.“

Harry wusste, dass es recht hatte. Als er damals für kurze Zeit tot gewesen war, war das in Ordnung gewesen. Er würde auch jetzt noch jederzeit für diejenigen sterben, die er liebte. Das, was ihm heute noch Albträume bereitete waren die Momente in denen er Voldemort in sich gespürt hatte. Die Momente in denen er einen Hass in sich gespürt hatte, der ihn von ihnen zu verbrennen drohte. Die Momente in denen er Menschen weh tun wollte, die er eigentlich liebte. Die Momente in denen es sich anfühlte als würde jegliches Mitleid und all die Liebe, die er hatte, verkümmern und absterben. Eine zerstörte Seele war eine größere Strafe als der Tod.

„Ich glaube ich kann ganz gut verstehen, was er meint.“, sagte Harry zu Ginny ohne näher darauf einzugehen. Das war auch nicht nötig. Ihre Augen waren geweitet und ihr Mund etwas geöffnet, so überrascht war sie, dass er Partei für Malfoy ergriff. Dieser sah ihn ebenfalls mit einer Mischung aus Überraschung, Argwohn und etwas anderem, das Harry nicht einordnen konnte, an.

„Vielleicht ist das auch nicht unbedingt das beste Thema vorm Essen…“, sagte Ginny langsam und goss sich ein Glas Wasser ein.

„Denke ich auch.“, pflichtete Malfoy ihr bei. „Aber eine Sache würde mich noch interessieren: Was genau arbeitest du eigentlich im Ministerium, Potter? Ich kann mir denken, warum du dich dagegen entschieden hast Auror zu werden, aber mir fällt partout keine Tätigkeit im Ministerium ein, bei der ich mir dich vorstellen kann.“

Harry grinste ihn schief an.

„Ich hatte auch erst überlegt Fluchbrecher oder sowas in der Art zu werden. Sowas in der Art mache ich jetzt auch: Ich entzaubere verfluchte Gegenstände, die die Auroren mitbringen und versuche herauszufinden welche Geschichte hinter diesen Gegenständen steckt.“

„Hört sich gar nicht mal so übel an. Aber ein bisschen ruhig oder?“

„Ruhe ist mir eigentlich ganz lieb. Ich gehe noch regelmäßig mit Ron und den anderen Quidditch spielen wenn ich ein wenig Action will.“

„Wie waghalsig! Schade, dass die letzten Turniere ausgefallen sind. Ich spiele zwischendurch auch immer noch, aber bei weitem nicht so oft wie in der Schule. Wenn man erst mal arbeitet kommt man einfach zu nichts mehr.“

„Vor allem, wenn man die so genannten flexiblen Arbeitszeiten hat…“

„Ja. Die könnten einem auch vorher sagen, dass das nichts anderes bedeutet als sein Privatleben an eine Firma zu verkaufen.“

„Hast du denn noch Kontakt zu deinen alten…Freunden?“

„Kaum. Als ich mich entschieden habe eine Zeit lang nach Irland zu gehen ist außer Blaise keiner übrig geblieben. Man soll es nicht glauben, aber der Mann ist absolut häuslich geworden. Er hat im Urlaub seinen jetzigen Lebensgefährten kennengelernt und hat seitdem auch nichts mehr mit den Todessern zu tun.“

„Zabini ist schwul?!“

Fast hätte Harry sich an seinem Tee verschluckt. Der Blaise Zabini? Malfoy zuckte gelassen die Schultern.

„Ich nehme an er ist da unentschieden. Aber Brian hat ziemlich guten Einfluss auf ihn also hoffe ich, dass es lange hält. Solange er nicht anfängt rosa Tischdeckchen überall zu verteilen soll es mir auch egal sein.“

„Das hätte ich wirklich nicht erwartet.“

„Ich auch nicht, glaub mir. Was Crabbe und Goyle zurzeit machen weiß ich gar nicht… ist mir eigentlich auch egal. Schon erstaunlich wie ich so viele Jahre mit den beiden verbringen konnte nur um dann später festzustellen, dass sie mir eigentlich ziemlich egal sind. Aber was soll‘s.“

Malfoy stellte die Tasse ab und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

„Schätze mal du hast dir deine Freunde besser ausgesucht.“

„Ja, auf die ist Verlass. Wobei ich auch nicht mehr mit jedem Kontakt habe.“

„Reicht ja, wenn du mit denen Kontakt hältst, die auch noch hinter dir standen, als alle anderen mal wieder dem Tagespropheten geglaubt haben.“

„Was ja oft genug der Fall war…“

„Die Presse liebt dich, Goldjunge.“

„Mittlerweile nicht mehr.“

„Du stellst ja auch nichts spannendes mehr an.“

„Warte nur bis die ersten Paparazzo dich hier sehen.“, sagte Harry scherzhaft.

Er glaubte nicht wirklich daran, dass es irgendwen interessieren würde. Aber dennoch hatte er festgestellt, dass gelegentlich Reporter des Tagespropheten in die Nähe ihres Hauses kamen. Man wusste ja nie. Über die Geburt seiner Kinder war jedes Mal großes Tamtam gemacht worden und der ein oder andere hoffte bestimmt noch eine Sensationsneuigkeit aus dem Hause Potter aufzuschnappen.

„Soweit kommt’s noch…“

Bevor sie ihre Unterhaltung fortsetzen konnten klingelte es an der Tür. Harry atmete tief durch. Das würde spannend werden.

„Ich mach auf.“, sagte Ginny und verließ schnell die Küche.

„Ist sie jetzt angepisst?“, fragte Malfoy.

Harry zuckte mit den Schultern.

„Das weiß man immer erst später.“

„Tja. Tut mir herzlich Leid wenn du heute Abend nicht zum Schuss kommst. Aber ganz so gut bin ich im Klappe halten dann wohl doch nicht.“

Er zwinkerte Harry schalkhaft zu, was ihn nur noch verblüffter dasitzen lies als er es durch die Äußerung ohnehin war. Seit wann war Malfoy so versaut? Vorne an der Tür begrüßten sich Ginny, Hermine und Ron.

„Solltest du nicht auch hingehen?“

„Die kommen schon früh genug…“

„Muffensausen?“

„Ein wenig.“

„Wo sind die Kinder?“, klang es von der Tür.

„Im Garten glaube ich. Harry und Malfoy sind in der Küche.“

Just öffnete sich die Tür, die Ginny vorher hinter sich geschlossen hatte und Ron und Hermine standen im Türrahmen. Es war lange her, dass Harry Ron derart angesäuert gesehen hatte.

„Hallo Harry, hallo Frettchen.“, presste er zwischen den Zähnen hervor.

„Tag, Weasley. Heute gibt es zum Essen leider keine Schnecken. Hoffe es behagt dir trotzdem.“

Den hatte Ron sich verdient, fand Harry.

„Ron, bitte.“, unterbrach Hermine ihren Mann bevor dieser die Situation weiter verschlimmern konnte.

„Hallo Malfoy…“, auch sie wirkte distanziert, aber wohl eher weil sie nervös war. Zumindest konnte Harry auch jede Menge Neugier in ihren Augen entdecken als sie den Blonden musterte. Zu Harrys großer Überraschung stand Malfoy sogar von seinem Stuhl auf und reichte Hermine höflich die Hand.

„Hallo Granger.“

Verblüfft nahm Hermine seine Hand an und blickte nach oben. Malfoy war ein gutes Stück größer als sie. Wurde sie da etwa etwas rot?

„Hermine.“

„Dann eben Hermine.“

„Nimm deine Flossen da weg, Mann.“, patze Ron.

Malfoy ließ Hermines Hand los und betrachtete Ron mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ja, diesen Malfoyblick hatte er ebenfalls nicht verlernt. Harry fiel auf, dass Ron und Malfoy mittlerweile gleich groß waren. Wann war denn der Blonde so gewachsen?

„Was ist dein Problem, Wiesel? Kannst du dich nicht einmal wie ein erwachsener Mann verhalten?“

„Ich glaube nicht, dass du dich sonderlich verändert hast, das ist alles.“

„Dann macht es natürlich Sinn es gar nicht erst abzuwarten. Mein Fehler.“

„Wie wäre es, wenn ihr euch schon mal ins Wohnzimmer begebt, während Ron und ich den Tisch decken.“

Das war keine Frage von Ginny, sondern eine klare Vorgabe, die auch keinen Protest ihres Bruders duldete. Malfoy schüttelte amüsiert den Kopf und verließ als erster die Küche. Hermine und Harry folgten ihm mit einem kleinen Abstand.

„Ich sag es ja nur ungern, aber: Herr Gott, er sieht gut aus.“, stellte Hermine flüsternd fest.

Harry schnaubte.

„Du bist schon die zweite Frau, die das heute sagt!“

Malfoy stand im Wohnzimmer vor der Terassentür und sah den Kindern beim Spielen zu. Da es im Wohnzimmer ziemlich warm war hatte er sein Jackett über einen der Stühle gehängt. Darunter trug er erstaunlicherweise kein Hemd sondern nur ein einfaches schwarzes T-Shirt. Harry glaubte ihm kein Wort, dass er nur noch gelegentlich Quidditch spielte. Wenn das stimmte, hatte er sich einen anderen Sport gesucht. Seine Figur glich der eines Schwimmers, relativ breite Schultern bei einer schmaleren Hüfte und langen Beinen. Harry war überrascht, dass ihm auffiel, dass Malfoy schöne Schulterblätter hatte. Wenn er so darüber nachdachte hatte er zum Beispiel keine Ahnung wie die von Ron aussahen. Warum auch?

„Ich nehme an dass Scorpius nach der Scheidung bei mir bleiben wird. Trotzdem ist es in der letzten Woche der Ferien immer kritisch. Meinst du, er könnte öfter zu Besuch kommen?“

Jetzt schaute auch Harry den Kindern zu. Sie lachten und schienen sich prächtig zu amüsieren. Sie hatten sich die Besen aus dem Schuppen geholt und spielten ein provisorisches Match im Garten. Scorpius war einer von ihnen.

„Ich denke James würde mir den Kopf abreißen, wenn nicht.“

Hermine stellte sich zu den beiden Männern an die Glasscheibe.

„Sogar meine kommen mit deinem Sohn klar… das hätte ich nicht unbedingt erwartet. Ron hat ziemlich viel rumgestänkert in letzter Zeit.“

„Zum einen ist Scorpius umgänglicher als ich und zum anderen, weiß ich aus eigener Erfahrung, dass Kinder ihre Väter selten erst nehmen wenn sie mit hochrotem Kopf rumstänkern.“

„Stänkerst du auch oft oder was?“

„Nur wenn Victoria anwesend ist.“

„Deine Frau?“

„Exfrau. Bald.“

Hermine schien den Wink verstanden zu haben und ging nicht weiter auf das Thema ein.

„Ich kann kaum glauben, dass ihr beide wirklich eure ersten richtigen Beziehungen geheiratet habt.“

„Wieso?“

„Naja, wolltet ihr euch nie die Hörner abstoßen oder so? Bevor ich geheiratet habe, habe ich es noch richtig krachen lassen.“

Hermine räusperte sich verschämt. Harry war mittlerweile nicht mehr überrascht.

„Wenn man weiß, dass es Liebe ist, ist das einfach nicht nötig.“, antwortete sie dann.

„Na dann: Glückwünsch.“

Es klang ein bisschen sarkastisch. Vermutlich stand Malfoy dem Gedanken der ewigen Liebe eher ablehnend gegenüber. Aber was sonst konnte man von einem Mann erwarten, der sich gerade scheiden ließ? Bestimmt war er auch ein bisschen verbittert. Wieder bedauerte Harry Malfoy dafür, dass er seinen Frieden wohl noch immer nicht komplett gemacht hatte. Harry öffnete die Tür zum Garten und rief: „Kommt rein, das Essen ist so gut wie fertig.“

Die Kinder ließen sich in ihrem Spiel nicht beirren.

„Das letzte Tor muss noch geschossen werden.“, stellte Malfoy fest. „Habt ihr eigentlich auch einen Schnatz da?“

„Ja, aber die Kinder dürfen ihn nicht benutzen. Es ist der, den Dumbledore mir gegeben hat und ich habe Angst, sie könnten ihn verlieren.“

„Berechtigt.“

„Wieso fragst du?“

Malfoy grinste ihn schief an.

„Ich wette ich würde ihn vor dir fangen.“

„Tse. Denkst du. Das hast du auch früher auch nie geschafft und da hast du geschummelt!“

„Ich bin besser geworden.“

„Wusste ich doch, dass du öfter spielst!“

„Wieso? Tue ich nicht. Aber meine Beobachtungsfähigkeit und meine Reaktionen sind trotzdem besser geworden.“

„Ich glaube dir nicht, Malfoy. Ich kann mir kaum vorstellen, dass du das Fair-Play für dich entdeckt hast.“

„Challenge accepted. Beim nächsten Mal bringe ich meinen mit.“

„Das kannst du haben!“

„Angst, Potter?“

„Hättest du wohl gerne!“

Harry musste lachen, als er ihre Worte von früher wiedererkannte. Wie weniger gezwungen es jetzt war, auch wenn er fühlte wie die alte Rivalität kurz wieder aufgeflammt war. Aber auf eine angenehme Weise. Eine fordernde. Er würde mit Sicherheit nicht gegen seinen Erzfeind aus Schultagen verlieren! Es war aufregend die alte Zeit noch einmal ganz anders aufleben zu lassen. Es war erstaunlich wie schnell er sich an die Veränderung des Blonden gewöhnt hatte. Wie hieß es? Zeit heilt alle Wunden. Das galt zwar bei weitem nicht für jede, wie Harry aus eigner schmerzlicher Erfahrung wusste, aber für einige war diese Binsenweisheit wohl doch gültig. Er bemerkte wie Hermines misstrauischer Blick auf ihnen ruhte.

„Alles Okay, bei dir, Malfoy?“, fragte sie.

Bevor er antworten konnte stiefelte Ron mit Ginny im Schlepptau ins Wohnzimmer und stellte diverse Teller und Besteck auf dem Tisch ab. Ginny brachte die ersten Schüsseln mit Essen und schnitt eine Grimasse in Rons Richtung als dieser gerade nicht hinsah.

Draußen räumten die Kinder die Besen wieder in die Hütte und begaben sich in Richtung Wohnzimmer.

„Wascht euch die Hände und zieht euch was Sauberes an. Ihr seht unglaublich aus!“, beschwerte sich Ginny. James verdrehte die Augen, folgte aber der Anweisung seiner Mutter.

„Guten Tag Mrs Weasley.“, sagte Scorpius höflich und folgte dann schnell seinem Freund.

„Er sieht netter aus als du.“, sagte sie zu Malfoy.

„Liegt daran, dass er auch netter ist.“, antwortete Malfoy nonchalant. „Ich glaube einige meiner Angestellten würden sich freuen, wenn ich ein wenig mehr wie er wäre.“

„Schlimmer Boss?“, fragte Hermine.

„Albtraumhaft. Ich bin nach wie vor ein Sadist und habe gerne Leute auf dem Kieker. Nur dass die jetzt regelmäßig wechseln. Je nach Tagesverfassung.“

Beruhigend, dass es durchaus noch unsympathische Züge an ihm gab.

„Sollte man als Boss nicht seine Launen aus der Arbeit raushalten?“, fragte Hermine schnippisch.

„Wozu wird man dann Boss? Immer noch die gute alte Arbeitsrechtlerin, was? Nein, im Ernst. Niemand kann immer gut gelaunt sein. Und ich habe meiner Meinung nach schon genug an meinem Charakter gearbeitet. Mal ganz abgesehen davon, dass mir wenigstens keiner meiner Leute auf der Nase herumtanzt.“

„Darüber kann man wohl unterschiedlicher Meinung sein.“

„Leg mal deine rosarote Brille ab. Ernsthaft.“

„Leute! Ich habe Arbeit genug mit Ron. Fangt ihr nicht auch noch an!“, mischte sich Ginny mit blitzenden Augen ein.

„Jawohl, Mam!“

„Verarsch mich nicht, Malfoy.“

„Nie im Leben.“

„Ach du kannst mich!“

„Wo und wann?“

„Sprich das mit Harry ab.“

„Nichts da. Sie bleibt meine Frau.“

„Kannst sie behalten Mann. Mit Weibern die eine eigene Meinung und ein Gehirn haben bin ich erst mal durch.“

Harry konnte nicht anders als darüber zu grinsen.

„Ich ziehe da einfach mal ein Kompliment für mich heraus und verzeihe dir.“, sagte Ginny bevor sie wieder zu Ron in die Küche verschwand.

„Deine Ex hat also Gehirn und eine eigene Meinung?“

„Das muss ich ihr leider lassen. Sonst hätte ich sie gar nicht erst geheiratet. In letzter Zeit stelle ich jedoch fest, dass mir Sekretärinnen mit Vaterkomplex mehr liegen. Wenn sie nicht für mich arbeiten, natürlich.“

„Scherz?“

„Nein.“

„Du bist eklig Malfoy. Frauen sind doch kein Stück Fleisch.“

„Darüber, Hermine, würde ich gerne nochmal diskutieren, wenn keine Minderjährigen im Hause sind.“

„Steckst du grad in der Midlifecrisis oder was?“

„Nein, in einer Scheidung. Und Männer werden selten erwachsen.“

„Ich gebe auf.“

„Besser so, Liebes.“

Harry konnte sich gerade lebhaft vorstellen wie Malfoy den Sekretärinnen seiner Kollegen den Kopf verdrehte. Oder auch einfach nur einer jungen Frau in irgendeiner Bar. Einen gewissen Charme hatte er, das musste man ihm lassen. Und für einen Mann Mitte dreißig hatte er noch einen wirklich akzeptablen Körperbau.

Als Ginny und Ron mit dem Decken des Tisches fertig waren und sich auch sämtliche Kinder an dem großen Tisch eingefunden hatten begannen sie zu essen.

Am Anfang waren es ausschließlich die Kinder, die für die Unterhaltung sorgten. Ron beobachtete misstrauisch den Umgang den Rose und Hugo mit Scorpius pflegten, konnte aber keine Verfehlung auf Seiten des Blonden Jungen ausmachen.

„Sag mal, Dad, James und ich haben uns da was überlegt.“, begann Scorpius plötzlich.

„Das klingt schon nicht gut.“

„Doch, alles halb so wild. Du kennst doch die Band, die ich so gerne höre.“

„Leider Gottes, ja.“

„Dad! Also die spielen bald in Wales und wir würden da gerne hin. Es ist an einem Sonntag, da hast du doch meistens frei… wenn Ginny und Harry James erlauben würden mitzukommen… und vielleicht auch Toddy… dann könnten wir doch bestimmt alle bei uns schlafen, oder?“

Harry sah sich direkt dem gekonnten Hundeblick seines älteren Sohnes ausgeliefert während Scorpius seinen Vater ganz geschäftsmäßig taxierte.

„Muss ich da mit?“, fragte Malfoy.

„Ja, Einlass ist unter 16 nur in Begleitung Erwachsener. Aber du solltest bedenken, dass ich ein traumatisiertes Scheidungskind bin. Und es ist allgemein bekannt, dass Eltern in und nach einer Scheidung sehr darum bestrebt sind ihren Kindern etwas Gutes zu tun, weil sie ein schlechtes Gewissen haben…“

„Dir geht es wohl ein bisschen zu gut hier. Ich hab überhaupt kein schlechtes Gewissen deine Mutter aus dem Haus zu werfen. Aber meinetwegen, gib mir das Datum und ich sehe zu, dass ich an dem Tag fei habe.“

„Muuuuuum? Daaaaaaad?“

„Da hast du dir ja einen ganz herrlichen Moment ausgesucht, James.“, seufzte Ginny.

Harry konnte sich schon denken, auf wessen Mist das gewachsen war. Es steckte eben doch eine gute Portion Malfoy in Scorpius.

„Bitte!“

„Wollt ihr eure Kinder echt diesem Typ ausliefern?“, platzte es aus Ron heraus.

„Hey! Urteil du nicht über die Vaterqualitäten meines Vaters!“ mit seiner Gabel deutete Scorpius auf Ron und sah ihn wütend an.

„Ein so guter Vater kann er ja nicht sein, wenn er dich über die Ferien abschiebt!“

„Zwing mich nicht, dich wieder Schnecken spucken zu lassen, Weasley!“

Malfoys Augen hatten ebenfalls einen beunruhigenden Ausdruck angenommen. Harry befürchtete, dass sich hier eine Situation zusammenbraute, die nicht wieder in geregelte Bahnen zu lenken war.

„Mein Vater macht seinen Job ziemlich gut. Ich hab mich selber dazu entschieden hier her zukommen, damit er mehr Zeit hat sich um die Arbeit und den Papierkram zu kümmern. Er tut alles, was er kann. Und ich lasse definitiv nicht zu, dass ein bornierter, ignoranter, kognitiv eingeschränkter Idiot wie Sie das in Frage stellt!“

Gesprochen wie ein wahrer Malfoy, dachte Harry. Ron starrte den Jungen sprachlos an. Hugo und Rose schienen nicht zu wissen wessen Partei sie ergreifen sollten.

„Da hast du es, Weasley. Ich möchte mal gerne wissen, was du in so einer Situation machen würdest. Du kannst mir einiges vorwerfen, vieles davon auch mit Recht. Aber eines nicht: Behaupte nie wieder ich sei ein schlechter Vater.“

„Sonst was?!“, fragte Ron provozierend.

Langsam stand Malfoy von seinem Stuhl auf und stütze sich auf der Tischplatte ab, so dass er sich zu Ron herunterbeugen konnte. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast. Harry lief es beim Anblick von Mafloys hartem Gesichtsausdruck kalt den Rücken herunter. War die Temperatur hier gerade gesunken?

„Dann, Weasley, wirst du es bereuen.“

„Bitte! Mehr hast du nicht drauf? Ich bin Auror!“

„Super. Ich brauche nicht mal einen verdammten Zauberstab um die Sch-“

„Dad. Ich glaube er hat es verstanden.“

Die Stimme seines Sohnes schien Malfoy augenblicklich daran zu erinnern, dass er hier nicht mit Ron alleine war.

„Tut mir Leid. Das war vielleicht ein wenig unangemessen.“

Er fuhr sich mit der rechten Hand durch den Nacken und atmete einmal tief durch. Jetzt, wo Harry die Statur der Beiden verglich war er sich nicht sicher wer eine Konfrontation gewinnen würde. Malfoy war eigentlich immer der bessere Zauberer gewesen. Und er schien körperlich sehr fit zu sein. Ron allerdings hatte die Erfahrung eines Aurors und war etwas unzurechnungsfähig wenn sein Temperament erst mal überkochte. Malfoy griff sich sein Jackett und zog es wieder über.

„Ich wird mal draußen einen kleinen Spaziergang machen.“

„Kommst du wieder rein?“

Harry wusste selbst nicht, wieso er diese Frage stellte.

„Ja, ich denke schon.“

„Ich komme mit.“

Scorpius hatte sich ebenfalls erhoben.

„Das Essen schmeckt echt gut, Ginny. Kann ich mir später noch etwas warm machen?“, fragte Scorpius.

„Sicher. Kein Problem.“

„Ja, geschmeckt hat es wirklich.“

Malfoy schien noch etwas hinzufügen zu wollen, besann sich aber eines besseren und verließ stattdessen wortlos das Wohnzimmer. Sein Gang wär härter, wütender. Es schien ziemlich in ihm zu brodeln.

„Na klasse.“, murmelte Scorpius und beeilte sich hinterher zu kommen.

„War das wirklich notwendig Ron?“, fragte Hermine als die Tür ins Schloss gefallen war.

„Was denn? Ich habe nur eine vollkommen berechtigte Frage gestellt. Ich würde unsere Kinder nie irgendwo hin abschieben!“

„Er wollte Scorpius aus der Schusslinie holen.“, verteidigte Harry Malfoy.

„Pah! Sagt er. Der will einfach nur ein bisschen High-Life feiern.“

„Warum will er dann den Jungen bei sich behalten, statt ihn zu seiner Mutter zu schicken?“

„Was weiß ich? Irgendwas wird er wohl davon haben.“

„Hat er nicht.“

Dieses Mal war es James, der sich einmischte.

„Weißt du Ron, ich kann ja echt verstehen, dass du was gegen seinen Vater hast, nach all dem, was Dad und du so über eure Schulzeit erzählt habt. Aber nach dem, was Scorpius so erzählt tut Mr. Malfoy wirklich alles was er kann. Er versucht all die Angelegenheiten so schnell wie möglich zu klären, damit Scorpius demnächst wieder in Ruhe zuhause wohnen kann. Und zwischen ihm und seiner Mutter geht es wohl wirklich ziemlich heftig her. Es war einfach nicht richtig ihn darauf anzusprechen. Ich glaube du hättest alles andere sagen können, aber nicht das. Überleg mal wie du das finden würdest hätte er dir unterstellt du würdest dich nicht um Rose und Hugo kümmern.“

„Da hat er Recht, Ron.“, sagte jetzt auch Ginny. „Ich finde ja auch, dass Malfoy noch etwas von dem Arschloch hat, das er früher war. Auch wenn er sich verändert hat. Aber das ändert nichts daran, dass er versucht es dem Jungen so leicht wie möglich zu machen.“

„Wollt ihr mich eigentlich verarschen?“

„Jetzt fühl dich nicht gleich so verraten, Schatz.“, versuchte Hermine ihren Mann zu beruhigen. „Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht verstehen könnte. Aber man zieht einfach die Kinder nicht mit in so eine Fehde rein. Vor allem dann nicht, wenn sie mit am Tisch sitzen.“

Ron schwieg und schaufelte das Essen in großen Portionen in sich hinein. Der Rest der Mahlzeit verlief schweigend. James und die anderen standen früh vom Tisch auf und verzogen sich nach oben. Harry war sich nicht sicher, was er von diesem Tag halten sollte. War es richtig, dass er ständig Partei für Malfoy ergriff? Ein wenig konnte er ja verstehen, dass Ron sich deswegen verraten fühlte. Für den Rothaarigen war es einfach viel schwieriger zu verzeihen. Er hätte es einfach nie zu diesem Essen kommen lassen dürfen. Anderseits hatte er auch nicht erwartet, dass Ron so unter die Gürtellinie gehen würde und das Malfoy sich dann so wenig unter Kontrolle haben würde. Vor allem hätte er nicht erwartet, dass der Blonde dabei so bedrohlich wirken konnte. Wie weit würde er gehen, um das Gegenteil zu beweisen?

„Wir holen dann wohl auch besser die Kinder und fahren erst mal. Morgen wollten die Kinder sich ja wieder treffen. Das geht doch klar, oder?“, fragte Hermine, die sich sichtlich unwohl zu fühlen schien.

„Klar, warum denn nicht? Sicher, die Sache heute war sehr ärgerlich. Aber es ist jetzt halt passiert. Die Kinder haben ja keinen Streit, oder?“, antworte Harry mit einem Lächeln.

„Sie schienen sich gut zu verstehen.“, gab Ron widerwillig zu.

„Dann bringt sie einfach morgen wieder vorbei. Und bleibt doch zum Abendessen. Nur wir, okay?“

Rons Miene hellte sich ein wenig auf, als er Begriff, dass Harry ihm schon verziehen hatte.

„Ja, gerne. Bis morgen dann. Ich hol nur schnell die Beiden von oben.“

Er verschwand nach oben und ließ die drei alleine im Wohnzimmer zurück.

„Tut mir Leid, dass das so blöd gelaufen ist.“

„Ist doch jetzt auch egal.“, sagte Ginny.

„Willst du es James eigentlich erlauben?“, fragte Harry

„Was?“

„Das Konzert.“

„Ach so. Ich weiß nicht. Wenn es bei den Malfoys gerade so stressig ist, weiß ich nicht, ob das eine so gute Idee ist. Was, wenn seine Ex da aufläuft und es Streit gibt?“

„Und wenn ich auch einfach mitfahre? Ich wollte schon immer mal gerne nach Wales und es wird auch mal wieder Zeit, dass ich was mit dem Jungen mache. Mit Severus gehe ich oft irgendwo hin aber James ist mir in letzter Zeit etwas aus den Händen geglitten.“

„Er ist 15…“

„Umso besser, wenn er seinen alten Herrn mal wieder dabei haben wollen würde.“

„Ich weiß nicht. Lass uns heute Abend noch einmal darüber reden…“

„Du würdest wirklich ein halbes Wochenende mit Draco Malfoy verbringen?“, fragte Hermine und beobachtete ihn misstrauisch.

„Wir bringen alle Opfer.“

Harry fühlte sich bei dieser Antwort unbehaglich. Weil er wusste, dass er log. Irgendetwas in ihm wollte ein bisschen Zeit mit dem anderen Mann verbringen. Da waren noch so viele Fragen, die er hatte, so viel über das er reden wollte. Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, dass er auf eine Art mit Malfoy verbunden war, die die anderen nicht verstehen konnten. Das war ihm bei ihren letzten beiden Gesprächen über den Krieg klar geworden. Malfoy wusste wie es war um seine Seele zu bangen. Er konnte Harry mit Sicherheit in Punkten verstehen über die er nicht einmal mit Ginny sprach. Und Harry wusste, dass er es einfach erzählen konnte. Gerade deswegen, weil sie keine engen Freunde waren, sich aber doch sehr eng kannten. Den Feind kannte man manchmal besser als die Freunde. Nicht, dass er großartig Ahnung von Malfoys Innenleben oder seiner Familie hatte, aber er konnte die Körpersprache des anderen Mannes lesen wie ein Buch. Und das, was sie ihm zurzeit sagte war, dass Malfoy keinen Groll gegen ihn hegte, dass er genauso neugierig war wie Harry. Aber wem sollte er das anvertrauen?
 

Soo, das war es dann fürs erste. Das näcshte Kapitel ist schon in Arbeit

Ein schiksalhafter Traum und eine zufällige Begegnung

Sooo, jetzt geht es mit 2 kleinen Kapiteln weiter. Vor allem das erste wird später noch wichtig sein, auch wenn die Geschichte keinen sonderlichen Sprung nach vorne macht.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch noch mal bei den freundlichen Kommi-Schreibern bedanken.

Soo, ich hoffe, es geällt:
 

4. Ein schicksalhafter Traum
 

Ron, Hermine und die Kinder hatten das Haus gerade eine Viertelstunde verlassen, als Malfoy und Scorpius von ihrem Spaziergang zurückkamen. Malfoy sah nach wie vor ein wenig angesäuert aus, aber bei weitem nicht so wütend wie noch vor ein paar Minuten.

„Das lief wohl nicht so gut. Tut mir Leid.“, entschuldigte sich Harry für Ron.

„Es lief, wie es laufen musste. Weasley und ich sind einfach inkompatibel.“

„Waren wir das nicht auch?“

„Das ist was anderes. Darüber können wir uns dann ein anderes Mal unterhalten. Ich muss auch langsam wieder an die Arbeit.“

„Vielleicht solltest du mal ein bisschen schlafen.“

„Später. Wenn Zeit dafür ist.“

„Das ist nicht grade vernünftig.“

Draco zog eine seiner Augenbrauen nach oben.

„Seit wann bist du Guru für vernünftige Entscheidungen?“

„Gute Ratschläge kann man auch verteilen ohne sie je befolgt zu haben. Macht doch jeder so, oder nicht?“

„So ziemlich. Du wärst doch ein ganz passabler Slytherin geworden.“

„Im Großen und Ganzen nicht.“

Noch immer behagte Harry der Gedanke nicht, dass der sprechende Hut zunächst vorgehabt hatte ihn nach Slytherin statt Gryffindor zu verfrachten. Nach wie vor assoziierte er nichts Gutes mit diesem Haus, zu sehr erinnerte es ihn an schwarze Magie und Muggelhass.

„Dieses Haus hat mehr Qualitäten als man glauben will.“

Als hätte er seine Gedanken gelesen. Es war Harry nicht geheuer, wie Malfoy ihn zwischendurch ansah. Aber war es das je gewesen? Er hatte dem Blick des Blonden immer schwer standhalten können. Aber damals hatte er ihn anders angesehen. Ein hasserfüllter Blick war leichter zu quittieren und zu ertragen als dieses gescannt werden.

Malfoy nahm seinen Mantel vom Haken und warf ihn sich über die Schultern.

„Ich weiß nicht genau, wann ich es das nächste Mal schaffe…“

„Sag einfach kurz vorher Bescheid.“

Als Malfoy die Tür öffnete um nach draußen zu gehen fegte ein leichter Windstoß die Auffahrt entlang. Augenblicklich roch es für einen kurzen Moment wieder nach dem Kräutergemisch, das er schon beim ersten Mal wahrgenommen hatte. Es war ein beruhigender Duft. Wohlfühl-Aroma, auch ein bisschen sinnlich. Was das wohl für ein Heiltrank war an dem er arbeitete?

Malfoy erhob noch einmal grüßend die Hand und verschwand dann mit einem lauten Knall.

Harry blieb noch einige Sekunden auf der Türschwelle stehen und ertappte sich dabei wie er versuchte noch einmal diesen ganz speziellen Geruch aus der Luft filtern zu wollen. Natürlich gelang es ihm nicht. Er schüttelte den Kopf als könne er damit all die komischen Gedanken, die ihn in letzter Zeit traktierten abschütteln. Schließlich drehte er sich um und schloss die Tür hinter sich mit einem festen Ruck. Er wurde das Gefühl nicht los, dass Draco Malfoy ihren Hausfrieden durcheinander gerüttelt hatte, wenn auch auf eine Art und Weise, wie Harry sie nicht für möglich gehaltenhatte. Er sympathisierte mit seinem alten Feind und stritt mit seinem besten Freund. Seit neuestem dachte er wieder viel über die alte Zeit nach und fühlte sich seltsam eingepfercht. Es lag nicht an Ginny oder den Kindern. Vielmehr wurde er von einer inneren Unruhe geplagt, die er sich nicht erklären konnte. Irgendetwas war passiert, als Malfoy seinen Fuß zum ersten Mal in dieses Haus gesetzt hatte. Und jetzt ließ sich sein Geist nicht mehr entfernen.
 

In dieser Nacht träumte Harry schlecht. Er rannte durch einen Wald, dessen seltsames dunkelgrün kaum Licht zu Waldboden dringen ließ. Alles verschwamm vor seinen Augen, es gab keine klaren Konturen. Er wusste nicht, wo er war. Es war totenstill. Keine Vögel, keine anderen Tiere, kein Knacken im Gebüsch. Nicht einmal ein Windhauch. Als hätte die Welt aufgehört zu existieren. Er rief. Doch seine Stimme kam gedämpft aus seiner Kehle, wurde von der Stille verschluckt. Und dann sah er ihn. Er stand plötzlich dort. Direkt vor ihm. Er wirkte blass, kränklich. Sein blondes Haar war stumpf geworden. Seine Augen hatten an Glanz verloren. Er sah furchtbar leblos aus. Harrys Blick wanderte nach unten. Dort, wo Malfoys Herz sein sollte klaffte ein riesiges Loch. Aber Harry konnte nicht hindurchsehen. Darin war nichts als schwärze. Wie Öl tropfte sie aus dem Loch heraus. Zähflüssig, anorganisch, tot.

Malfoys Gesicht verzog sich als würde er Schmerzen leiden.

„Lauf, Harry.“, sagte er.

Und dann brach die Hölle los.

Die Kulisse des Waldes löste sich in einem riesigen Inferno aus Flammen und Explosionen auf. Er sah Hogwarts, wie es brannte. Er erlebte jeden Tod seiner Freunde von neuem mit. Alles lief wieder vor seinem inneren Auge ab. Er sah Dumbledore vom Turm stürzen und Snape verbluten. Er sah Remus und Tonks leblos auf dem kalten Steinboden der großen Halle liegen.

Er wusste, was als nächstes kam. Diesen Teil des Traumes kannte er. Jedes Mal erlebte er ihn als sei er hellwach und konnte doch nicht aufwachen.

Voldemort stand vor ihm und verhöhnte ihn für seine Schwäche. Er sah Harry an und lächelte boshaft. Harry spürte wie all der Hass von Voldemort in ihn strömte, er spürte wie alles Positive in ihm zerbrach und ausgemerzt wurde. Das war die Stelle an der er normalerweise aufwachte.

Dieses Mal blickt er an sich herunter und sah, dass auch er ein Loch in seiner Brust hatte.

„Ich habe dir doch gesagt, du sollst laufen.“, hörte er eine Stimme in seinem Kopf bevor er mit einem gellenden Schrei erwachte.
 

„Schatz, was ist denn los?“, erschrocken blickte Ginny ihn aus ihren großen Augen an, während Harry noch dabei war zu begreifen, dass er der grässlichen Traumwelt entflohen war. Ja, das hier war ihr Schlafzimmer. Er presste seine rechte Hand an sein Herz, das genau da war, wo es hingehörte. Da war kein Loch. Alles war in Ordnung. Weder spürte er den versengenden Hass aus seinem Traum noch war irgendwas in ihm abgestorben. Es war alles in Ordnung.

„Ich habe nur schlecht geträumt. Schlaf weiter.“

„So schlimm war es lange nicht mehr.“

Besorgt strich sie ihm durch das schweißnasse Haar.

„Es ist nichts… ich denke nur wieder mehr über früher nach. Das ist alles.“

„Es tut dir nicht gut Malfoy zu sehen, Harry.“

„Das hat doch damit nichts zu tun.“, widersprach er.

Natürlich hatte es das. Warum sonst kam Malfoy in seinem Traum vor? Warum sonst war dieser Albtraum so intensiv wie schon lange nicht mehr?

Wieso machte er sich selbst etwas vor?

„Und selbst wenn. Was soll ich dann machen?“

„Sprich einfach nicht mehr mit ihm über dieses Thema. Lass ihn zu Scorpius gehen und verabschiede ihn ohne viel Brimborium zwischendurch.“

Irgendetwas sagte Harry, dass das nicht richtig war. Dass die Träume wiederkamen hieß doch nur dass er sein Trauma noch immer nicht verarbeitet hatte. Wenn Malfoy die Erinnerung wieder wachrufen konnte, dann konnte er Harry vielleicht auch helfen sie zu besiegen. In seinem Traum hatten sie beide verloren, sie beide hatten dagestanden mit Löchern in der Brust. Sie beide hatten mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Was, wenn das ein Zeichen war?

„Ich weiß nicht. Lass uns nicht jetzt darüber reden. Wir müssen morgen beide früh raus.“

Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und legte sich wieder hin.

„Versprich mir nur, dass du auf dich aufpasst, Harry.“, murmelte Ginny und kuschelte sich an seine Brust.

Geistesabwesend streichelte er ihr dichtes Haar, mit den Gedanken ganz woanders.

Schlafen würde er diese Nacht nicht mehr.
 

5. Wie es der Zufall will
 

Harry teilte die Meinung der meisten Menschen, dass es sich bei der Bearbeitung von Papierkram um die grausamste Erfindung seit Volksmusik handelte. Und doch blieb ihm nichts anderes übrig. Er schob seine Brille ein Stück weit nach oben um seine Nasenwurzel massieren zu können. Ein leichtes Pochen hatte sich in seinem Hinterkopf eingeschlichen. Er hatte die ganze Nacht kein Auge mehr zugetan. Vollkommen übermüdet saß er nun in seinem Büro und versuchte seit 2 Stunden die Akten zu bearbeiten für die er sonst nicht einmal die Hälfte der Zeit benötigt hätte. Wieso hatte er keine Sekretärin für so etwas? Mit einem Seufzen ließ er sich in seinem Stuhl zurücksinken. Das hatte doch keinen Sinn so. Er erhob sich und griff nach seinem Mantel. Dann würde er eben seine Mittagspause vorziehen, sich etwas gegen die Kopfschmerzen besorgen und dann gestärkt weitermachen. Als er sein Büro verließ fühlte er sich schon ein wenig entspannter auch wenn er wusste dass er in spätestens einer Stunde wieder dort hin musste um seine Arbeit zu Ende zu bringen. Der Traum von letzter Nacht ließ ihn noch immer nicht los. Sein Schatten klebte in dem hintersten Winkel von Harry Unterbewusstsein fest und drängte sich immer wieder in seine Gedanken. Was hatte diese neue Komponente zu bedeuten? War es eine Warnung vor irgendetwas? Wovor sollte er weglaufen? Warum war es ausgerechnet Malfoy, der die Warnung aussprach? So in Gedanken vertieft bog er um die nächste Ecke und prallte prompt mit jemandem zusammen, den er übersehen hatte. Der Aufprall war hart und ziemlich unangenehm, riss aber glücklicherweise niemanden von den Füßen.

„Entschuldigung, ich wollte nicht-“, Harry rückte seine Brille zurecht und erkannte mit wem er zusammen geprallt war. Er konnte die Ironie der Situation nicht übersehen.

„Malfoy?“

Malfoy strich sein Hemd wieder glatt, das bei ihrem Zusammenprall etwas verknittert war.

„Potter, du musst irgendwann mal lernen ohne Begleitung unterwegs zu sein ohne irgendwas anzurichten.“

Er sah wesentlich besser aus als am Tag zuvor. Als hätte er Harry’s Rat befolgt und tatsächlich geschlafen. Im Gegensatz zu ihm selbst.

„Was machst du hier?“, fragte er Malfoy statt auf dessen Bemerkung einzugehen.

„Ich hab das Rezept fertig. Gestern Abend hatte ich einen Geistesblitz. Da müsste ich mich glatt bei dem Wiesel bedanken. Mein Wutausbruch hat scheinbar mein Gehirn freigeblasen. Jetzt wollte ich es schnell persönlich einreichen. Sicher ist sicher.“

„Ja dann… herzlichen Glückwunsch, würde ich sagen.“

„War eine knappe Angelegenheit. Irgendwem scheint einiges an diesem Trank zu liegen. Es wurden mehrere Firmen damit betraut. Die, die als erstes fertig ist bekommt das ganze Geld.“

„Das klingt in der Tat ein bisschen seltsam…“

„Mir soll’s egal sein… und was bringt dich dazu Leute auf dem Gang weg zu rammen?“

„Ich ziehe meine Mittagspause vor. Papierkram… und ich kann mich nicht richtig konzentrieren.“

„Kenn ich. Warst du schon mal im ‚Midi‘? Ist hier in der Nähe. In der Kreuzgasse. Kann ich nur empfehlen um den Kopf frei zu bekommen.“

„Nein, war noch nie da. Vielleicht schaue ich es mir mal an…“ Oder auch nicht. ‚Midi‘ hörte sich französisch und teuer an. Nichts davon behagte ihm im Moment.

„Du solltest übrigens mal deinen eigenen Rat befolgen und schlafen gehen.“

„Ja, ich weiß…“

Malfoy sah ihn wieder auf diese seltsame Art an. Fragend, aber auch so als ahne er schon, was in Harry vorging. Erst befürchtete Harry, dass der Blonde etwas sagen würde, das ihn noch mehr zum denken zwang. Aber er schien sich anders zu entscheiden.

„Na ja, ich gehe dann jetzt mal weiter. Nicht, dass mich doch noch auf den letzten Metern jemand überholt und vor mir am Amt ist.“

„Das wäre natürlich dramatisch.“

„Allerdings. Ich werde mich heute Abend kräftig mit ein paar Freunden betrinken. Wenn du also nichts zu tun hast… ich bin gerade guter Laune und etwas spendabel aufgelegt. Bring Ginny gerne mit. Ist sogar der tropfende Kessel. Da warst du doch früher ständig oder nicht?“

Harry war zugegeben etwas überrascht- Und unsicher. Ginny hatte ihm geraten sich von Malfoy fern zu halten und wäre sicher nicht begeistert von der Idee. Sie nahm es immer ziemlich persönlich wenn man ihre Ratschläge in den Wind schlug. Auf der anderen Seite war er lange nicht mehr feiern gewesen… auch wenn er insgeheim wusste, dass das nicht der Grund war, warum er mit dem Gedanken spielte die Einladung anzunehmen.

„Ich schau mal in welcher Verfassung ich heute Abend bin…“

„Normalerweise würde ich ja sagen, dass du schlafen solltest. Da dir aber offensichtlich was im Kopf rumgeistert solltest du einfach mal aus deinem Trott ausbrechen. Sonst mach was mit dem Wiesel oder so. Aber hör auf zu gucken als würde dir das Schicksal jede Sekunde auf die Stiefel kotzen.“

„Ich werde mich bemühen.“

Malfoy schien tatsächlich bester Laune zu sein.

„Ich werd’s ja sehen. Also, bis heute Abend. Oder die Tage mal.“

Zu Harrys Überraschung berührte Malfoy ihn kurz an der Schulter. So wie er das häufiger mal bei Männern sah, die sich verabschiedeten. Und dennoch kam diese plötzliche körperliche Nähe, so flüchtig sie auch war, aus heiterem Himmel. Sie hatten sich noch nie berührt. Schlägereien ausgenommen. Ein seltsames Gefühl, unheilvoll und angenehm elektrisierend zugleich, breitete sich in seiner Magengegend aus.

„Ja, genau.“, stammelte er nur aber Malfoy war schon an ihm vorbeigerauscht und marschierte strammen Schrittes dem Aufzug entgegen. Harry sah ihm noch kurz nach bevor er den Kopf schüttelte. Hunger hatte er keinen mehr.
 

Trotz allem hatte Harry seine Mittagspause durchgezogen. Er war ein wenig durch die Muggelstraßen spaziert und hatte einen faden, pappigen Burger gegessen, der das Geld nicht wert gewesen war. Nun war er noch unmotivierter als vor seiner Pause. Aber was brachte es? Demotiviert schlich er die Treppe zu seinem Büro hinauf. Wann hatte er sich das letzte Mal so gefühlt? Als er seinen Mantel aufhängte sah er, dass ein kleines Fläschchen auch seinem Schreibtisch stand. Daneben lag ein kleiner Zettel.
 

Bläst den Kopf frei. Nicht (!!!!) zur regelmäßigen Einnahme empfohlen. Schlaf gut.

PS: Schon mal dran gedacht deine Tür abzuschließen? Hier kann ja jeder Arsch ein und ausgehen…
 

Die Handschrift erkannte er deutlich wieder. Aber warum? Er nahm den kleinen Flacon in die Hand. Vielleicht war Malfoy ja ähnlich verwirrt wie Harry und deshalb so freundlich… oder führte er vielleicht doch etwas im Schilde? Aber was? Harry war sich nicht sicher, ob er das Zeug nehmen sollte. So wie er Malfoy in letzter Zeit kennengelernt hatte hielt er es durchaus für möglich, dass der Inhalt unter das Betäubungsmittelgesetzt fallen könnte. Er steckte das Fläschchen in seine Hosentasche und nahm den Zettel in die Hand. Es fühlte sich komisch an, dass Malfoy hier gewesen war. Alles fühlte sich komisch an. Aus irgendeinem Grund wollte Harry den Zettel nicht zerknüllen und dem Papierkorb überlassen. Stattdessen faltete er ihn sorgfältig zusammen und steckte ihn zu dem Trank in seine Tasche. Wurde Zeit, dass er sich auf seine Arbeit konzentrierte. Auch wenn er lustlos war begann er mit dem Eifer eines Mannes zu arbeiten der tunlichst über nichts nachdenken wollte. Und über niemanden.
 

Sooo, das war es dann erst mal wieder. Mit dem nächsten Kapitel dürfte es aber etwas schneller gehen, da ich die schlimmste von den 3 Hausarbeiten hinter mir habe. Da der Plot nur grob steht: Irgendwelche Wünsche, Vorschläge oder Anregungen?

Wie viel darf es bitte sein?

Sooo, das neue Kapitel kommt jetzt ziemlich schnell weil ich gerade Zeit und Lust zum schreiben hatte. Ich hoffe, dass das vorerst so bleiben wird.

Die Entwicklung in diesem Kapitel ist relativ schnell. Ich hoffe dass Harrys Beweggründe trotzdem deutlich werden. Danach wird das Tempo vermutlich auch wieder gedrosselt. :D

Vielleicht gibt es demnächst auch mal ein Kapitel aus Draco's Sicht, oder über die beiden Jungs.
 

So, viel Spaß.
 

Wie viel darf es denn sein?
 

Harry war überrascht wie effektiv er es nun doch geschafft hatte zu arbeiten. Er hatte sein Pensum sogar überschritten. Jetzt hatte er Feierabend und konnte endlich nach Hause gehen. Malfoys‘ Einladung, heute Abend in den Tropfenden Kessel zu gehen, kam ihm wieder in den Sinn. Aber er konnte doch nicht einfach so weg bleiben. Würde er Ginny sagen, was er vor hatte wäre sie nicht begeistert. Anlügen wollte er sie nicht. Also blieb ihm keine andere Wahl als wie jeden Abend mit ihr und den Kindern Abend zu essen und dann irgendwann schlafen zu gehen. Wieso störte ihn das plötzlich so massiv? Er hatte es doch immer gemocht abends mit ihr auf dem Sofa zu kuscheln. Alles war so verdreht in letzter Zeit. Gerade als er seine Akten vom Schreibtisch geräumt hatte flog einer der kleinen Memo-Papierflieger in sein Büro.

„Nicht auch noch das…“, dachte Harry, der einen kurzfristigen wichtigen Auftrag befürchtete. Sichtlich genervt faltete er das Stück Papier auseinander.

Hallo Schatz. Ich fürchte ich werde heute Abend nicht nach Hause kommen können. Es hat sich kurzfristig ergeben, dass ich den Minister nach Frankreich begleiten muss – zu einem wichtigen diplomatischen Gespräch. Ich hoffe nicht, dass ich das ganze Wochenende wegbleibe. Es tut mir Leid, dass ich nicht persönlich vorbeikommen konnte. Lass uns morgen via Kamin miteinander sprechen, ja? Tut mir Leid. Ich liebe dich. Ginny

PS: Nur James und Scorpius sind zu Hause. Der Rest ist bei Hermine und Ron. Also mach dir einen ruhigen Abend.
 

Manchmal hatte Harry den Eindruck dass Ginny eher mit der Arbeit (und dem Minister) als ihm verheiratet war. Er fragte sich auch manchmal, ob er eifersüchtig sein sollte. Aber er vertraute Ginny (abgesehen davon war der derzeitige Minister ein kleiner untersetzter Mann, der erstaunliche Ähnlichkeit mit einem Biber aufwies). An seinen Abendplänen änderte das jedenfalls nichts. Er konnte die Jungs ja schlecht alleine zu Hause lassen. Er warf Ginny’s Nachricht achtlos in seine Aktentasche und verließ sein Büro. Auf dem Gang herrschte der übliche Feierabendverkehr. Harry reihte sich in die Massen der etlichen Zauberer ein, die zielsicher ihrem Feierabend entgegen trotteten. Trotz der vielen bunten Umhänge, die sie teilweise trugen kam Harry diese Masse oft grau und farblos vor. Besonders heute. Vielleicht sollte er wirklich mal Urlaub machen. Vielleicht mit Ginny und den Kindern nach Ägypten? Oder einfach ganz alleine… als wenn er das machen könnte! Harry beschloss per Flohpulver zu reisen auch wenn er dafür ein wenig länger warten musste. Er vertraute seiner Konzentration nicht ausreichend um zu apparieren. Er atmete tief durch. Seit wann fühlte er sich so? Erst seit kurzem? Oder wurde es ihm erst in der letzten Zeit bewusst? Harry liebte sein Leben, oder nicht? Das war doch das, was er immer gewollt hatte. Normalität. Eine Familie. Freunde. Ruhe. Ja, das war das Richtige für ihn? Aber warum fühlte er sich dann so rastlos?
 

Zuhause angekommen erwischte er die beiden Jungs dabei wie sie vor dem Fernseher rumlümmelten, den Harry irgendwann einmal aus reiner Gewohnheit gekauft hatte. Hätte er das doch bloß gelassen! Vor allem Scorpius war von diesem Gerät mehr als fasziniert.

„Hey Dad. Ich hab gehört Mum kommt heute nicht mehr nach Hause?“

„Nein, sie hofft es bis zu Wochenende wieder her zu schaffen…“

„Und wer kocht dann?“, schalkhaft grinste James ihn an. Sie hatten schon öfter einige Tage überbrücken müssen in denen Ginny nicht da gewesen war. In der Zeit hatte Harry festgestellt dass es mit seiner Kochbegabung nicht besser stand als mit Zaubertränken. Aber man konnte es essen.

„Ich bin ein ganz passabler Koch. Hab ich von Dad.“, warf Scorpius beiläufig ein.

„Malfoy kocht?“

Harry konnte sich den Blonden beim besten Willen nicht vorm Herd vorstellen.

„Natürlich. Er entwickelt Zaubertränke!“

Harry stellte sich immer vor wie Malfoy Tränke des Bösen und der Zerstörung im Keller braute und dabei böse lachte. Das hatte mit Kochen nicht das Geringste zu tun.

„Ich koche jedenfalls gerne. Dann kann ich mich auch mal nützlich machen.“

„Alles ist besser als das was Dad und ich fabrizieren. Wir sind ohne Frauen nicht lebensfähig.“

„Du bist manchmal ein ziemlicher Trottel, James.“, sagte Scorpius.

„Ich weiß.“

Aus irgendeinem Grund erfüllte Harry der Anblick der beiden, wie sie einträchtig auf dem Sofa saßen, mit Neid. Warum wusste er auch nicht. Das konnte er mir Ron auch. Einfach auf dem Sofa sitzen, angenehmes Schweigen zwischen ihnen. Was war es dann?

„Und was habt ihr zwei noch vor heute Abend?“

„Wenn du nichts dagegen hast, Filme schauen. Und Fastfood essen.“

Harry überlegte kurz. Eigentlich sprach nichts dagegen den Jungs mal einen Abend dieser Art zu gönnen. Es musste ja nicht zur Gewohnheit werden. Und für ihn bedeutete das, das er wirklich mal entspannen konnte.

„Warum eigentlich nicht. Ich habe heute übrigens deinen Vater getroffen, Scorpius.“

„Ja, ich weiß. Ich habe mich heute kurz mit ihm via Kamin unterhalten. Er wollte dich nochmal ansprechen, weil er gerne übermorgen vorbeikommen würde. Vielleicht kann ich sogar wieder ein paar Tage mit nach Hause, weil er jetzt wesentlich mehr Zeit übrig hat und Mutter zurzeit auf irgendeiner Beautyreise ist.“

„Das hört sich doch gut an.“

Also erst mal keine Besuche mehr. Er sollte sich freuen. Stattdessen fühlte er sich noch hohler.

„Dad du siehst echt nicht so fit aus.“, stellte James fest.

„Ja, ich weiß. Ich dachte auch ich könnte heute mal ein bisschen rausgehen…“

Er wusste selbst nicht, warum er das jetzt sagte. Er wollte nicht, dass die Jungs dachten, sie würden ihn an irgendetwas hindern.

„Dad hat ihn zum saufen eingeladen.“, warf Scorpius erklärend ein.

„Also theoretisch kommen James und ich gut alleine zurecht. Aber trotzdem solltest du dir das zweimal überlegen. Wenn Dad einmal den Humpen hebt, was glücklicherweise nicht allzu oft vorkommt, hört er erst auf wenn alles andere unterm Tisch liegt.“

„Wir verraten Mum auch nichts.“, James zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

„Ihr wollt nur sturmfrei haben, oder?“

„Ja.“, gab James zu. Diese Aussage beunruhigte Harry. Man sollte James nicht allzu lange unbeobachtet lassen. Er musste davon ausgehen, dass irgendwann James schädlichen Einfluss auf Scorpius haben würde und es mit der streichlosen Zeit zu Ende ging.

„Aber wirklich, Dad. Wann hast du es das letzte Mal krachen lassen?“

„Was hast du vor?“

„Wir, also Scorpius und ich, haben uns gedacht, dass es eigentlich total gut wäre, wenn du dich mit seinem Vater verstehst. Dann können wir nämlich besser chillen und ich kann in deren riesen Haus abhängen und sowas. Und man kann Familienessen und so was machen.“

„Also alles vollkommen selbstlos motiviert.“

Harry war sich nicht sicher, wie er sich entscheiden sollte. Es war verlockend einen Abend ganz anders zu verbringen. War er so spießig geworden, dass der Gedanke am Abend ein Bier zu trinken ihm schon wie ein Stück Freiheit vorkam? So schlimm wie Scorpius es geschildert hatte war es bestimmt nicht.

„Also gut. Warum eigentlich nicht… aber ich bleibe nicht lange weg. Wenn ich wieder da bin will ich, dass ihr auf eurem Zimmer seid.“
 

Als Harry vor dem tropfenden Kessel stand überfielen ihn Zweifel. Hätte er nicht doch lieber zu Hause bleiben sollen? Was für ein Vorbild war er denn bitte, wenn er seinen Sohn und Gast zuhause ließ und feiern ging? Er hatte sich zwar vorher bei Ron und Hermine gemeldet und ihnen gesagt er gehe mit ein paar Kollegen ein Feierabend Bier trinken und dass sie sich bitte melden sollten falls es Probleme gebe…aber trotzdem. Aber jetzt war er hier. Er holte noch einmal tief Luft und öffnete dann die Tür. Es roch noch Alkohol und Zigarettenrauch. Ein Duft, den er lange nicht mehr eingeatmet hatte und auf den er eigentlich verzichten konnte. Es war laut. Tom hatte die Musik aufgedreht und die Gäste grölten laut herum. Harry brauchte nicht lange um Malfoy auszumachen, auch wenn es ziemlich voll war. Das Haar des Blonden war so auffällig hell, dass er nicht zu verfehlen war. Er kämpfte sich etwas angestrengt durch die Masse und tippte Malfoy auf die Schultern. Als dieser sich umdrehte schien er sichtlich überrascht zu sein. War seine Einladung vielleicht doch nicht ernst gemeint gewesen? Doch dann lächelte er. Es sah gerade zu so aus als würde er sich wirklich freuen. Konnte das sein? Harry versuchte zurückzulächeln und dabei unverbindlich auszusehen. Höchstwahrscheinlich ging das ziemlich daneben. Seine Gesichtsmuskeln fühlten sich komisch an. „Harry! Hätte nicht gedacht, dass du kommst.“

Harry? Harry?! Malfoy drehte sich kurz Richtung Theke und drückte Harry dann ein großes Bier in die Hand.

„Äh… Danke.“

Er wusste nicht, ob er jetzt Malfoy oder Draco sagen sollte – und was ihm lieber war. Eine hübsche junge Frau kämpfte sich zu ihnen durch. Sie stellte sich eng hinter Malfoy (Draco) und legte ihm lasziv den Arm um die Schultern.

„Wer ist das denn?“, fragte sie.

„Ich denke sogar du kennst ihn…“

Harry entging der Unterton in Malfoy‘s (Draco‘s) Stimme nicht. Offensichtlich entstammte die junge Frau seinem bereits erwähnten Dumm-aber-zum-ficken-reicht‘s-Beuteschema.

„Ist ja auch egal. Ich bin drüben bei Abby. Komm gleich rüber ja?“

Sie lehnte sich noch einmal auffällig zur Theke um Malfoy einen ausgiebigen Blick auf ihr Hinterteil spendieren zu können und stakste dann davon.

„Das, Draco, ist ein bisschen traurig. Sogar für dich.“

Harry hatte sich zum Vornamen überwunden. Es gab keine besondere Reaktion darauf. Entweder war es Malfoy – Draco- egal, oder er überspielte seine Überraschung.

„Ja, ich weiß. Aber noch habe ich nichts mit ihr gehabt.“

„Noch?“

„Ich bin unzurechnungsfähig. Wie kommt es, dass du doch hier bist?“

„Ginny ist weg und bis auf James und Scorpius sind die Kinder bei Ron und Hermine.“

„Und da hast du dir gedacht du überlässt dein Haus dem Abriss?“

Harry hatte gar nicht darüber nachgedacht, was Malfoy dazu sagen würde, dass er dessen Sohn alleine ließ.

„Ich hoffe, das ist OK für dich?“

„Die Jungs sind alt genug. Du musst mal lernen loszulassen, mein Lieber. Und jetzt trink.“

Harry stieß mit ihm an. Er wusste nicht warum, aber dieses Bier schmeckte besser als alle anderen davor.

Irgendwann hatten sie sich an einem der größeren Tische niedergelassen. Harry beobachte amüsiert wie die junge Frau vom Anfang – Marina, erinnerte er sich- sich tatkräftig um Draco’s Aufmerksamkeit bemühte. Vor allem weil es so fruchtlos war. Draco hatte erzählt dass Blaise auch hatte kommen wollen, dann aber doch verhindert war. Marina und Abby waren wohl Freundinnen von ihm. Und mit engen Freundinnen eines Kumpels sollte man die Finger lassen, fand er. Harry war bereits ein kleines bisschen angetrunken und begann sich wohl zu fühlen. Wer hätte das gedacht? Er hatte schon befürchtet der Abend könnte krampfig werden. Draco saß mit Feuerwhiskey neben ihm gab irgendeine Anekdote von seinem Arbeitsplatz zum Besten. Die goldene Flüssigkeit schwappte leicht in dem Glas hin und her und lenkte Harry’s Blick auf Malfoy Hände. Er hatte schöne Hände, männlich, aber nicht grobschlächtig, mit langen, eleganten Fingern. Seine Arme waren muskulös, aber drängten sich nicht auf wie bei einem Bodybuilder. Flacher Bauch – Harry ertappte sich dabei wie er darüber nachdachte wie er nackt aussah. Würden die Bauchmuskeln sich deutlich abzeichnen? Nackt?! Oben ohne… nein, auch nicht besser. Auch heute Abend trug Malfoy einen Dreitagebart, was sein ohnehin markantes Gesicht noch mehr prägte. Beim näheren hinsehen stellte Harry fest, dass Malfoys Augen eine Mischung aus grau und blau waren und nur beim ersten Hinsehen wie eine Eisfläche wirkten. Sah man tiefer hinein stellte man fest wie die Farbpigmente sich vermischten. Es war als würde man in Wasser tauchen. Erst jetzt stellte Harry fest dass er Draco anstarrte wie ein Besessener- und das Malfoy ihm dabei direkt in die Augen sah. Harry wollte etwas sagen, ließ es aber als Draco ihn nur schief angrinste und ihm dann zuprostete. Vermutlich wusste der Mann wie gut er aussah. Oder er dachte sich nichts dabei. Harry hatte nie ein Problem damit gehabt festzustellen wenn andere Männer attraktiv waren, aber er hatte es nie so empfunden. Er hatte immer gewusst, dass dieser oder jener Mann für Frauen attraktiv war .Und das war es dann auch gewesen. Wieso war das jetzt so anders? Was war denn verkehrt bei ihm?

Von sich selbst im höchsten Maße irritiert stieg Harry auf Whiskey um.
 

„Mensch, Harry, ich hätte nicht gedacht, dass du so ein Schluckspecht bist…“

Malfoy kam von der Theke aus auf ihn zu und ließ sich direkt neben ihn fallen. Der Laden war mittlerweile schon um einiges leerer geworden und Harry vermutete, dass er schon längst wieder nach Hause hätte fahren sollen. Auch ihre illustre Runde hatte sich etwas ausgedünnt. Wie konnte Draco nach all dem Alkohol noch gerade gehen?

„War auch nicht der Plan.“

„Aber Spaß hattest du.“

„Ja, allerdings.“

Und das stimmte. Irgendwann hatte er angefangen mit den Anderen Lieder zu grölen und mit Malfoy darüber zu diskutieren, warum Slytherin toller/schlechter war als Gryffindor. Malfoy hatte ihm den einen oder anderen Schwank von seiner Arbeit erzählt. Sie hatten über alles Mögliche gesprochen, beim Armdrücken um den nächsten Drink gewettet- es war Harry gewesen, der bezahlen musste (auch wenn er das seines Egos wegen auf den Alkohol schob). Abby und Marina waren irgendwann mehr oder weniger beleidigt von dannen gezogen und nun bestand nur noch ein Kern aus 5 Personen, der sich auch langsam auflöste.

„Lass uns noch den Absacker trinken und dann raus.“, schlug Malfoy vor. Harry stimmte ihm zu. Es wurde Zeit. Leider. Draco saß näher neben ihm als das bei dem zur Verfügung stehenden Platz nötig gewesen wäre, aber Harry hatte nichts dagegen. Im Gegenteil. Heimlich sog er den leichten Kräuterduft ein, der auch hier noch leicht an dem Blonden haftete. Er fürchtete jetzt schon am nächsten Tag mit einem tierischen Kater zu erwachen.

„Weiß das Wiesel eigentlich dass du hier bist?“

„Ron? Nee… hab ihm gesagt ich gehe mit Kollegen weg.“

„Der Junge-der-die-Welt-gerettet-hat hat Angst vor seinem besten Freund. Du bist so köstlich.“

„Ich versuche Stress zu vermeiden, das ist alles…“

„Macht dich das happy? Ganz ehrlich Harry, du wirkst nicht unbedingt glücklich. Also, ich glaube schon dass dieses ganze Familiending das Richtige für dich ist… aber trotzdem. Das muss doch nicht heißen, dass das alles ist.“

Konnte er seine verdammten Gedanken lesen?

„Wieso weißt du immer, was in mir vorgeht?“

„Ich kenne dich einfach gut. So wie du mich. Aber im Gegensatz zu dir habe ich von frühester Kindheit an gelernt mit meinen Gefühlen nicht hausieren zu gehen. Du trägst dein Herz auf der Zunge. Das macht dich sympathisch aber auch leicht durchschaubar.“

Harry zuckte die Schulten.

„Ich liebe Ginny und meine Familie. Ich bin zufrieden mit meinem Job. Aber manchmal… fühle ich mich einfach leer. Ich weiß auch nicht, weshalb. Ich sollte glücklich sein. Zufrieden.“

„Vielleicht läuft dein Leben einfach zu gut. Wenn man nicht zwischendurch was riskiert wird alles lauwarm.“

„Da magst du Recht haben. Aber ich habe schon so viele Menschen verloren…“

„Ach, Harry.“ Malfoy lachte auf „Man verliert doch nicht gleich Freunde und Familie nur weil man hin und wieder was Verbotenes macht! Du sollst doch keine Affäre anfangen oder Gringotts überfallen – nicht schon wieder. Aber leb einfach mal. Komm raus und nicht immer mit den gleichen Leuten. Wahre Freunde sind gut und wichtig, aber manchmal braucht man auch nur ne seelenlose Partybekanntschaft.“

„So simpel?“

„Einen Versuch wäre es wert, oder nicht?“

„Da magst du Recht haben.“

Sie unterhielten sich noch eine Weile mit Marty und James, Draco’s Kollegen, und erhoben sich dann beide. Harry suchte seine Sachen zusammen und stellte dabei fest, dass Draco auf ihn wartete obwohl die anderen Beiden schon gegangen waren. Ihm war ein wenig schwindlig. Er fühlte sich angenehm beduselt. Die kalte Luft draußen fühlte sich angenehm an, verstärkte allerdings auch das Watte-Gefühl in seinem Kopf.

„Schön, dass du es noch geschafft hast…“, sagte Draco draußen.

„Ja, fand ich auch…“

Peinliches Schweißgen breitete sich zwischen ihnen aus. Dabei hätte Harry so viel zu sagen.

„Wir sind jetzt also beim Vornamen?“

Er wollte noch nicht dass Draco ging. Aber ihm hätte ein besseres Thema einfallen können…

„Nur unter uns.“ Draco zwinkerte ihm schalkhaft zu.

„Was für einen Trank hast du mir da eigentlich gegeben?“

„Ziemlich starkes Schlafmittel. Merzt sämtliche Träume aus, egal wie mies sie sind. So übernächtigt wie du aussahst… ich kenne das auch.“

Harry sah Malfoy tief in die Augen und wusste, dass ihm hier der Mensch gegenüber stand, der ihn vollends verstehen konnte. Sie waren die zwei Seiten derselben Medaille. Welch makabere Ironie. Es war nahezu tragisch, dass sie das nicht eher entdeckt hatten. Es hätte ihnen beiden viel Ärger und Leid ersparen können.

„Es ist wieder schlimmer geworden…“, sagte Harry.

„Bei mir auch… ich schätze unsere Begegnung hat was wachgerüttelt.“

„Ginny meinte ich solle mich eher von dir fernhalten… aber das will ich nicht. Ich weiß das klingt jetzt ein bisschen bescheuert.“

„Tut es. Aber ich sehe es auch so. Wir schieben es am besten auf den Whiskey.“

„Ja.“

Harry kaute nervös auf seiner Lippe. Malfoy hatte die Hände in den Taschen vergraben und sah wieder etwas wie ein Schuljunge aus. Harry konnte den Augenkontakt einfach nicht abbrechen. Er fühlte dass ihn etwas mit Malfoy verband, etwas Starkes. Er wollte ihm nah sein- und dieser Gedanke schreckte ihn ab, machte ihm Angst. Ihre Gesichter waren sich viel zu nah. Wann waren sie sich denn so verdammt nah gekommen? Warum tat dieser Moment so verdammt weh? Malfoys Lippen sahen so weich aus. Wie sich sein Haar wohl anfühlte? Er müsste sich nur ein paar Zentimeter vorlehnen und er würde es wissen. Er würde wissen wie es sein würde ihn zu küssen, seine Hände in Draco’s Haar zu graben. Aber er tat es nicht. Er dachte an Ginny, an seine Familie, dachte daran wie unglaublich abstrus diese Situation war. Malfoy schien etwas Ähnliches durch den Kopf zu gehen, denn auch er entfernte sich plötzlich beinahe ruckartig von Harry.

„Also dann, ich geh dann jetzt. Schlaf deinen Rausch aus…“

Er lächelte Harry zaghaft an und Harry meinte in diesem Lächeln den gleichen unverständlichen Schmerz sehen zu können, wie er ihn gerade verspürte. Er wusste dass er sich richtig entschieden hatte. Aber er bereute es.

„Ja, ist wohl besser. Bis übermorgen dann…“

„Ach so, ja…ich nehme Scorpius wahrscheinlich ein paar Tage mit…“

„Mach das…“

„Harry?“

„Ja?“

„… ach nichts. Bis die Tage.“

Was er wohl hatte sagen wollen?

„Gute Nacht.“

Malfoy drehte sich um und verschwand im Schatten. Harry hatte das Gefühl nicht mehr richtig atmen zu können. Wie hatte das nur passieren können? Dieser Beinahe-Kuss hatte ihn komplett aus der Bahn geworfen. Aber es war ja nichts passiert. Nichts. Es war einfach nur der Alkohol gewesen. Von außen betrachtet sah die ganze Situation vermutlich total anders aus. Bestimmt hatte er ihn gar nicht küssen wollen, warum auch? Dass sie sich so nahe gekommen waren, war vermutlich nichts anderes als eine übertriebene alkoholinduzierte Reaktion darauf, dass sie sich jetzt gut verstanden. Er wollte Draco als Freund und das würde schon schwierig genug werden. Niemand konnte ihm sagen, ob sie dauerhaft miteinander auskommen würden. Ihre jetzige Beziehung war noch zaghaft und niemand wusste, wohin das führen sollte. Er hatte sich das einfach ein bisschen zu sehr zu Herzen genommen. Das war alles. Er würde einfach eine Nacht darüber schlafen. Dann würde alles wieder gut sein. Aber der dumpfe Schmerz sagte ihm, dass er sich selbst belog.
 

So, das war es erst mal wieder. Ich konnte bis zu dieser Stelle einfach nicht mehr länger warten...

Der Morgen danach

Sooo, dieses Mal gibt es ein Kapitel aus Draco's Sicht der Dinge. Irgendwann werde ich auch noch mal eins aus der Sicht der Jungs machen. Das kann aber noch ein klein wenig dauern. Der grobe Plot für die Geschichte steht jetzt ziemlich fest weshalb ich die Hoffnung habe, dass die uploads jetzt schneller werden. Aber nagelt mich nicht drauf fest!

Jetzt viel Spaß beim lesen. :D
 

Draco Malfoy erwachte mit einem unangenehmen Pochen im Kopf. Das Sonnenlicht, das er sonst am morgen genoss, war jetzt unangenehm. Schnell schloss er die Augen wieder und tastete nach dem kleinen Flacon, den er gestern Nacht in weiser Vorrausicht auf seinem Nachttisch platziert hatte. Die Flüssigkeit schmeckte bitter, aber das war es ihm wert. Bereits nach fünf Minuten spürte er, wie der Schmerz langsam nachließ. Den Schwur, nie wieder zu trinken, verkniff er sich direkt. Er bezweifelte stark, dass sich jemals jemand daran gehalten hatte (der kein Alkoholiker mit der festen Absicht trocken zu werden war). Er streckte sich gemächlich und richtete sich langsam auf. Elf Uhr morgens. Das ging ja sogar noch. Das Wetter draußen war dermaßen herrlich, dass er überlegte bei Harry vorbeizugehen um Scorpius abzuholen. Nachdem er den Trank fertig gestellt hatte, hatte er endlich die Zeit dafür. Als er jedoch die langen Beine aus dem Bett schwang fiel ihm ein, dass mit großer Wahrscheinlichkeit Victoria vorbeikommen würde. Morgen würde sie zu dieser sinnfreien Beautyreise fahren. Sie hatte jedoch angekündigt vorher „über ein paar Dinge reden“ zu wollen. So, wie er sie kannte konnte das nichts Gutes bedeuten. Mit einem genervten Stöhnen erhob er sich und steuerte schnurstracks auf die Dusche zu. War das ein Abend gewesen! Als das warme Wasser auf seine Haut prasselte dachte er über Harrys und seine Verabschiedung nach. Harry… in Gedanken hatte er ihn schon öfter mit seinem Vornamen betitelt. Ihn auch wirklich so angesprochen zu haben fühlte sich trotzdem etwas seltsam an. Was hatte er sich eigentlich bei dieser dämlichen Einladung gedacht? Es war offensichtlich, dass eine Art Spannung zwischen Ihnen herrschte, die nicht gut war. Hatte er sich wirklich eingebildet sie hätten Freunde werden können? Man ging nicht so einfach zu seinem ehemaligen Erzfeind und machte seinen besten Freund daraus. Am Anfang hatte er noch geglaubt, dass das zwischen ihnen unangenehme Befangenheit gewesen war, weil sie einfach nicht wussten, wie sie miteinander reden sollten. Aber dann hatten sie einfach über intime Dinge geredet, als wäre da nie dieser Hass zwischen ihnen gewesen. Natürlich hatte er schon keinen Groll mehr gegen Harry gehegt, als er das erste Mal zu ihm gefahren war. Längt schon hatte er eingesehen, dass er damals Unrecht gehabt hatte. Er bewunderte den Mut, den Harry gehabt hatte und wünschte sich auch jetzt noch, dass auch sein Vater und natürlich er selbst diesen gehabt hätten. Mit dem Wissen und den Fähigkeiten von heute hätte er sich mit Sicherheit anders entschieden. Aber was brachte es jetzt noch über die Vergangenheit zu weinen? Jedenfalls hatte er nicht damit gerechnet, dass Harry ihm so unter die Haut gehen würde. Wie sollte er das einordnen? Das gestern hatte sich angefühlt als hätten sie sich Küssen wollen. Wollten sie? Wollte er? Wollte Harry? Das war alles ziemlich absurd. Der Goldjunge war verheiratet und hatte Kinder! Er selbst mochte gerade mitten in der Scheidung stecken, aber deswegen musste er ja nicht anfangen von heute auf morgen zum anderen Ufer überzulaufen. Sein Plan war sich voll und ganz auf seinen Sohn und die Arbeit (inklusive „Sekretärinnen“) zu kümmern. Er stellte das Wasser ab und stieg aus der Dusche um sich abzutrocknen. Reagierte er vielleicht über? Es passierte ja allerhand seltsamer Kram, wenn Alkohol im Spiel war. Er wollte gar nicht an alle die Dummheiten zurückdenken, die er im Suff so angestellt hatte (auch wenn einige davon ihn immer noch dümmlich grinsen ließen). Das Problem war allerdings, dass es ja nicht nur gestern Abend so gewesen war. Jedes Mal, wenn sie alleine waren, war es seltsam. Nicht normal. Und das, obwohl sie sich noch nicht allzu oft getroffen hatte. Es mochte ja nicht direkt erotische Spannung wie im Rammelkasten zwischen ihnen herrschen aber es war auch nicht die normale Freundschaft oder Bekanntschaft, wie sie eigentlich zwischen Männern herrschen sollten. Es war auch nicht einfach nur Beklemmung aufgrund ihrer Vorgeschichte. Was auch immer es war, es war Draco nicht ganz geheuer. Er schlüpfte in eine bequeme dunkle Jeans und ging nach unten um sich einen Kaffe zu machen. Jetzt, wo die Kopfschmerzen passé waren, konnte er anfangen das Wetter draußen zu genießen. Wenn er Glück hatte würde Victoria schnell verschwinden und er konnte Scorpius doch noch abholen. Als hätte er an den Teufel persönlich gedacht knallte es vor seiner Haustür und eben jene wurde mit einem festen Ruck geöffnet. Victoria.

„Ich bin ein bisschen früher gekommen. Ich möchte unbedingt noch ein wenig einkaufen gehen. Schließlich kann ich nicht einfach auf eine Beautyfarm ziehen wenn ich den ganzen alten Fummel trage.“

„Kann ich voll verstehen. Freut mich auch dich zu sehen, Liebling.“, erwiderte Draco lakonisch und nahm einen großen Schluck von seinem Kaffee.

„Bist du jetzt erst aufgestanden?“, fragte sie und musterte ihn kritisch, wie er da barbrüstig mit einer Tasse Kaffee in der Küche stand.

„Ja, ich habe den Trank endlich fertig bekommen und war feiern.“

„Irgendwann wirst du total verlebt aussehen, Draco.“

„Ja, aber bei Männern ist das egal, weißt du? Das ist auch der Grund, warum du auf deiner Fahrt keinen einzigen Kerl sehen wirst, außer er heißt Detlef und wartet darauf seinen Horst wieder zu sehen.“

„Auch Männer sollten auf sich achten.“

„Ist nicht so als würde ich mich gehen lassen, Baby.“

Er klopfte gegen seinen trainierten Bauch und goss seiner Exfrau eine Tasse Kaffee ein. Sie schien guter Laune zu sein. Gut für ihn.

„Oh, danke, aber ich hätte lieber Wasser. Ich mache nämlich auch eine Fastenkur…“

„Warum auch immer… aber wie du meinst. Mehr für mich.“

Er stelle ihr etwas zu trinken hin und setzte sich zu ihr an den Tisch. Victoria war das, was man eine klassische Schönheit nennen würde. Schlank, wallendes Haar, große Augen, schöne Wangenknochen, volle Lippen. Er würde ja gerne behaupten, dass sie dumm wie Scheiße war. Dem war aber nicht so. Sicher, sie mochte recht oberflächlich sein. Aber das war er bis zu einem gewissen Grad auch.

„Weswegen wolltest du jetzt unbedingt vor deiner Reise hier vorbeikommen?“

Sie nahm einen Schluck Wasser und sah nahezu verlegen aus. Sehr untypisch.

„Es geht um Scorpius.“

Draco merkte, wie er sich versteifte. Das war nicht gut.

„Ich gebe zu, dass ich mich in letzter Zeit nicht genug um ihn gekümmert habe. Aber… weißt du, mir geht das alles auch sehr nahe. Und er ist dir einfach so ähnlich. Ich konnte ihn einfach nicht um mich haben. Aber jetzt vermisse ich ihn manchmal. Ich werde bald in meine Wohnung in London einziehen. Ein richtig schönes Loft. Einfach perfekt. Und… ich würde ihn dann doch gerne über die Herbstferien nehmen. Und wegen Weihnachten… das müssen wir dann mal sehen. Ich fühle mich wie eine Rabenmutter!“

„Warst du in letzter Zeit auch. Aber du scheinst das ändern zu wollen.“

Er war wirklich überrascht. In den letzten Wochen, sogar Monaten, hatte er nicht den Eindruck, dass sie sich wirklich um ihren Sohn kümmern wollte.

„Ich weiß.“

„Sprich das mit ihm ab, wenn du wieder da bist. Ich freue mich drüber, wenn er auch mal bei dir vorbeifährt. Für ihn ist das auch wichtig. Auch wenn er das nicht so zeigt.“

„Da ist noch etwas…“

„Schieß los.“

„Ich… bin in einer neuen Beziehung. Schon länger. Und ich habe Angst, dass Scorpius das nicht akzeptieren wird.“

„Er wird sich von dem Kerl nichts sagen lassen. Aber ich denke auch nicht, dass er auf die Barrikaden gehen wird. Wie heißt der Typ denn? Ihr wohnt aber nicht zusammen, oder?“

„Nein… noch nicht. Du kennst ihn. Es ist Jason.“

Draco verschluckte sich fast an seinem Kaffee.

„Jason Tanner?“

Er wusste nicht, ob er lachen oder die Hände über dem Kopf zusammenschlagen sollte. Der Kerl war einfach… einfach… ohne Worte. Das Einzige, das ihn auszeichnete waren sein gutes Aussehen und ein großes Erbe. Er war der Junior Chef der Firma für die er und Victoria gearbeitet hatten als sie sich kennenlernten. Dabei war es ziemlich offensichtlich, dass er diese Position nicht aufgrund seiner Fähigkeiten innehatte sonder wegen seiner familiären Beziehungen. Scorpius würde den armen Trottel in Grund und Boden stampfen. Genauso wie Draco hasste der Junge nichts mehr als sorgfältig kultivierte Dummheit.

„Das könnte in der Tat ein Problem sein. Wie zum Henker kommst du denn dazu?“

„Ich weiß es nicht. Es… passt einfach.“

„Ich glaube, ich will es gar nicht wissen.“

„Jetzt, wo das alles raus ist fühle ich mich besser. Ich weiß, dass du Jason nicht magst… aber er ist bei weitem nicht so ein Arsch wie du.“

„Das glaube ich sofort. Um ein Arsch wie ich es bin zu sein braucht es ein gewisses Maß an Intelligenz.“

„Er braucht für einiges halt etwas länger.“

„Ein Mensch hat nur eine geringe Lebensspanne. In so fern er also nicht im Besitz des Steins der Weisen ist wird es vermutlich nie dazu kommen, dass er mir jemals gewachsen sein wird.“

„Vielleicht ist mir das ganz recht.“

Sie wurde schnippisch. Das war eigentlich der Moment aufzuhören. Er musste sich gehörig auf die Zunge beißen um nicht noch mehr Gehässigkeiten auszuspeien. Es ging ja nicht darum, dass sie einen Neuen hatte. Hätte sie sich nicht aber wenigstens einen mit Niveau suchen können?

„Wie auch immer. Ich stehe dir da nicht im Wege. Sprich mit Scorpius wenn du wieder da bist und dann klären wir das alles.“

Er nahm sich die zweite Tasse, die eigentlich für Victoria gedacht war. Detox. Was eine Scheiße.

„Gut. Dann müssen wir noch irgendwann einen Termin machen. Beim Scheidungsanwalt. Wegen des Besitzes.“

„Ja, ja. Mach du erst mal deine Kur. Raffgieriges Stück.“

Er zwinkerte ihr dieses Mal zu um etwas Ernsthaftigkeit aus der Aussage zu nehmen. Ein Teil war trotzdem ernst gemeint. Und sie wusste das. Ein Hauptgrund warum sie so viel stritten war die Tatsache, dass sie das Haus hatte haben wollen. An sich wäre das nicht so dramatisch gewesen- wenn sie zugestimmt hätte Scorpius dauerhaft aufzunehmen. Das war ihr dann ja wegen der Arbeit auch nicht Recht gewesen. Aus diesem Grund war er aufgrund ihres Sinneswandels ein wenig misstrauisch. Nicht, dass das plötzliche Interesse an Scorpius und Jason eine Finte waren um das Haus zu ergattern.

„Na das ging ja fix. Ich dachte, dass ich mehr dafür kämpfen muss.“

„Ich mag ein Arschloch sein, Liebes. Aber ich verweigere unserem Sohn doch nicht den Umgang mit seiner Mutter.“

Seinen Verdacht ließ er vorerst außen vor. Er hatte wirklich wenig Lust jetzt noch mit ihr zu streiten, wenn er die Aussicht hatte, dass sie bald wieder abhauen würde.

„Und er ist jetzt gerade noch bei Potter?“

„Ja, aber ich überlege ihn bald wieder abzuholen. Wenn wir zwei uns bald einigen habe ich wieder genug Zeit für ihn. Ich wollte ihn auch heute abholen und das ganze besprechen. Hast du denn Zeit ihn zum Zug zu bringen, wenn ich auf dem Kongress bin? Sonst frage ich Harry.“

„Harry? Ich dachte ihr könnt euch nicht leiden.“

„Das ist lange her. Wir kommen klar.“

„Aber ja, ich kann ihn fahren.“

„Gut, dann ist das ja auch geregelt.“

„Wie geht es ihm denn da?“

„Ziemlich gut würde ich sagen. Er ist wirklich ziemlich dicke mit James und die Potters behandeln ihn wirklich gut. Ich hoffe, dass er ohne Widerstand wieder nach Hause kommt.“

„Hmm. Dann ist ja gut.“

„Ist noch irgendwas Victoria?“

„Na ja, ich dachte… wir haben in letzter Zeit nur gestritten. Da könnten wir uns doch einmal normal unterhalten.“

„Immer wenn wir das versuchen endet es ja im absoluten Chaos.“

Er stand auf und stellte seine zweite Tasse zusammen mit der ersten in die Spüle. Er lehnte sich an die Küchenzeile und fuhr sich durch das nasse Haar.

„Ja, ich weiß. Wieso ist das nur aus uns geworden?“, fragte sie.

„Keine Ahnung. Vielleicht weil wir beide Egozentriker sind.“

„Ich bin nicht egozentrisch!“

Er zog eine Augenbraue hoch.

„Schatz, du bist die selbstzentrierteste Frau, die ich kenne, abgesehen von Zabinis Mutter.“

„Das mag vielleicht aus deiner Perspektive so sein!“

„Siehst du, es fängt schon wieder an. Ich sage einen Satz und du bist direkt wieder auf hudert achtzig. Uns war die ewige Liebe einfach nicht bestimmt. Eigentlich hätten wir das von Anfang an wissen können. Aber da kommt dann eben die rosarote Brille dazwischen.“

„Wir hatten eine gute Zeit. Irgendwann mal.“

Worauf wollte sie denn jetzt schon wieder hinaus? Dieser ewige Wechsel zwischen ihren Stimmungen machte ihn wahnsinnig.

„Ja, aber das ist vorbei. Ich dachte wir hätten damit abgeschlossen.“

„Haben wir auch. Ich möchte nur gerne wissen, was alles schief gelaufen ist… damit ich nicht die gleichen Fehler wieder mache.“

Ach, das war also des Pudels Kern.

„Victoria. Jason ist nun wirklich kein komplizierter Charakter. Er hat dir schon immer schwanzwedelnd hinterher gehechelt. Das kannst du gar nicht versauen.“

„Er trägt mich auf Händen.“

„Schön für dich. Was soll ich dazu sagen? Ich war nie ein Mann, der plötzlich butterweich wird und seiner Geliebten jeden Wunsch von den Lippen abliest nur weil er verliebt ist.“

„Das ist traurig, Draco.“

„Ich nenne das selbstbestimmt. Aber wie du meinst. Trotzdem bin ich nun wirklich der Falsche um über deine Beziehung mit Jason zu reden. Hättest du dir nicht jemand anderen nehmen können. Michael zum Beispiel?“

„Auf keinen Fall. Der ist dir viel zu ähnlich. Mit unterkühlten, selbstsüchtigen Männern bin ich durch.“

„Jetzt ist alles wieder meine Schuld?“

„Du hättest liebevoller sein können!“

„Ich bin nicht der einzige, der sich etwas hätte zurückhalten können.“

„Argh! Du hattest Recht. Das alles hat keinen Zweck. Ich gehe jetzt bevor ich mich wieder zu sehr aufrege.“

„Besser ist das. Nicht, dass das kontraproduktiv zum entgiften ist.“

„Ich finde alleine raus!“

Mit einem Ruck stand sie auf und rauschte aus der Küche. Das war ja mal wieder herrlich gelaufen. Dennoch: Besser als sonst. Trotzdem verstand er noch nicht ganz, was sie dazu bewog ihre Beziehung analysieren zu wollen. Diese Frau war ein einziges Rätsel. Er schüttelte den Kopf und öffnete das Küchenfenster. Ein angenehm warmer Luftzug kam ihm entgegen. Es wäre nahezu Sünde seinen Sohn nicht abzuholen. Die einzige Frage war, ob er Harry vorher Bescheid sagen sollte. Aber wozu? Das würde alles viel zu lange dauern. Besser er machte sich sofort auf den Weg. Er trank noch einen Schluck Wasser und ging dann nach oben, um sich ein T-Shirt anzuziehen. Rasieren? Nö.

Gut gelaunt trat Draco Malfoy nach draußen und aparrierte.
 

Als er vor Harry’s Einfahrt stand wurde er nun doch ein klein wenig nervös. Die Situation gestern war derartig seltsam gewesen… aber vielleicht erinnerte sich der Schwarzhaarige ja auch an gar nichts. Er war wirklich ziemlich voll gewesen. Er atmete noch einmal tief durch und klingelte an der Tür. Es dauerte ein wenig bis er schlurfende Schritte hörte und ein ziemlich verlottert aussehender Harry ihm die Tür öffnete. Sein Haar war noch zerzauster als sonst und er hatte Ringe unter den Augen. Bekleidet war er mit einer Jogginghose und einem lockeren T-Shirt. Überrascht sah er ihn an und blinzelte ins Sonnenlicht.

„Was machst du denn hier?“

Seine Stimme klang etwas kratzig. Draco konnte nicht anders als zu lachen.

„Oh Mann. Wie siehst du denn aus?“

Immer noch grinsend zog er ein weiteres Fläschchen des Tranks hervor, den er selbst am morgen getrunken hatte.

„Hier, das wirkt Wunder.“

Harry nahm den Trank an und schien dann erst zu merken, dass sie immer noch in der Einfahrt standen.

„Komm rein.“

„Ich bin übrigens hier, weil das Wetter so gut ist und ich Scorpius abholen wollte. Vielleicht sogar für etwas länger.“

„Is mir noch gar nicht aufgefallen. Also das Wetter. Bin quasi grade aus’m Bett gefallen.“, murmelte Harry und beäugte misstrauisch den Trank.

„Ach, was soll’s.“, sagte er und schüttete den Inhalt in einem herunter.

„Schmeckt eklig.“

„Warte ein paar Minuten und du wirst merken dass es das Wert ist.“

„Die Jungs sind oben, denke ich. Ich mache mir einen Kaffee. Willst du auch einen?“

„Gerne. Ginny ist immer noch weg?“

„Ja. Dauert noch was bis sie wieder kommt.“

Bisher war nichts Seltsames an Harry‘s Verhalten. Vielleicht erinnerte er sich wirklich an nichts. Oder er war einfach zu verkatert, um sich Gedanken über so etwas zu machen.

„Ich geh nur mal kurz nach oben.“

„Mach das.“

Draco nahm die Treppe nach oben und hörte auch bald die Stimmen von James und Scorpius gedämpft durch eine der Türen. Kurz war er versucht zu lauschen worüber die beiden sich unterhielten. Er entschied sich jedoch dagegen. Schließlich würde er das auch nicht wollen. Dennoch war er neugierig, worum es sich so bei den beiden drehte. Ihm wurde klar, dass er zur Zeit nicht die Rolle im Leben seines Sohnes spielte, die er gerne spielen würde. Zu einem gewissen Teil war das natürlich normal. Scorpius wurde älter und wollte nicht mehr alles mit seinem alten Herrn besprechen. Auf der anderen Seite war es auch seine eigene Schuld, weil er in den letzten Monaten einfach nicht die Zeit für ihn gefunden hatte, die er gerne gehabt hätte. Er klopfte an die Tür und wurde auch sofort hereingebeten.

„Dad?!“ Scorpius sah ihn positiv überrascht an. „Was machst du denn hier?“

„Bei dem schönen Wetter dachte ich wäre es eine gute Idee dich abzuholen. Wenn du magst auch für etwas länger.“

„Ja klar... Aber James und ich wollten heute Quidditsch spielen.“

„Dann bleibe ich entweder noch so lange hier oder er kommt mit rüber. Und dann sehen wir mal weiter. Du brauchst deine Pläne nicht komplett umzuwerfen.“

„Sie und Dad könnten auch einfach mitspielen. Vorausgesetzt er kommt heute noch wieder auf sein Leben klar.“, schlug James vor.

„Wird er. Ich habe ihm da was mitgebracht.“

„Dad braut erstklassige Anti-Kater-Tränke aber er weigert sich mir welche zu geben bis ich 18 bin und offiziell trinken darf.“

„Wenn du meinst dich vorzeitig besaufen zu müssen kannst du dafür auch leiden.“

„Würde ich nie im Leben tun.“

„Genau, Scorpius. Nie im Leben.“

Er zwinkerte seinem Sohn zu und sah sich in James Zimmer um. Ein wenig chaotisch. Die Wände waren tapeziert mit allen möglichen Postern. Ein typisches Jungenzimmer eben. Was hatte er denn erwartet? Das Potter-Haus hatte für ihn einen so ungewohnten Zauber, dass er überall allerhand Überraschungen erwartete.

„Dann lasse ich euch hier noch ein bisschen alleine. Wenn ihr euch entschieden habt, was ihr machen wollt, sagt Bescheid.“

„Geht klar, Dad.“
 

Als Draco wieder die Küche betrat wirkte Harry etwas verwirrt. Er sah schon ein wenig besser aus. Seine Gesichtsfarbe wirkte nicht mehr wie eine frisch geschnittende Kiwi aber dafür schien er jetzt intensiv über etwas nachzudenken. Draco ahnte bereits worüber. Er hatte wirklich mit sich gerungen, ob er Harry diesen Trank mitbringen sollte. Neben der Schmerzlinderung kehrten auch alle Erinnerungen zurück, die der Alkohol vielleicht gelöscht haben könnte.

„Besser?“

„Ja schon. Denke ich.“

Harry reichte ihm eine Tasse Kaffee und nippte an seiner eigenen. So wie er da gerade stand erinnerte er ihn wieder sehr an den Jungen, der er in ihrer Schulzeit gewesen war. Ein wenig in sich zusammengesunken und verunsichert.

„Alles okay?“

„Ja, schon. Kannst du… kannst du dich an alles erinnern?“, fragte Harry.

„Glasklar.“

„Hmm… gibt es da etwas worüber wir sprechen sollten?“

Harry war sichtlich anzumerken, wie unangenehm ihm diese Frage war. Genauso wie Draco.

„Besser nicht. Dinge, die im Suff passiert sind sollten manchmal auch genau da bleiben.“, antwortete er nach einem kleinen Zögern.

„Wahrscheinlich hast du Recht.“

Draco hatte den Eindruck, dass Harry zwar erleichtert war aber auch ein wenig enttäuscht wirkte. Wie auch immer das zusammenpasste.

„Ich habe James angeboten, dass er mitkommen kann, wenn er möchte.“, versuchte er das Thema zu wechseln.

„Klar.“

„Die Beiden wollen vielleicht eine Partie Quidditsch mit uns spielen…“

Harry merkte auf und grinste ihn plötzlich an. Dieser Gesichtsausdruck war Draco schon wesentlich lieber als der zerknirschte, der Harry’s Gesicht vorher verunstaltet hatte. Er sah direkt zehntausendmal besser aus.

„Dir ist klar, dass ich dich gnadenlos abziehen werde?“

„Vergiss es, Mann. Ich bin besser geworden. Und da wir nur zu viert sind wird es sowieso keinen Sucher geben…“

„Als Sucher würdest du immer noch verlieren. Gnadenlos.“

„Ich nehme die Herausforderung für das nächste größere Spiel an.“

„Du wirst sowas von versagen.“

„Musst du das so oft sagen, um dich selbst davon zu überzeugen?“

„Ich will dir nur die Möglichkeit geben einen Rückzieher zu machen um dir die Schmach zu ersparen.“

„Da hast du aber schon bessere Konter abgegeben.“

„Ich bin noch nicht wieder ganz in dieser Welt.“

„Du solltest vielleicht mal duschen. Soll angeblich helfen. Außerdem riechst du wie eine Schnapsfabrik.“

„Charmant wie immer“

„Ehrlichkeit ist eine Tugend.“

„In diesem Fall hast du wohl auch verdammt recht. Du kommst sicher mal kurz alleine klar?“

„Ich raube vielleicht deine Wohnung aus oder so.“

„Weil du auch so bettelarm bist.“

„Man hat nie genug.“

„Typisch Malfoy.“

„Geh duschen, Mann.“

Harry stellte seine Tasse ab und verließ die Küche. Allerdings nicht ohne ihm vorher noch ganz erwachsen die Zunge rauszustrecken.

Eigentlich lief doch alles gut. Sie würden diesen Vorfall einfach beide ignorieren. Dann würde sich schon alles irgendwie einrenken. So ungern er sich das auch eingestand:

Auch wenn sie sich erst seit kurzen näher gekommen waren, wollte er dass Harry auch weiter in seinem Leben blieb, auch wenn Scorpius wieder bei ihm wohnen würde. Nur wie sollte er das anstellen ohne die vertrackte Situation noch weiter zu verkomplizieren?

Sein Blick fiel auf ein Bild an der Küchenwand neben dem Gewürzregal. Harry und Ginny waren darauf zu sehen. Sie sahen glücklich aus. Beide mit einem albernen, breiten Grinsen im Gesicht.

Draco trank seinen Kaffee und schob das gurgelnde Gefühl in seiner Magengenend auf die Überdosis Koffein.
 

Sooo, das war es dann erst einmal.

Ein komisches Gefühl

Harry durchforstete seinen Kleiderschrank nach brauchbarer Kleidung während er gleichzeitig versuchte das Chaos in seinem Kopf einzudämmen. Zwar war er heilfroh, dass der hämmernde Kopfschmerz zusammen mit der nahezu unerträglichen Übelkeit verschwunden war, aber auf die damit einhergehende Flutwelle unwillkommener, peinlicher Erinnerungen hätte er gut verzichten können. Zumal er sich das alles nicht eingebildet zu haben schien, da Draco ähnlich peinlich berührt reagiert hatte. Hätte er nicht ein paar Tage warten können bis er das nächste Mal hier auflief? Oder hätte das die Situation noch unangenehmer gemacht? Endlich fand er ein brauchbares Shirt und eine saubere Jeans und verschwand damit Richtung Badezimmer. Ein beiläufiger Blick in den Spiegel beim Verlassen des Schlafzimmers zeigte ihm seine hoffnungslos zerzauste Erscheinung. Er sah aus wie ein Penner.

„Na toll…“, murmelte er.

Neben Draco kam er sich sowieso schon etwas schäbig vor. Harry hatte nie teure Kleidung besessen. Zwar hätte er damals gerne Sachen gehabt, die ihm passten, aber er hatte nie das Bedürfnis nach Prunk gehabt, wie es der junge Malfoy an den Tag gelegt hatte. Diese Politik behielt er auch heute bei und versuchte sie seinen Kindern zu vermitteln. Daher wunderte er sich, dass er sich neben dem Blonden gelegentlich so klein fühlte. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass der andere etwas größer war und ein aggressiveres Selbstbewusstsein ausstrahlte. Was auch immer es war, es wurmte ihn.

Das warme Wasser der Dusche schien auch einen kleinen Teil seiner trüben Gedanken fort zu spülen. Tatsächlich stellte er fest dass es ein wunderschöner Tag draußen war und es von Draco wirklich sträflich gewesen wäre seinen Sohn bei so einem Wetter nicht zu besuchen. Und es war ja auch nichts passiert, oder? Sicher, die Stimmung zwischen ihnen war beizeiten mit etwas aufgeladen, das Harry nicht beschreiben konnte, aber das musste ja nichts heißen. Genau. Alles war gut.

Er trocknete sich ab und zog sich an. Schon viel besser. Dank dem Trank, den Malfoy ihm mitgebracht hatte waren auch seine Augenringe größtenteils verschwunden. Es hatte schon seine Vorteile einen Meister der Zaubertränke zu kennen. Harry fuhr sich noch einmal kurz durch die strubbligen Haare bevor er das Badezimmer verließ und wieder nach unten ging. Ein weiterer Kaffee würde ihm mit Sicherheit nicht schaden.

Malfoy hatte sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Im ersten Moment hatte Harry geglaubt der Blonde sei am schlafen. Tatsächlich schien er aber nur sehr in Gedanken versunken.

„Sieht so aus als könntest du auch noch einen Kaffee vertragen…“

Malfoy öffnete kurz ein Auge, schloss es dann aber direkt wieder.

„Besser nicht. Das wäre dann die vierte Tasse in nicht mal zwei Stunden. Ich nehm aber gerne ein Glas Wasser.“

Harry zuckte die Schultern sagte aber nichts weiter. Eine Weile schwiegen sie bis Malfoy sich wieder komplett aufrichtete um das Glas Wasser anzunehmen, das Harry ihm reichte.

„Siehst besser aus.“, sagte er und nahm einen Schluck.

„Schlechter wäre auch kaum möglich gewesen…“, sagte Harry und setzte sich neben ihn.

„Was treiben die Jungs denn so lange da oben?“

„Keine Ahnung.“

Wie auf Kommando betraten James und Scorpius just in diesem Moment die Küche, begleitet mit dem lautstarken Wunsch nach Frühstück.

„Da wäre ich dabei.“, sagte Draco „Ich wusste ich habe heute morgen was vergessen.“

„Mach was Dekadentes.“, sagte Scorpius und setzte sich neben seinen Vater.

„Wenn Harry mir seine Küche überlässt.“

„Tu dir keinen Zwang an. Ich habe deinem Sohn gestern schon erzählt, dass es mit meinen Kochkünsten nicht weit her ist.“

„Solange du weißt wo was in dieser Küche ist.“

„Grob.“

„Dann auf!“
 

Harry war erstaunt wie gut sie in der Küche harmonierten. Draco brauchte seine Anweisungen kaum beenden, da wusste er schon, was zu tun war und mir nichts dir nichts war die Küche von einem köstlichen Duft durchflutet, der einem direkt das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

James war absolut begeistert, während Scorpius ein derartiges Frühstück nicht fremd zu sein schien. Scheinbar war es von Vorteil Eltern zu haben, die im Besitz eines beträchtlichen Vermögens und genug Zeit waren um das Kochen richtig zu erlernen. Harry konnte jedoch kam die Situation etwas seltsam vor. Normalerweise saß er morgens mit Ginny und seinen Kindern am Esstisch. Heute saß er neben Draco Malfoy. Mit dessen Sohn und seinem eigenen. Wie in einer Patchworkfamilie in der irgendwas bei der Geschlechterverteilung falsch gelaufen war. Die Grundsituation war vertraut, aber die gesamte Konstellation verdreht. Draco schien ähnlich zu empfinden, denn er war sehr bemüht Harry wenig Aufmerksamkeit zu schenken und sich stattdessen mehr als nötig auf die Jungs zu konzentrieren.

„Das Essen ist echt klasse. Ich werde mich auf jeden Fall auch mal bei euch einnisten.“, schwärmte James mit vollem Mund. Na toll. Konnte sein Junge sich nicht wenigstens ein einziges Mal benehmen, wenn es wichtig war? Draco schien glücklicherweise lediglich amüsiert darüber zu sein. In gewisser Weise war es ja auch ein Kompliment gewesen, das nur etwas ungeschickt und unappetitlich überbracht wurde.

„Wenn James Eltern das mit dem Konzert erlauben dürfte das kein Problem sein…“, sagte Scorpius und sah Harry dabei direkt an.

„Ich hatte noch keine Zeit das mit Ginny zu besprechen.“

„Das wird schon klappen.“, sagte Malfoy und wirkte dabei semi-begeistert. Ob es daran lag, dass Harry und James dann bei ihm residieren würden oder daran, dass er bei besagtem Konzert anwesend sein musste, konnte Harry nicht sagen. Er hoffte auf letzteres.

„Für heute haben wir uns übrigens gedacht, dass Scorpius und ich euch zuerst im Quidditch gnadenlos abziehen und er dann mit seinem Vater nach Hause fährt.“, wandte sich James an Harry.

„Ihr uns abziehen? Also bitte…“ Malfoy machte eine abfällige Geste und zwinkerte den beiden dann zu.

„Ich dachte wir mischen durch. Ich habe Draco nämlich leider versprochen ihn fertig zu machen.“, warf Harry ein.

Weder bei James noch bei Scorpius erkannte er eine signifikante Reaktion darauf, dass er Malfoy mit seinem Vornamen ansprach. Wieso auch? Keiner von ihnen hatte eine direkte Vorstellung von der Feindschaft, die sie beide gehegt hatten.

„Dann spiele ich mit Mr. Malfoy und du mit Scorpius. So ist es viel interessanter.“

James schien wild entschlossen eine Vater-Sohn-Teambildung zu vermeiden. Harry versuchte sich das nicht zu Herzen gehen zu lassen. So war das in dem Alter eben. Trotzdem konnte er nicht umhin einen leichten Stich zu bemerken, als er realisierte, dass sein Sohn langsam erwachsen wurde.

„Dein Sohn ist schlau Harry, er will nicht im Verliererteam sein.“

„Dad! Das ging jetzt auch irgendwie gegen meine Fähigkeiten.“, beschwerte sich Scorpius.

„Beweis mir das Gegenteil.“, provozierte Draco seinen Sohn mit einem Lächeln im Gesicht.

„Kannst du haben, alter Herr. Wenn du verlierst überredest du Ginny dazu wegen des Konzerts ja zu sagen und bezahlst den ganzen Abend!“

„Wenn du verlierst wirst du eine Woche lang nicht ein einziges Widerwort geben.“

„Vier Tage.“

„Sechs“

„Fünf. Nicht am Samstag und Sonntag“

„In Ordnung.“

„Harry, du siehst, es ist unvermeidlich, dass wir gewinnen müssen.“

Scorpius‘ Gesichtsausdruck war so entschlossen, dass Harry eines schlagartig klar wurde: Er konnte nur verlieren, denn so oder so würde es einen Malfoy mit verletztem Stolz geben. Das konnte ja noch was werden.
 

Sie entschlossen sich dazu die beiden Jungs als Jäger einzusetzen während er und Draco sich als Treiber versuchen würden und gleichzeitig auf die Tore achten mussten. Die Klatscher, die Harry dafür besorgt hatte waren für den Hausgebrauch bestens geeignet und verursachten keine nennenswerten Verletzungen. So zumindest die Theorie wenn die Kinder damit spielten. Was allerdings passieren würde wenn Malfoy auf den Ball einprügeln würde um ihn damit zu treffen wusste er nicht. Er schätzte ihn als aggressiven Spieler ein und machte sich auf einiges gefasst.

Von James wusste er, dass er gelegentlich etwas unaufmerksam war. Etwas, das auch Scorpius zu wissen schien, denn er tauchte mit einem eleganten Manöver unter ihm durch und hätte direkt den ersten Treffer versenkt, hätte Malfoy ihn nicht pariert.

Harry raste los um den Quaffel in seine Gewalt zu bringen, bevor James das tun konnte. Dieser jedoch war eine Millisekunde schneller und jagte auf das Tor zu. Harry war zu weit weg um rechtzeitig am Tor zu sein, Scorpius jedoch schnitt James den Weg ab und verlangsamt ihn damit so sehr dass es Harry dennoch gelang sich vor dem Tor zu positionieren. Der Junge war gut.
 

Eine ganze Weile ging dieses Spiel hin und her. Harry versuchte dabei nach Möglichkeit sich mehr auf seinen Sohn als auf Malfoy zu konzentrieren, was sich aber als immer schwieriger gestaltete, als klar wurde, dass ihr Teams bezüglich ihrer Fähigkeiten so ausgeglichen war, dass der erhöhte Einsatz von Klatschern nötig sein würde um das Gleichgewicht zu einer Seite zu kippen. Malfoy schien das auch begriffen zu haben, denn er feuerte Harry einen Klatscher mit aller Kraft entgegen, den er gerade noch abwehren könnte. Das war definitiv eine andere Hausnummer als die Schüsse, die er gelegentlich von James einsteckte. Herausforderung angenommen.
 

Matchpoint. Alles oder nichts. Es war eine Frage der Ehre. Er durfte nicht verlieren. Auf keinen Fall. Es wäre nur ein knapper Sieg. Aber Sieg blieb Sieg. Die Sonne brannte mittlerweile brutal auf sie nieder und trieb ihnen allen den Schweiß aus den Poren. Aber Harry wollte verdammt sein, wenn er sich davon irritieren lassen würde. Die ganzen blauen Flecken hatte er nicht ohne Grund eingesteckt. Er umklammerte seinen Schläger und konzentrierte sich voll auf Draco, der sich in der Nähe der drei Torringe aufhielt. Wenn er es schaffen würde ihn vom Besen zu feuern wenn Scorpius auf das Tor zuschoss könnten sie gewinnen. Der Klatscher befand sich in seinem Besitz (nachdem Draco ihn derartig gegen Harrys Schädel geballert hatte, dass dieser das Gefühl hatte einen Schädelbasisbruch erlitten zu haben). Scorpius schien zu wissen, was er geplant hatte und flog ein wenig in die Höhe um James Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mit Erfolg. Harry lehnte sich nach vorne und beschleunigte. Dann warf er den Klatscher in die Luft, holte aus und schmetterte den Ball in Draco’s Richtung als dieser gerade zu beobachten schien, was sein Sohn vorhatte. Der Ball flog und flog… und traf sein Ziel. Aber nicht wie gedacht. Blitzschnell war der Blonde herumgeschnellt und hielt breit grinsend den Klatscher in seinen Händen. Die Wucht hatte ihn dennoch fast vom Besen geworfen so dass er nicht schnell genug reagieren konnte als Scorpius zu den Torringen flog. Auch James war nicht schnell genug und der Quaffel schoss durch den Mittelring. Sie hatten gewonnen. Gleichzeitig jubelten Harry und Scorpius los und klatschten sich ab. James hingegen schien ehrlich geknickt zu sein, während Draco erstaunlich gefasst wirkte.

„Tja Dad, das wird ein teurer Abend für dich!“, frohlockte Scorpius.

„Damit kann ich leben. Ich habe immerhin nur gegen meinen Sohn verloren.“

„Was soll das denn bitte heißen?“, fragte Harry empört.

„Dass du Klatscher schießt wie ein Mädchen, Harry. Wäre diese Sache zwischen uns beiden ausgetragen worden, wäre es anders ausgegangen.“

„Wir können gerne noch einmal loslegen. Zu zweit.“

„Sicher dass dein armes Köpfchen das aushält? Wir können das später testen.“

„Wenn du deine schmachvolle Niederlage verkraftet hast?“

Auf der einen Seite brannte Harry darauf ein zweites Mal gegen den Blonden anzutreten, auf der anderen Seite konnte er sich bessere Dinge vorstellen als erneut derartig fiese Treffer zu kassieren. Und das waren die Kinderklatscher. Er kam sich gerade tatsächlich vor wie ein Mädchen. Nicht, dass er das jemals zugeben würde.

„Geht ruhig schon mal rein, Jungs. Wir räumen noch schnell auf.“, sagte Harry.

„Kommt ihr auch beide lebend wieder?“

„Man weiß es nicht. Es kommt darauf an, ob der Kopf deines Vaters nicht vor lauter Selbstüberschätzung platzt…“, erwiderte Harry.

„Das schwarze Loch in deinem hat dich bisher auch noch nicht verschluckt.“, feixte Malfoy.

Wieso genoss Harry diese Streitereien derartig? Es machte ihn nicht wütend, es regte ihn zwar auf aber nicht im negativen Sinne. Es war anders als die kleinen Sticheleien mit Ron. Es war aufregender. Warum auch immer. Malfoy klemmte sich Quaffel und Klatscher unter den rechten Arm und 2 Besen unter den linken, während Harry sich dem Rest widmete. Zusammen brachten sie alles zum Schuppen und schwiegen dabei. Plötzlich wurde die Situation wieder ein wenig unangenehm. So sehr Harry sich auch einredete, dass gestern Abend nichts passiert war, hatte er dennoch das Gefühl das etwas massives, etwas bedrohliches zwischen ihnen entstanden war.

Malfoy wischte sich den Schweiß von der Stirn und Harry verfolgte die Bahn eines einzelnen Schweißtropfens der langsam sein Schlüsselbei herunter rann bis in den Ausschnitt seines T-Shirts herein, wo Harry ihn nicht weiter verfolgen konnte. Er benahm sich absolut lächerlich. Wenn er nicht langsam damit aufhörte übermäßig viel in seine Beziehung zu Malfoy hineinzuinterpretieren würde er sich in ernsthafte Schwierigkeiten reiten. Sicher, es grenzte an ein kleines Wunder, dass sich zwischen ihnen eine Freundschaft entwickelte aber deswegen musste er nicht gleich seine ganze Welt auf den Kopf stellen.

„Irgendwas ist komisch.“, sagte Malfoy in die Stille zwischen ihnen hinein.

„Wie.. wie meinst du das?“, fragte Harry, der plötzlich einen Kloß im Hals hatte.

„Ich glaube, du weißt ganz genau, was ich meine. Das gestern… war mehr als seltsam. Und auch wenn es „nichts“ war, hätte es zu diesem „nichts“ gar nicht erst kommen dürfen.“

„Das soll heißen?“

„Wir sollten einfach vergessen, was da vorgefallen ist und… keine Ahnung.“

„Ein Malfoy sprachlos. Dass ich das noch erleben darf!“

Harry fühlte sich eigentlich nicht nach Witzen. Aber was sollte er sonst tun?

„Lass uns die Sache einfach noch einmal anders angehen, als wäre gestern nicht da gewesen.“, sagte er dann.

Er hätte an dieser Stelle auch anbringen können, dass Ginny es ohnehin für klüger halten würde, wenn sie beide keinen so intensiven Kontakt pflegen würden, aber das wollte er nicht.

„Ja. Was auch sonst… Na dann. Komm. Ich will meinen Jungen einsacken und den Rest vom Tag genießen.“

Mit einem Lächeln, das unecht wirkte drehte er sich um und ging voraus. Harry zögerte noch kurz bevor er ihm folgte. Er wusste beim besten Willen nicht, was er von der ganzen Situation halten sollte.
 

Das Haus fühlte sich seltsam leer an, jetzt wo nur James und er da waren. Es wurde auch langsam Zeit, dass er zu Ron fuhr um Albus abzuholen.

„Möchtest du mit zu Ron?“, fragte er James, der verneinte.

„Auch wenn es super cool ist, wenn Scorpius da ist, ist es doch schön endlich ein bisschen Ruhe zu haben.“

„Kann ich gut verstehen.“

In diesem Fall stimmte das sogar und er nahm es seinem Sohn nicht krumm.

„Ich denke ich kann dich alleine lassen, ohne das was zu Bruch geht?“

„Klar Chef.“

„Ach ja… Dad. War echt nett heute und so…“, murmelte James bevor er sich schneller als nötig nach oben stahl. Harry konnte nicht anders als darüber zu lächeln. Ihm war klar, dass das zurzeit das höchste Maß an Zuneigung war, das er von einem pubertierenden Jungen erwarten konnte. Immerhin. Etwas beschwingter als zuvor ging er vor die Haustür und apparierte.
 

Hermine öffnete ihm die Tür kaum das er auf der Schwelle stand.

„Hallo Harry. Da bist du ja auch mal. Ich dachte, du würdest eher kommen.“

„Ist es ein Problem, dass es Nachmittag ist?“, fragte Harry, ernsthaft besorgt er könne jetzt auch noch Hermine verärgert haben.

„Nein, natürlich nicht. Es sieht dir nur nicht ähnlich. Komm rein.“

Sie lächelte ihn freundlich an und Harry entspannte sich direkt.

„Ron musste spontan in Ministeriumsangelegenheiten weg.“, erklärte sie ihm als er ihr durch den Flur in die Küche folgte.

„Und wie war dein Abend gestern?“

„Gut.“, antwortete Harry so gelassen wie möglich.

„Ein bisschen habe ich mich ja schon gewundert. Normalerweise vermeidest du es doch zu oft mit deinen Arbeitskollegen außerhalb der Arbeitszeiten zusammen zu sein.“

Sie fixierte ihn mit ihrem durchdringenden Hermine-Blick. Harry überlegte wie sinnvoll es sein würde zu lügen. Hoffnungslos.

„Malfoy…“

„Ihr wart also einen draufmachen?“

„Er hat seinen Trank fertig und hat ein paar Leute eingeladen. War wirklich nett. Hätte ich nicht gedacht.“

„Ich finde gut, dass du mal mehr rauskommst Harry, deswegen verstehe mich nicht falsch, aber: Es wäre gut, wenn du auch mal wieder mit Ron feiern würdest. Ginny und ich kümmern uns schon um die Kinder.“

„Ich weiß, Hermine. Es ist alles ein bisschen komisch gerade. Manchmal fühle ich mich einfach so leer. Und Malfoy bringt wenigstens etwas frischen Wind rein.“

Wenn er ihr doch nur alles erklären könnte. Aber er wusste ja selbst nicht einmal was genau da vor sich ging.

„Das kann ich gut verstehen. Du lebst jetzt ein gut bürgerliches Leben. An sich ist das auch das richtige für dich, denke ich. Aber trotzdem ist es kein Wunder, wenn hin und wieder die Abenteuerlust in dir erwacht. Du solltest sie nur sinnvoll kanalisieren. Fang einen neuen Sport an, nimm dir Urlaub und fahr mit deiner Familie weg. Was auch immer.“

Harry verkniff sich den bissigen Kommentar, dass das alles wenig nach dem klang, was er sich unter Abenteuer vorstellte. Außerdem glaubte er nicht, dass dieses Gefühl der Leere damit zusammenhing, dass er gerade nicht die Welt retten musste. Es war etwas anderes. Ein Puzzleteil, das fehlte und von dem er sogar wusste, wo es lag – nur dass er sich nicht erinnern konnte.

„Ja, ich werde mal sehen. Ist bestimmt nur so eine Phase.“

„Du weißt dass du immer mit mir reden kannst, oder?“

Sie wirkte nun ernsthaft besorgt. Harry nickte.

„Ja, natürlich.“

Nur dieses Mal nicht, Hermine.
 

Soo, an dieser Stelle beende ich das Kapitel, weil es danach einen kleinen zeitlichen Break in der Story geben wird, soviel kann ich verraten. Ich habe lange überlegt ob ich das machen soll und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich aufgrund von zeitmangel definitiv Teile weglassen muss, die ich erst zu schreiben überlegt hatte. Vorteil: Es geht schneller richtig voran. Nachteil: es ist eben nicht so detailliert aufgebaut. Ich bitte das zu verzeihen :D

So dann, bis zum nächsten Kapitel

Bittersüß und Heimatlos

An den Freischalter: Ich weiß dass gerade noch ein Kapitel ohne Inhalt eingegangen ist. Das war meine Katze, die 3 Mal Enter gedrückt hat.
 

Soo, ich weiß es hat wieder hundert Jahre gedauert. Ich bin selber genervt davon, aber die Uni ist ziemlich elend und ich sollte auch jetzt eigentlich lernen statt zu schreiben.

Ich bin selbst nicht ganz sicher, wie ich dieses Kapitel finde. Es liegt mir sehr am Herzen und ich mag es unglaublich gerne, aber ich vermute dass Harry zwischendurch ziemlich wirr wirkt. Ich hoffe ihr kommt damit klar.

Es wurde einfach Zeit, dass die Geschichte mal einen Sprung vorwärts macht.
 

Bittersüß und Heimatlos
 

"Ich denke wirklich wir sollten die beiden Jungs auf dieses Konzert fahren lassen.“

Harry und Ginny saßen abends im Wohnzimmer bei einer Tasse Tee und sahen sich eine seichte Abendsendung an. Nach ihrem spontanen Wochenendtrip hatte sie weiterhin viel arbeiten müssen und war nun froh ein wenig Freizeit zu haben. Harry war einfach nur froh mal wieder ein wenig Zeit mit ihr verbringen zu können. Erleichtert hatte er in den letzen Tagen festgestellt, dass er begann ihre Anwesenheit zu vermissen. Langsam schien es wieder bergauf mit ihm zu gehen – dass er Malfoy in dieser Zeit kaum gesehen hatte, da er Scorpius vorerst bei sich behalten wollte, ignorierte er dabei gekonnt. Denn, wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann war es nicht nur seine Frau, die er vermisste… Immerhin hatte er die Situation genutzt wieder mehr mit Ron zu unternehmen. Da sie unausgesprochen beschlossen hatten das Thema Draco Malfoy zu meiden waren es ein paar schöne Tage gewesen. Theoretisch hatte er wieder alles im Griff. Theoretisch hätte er dieses Konzert gar nicht erst ansprechen brauchen. Er hätte einfach darauf warten können, dass James wieder auf seine Mutter zugehen würde. Theoretisch.

„Meinst du wirklich? Ich weiß nicht. Wales ist soweit weg…“

„Ich glaube Draco hat das schon im Griff. Sonst kann ich ja auch mitfahren.“

„Wann wäre es denn so weit?“

„Nächste Woche, wenn ich das ganze richtig in Erinnerung habe.“

„Ich fände es eigentlich auch schön, wenn wir mal wieder nur Zeit für uns hätten.“

„Ich auch.“

Er streichelte ihr sanft über das weiche Haar.

„Man könnte James einen Handel vorschlagen: Wenn du mit ihm auf dieses blöde Konzert fährst sorgt er dafür, dass wir einen Tag plus Abend ganz für uns haben. Er passt hier auf alles auf und macht sauber.“

„Ob er sich darauf einlässt?“

„Daran werden wir dann ja sehen, wie wichtig ihm das Ganze ist.“

Sie lehnte sich zu ihm herüber und kuschelte sich in seine Arme. Er lehnte seinen Kopf gegen ihren.

„Klingt nach einer guten Idee.“

Er sog ihren Duft ein und genoss ihre Zweisamkeit. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, dass sie so zusammen gewesen waren.

„Harry?“

Sie stellte beide Tasse weiter auf den Tisch, außerhalb ihrer Reichweite und lächelte ihn lasziv an.

„Lass uns nach oben gehen…“

Oh ja, das war auch schon eine Weile her und er würde sich dieses Angebot mit Sicherheit nicht entgehen lassen.
 

Harry hatte schon fast nicht mehr damit gerechnet, dass James sich auf den Handel einlassen würde, so sehr hatte er sich am Anfang gegen diese „Erpressung“ gewehrt. „Aus Prinzip“. Schlussendlich schien er aber begriffen zu haben, dass es im Leben selten etwas umsonst gab. Dabei ging es wohl weniger um das Babysitten seiner Geschwister als vielmehr um die Haushaltspflichten, die man ihm an einem der letzten Ferientage aufzubürden gedachte. Der Streit allerdings schien nun vergessen, denn er war bereits den ganzen Tag über aufgekratzt gewesen und wühlte gerade in seinem Kleiderschrank nach dem richtigen Outfit.

Harry ging die Sache lockerer an. Er würde einfach mitfahren, sich das Konzert ansehen, bei Malfoy im Gästezimmer schlafen und wieder nach Hause fahren. Ganz einfach.

Sie hatten nur noch sporadischen Kontakt gehabt seit er das letzte Mal dagewesen war. Harry hatte jedoch den Eindruck gehabt, dass der Blonde sich zumindest ein bisschen gefreut hatte, als Harry ihm wegen des Konzerts zugesagt hatte. Vielleicht freut er sich auch nur deswegen, weil er es so nicht alleine durchstehen muss, flüsterte ein kleines Stimmchen in seinem Hinterkopf. Oder er hatte sich in der Zwischenzeit nicht gemeldet, weil er genauso verunsichert gewesen war wie Harry und war jetzt froh wieder einen Anknüpfungspunkt zu haben. Was auch immer es war, Harry war sich sicher, dass diese…Verwirrungen nicht wieder auftauchen würden. Zwischen ihm und Ginny war wieder alles im Lot. Die Alpträume quälten ihn zwar noch immer, aber nicht mehr so häufig wie vor ein paar Wochen.

Theoretisch sprach also einiges für Ginnys These, dass ihm der Kontakt zu Draco nicht gut tat. Dennoch freute er sich auf Wales.

„Bist du fertig, James?“, fragte er und klopfte an die Tür seines Sohnes.

„Ja, gleich.“

Tatsächlich kam er kurz danach bis zu den Zehen raus geputzt aus seinem Zimmer.

„Da hat sich aber jemand Mühe gegeben…“, merkte Harry an.

„Es besteht die geringe Chance dass Emily Banes anwesend ist. Ich dulde keine weiteren Fragen zu diesem Thema.“

Harry quittierte die Bemerkung mit einem Grinsen und ging zusammen mit seinem Sohn nach unten. Wie immer drehte sich alles um Mädchen. Wäre seine Kindheit doch auch nur so verlaufen.

„Also Jungs, benehmt euch.“, ermahnte sie Ginny schalkhaft und gab Harry noch einen zärtlichen Abschiedskuss.

„Muss das vor meinen Augen sein? Eltern haben keine Sexualität!“, empörte sich James und beeilte sich nach draußen zu kommen.

„Er wird erwachsen…“, seufzte Ginny „Früher hat ihm das nichts gemacht.“

„Da müssen wir durch, fürchte ich.“

Er gab ihr noch einen Kuss und folgte dann seinem Sohn nach draußen.

„Kann’s losgehen?“

James nickte und Harry apparierte sie und ihr Gepäck nach Wales, unwissend was das für ihn bedeuten würde.
 

Draco erwartete sie bereits am verabredeten Punkt. Hinter ihm ragte die Silhouette eines beeindruckenden Hauses auf. Es war nicht so riesig wie Malfoy Manor, aber dennoch recht luxuriös. Soweit Harry das bei dem Licht ausmachen konnte handelte es sich um ein altes Gebäude, edel und nostalgisch. Also doch noch jede Menge Malfoy-Blut vorhanden.

„Hallo ihr zwei. Dann mal hereinspaziert.“, begrüßte Draco sie mit einem Lächeln. Harry konnte nicht anders als zurückzustrahlen und bemerkte nicht ganz ohne Besorgnis, dass sein Herz einen Hüpfer machte. Seine Beschwerden waren in Dracos Abwesenheit besser geworden, aber trotzdem fühlte er sich in diesem Moment ganz. Bedeutete Ganz-sein Probleme zu haben? Wenn ja, was hatte es damit auf sich? Kaum sah er den Mann, fing das ganze Herumphilosophieren wieder an!

„Ich hoffe ihr habt Hunger mitgebracht.“

„Auf jeden Fall.“

Da James großer Fan von Dracos Küche war hatten sie beschlossen sich früher zum Essen zu treffen. Draco bedeutete ihnen mit einem Kopfnicken ihm zu folgen. Harry beobachtete ihn während er vor ihnen herlief. Er hatte eine gewisse Eleganz an sich und es nervte Harry das zugeben zu müssen. Man musste dem Malfoy-Clan wohl lassen, dass sie Klasse hatten.

„Stellt eure Sachen einfach ab. Bonny trägt sie später hoch.“

„Bonny?“

„Eine Hauselfe. Und jetzt komm mir nicht mit diesem Belfer-Mist. Das Haus würde ohne sie wie der letzte Saustall aussehen.“

„Das war Hermine. Solange du Bonny besser behandelst als Dobby…“

An den kleinen Hauself zu denken versetzte Harry immer noch einen Stich. Er hatte so viel erleiden müssen und konnte nicht einmal einen friedvollen Tod sterben.

„Zerbrich dir darüber mal nicht deinen Kopf. Du kannst sie gerne fragen.“

„Ich vertrau dir da mal.“

„Scorpius kommt gleich runter. Er steht seit drei Jahren im Badezimmer rum.“

„Malfoysche Eitelkeit?“

„Das hat er von seiner Mutter. Ich bin naturschön und brauche mich nicht aufhübschen.“

„Wie konnte ich diesen Fakt nur in Frage stellen.“

„Neid kann verblenden. Das ist in Ordnung.“

Er zwinkerte ihm schalkhaft zu und wies ihnen überflüssigerweise den Weg zur Küche – der Geruch hätte Harry ohnehin zielsicher dorthin geführt. Das Menu, das er erblickte wäre tatsächlich einem Hogwarts-Bankett würdig gewesen. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen und ein Seitenblick auf James geweitete Augen sagte ihm, dass es nicht nur ihm so ging.

Kurze Zeit später gab sich auch Malfoy Junior die Ehre. Auch er schien sich sichtlich Mühe gegeben zu haben das Beste aus sich rauszuholen. Amüsiert betrachtete Draco sowohl James als auch Scorpius.

„Ich hoffe inständig es geht nicht wieder um das gleiche Mädchen…“

„Dad!“

„Setz dich hin und pass auf, dass du dich nicht vollkleckerst. Nicht dass du nochmal drei Stunden das Badezimmer belegen musst.“

„Was ist los mit dir, alter Mann? Wärst du auch gerne wieder jung?“, konterte Scorpius und begrüßte James mit einem Handschlag.

„Es gibt so viel, was ich darauf antworten könnte, aber ich belasse es dabei.“

Und wieder saßen sie in der seltsamen Konstellation am Tisch wie auch schon vor ein paar Wochen in Harrys Küche. Eigentlich war nichts Besonderes daran, wenn zwei befreundete Männer mit ihren Söhnen zu Abend aßen, aber für Harry fühlte es sich seltsam an. Letzten Endes war ihm klar, dass es vermutlich daran lag, dass er es war, der diesem Moment so viel Bedeutung zumaß.

Harry musste aufpassen nicht immer wieder mit seinen Gedanken in Richtungen abzuschweifen, die ihm nicht geheuer waren. Stattdessen versuchte er sich auf das köstliche Essen zu konzentrieren.

Scorpius und James konnten kaum über etwas anderes reden als das bevorstehende Konzert. Harry und Draco hielten sich derweil zurück, um dem Enthusiasmus der Jungs keinen Dämpfer zu verpassen, indem sie sich über vollkommen irrelevante Dinge wie etwa die Arbeit unterhielten.

Immer wieder kreuzten sich dabei ihre Blicke. Jedes Mal wenn Harry in diese silbernen Augen sah durchfuhr ihn ein leichter Schauer und er musste sich bemühen nicht abrupt wegzuschauen oder rot zu werden. Am besten wäre es, er würde sich einfach nur auf seinen Teller konzentrieren. Aber wie würde das denn aussehen? Warum nochmal hatte er sich dazu entschlossen hier her zu kommen?

Weil er Sehnsucht gehabt hatte. Er hatte es sich nicht eingestehen wollen aber es war so. Auch wenn es ihm in den letzten Wochen gut gegangen war hatte er etwas vermisst. Jemanden. Das wurde ihm jetzt schlagartig klar auch wenn es ihm nicht gefiel. Auch wusste er, was das zu bedeuten hatte. Wahrscheinlich hatte er es seit dem Abend in der Kneipe gewusst. Was ihn aber an seiner plötzlichen Erkenntnis am meisten erstaunte war, dass sie nichts änderte.

Die ganze Sache war vollkommen aussichtslos. Es würde zu nichts zwischen ihnen kommen. Da konnte er auch weiter seine Gesellschaft genießen, den Nervenkitzel auskosten auch wenn es dumm war. Es war so unglaublich waghalsig und bescheuert, was er hier trieb. Er setzte so viel aufs Spiel. Aber er hatte das Gefühl zu leben. Ihm war es so schlecht ergangen, weil er sich das nicht eingestehen wollte und auch weil er Schmerz empfand. Schmerz darüber, dass es überhaupt zu dieser Misere gekommen war. Aber auch dieses Gefühl war besser als die lauwarme Mittelmäßigkeit in der er sich so oft bewegte. Auch seine Zeit mit Ginny verbrachte er jetzt intensiver, als würde er erst jetzt begreifen wie wunderbar sie eigentlich war. So hatte wohl alles seine guten und seine schlechten Seiten.

Auf der einen Seite wollte er sich selbst für die Arroganz und Absurdität seiner Gedanken auslachen auf der anderen Seite erschien ihm in diesem Moment alles logisch und auf eine verdrehte Art richtig. Als müsse er das hier tun. Als hätte er keine andere Möglichkeit. Irgendetwas zog ihn unaufhaltsam immer wieder zu Draco und er konnte nichts dagegen tun, wollte es auch nicht. Das schlechte Gewissen nagte durchaus an ihm, aber es reichte nicht. Der Gedanke an Ginny reichte nicht. Genau da lag das Problem. Nichts reichte.
 

Der Musikgeschmack der Jungs deckte sich definitiv nicht mit seinem. Die wummernden Bässe und schrillenden Klänge hallten ihm unangenehm im Schädel wieder, weswegen er sich zusammen mit Draco in den hinteren Teil der Konzerthalle verzogen hatte. Scorpius und James hatten ohnehin eine Gruppe von Gleichaltrigen getroffen, die mit ihnen Hogwarts besuchten. Ob James Schwarm auch dabei war?

„Warum sind wir eigentlich hier?“, hörte er Draco nah an seinem Ohr. Es war so unendlich laut, dass man sich, um den anderen zu verstehen, nah an ihn heran lehnen und dann noch schreien musste. Harry zuckte nur die Achseln. Eigentlich waren sie hier wirklich überflüssig.

„Wenigstens bist du noch hier und ich muss das nicht alleine durchstehen.“

„Ich leiste dir liebend gerne Gesellschaft in diesem Höllenloch.“, antwortete Harry und Draco zwinkerte ihm zu bevor er sich wieder neben ihn an die Wand lehnte. Reden war zu anstrengend, genauso wie zuhören. Sie standen so nah beieinander, dass ihre Schultern sich zaghaft berührten. Eigentlich wäre das nicht nötig, da es dort, wo sie sich befanden genug Platz gab. Aber weder Harry noch Draco schienen das Bedürfnis zu haben auseinanderzurücken. Obwohl es kaum möglich war bildete Harry sich ein, selbst hier, in diesem verqualmten nach Schweiß riechenden Loch, noch Dracos angenehmen Kräuterduft wahrnehmen zu können. Er wandte den Blick ein wenig nach links und betrachtete das Profil des Blonden. Ein gerades, schönes Profil. Ein bisschen wie eine Statue, ein wenig zu makellos um real sein zu können. Wie schaffte er es so stur geradeaus zu sehen ohne dabei zu blinzeln?

Harry fühlte sich seltsam zittrig und aufgekratzt. Was sollte er jetzt machen? Er hatte den Fehler gemacht zu begreifen, was er vorher gekonnt ignoriert hatte. Er hatte den Fehler gemacht dieses Begreifen nicht zum Anlass zu nehmen die Notbremse zu ziehen. Wie würde es jetzt weitergehen? Hätte ihm damals jemand vorausgesagt, er würde ein, nun ja, sexuelles Interesse an einem Mann, an diesem Mann, entwickeln, er hätte einfach nur den Kopf geschüttelt. Noch immer kam er sich vor wie auf irgendeinem abgefahrenen Trip.

Er begann wieder die Menge zu beobachten. Lauter junge Leute ohne Familie, wie es aussah. Wahrscheinlich waren viele darunter, die sich für alternative Kunst und so etwas interessierten. Ob James sich auch so entwickeln würde? Harry hoffte nicht. Es gab wenig, das er mehr hasste als zwanghaft politische Menschen und Leute, die über abstruse Kunst redeten als würde sie Sinn ergeben.

Plötzlich meinte er einen Blick auf sich zu spüren, den von Draco. Es war wie ein kleines kitzeln im Nacken, das sich zu einem Schauer ausbreitete. Eine kalte Gänsehaut kroch seine Haut entlang und er konnte nicht verhindern, dass sein Körper sich kurz schüttelte. Als er den Kopf wandte trafen sich ihre Blicke. Nur kurz. Draco schien ein wenig verwirrt und konzentrierte sich wieder auf die Menschen vor ihm.

Was wohl in seinem Kopf vorging?

An was für Dinge dachte ein Draco Malfoy?

Einerseits war Harry nicht unbedingt begeistert davon, dass seine Gedanken ständig um dieses Thema kreisten. Andererseits lenkte es ihn von diesem Ort ab.

Je hämmernder die Musik wurde, je schneller das Stroboskoplicht flackerte, desto häufiger schoben sich Bilder von Ginny und Draco in seine Gedanken, vermischten sich, brachen auseinander, fügten sich in anderer Konstellation wieder zusammen.

Zum Ende des Konzertes fühlte er sie wie gerädert, schmutzig und doch irgendwie verwegen und aufgeweckt.

Er wusste beim besten Willen nicht, was mit ihm los war. Er wusste nur eins: Er hatte Angst davor in Dracos Haus zu schlafen und vielleicht mit ihm alleine zu sein. Er hatte Angst vor sich selbst.
 

Draußen vor der Konzerthalle unterhielten sich die beiden Jungs noch mit ihren Freunden, während Harry und Draco in einiger Entfernung auf sie warteten. Harrys Kopf fühlte sich an, als sei er mit Watte gefüllt worden. In seinen Ohren herrschte ein fiepender, klirrender Ton vor, der ihm mächtig auf die Nerven ging. Ohrstöpsel wären klug gewesen.

„Das war definitiv die schlechteste Band, die ich je erleben durfte.“, sagte Draco, der ebenso wie Harry ziemlich erledigt wirkte.

Sie wurden definitiv alt. Wie deprimierend.

„Oh ja. Ich hoffe nur, dass die Beiden nicht so werden, wie der Großteil des Publikums.“

„Künstler. Meine Fresse.“ Draco schnaubte. „Ganz ehrlich, ich bin voll für Kreativität. Aber nur wenn Leute auch was können. Eine Leinwand kann ich auch grün anmalen.“

„Oder einen Stein in eine Ecke stellen und einen Punkt drauf malen.“

„Oder ein Loch in die Erde graben.“

Eine Weile philosophierten sie über das, was sich Kunst schimpfen durfte und was nicht, bis sie sich vor lauter intellektuellem Geplapper selbst nicht mehr leiden konnten und sich gegenseitig dafür auslachten, dass ihr bohemienhaftes Umfeld auf sie übersprang.

„Nee, aber mal ganz ehrlich: Zwischendurch schlaue Dinge zu sagen und zu tun ist ja schön und gut. Ich geb mir auch gerne mal eine Dosis Kultur. Bin ich meinem exklusiven Familienstammbaum schuldig. Aber irgendwann reicht es.“

„Also ich bin Waise und von lieblosen Verwandten großgezogen worden, ich kann so ungebildet und scheiße sein, wie es mir beliebt.“

„Dein Leben ist ja so beneidenswert.“

„Ich weiß.“

„Wollen die beiden da eigentlich Wurzeln schlagen?“

„Das sind die Hormone.“

„Die Mädchen sind zu hässlich für meinen Sohn…“

„Draco!“

„Was? Ich will irgendwann mal schöne Enkelkinder haben.“

„Als wenn Scorpius seine erste Freundin direkt heiraten würde.“

„Das wäre definitiv nicht die erste. Hoffe ich zumindest inständig. Ich kann ihm sonst nicht mehr in die Augen sehen.“

„Es freut mich wie moralisch und gesittet du deinen Sohn erziehst.“

„Kann nicht jeder seine zweite Freundin heiraten. Vermisst du nicht manchmal was? Also, ich will jetzt keine Details über euer Liebesleben… aber ich an deiner Stelle würde mich fragen, was so in den Betten anderer Frauen abläuft…“

Er hatte Recht. Harry hatte sich das oft gefragt. Aber es hatte ihn nie genug gereizt. Kein Mensch hatte bisher das Bedürfnis in ihm ausgelöst, Ginny untreu zu werden. Bis auf einer und der stand gerade vor ihm und fragte ihn Dinge über Sex. Klasse.

„Ein wenig schon. Aber es nimmt keine belastenden Ausmaße an.“

„Freut mich für dich. Wie heißt es noch gleich: Je rostiger das Dach-“

„Sprich diesen Satz zu Ende und ich muss dich schlagen.“

„Das kann ich nachvollziehen also schweige ich.“

Sie blödelten noch eine Weile herum, bevor sich die Beiden Jungs wieder zu ihnen gesellten. Harry war gar nicht aufgefallen, dass sie schon eine Stunde hier draußen standen.

„Sorry hat ein bisschen gedauert…“, sagte James und drehte sich noch einmal um.

„Alter, jetzt ist aber mal gut.“, versetzte Scorpius „Wenn du ihr noch offensichtlicher hinterherrennst kannst du die Nummer vergessen. Verlass dich auf deinen Copiloten, das bin ich, und bleib cool.“

„Das ist mein Junge.“, lachte Draco.

Bevor dieser auf die Idee kommen konnte James für seine offensichtliche Leidenschaft eines der Mädchen aufs Korn zu nehmen wies Harry darauf hin, dass es Zeit würde aufzubrechen und wurde mit einem mehr als dankbaren Blick seines Sohnes belohnt.
 

Als sie angekommen waren hatten sie die Scorpius und James ziemlich direkt ins Bett verbannt. Beide würden vermutlich noch die ganze Nacht über wachbleiben und reden, aber immerhin war das dann nicht mehr Sache von Harry und Draco, die beide nichts mehr wollten als ein bisschen Ruhe.

„Selber zu feiern ist irgendwie weniger anstrengend als dabei zuzugucken…“

„Rede dir nur ein, dass es daran liegt, Draco. Wir werden einfach nur alt.“

„Bin nicht bereit das zu akzeptieren.“

„Dachte ich mir. Ich glaube ich gehe jetzt aber trotzdem hoch. Ich bin total geschafft.“

„Mach das. Du findest alles?“

„Ja.“

Einen kurzen, endlosen, Moment lang herrschte Schweigen zwischen ihnen. Als wollten sie noch etwas sagen oder tun, die Nacht durchmachen oder noch etwas essen, nur eben nicht getrennte Wege gehen. Harry hörte jedoch ausnahmsweise auf seine Vernunft und ging nach oben.

Als er jedoch über eine Stunde lang wach lag und partout nicht schlafen konnte, beschloss er noch einmal nach draußen zu gehen und etwas frische Luft zu schnappen. Wenn Draco noch wach war könnte er ihn vielleicht nach einem Schlaftrank fragen.

Er zog sich einen warmen Pullover über und ging die Treppe nach unten auf die Veranda. Vielleicht würden sich seine Ohren dort auch erholen. Immer noch dröhnte sein Kopf.

Dass Draco noch wach war überraschte ihn nicht allzu sehr, aber er hätte trotzdem nicht gedacht ihn auf der Veranda vorzufinden. Scheinbar konnte er genauso wenig Ruhe finden. Warum sollte man sonst nachts auf einem Verandageländer sitzen und in Gedanken versunken Richtung Mond starren?

Oder er war einfach nur hier, weil diese Nacht so perfekt war. Der Himmel hatte die Farbe dunkelsten Blaus angenommen ohne sich in trostloses schwarz zu verfärben. Keine Wolke hing am Himmel um den Ausblick auf das Sternenmeer zu versperren. Aufgrund der Abgeschiedenheit in der Draco lebte gab es hier draußen kein künstliches Licht. Hatte Harry jemals so viele Sterne auf einmal gesehen? Der Mond kam ihm riesig vor, vollkommen und uralt. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Er wusste nicht, ob der Blonde ihn bemerkt hatte oder nicht. Trotz, oder gerade weil, dieser Moment so heilig wirkte fühlte sich Harry plötzlich wie ein Eindringling und Voyeur. Er räusperte sich.

„Hey.“

„Hey.“, antwortete Draco ohne ihn anzusehen. Wahrscheinlich hatte er seine Anwesenheit doch schon bemerkt.

„Kannst du auch nicht schlafen?“, fragte Harry.

„Nicht wirklich…“

Er sah noch immer nicht ihn, sondern nur den Himmel an. Das letzte Mal waren sie in Harrys Garten alleine gewesen. Er musste daran denken wie sie auf dem Konzert nebeneinander gestanden hatten. Näher als nötig. Trotz des Rauchs hatte er Draco riechen können. Oder hatte es zumindest geglaubt.

„Die Aussicht von hier ist wirklich traumhaft.“, sagte Harry und stellte sich direkt neben Draco. Er fühlte sich schwerelos, als würden ihn die Sterne aufsaugen und nach oben tragen, frei von allem, was ihn an die Erde band.

„Ja, ich bin nachts oft hier unten.“

Harry mochte den Klang seiner Stimme in der Stille. Sie floss einfach in die Dunkelheit ohne den Frieden zu stören.

„Warum sind Menschen so, Harry?“

„Was meinst du?“

„Warum will jeder immer das am meisten, was er nicht haben kann?“

Zunächst schwieg Harry. Zum einen wusste er nicht recht worauf der Blonde mit dieser Frage hinaus wollte, zum anderen war er sich nicht sicher, was er antworten sollte.

Das Mysterium des absurden menschlichen Verhaltens beschäftigte ihn seit er in der Lage war sich solche komplexen Gedanken machen zu können. Bisher war er nie zu einem befriedigenden Schluss gekommen.

„Die Frage stelle ich mir auch oft. Und warum man nie zufrieden ist. Auch wenn man eigentlich ein Leben hat, um das andere einen beneiden, kommt man immer wieder zu diesem einen Punkt, wo man das Gefühl hat, das etwas Essentielles fehlt.“

„Vielleicht, weil sich kaum noch jemand selbst kennt. Jeder versucht etwas anderes zu sein, als er eigentlich ist. Jeder baut sich sein Image auf, dem er dann entsprechen will auch wenn es vielleicht nicht das ist, was sein Herz will… wir sind so besessen davon glücklich zu sein, dass uns das Glück durch die Finger rinnt… Bist du glücklich Harry?“

Er dachte darüber nach. War er glücklich? Eigentlich ja. Er wusste, dass er Ginny liebte. Er liebte seine Kinder und den Frieden. Er mochte seinen Job. Er hatte Freunde und genug Geld um sich keine Sorgen machen zu müssen. Und trotzdem war er manchmal nicht glücklich, fühlte sich eingesperrt und in die Ecke gedrängt, wollte einfach nur ausbrechen und wegrennen. Wohin auch immer. Aber konnte er deswegen sagen, dass er nicht glücklich war? Es war wie Draco es beschrieben hatte: Als gäbe es zwei Harry Potters.

„Ein Teil von mir ja. Ein großer sogar, denke ich. Aber da ist dieses Stimmchen im Hinterkopf, das einem ganz schön den Tag vermiesen kann. Ich meine, ich sollte glücklich sein, oder nicht?“

„Ja, warum nicht? Du hättest es dir verdient.“

„Was ist mit dir?“, fragte Harry und endlich sah Draco ihn an. Er sah ein wenig melancholisch aus. Seine helle Haut leuchtete im Mondlicht auf und seine Haare schienen sogar einen Teil davon zu reflektieren.

„Ich bin zufrieden mit meinem Job und damit dass Scorpius hier ist. Geld ist kein Thema, der Stress mit Viktoria Nebensache. Aber ich habe oft das Gefühl, dass im Krieg ein Teil von mir unwiederbringlich verloren gegangen ist. Manchmal habe ich das Gefühl abgestorben zu sein. Da muss ich sagen, dass ich dich beneide Harry: Du bist so lebendig, man muss einfach aufblühen, wenn man in deiner Nähe ist. Du bist wirklich der Junge, der lebt.“

Harry wusste nicht, was er sagen sollte. Er kam ihm nicht abgestorben vor. Für ihn war er elektrisierend. Aber warum war das so? Wenn er näher darüber nachdachte war Draco in vielen Punkten sein Gegenteil. Forscher, aggressiver… kompromissloser, direkter.

Ja, vielleicht, war dieses Verhalten ein Zeichen dafür, das irgendwas in Malfoy tot war. Vielleicht war das der Grund dafür, dass er sein Leben so skrupellos hatte leben können. Und dennoch war es auch genau das, was Harry so magisch anzog. Es überforderte ihn manchmal sich über so viele Dinge Gedanken machen zu müssen. Wie oft hätte er den Leuten lieber den Mittelfinger gezeigt statt seinem Helferkomplex nachzugehen? Manchmal würde er gerne woanders als jemand anders anfangen. Manchmal wusste er nicht wer er war und wo er hingehörte. Heimatlos.

„Ich… finde das beruht auf Gegenseitigkeit. Wir bedingen uns gegenseitig. Ich glaube nicht, dass andere mich als so lebendig wahrnehmen. Und ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, dich als tot zu bezeichnen.“

Harry wusste nicht, ob es an ihrem Gespräch lang, an dieser Nacht oder an Dracos hypnotisierenden Augen, aber plötzlich waren sie sich wieder so nah wie damals vor der Kneipe.

Und dieses Mal war jedem von ihnen klar, was diese Spannung zu bedeuten hatte. Alles in Harry schrie danach sich noch ein kleines Stückchen vorzulehnen. Nur sein Verstand drängte ihn sich zurückzuziehen und so schnell wie möglich das Weite zu suchen.

Draco nahm ihm die Qual der Entscheidung ab, indem er sich ein kleines Stück nach vorn bewegte und somit die Distanz zwischen ihnen endgültig überbrückte.

Seine Lippen fühlten sich anders an als die von Ginny oder Cho. Fester aber nicht minder schön. In Harrys Körper schienen die Endorphine zu explodieren und wie kleine Raketen durch seine Adern zu rasen. Sein Herz schien aus seiner Brust springen zu wollen und sein Verstand zog sich zurück. Langsam bewegten sich ihre Lippen gegeneinander, zärtlich, fast schüchtern. Nicht so wie man es von einem Draco Malfoy erwarten würde. Harry ertappte sich dabei wie seine Hand in Malfoys Nacken wanderte um ihn näher zu ziehen und endlich zu spüren wie sich seine Haare anfühlten. Weich. Wie Haare sich eben anfühlten. Und trotzdem war es etwas ganz besonderes. Draco intensivierte ihren Kuss und Harry ließ sich fallen, blendete alles aus, was diesen Moment hätte zerstören können. Zum ersten Mal seit langem hatte er das Gefühl dass seine Welt im Gleichgewicht war – dabei war eben jenes Gleichgewicht in der Realität gerade dabei sich fröhlich winkend ins Nichts zu verabschieden. Und dennoch hätte er nirgendwo anders sein wollen. Er spürte Malfoys festen Torso nah an seinem, spürte dessen Herz schlagen.

Oben lag sein Sohn, zuhause seine Frau. An keinen von beiden konnte er denken, als sich sein Herzschlag, dem von Draco anzugleichen schien. Es pochte so heftig, dass es fast weh tat. Bittersüß und heimatlos. Nichts zählte.
 

Soo, das war es erst mal wieder.

Ich hoffe bis bald. <3

Weißes Rauschen

Soo, es geht weiter und dieses Mal sogar verhältnismäßig schnell. Vielleicht liegt es daran, dass ich jetzt an einer Stelle der Geschichte angekommen bin, die meine Motivation anfacht.

Danke nochmal an Kaataya dafür dass sie meine Sachen korrigiert :)
 

Das Fenster bot einen makellosen Blick auf den nächtlichen Sternenhimmel, der sich zu seinem ehrlichen Erstaunen in keinster Weise verändert hatte. Harry hatte wenigstens Regen erwartet; schwarze Gewitterwolken, die mit Blitz und Donner seinen Verrat an Ginny in die Welt hinausschrien, schienen ihm angebracht.

Aber die Welt war ruhig und still, so wie sie um diese Uhrzeit zu sein hatte. Ein leichter Wind rauschte durch die Bäume und ein paar Insekten zirpten in den Büschen. Nichts außer seinem eigenen Leben war aus den Fugen geraten.

Er drehte sich auf den weichen, weißen Laken um und betrachtete die Gestalt neben sich, die ebenso in Gedanken versunken zu sein schien wie er. Dracos Brustkorb hob und senkte sich in einem regelmäßigen, langsamen Rhythmus, aber Harry konnte spüren, dass in dem blonden Mann derselbe Sturm tobte, der auch in Harry wütete und den er ebenfalls in der Welt außerhalb dieses Zimmers erwartet hatte.

In den letzten paar Minuten hatte keiner von ihnen ein Wort geredet. Harry hatte Angst vor dem, was es zu sagen gab, denn das war eine ganze Menge. Sie konnten nicht einfach so weiter machen wie zuvor, genauso wenig kam es für Harry infrage in Zukunft getrennte Wege zu gehen und einfach zu verdrängen was soeben geschehen war.

Plötzlich hatte Harry das Gefühl, die Dunkelheit, die ihm vorher noch mystisch, behaglich und sicher vorgekommen war, würde sich aufbäumen zu einem riesigen, bedrohlichen Ungetüm. Eine schwarze, zähe Masse, die ihn überrollte, ihm die Luft abdrückte.

Was hatten sie nur getan? Hatte er sich nicht noch beim Abendessen eingeredet, dass nie etwas zwischen ihnen passieren würde? Plötzlich war alles so schnell gegangen. Die ganze Zeit waren sie umeinander herum getänzelt, hatten nicht begriffen, was da zwischen ihnen passiert war und kaum war bei Harry der Groschen gefallen, hatte er eine ganze Lawine ausgelöst.

Als er Dracos Lippen auf seinen gespürt hatte, hatte sich sein Gehirn einfach ausgeklinkt. Sie waren in seinem Schlafzimmer, in seinem Bett, gelandet.

Sicher, wenn man seiner Frau schon fremd küsste, konnte man es auch gleich ganz durchziehen, dachte er. Der Hohn seiner Gedanken bescherte ihm einen pelzigen Geschmack auf der Zunge. Sein Magen fühlte sich an, als hätte jemand drei Stunden unermüdlich und pflichtbewusst darauf eingetreten.

Zu allem Übel musste er sich noch zusätzlich eingestehen, dass er sich über die Schuldgefühle, die sich in ihm wie Geschwüre ausbreiteten, ärgerte, weil sie etwas zerstörten, das wunderschön gewesen war und das er nie aus vollem Herzen würde bereuen können.

Mit Draco zu schlafen war eine gänzlich andere Erfahrung gewesen. Nichts ähnelte dem, was er kannte. Zugegeben, er hatte nicht die meisten Erfahrungen gesammelt, dennoch konnte er sich nicht vorstellen, dass es mit irgendwem sonst auf der Welt so intensiv hätte sein können. Es war als wäre alles um sie herum verblasst, hätte sich aufgelöst und sie in eine komplett andere Dimension versetzt, in der die bekannten Gesetze keine Gültigkeit mehr besaßen.

Der Körper neben ihm bewegte sich, drehte sich ebenfalls zur Seite. Dracos graue Augen wirkten traurig.

„Und jetzt?“, fragte er in einem Ton, als würde er erwarten, dass er, Harry, auf der Stelle aufspringen und ihn verfluchen würde.

„Ich weiß es nicht…“, gestand Harry wahrheitsgemäß.

Er wollte den anderen Mann anfassen, berühren. Schon wieder. Aber war das in dieser Situation angemessen?

War es überhaupt wichtig, angemessen zu handeln?

Keiner wusste, wie lange diese Nacht dauern würde. Jetzt kam sie ihm ewig vor, aber bald würde es hell werden und die Welt, wie sie eigentlich war, wäre wieder hergestellt. Es fühlte sich an, als würde ihm etwas die Luft abdrücken.

Dracos Finger, die denen eines Pianisten glichen, reckten sich vor und spielten mit einer von Harrys zerzausten Strähnen.

„Bereust du es?“, fragte er.

„Nein. Du?“

Er schüttelte den Kopf.

„Wir können das nicht einfach ignorieren“, stellte Draco nach einer kleinen Pause fest.

„Ja… ich weiß. Aber… ich will nicht, dass es zu Ende ist.“

Das Gefühl zu ersticken wurde schlimmer. Panik, den Blonden nie wieder zu sehen, stieg in ihm auf. Es gab immer Möglichkeiten sich aus dem Weg zu gehen. Was, wenn Draco ihn verlassen würde, wenn er so einfach wieder aus seinem Leben verschwand, wie er gekommen war?

„Ich auch nicht. Aber, ganz ehrlich, Harry. Kannst du das? Ginny und deine Kinder anlügen? Du bist verdammt nochmal verheiratet und hast eine Verantwortung. Ich kann das verstehen.“

„Ich will nicht, dass du aus meinem Leben verschwindest“, beharrte Harry und griff mit seiner Hand nach Dracos. Weiteratmen. Keine Panik.

„Aber was sollen wir denn machen? Jedes Mal, wenn wir uns sehen, werden wir uns an heute Nacht erinnern. Wie soll man denn da normal befreundet bleiben?“

„Wir können es doch versuchen. Lass uns diese Nacht einfach in guter Erinnerung behalten. Das muss sich ja nicht wiederholen. Wir akzeptieren, dass es passiert ist und gehen damit um wie erwachsene Menschen.“

Harry wusste selbst wie lächerlich und verzweifelt seine Worte klangen. Auch wusste er, dass er log. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass Draco geneigt war ihm zuzustimmen. Vielleicht, wagte Harry zu hoffen, konnte er den Gedanken ebenso wenig ertragen, das, was sie teilten, einfach fortzuwerfen.

„Das ist absolut wahnsinnig.“

Er seufzte und Harry fürchtete bereits, dass Draco nun einen Schlussstrich ziehen würde

„Sag mir rechtzeitig Bescheid, wenn du es nicht mehr aushältst…“, murmelte er dann nach einer, wie es Harry schien, ewigen Pause.

Harry deutete diesen Satz als Zustimmung.

„Das wird nicht passieren.“, erwiderte Harry und glaubte einen kurzen Moment lang sogar selbst daran. Er würde jetzt alles sagen, wenn es nur dafür sorgte, dass Draco blieb.

„Heute Nacht ist eine Ausnahme. Das ganze passiert nicht wieder.“, sagte Draco ernst, als wäre dieser Satz ein Zauberspruch, der alles wieder ins Lot bringen würde.

„Genau.“

Draco zog Harry in eine innige Umarmung und lehnte seine Stirn gegen Harrys. Das Gefühl der Atemnot ließ nur langsam und widerwillig von ihm ab, musste sich aber schließlich der Wärme und Geborgenheit beugen, die Dracos Körper verströmte. Wohlbehagen breitete sich in Harrys Gliedern aus, das sich in Hitze verwandelte, als ihre Lippen sich erneut trafen.

Die Nacht war noch nicht vorbei, wer sollte ihnen da verbieten, die letzten Stunden zu genießen?
 

Auch am Morgen, als Harry alleine, nach nicht mehr als drei Stunden Schlaf, im Gästezimmer erwacht war, hatte sich die Welt nicht verändert. Die einzigen, die einen Wandel durchgemacht hatten, waren er und Draco. Er sollte wirklich aufhören sich einzubilden, das Universum könnte nur im Geringsten daran interessiert sein, was in der Nacht geschehen war.

Nur mit viel Willenskraft hatte er sich von dem Blonden gelöst und war in sein Zimmer umgezogen. Sie waren schließlich nicht alleine und er konnte sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen als James, der mit vor Schock geweiteten Augen seinen Vater im Bett mit Draco Malfoy vorfand. Nackt. Selbst wenn dieses Szenario recht unwahrscheinlich war, wollte er genauso wenig riskieren, dass einer der beiden Jungs mitbekam, wie er und Draco aus demselben Schlafzimmer kamen.

Abgesehen davon sollte er sich nicht an das Gefühl von Dracos Körper neben seinem gewöhnen, auch nicht an seine Lippen oder seine Hände, seine Haut, seinen Geruch. All das war ein Traum, den er letzte Nacht gelebt hatte und der sich nicht wiederholen sollte. Die wenigen Stunden Schlaf alleine zu verbringen, war die einzig akzeptable Lösung gewesen.

Trotzdem zog sein Herz sich schmerzlich bei dem Gedanken zusammen, dass es für sie beide keine Zukunft gab, weil er, Harry, schon eine hatte. Eine Zukunft mit Ginny und den Kindern, die er nicht aufzugeben bereit war. Was genau war es denn, was ihn mit dem Blonden verband? Eine gemeinsame Vergangenheit bestehend aus Hass und Gewalt, ein grausamer Krieg und jetzt eine verzehrende Leidenschaft, die sich keiner von beiden erklären konnte, konnte wohl kaum das aufwiegen oder ersetzen, was er mit Ginny teilte.

Er mochte sein spießiges Leben mit Frau und Kind, schätzte die Sicherheit.

Aber warum passierte dann sowas? Warum fühlte er sich jetzt derart hin und her gerissen zwischen zwei vollkommen unterschiedlichen Menschen?

Harry haderte in diesem Moment mit dem Schicksal und wäre am liebsten für immer im Bett liegen geblieben, bis er irgendwann eingeschlafen wäre und woanders wieder als jemand anderes aufwachte.

„Als wenn andere Menschen keine Probleme hätten. So was passiert alle Nase lang“, ermahnte er sich selbst.

An dem, was passiert war konnte er nichts mehr ändern. Es gab nur eins, was er jetzt tun konnte: Sich überlegen, wie es weiter gehen sollte.
 

Draco starrte seit einer Dreiviertelstunde auf die leere Betthälfte, die mittlerweile auch das letzte bisschen der fremden Körperwärme an die Umgebung abgegeben hatte. Er konnte nicht glauben, dass das alles tatsächlich passiert war, aber Harrys Geruch haftete immer noch in der Bettwäsche. Das, und der Geruch nach Sex.

„Verdammt!“, fluchte er und bedeckte sein Gesicht mit den Händen.

Wie konnte er denn nur so blöd sein und sich dieser Laune hingeben? Er tat sich selbst damit keinen Gefallen. Harry war verheiratet. Verheiratet!

Sicher, Draco hatte schon das ein oder andere Mal mit einer Frau geschlafen, die vergeben war, aber da war es flüchtiger, bedeutungsloser Sex gewesen.

Mit Harry standen die Dinge anders. Der Schwarzhaarige machte ihn geradezu wahnsinnig und bestimmte viel zu oft seine Gedanken. Es machte ihn rasend zu wissen, dass Harry in einer glücklichen Familie lebte. Nicht, weil er ihm diese nicht gönnte, sondern weil er wusste, dass dort kein Platz für ihn war. Früher oder später würde das auch Harry bemerken.

Das Bild wie er mit Ginny das Bett teilte, sie küsste, abends mit ihr auf dem Sofa kuschelte, verfolgte Draco schon seit einiger Zeit und bescherte ihm einen Gefühlscocktail aus Eifersucht, Enttäuschung Neid, Schuldgefühlen und Verzweiflung, mit dem er nicht umzugehen wusste.

Wann war es denn dazu gekommen? Schleichend wie eine fiese Krankheit hatte Harry sich in seinem Herz eingenistet und er hatte es erst bemerkt, als es viel zu spät war. Jetzt auch noch mit ihm zu schlafen war in etwa so, als würde man mit Magenkrebs jede Woche in einem mexikanischen Chilirestaurant essen. Der Schmerz wurde dadurch nicht besser.

Auf der einen Seite fühlte er sich unheimlich schuldig; Ginny war freundlich zu ihm gewesen, obwohl sie es nicht hätte sein müssen. Sie war zu einer respektablen Frau herangewachsen und hatte es nicht verdient hintergangen zu werden. Auf der anderen Seite flüsterte ihm eine trotzige Stimme zu, dass er den Weasleys im Allgemeinen nichts schuldete und dass er es genauso verdient hatte glücklich zu sein.

Mit etwas Glück würden diese Gefühle einfach irgendwann verpuffen. Vielleicht war die Anziehungskraft zwischen ihnen nur deshalb so hoch, weil sie sich mit einem heftigen Schlag entlud und würden daher nicht lange anhalten. Wie ein Gewitter, das mit unaufhaltsamer Stärke über das Land zieht, aber auch schnell wieder verschwindet…

… und einen Haufen Verwüstung zurücklässt.

Allein diese eine Nacht könnte Harrys Leben zerstören.

Was dachten sie sich dabei? Glaubten sie wirklich, sie könnten es bei diesem einem Mal belassen? Draco war sich sicher, dass Harry alles gesagt hätte, um ihn davon abzuhalten, ihre Beziehung, wie auch immer die geartet war, zu beenden. Er musste zugeben, dass es ihn mit einer tiefen Befriedung und Beruhigung erfüllte, weil nicht nur er gefühlsmäßig vollkommen hinüber war.

Trotzdem konnten sie nicht einfach annehmen, die ganze Zeit so weiter machen zu können, ohne dass es Konsequenzen haben würde. Waren sie naiv oder arrogant? Wussten sie sich nicht anders zu helfen oder waren sie einfach nur rücksichtslos?

Beide waren sie riesige Arschlöcher.

Draco strich über das verlassene, zerknitterte Laken. Diese Nacht war perfekt gewesen. Er würde in Zukunft nicht darauf verzichten wollen. Sobald man ihn mit Harry allein ließe, würden ihm die Sicherungen raus knallen.

Wenn Harry glaubte, sie könnten „einfach nur so“ Zeit miteinander verbringen, lag er falsch.

Es gab nur zwei Möglichkeiten: Keinen Kontakt mehr oder die Scheiße richtig zum Kochen bringen, indem er sich auf eine Affäre mit seinem Ex-Feind einließ.

Draco wusste, dass ersteres die einzig richtige Lösung war, aber sein Selbsterhaltungstrieb siegte über die Selbstlosigkeit. Der Gedanke, das einzig Gute in seinem Leben, abgesehen von Scorpius, zu verbannen, erschien ihm derartig unerträglich, ja sogar lebensbedrohlich, dass er meinte, es verkraften zu können, die falsche Entscheidung zu treffen.

Mit Harry fühlte er sich so lebendig und ausgefüllt, dass er in seiner Abwesenheit das Gefühl hatte zu vertrocknen, zu verblassen.

Er versuchte nicht daran zu denken, ob er es verkraften könnte, nur die Nummer zwei zu sein, das Geheimnis. Ganz abgesehen von der moralischen Fragwürdigkeit seiner Entscheidung war er sich nicht sicher, ob er sich selbst damit einen Gefallen tat. Er verstrickte sich da in etwas, das durch und durch dumm war, aber auch ganz und gar wunderbar.

Vor allem aber war es eine Frage, die ihn nicht in Ruhe lassen wollte:

Warum ausgerechnet Harry?
 

Als Harry das Gästezimmer verließ um zu duschen, hörte er von unten das Klirren von Geschirr und das Knistern von erhitztem Öl. Er war sich nicht sicher, wie er sich Draco gegenüber beim Frühstück, in Anwesenheit der Jungs, verhalten sollte. Er würde improvisieren.

Langsam zog er sich aus und drehte das Wasser schon einmal auf, so dass es sich aufheizen konnte. Sonnenstrahlen von draußen fluteten das ganze Badezimmer mit dem goldenen Licht der Morgensonne. Draußen sangen die Vögel ihre ersten Lieder des Tages. Harry konnte vom Fenster aus einen kleinen Teil des Gartens sehen. Ob Draco wohl einen Gärtner hatte? Anders konnte es eigentlich gar nicht sein. Eine Vielzahl von Pflanzen blühte dort unten. Arrangiert nach ihren Farben bildeten sie ein wogendes Meer aus Purpur, Violett und Weiß. Eine kleine, helle Bank stand unter einer großen Trauerweide, deren herabhängende Blätter angenehm im leichten Wind rauschten. Harry war kein Bücherfreund, aber er stellte es sich angenehm vor da unten zu sitzen und in einer Welt aus Geschichten zu versinken. Ob Draco viel las?

Wenn er recht darüber nachdachte, gab es noch so viel, das er nicht über den Blonden wusste, aber gerne wissen würde. Er stieg unter den Strahl heißen Wassers und hoffte inständig, dass sich noch genug Gelegenheiten dafür ergeben würden.

Als er nach seinem Duschgel greifen wollte, fiel sein Blick auf die bereitgestellten Duschutensilien. Nacheinander roch er an den verschiedenen Fläschchen, bis er eines erwischte, dessen Duft dem von Draco am nächsten kam. Ihm war es selbst peinlich, aber er entschied sich dafür. Während er sich mit der öligen Flüssigkeit einrieb, fühlte er sich wie ein kleines Teenagermädchen, das heimlich das Duschgel ihres Freundes benutzte - wenn sie nicht gerade an dessen Kleidung roch oder in ihr Tagebuch schrieb, wie unglaublich wundervoll doch alles war.

Er stellte das Wasser ab und begann sich abzutrocknen. Seine Bewegungen waren mechanisch. Auch nach der Dusche fühlte sich sein Körper ermattet und etwas schwächlich an. Kein Wunder bei der Nacht. Er konnte nicht verhindern, dass sich bei diesem Gedanken ein dümmliches Grinsen auf sein Gesicht stahl.

Es war, als litt er unter Schizophrenie. Ein Teil von ihm fühlte sich miserabel, schuldig, panisch, in die Ecke gedrängt und konnte nicht aufhören über die Folgen seiner eigenen Dummheit nachzudenken. Dieser Teil war es auch, der ihm stetig einflüsterte, dass er drauf und dran war alles zu zerstören, was er sich aufgebaut hatte und dass er tunlichst zusehen sollte sich von diesem Haus und seinem Besitzer zu entfernen. Für immer.

Der andere Teil jubilierte darüber, dass Draco seine Gefühle erwiderte und konnte an nichts anderes denken, als mit ihm zusammen zu sein. Es freute ihn, was zwischen ihnen passiert war und er wünschte sich nichts sehnlicher, als solche Begegnungen immer und immer wieder zu erleben. Dieser Teil von ihm pflanzte Bilder und Ideen in Harrys Kopf, wie sie zusammen in der Südsee oder in Kanada und sämtlichen Flecken der Welt dazwischen Urlaub machten, weil sie frei waren und ungebunden.

Harry wünschte, er könnte sich zweiteilen. Harry A würde dann mit Ginny ein glückliches Familienleben führen und Harry B würde mit Draco durch die Welt jagen und allerhand verrückte Dinge unternehmen, die zu tun sich beide zuvor nicht getraut hatten.

Natürlich müsste es dafür auch einen Draco B geben, dachte Harry. Schließlich war er nicht der einzige, der Kinder hatte.

Warum hatten sie sich nicht in der Schule so kennen lernen können?

Dann wären sie entweder jetzt noch zusammen oder hätten früh genug die Gelegenheit bekommen, es zu versuchen und irgendwann zu realisieren dass es nicht funktionierte. Vielleicht wäre er anschließend trotzdem mit Ginny zusammengekommen und es wäre nie zu dieser Katastrophe gekommen.

Das ganze Wenn und Aber bereitete ihm Kopfschmerzen und zu seiner Überraschung auch Hunger.

Schnell erledigte er den Rest seiner morgendlichen Badezimmeraktivitäten und beeilte sich nach unten in die Küche zu gehen, um sich dort der ersten von vielen ihn erwartenden Feuerproben zu unterziehen.
 

Soo, das war es erst mal wieder

Frühstück mit Nebenwirkung

Sooo, nachdem ich quasi keine Semesterferien hatte weil ich nur lernen durfte und in einem Berg aus Papierkram ertrunken bin, geht es jetzt mal wieder weiter.

Die Geschichte ist jetzt etwa zur Hälfte abgeschlossen. Das nächste Kapitel ist noch etwas seichter, aber das Tempo wird bald merklich angezogen werden.

Herzlichen Dank wieder an Kaataya, die über alles drüberliest und mich an die wichtigen Kleinigkeiten erinnert, die einen guten Plot ausmachen <3
 

Die Jungs saßen bereits am Tisch und machten sich begeistert über die erste Portion Rührei her. Harry betrat die Küche mit einem, für ihn nach dem Aufstehen typischen, knappen „Morgen.“

Er war ein Morgenmuffel. Jeden Tag, nur nicht heute. Er fühlte sich aufgekratzt, konnte sich das aber vor seinem Sohn nicht anmerken lassen. Dieser quittierte seinen schroffen Morgengruß ebenso wie Scorpius, der es auch nicht anders kannte, mit einem Nicken. Draco lächelte ihn etwas verlegen an und wandte sich dann schnell wieder dem Essen zu. Harry entdeckte eine verlassene, dampfende Tasse Kaffee auf dem Küchentisch. Da Draco eine andere direkt neben sich stehen hatte, nahm er an, sie sei für ihn. Mit stillem Dank ließ er sich am Tisch nieder und umschloss die Tasse mit beiden Händen. Es war fast schmerzhaft heiß, aber er war dankbar für alles, was ihn ablenkte und das Rauschen seiner Gedanken einstellen konnte. Kurze Zeit später stellte Draco ihm einen Teller mit Rührei, Toast und Bacon vor die Nase und setzte sich neben ihn.

Harry wusste nicht, ob es auch für Draco üblich war morgens so ruhig zu sein. Es gab noch viele solcher Kleinigkeiten, die ihm nicht bekannt waren, die er aber gerne bis ins kleinste Detail beobachten und in seiner Erinnerung abspeichern wollte. Er musterte den Blonden verstohlen. Seine Haare waren noch etwas feucht, also schien auch er bereits geduscht zu haben. Wie viele Bäder dieses Haus wohl hatte? Trotzdem wirkte Draco müde und in Gedanken versunken. Ein wenig erinnerte dieser Anblick ihn an die Zeit, als Draco Tag und Nacht an jenem ominösen Zaubertrank gearbeitet hatte, der sie gewissermaßen zusammengebracht hatte. Eigentlich war es ja die Scheidung gewesen. Aber „Scheidung“ war ein Wort, an das Harry gerade nicht denken wollte.

Draco stocherte lustlos in seinem Essen herum. Im Gegensatz zu Harry schien ihm nicht nach Frühstück zumute zu sein. Harry riss sich von Dracos Anblick los und konzentrierte sich auf den Teller vor ihm. Am gestrigen Abend hatte er bereits gedacht, es sei skurril zu viert auf diese Art am Tisch zu sitzen. Er hatte Unrecht gehabt. Jetzt, nach der Nacht, war es das wirklich.

James unterhielt sich mit Scorpius über das bald beginnende Schuljahr. Harry bemühte sich zuzuhören. Nicht nur um der Ablenkung wegen, sondern auch, weil er am Leben seines Sohnes teilhaben wollte. Nach all dem mehr denn je. Trotzdem entglitt ihm immer wieder der rote Faden. Seine Haut hatte sich an die Hitze des Kaffees gewöhnt wodurch sein Gehirn scheinbar nicht mehr in der Lage war sich auf die Dinge zu konzentrieren, auf die es sich konzentrieren sollte. Ständig ertappte er sich dabei auf Dracos Hände zu starren. Sie waren maskulin, aber schlank und wendig, geschickt. Bei dem Gedanken, wo er diese Hände gestern überall gespürt hatte, wurde er rot. Es machte ihn wahnsinnig. Sein ganzer Körper schien vor Verlangen zu explodieren, während sein Verstand so verzweifelt aufschrie, dass er befürchtete sein Gehirn würde ihm bald als schleimige Masse aus den Ohren laufen.

Er atmete tief durch und nahm einen riesigen Schluck Kaffee. Gut, dass sie schon vorher beschlossen hatten nach dem Frühstück aufzubrechen. Dieses Haus zu verlassen war der erste Schritt. Trotzdem wurde Harry bei dem Gedanken daran mulmig. Wie würde er sich Ginny gegenüber verhalten? Würde sie etwas merken? Dracos Frage, ob er das alles aushalten konnte, schoss ihm in den Kopf. Als er noch neben ihm gelegen hatte, war die Antwort für ihn klar gewesen, aber je näher die Stunde rückte, in der er Ginny wiedersehen würde, desto unsicherer wurde er. Dennoch; Egal, wie es weiter gehen würde, er würde über das schweigen, was geschehen war. In diesem Fall half Ehrlichkeit keinem weiter.
 

„James, am besten packst du deinen Kram schon mal zusammen. Ich helfe noch kurz beim Abräumen und dann sollten wir langsam nach Hause“, sagte Harry, als sowohl er als auch die Jungs mit dem Essen fertig waren.

„Können wir nicht ein bisschen länger bleiben?“, fragte James „Hier gibt es noch so viel zu sehen.“

„Du hast es deiner Mutter versprochen.“

Nur zu gern würde Harry nachgeben, aber er wusste, dass er sich damit keinen Gefallen tun würde, also blieb er hart. Es wäre mit Sicherheit kein Problem sich kurz bei Ginny zu melden und ihr zu sagen, dass sie etwas später kämen, aber er wollte nichts provozieren.

„Aber…“

„James, bitte. Ihr seht euch doch bald in der Schule wieder und in den nächsten Ferien kannst du bestimmt noch einmal herkommen.“

Sein Sohn warf ihm einen beleidigten Blick zu, gehorchte jedoch. Scorpius folgte ihm nach oben. Harry nahm an, dass die beiden sich ein wenig Zeit lassen würden und beschloss noch einmal mit Draco zu sprechen.

„Das war ganz schön unangenehm“, bemerkte er und begann die Teller aufeinander zu stapeln. Vermutlich hätte Draco im Normalfall Magie benutzt, aber auch er schien seine Hände beschäftigen zu wollen, denn er ließ warmes Wasser in die Spüle laufen.

„Allerdings. Ich weiß auch nicht, wie das in Zukunft laufen soll.“

„Wir können den Jungs kaum verbieten sich zu sehen…“

„Schon klar, aber ich muss ja nicht lange bleiben. Ginny könnte James hier vorbeibringen…“

Harrys Magen krampfte. Plötzlich wünschte er sich, er hätte weniger gegessen. Er hatte darauf anspielen wollen, dass es kompliziert werden würde sich in Zukunft zu treffen. Draco klang jedoch so, als wolle er den Kontakt zwischen ihnen beiden im Allgemeinen vermeiden. Er vermied es Harry in die Augen zu sehen. Seine Körperhaltung war angespannt und er schrubbte brutaler als notwendig an den Tellern herum. Das leichte Kratzen des Spülschwamms auf dem Porzellan hallte unangenehm in Harrys Ohren wider.

„Also ist es doch vorbei?“

„Was ist vorbei, Harry? Da sollte überhaupt nichts sein! Ich sehe jetzt schon, wie unwohl du dich fühlst. Und mir geht es dabei nicht viel besser. Klar, heute Nacht haben wir noch gedacht, das geht irgendwie. Aber die Dunkelheit besitzt die Eigenschaft das Hässliche zu verbergen. Jetzt ist Tag und die Dinge liegen anders.“

Er hatte Recht, so Recht. Aber Harry wollte das einfach nicht einsehen. Mit einem lässigen Wink seines Zauberstabs verschloss er die Küchentür und sperrte sämtliche Geräusche ein und aus. Er wollte in Ruhe mit Draco reden, ohne dass einer der Jungs hereinplatzte.

„Was soll das?“, fragte Draco irritiert.

„Ich will Klartext reden. Bei Tag.“

Draco seufzte und stellte den Teller, den er gerade noch abgewaschen hatte, zur Seite. Abwartend hob er eine Augenbraue und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wir haben uns in eine Sackgasse manövriert, so viel ist klar. Du hast auch vollkommen Recht mit dem, was du gesagt hast. Ich weiß nur nicht, ob ich das so akzeptieren will“, begann Harry, aber Draco unterbrach ihn, bevor er weiter reden konnte.

„Manchmal sollte man sich nicht nach egoistischen Beweggründen entscheiden. Heute Morgen habe ich noch gedacht, es sei mir scheißegal wenn du Zuhause deine Frau sitzen hast. Ich dachte ich kann machen was ich will, da ich keinem etwas schuldig bin. Aber dann habe ich dich hier sitzen sehen… zusammen mit deinem Sohn. Ich weiß, dass du noch zwei andere Kinder hast. Ich liebe Scorpius und könnte es nicht ertragen ihn zu verlieren und ich weiß, dir geht es mit deinen Kindern nicht anders. Aber genau deren Glück steht hier auf dem Spiel. Es geht dabei nicht um uns.“

„Kinder brauchen glückliche Eltern.“

„Und du bist glücklich, wenn du deine Frau betrügst?“

„Wenn du es so sagst, klingt es ganz schön mies.“

„Das ist es.“

„Ich bin glücklich mir dir.“

Draco sah furchtbar gequält aus, Harry konnte es kaum ertragen ihn anzusehen. Nervös biss er auf seiner Unterlippe herum und wartete auf eine Antwort.

„Hör zu, Harry. Ich würde nichts lieber tun als ja zu sagen.“

Er unterstrich seine Worte indem er Harry zu sich heranzog und sein Gesicht in beide Hände bettete; diese wunderbaren Hände.

„Aber ich will nicht sehen, wie du daran kaputt gehst. Ich will nicht Schuld daran sein, dass du alles wegwirfst.“

„Es ist meine Entscheidung“, beharrte Harry, dessen Puls schneller schlug. Allein das Gefühl von Dracos Haut an seiner, so unschuldig die Berührung auch sein mochte, ließ sein Blut kochen.

„Okay. Ich schlag dir etwas vor: Du fährst mit James nach Hause, stellst dich Ginny und wartest. Mindestens zwei Tage. Dann meldest du dich wieder und wir sehen, wie es weiter geht. Mit ein bisschen Abstand lässt sich alles viel klarer betrachten.“

Seine Stimme war zu einem rauen Flüstern geworden und sein Gesicht immer näher an Harrys gekommen, als wäre er in Trance und wüsste selber nicht, was er tat. Harry nutze den Moment, um ihn in einen letzen Kuss zu verwickeln. Ehe er sich versah, wurde er herumgewirbelt, saß plötzlich auf der Küchenzeile und spürte Dracos Hand in seinem Haar, während er heftig von ihm geküsst wurde. Genauso schnell wie die Offensive gekommen war, trennte sich Draco wieder von ihm und ging auf Abstand.

„Was machst du nur mit mir?“, fragte er scheinbar mehr zu sich selbst.

Harry bemühte sich sowohl Atem, als auch Artikulationsfähigkeit wieder zu finden. Seine Knie fühlten sich butterweich an und sein Herz war dabei sich brutal durch seinen Brustkorb nach draußen zu hämmern.

Zwei Tage?

Was er brauchte um diesen Mann zu vergessen war eine Enthauptung.

„Zwei Tage. Ich nehme dich beim Wort. Und jetzt sollte ich vielleicht nach James sehen.“

„Ja, solltest du.“

Ein zaghaftes, aber liebevolles Lächeln huschte über Dracos Gesicht, bevor er sich wieder dem Geschirr widmete. Harry verstand die dahinter liegende Aufforderung und verließ die Küche. Selbst wenn all das in einer absoluten Katastrophe enden würde, konnte er die Schuld nur bei sich allein suchen. Gott, er hatte Draco quasi angebettelt. Aber er schämte sich nicht dafür, es war das, was er wollte und was er brauchte.
 

Soo, das war es erst mal wieder. Ich weiß Draco ist gerade nicht sehr Malfoy-mäßig und furchtbar vernünftig, aber er hat noch genug Gelegenheiten das zu ändern. Es wird auch noch Szenen aus seiner Sicht geben, so dass man erfährt was ihn zu seinen Handlungen bewegt. Ich hoffe es hat gefallen. Bis demnächst :D

Perspektiven

Hallo ihr Lieben,

ich weiß es hat wieder ewig gedauert. Mit diesem Kapitel habe ich mich wirklich schwer getan. Dazu kommt wie immer jede Menge Stress. Ironischerweise schreibe ich hier immer weiter, wenn der richtig schlimm wird. Es lebe die Prokastination. -.-

Dieses Kapitel ist eine Art Übergangskapitel, das einfach dazu dient mal darzustellen, wie es bei den Charakteren zuhause weitergeht. Diesmal gibt es auch etwas aus Scorpius' Sicht. Auf die folgenden Kapitel habe ich eigentlich ziemlich Lust. Es werden wohl noch etwa 4 Stück werden. Ich hoffe dass ich das alles bis Mitte diesen Jahres schaffe... Aber versprechen kann ich wie immer nichts. Tut mir wirklich Leid. Ein herzliches Dankeschön auch nochmal an kaataya dafür dass sie meine horrenden Kommafehler erträgt und korrigiert und mich auf meinen exzessiven Gebrauch des Wortes "dass" hinweist XD
 

Perspektiven
 

Harry war von sich selbst positiv überrascht und zugleich angeekelt, als er feststellte wie leicht es ihm fiel, Ginny so zu begrüßen wie sonst auch. Mühelos schloss er sie in seine Arme und gab ihr einen Begrüßungskuss.

„Und wie war das Konzert?“, fragte Ginny.

James begann ihr begeistert von dem Abend zu erzählen, während Harry hinter ihm eine Grimasse zog, die Ginny mitteilen sollte, dass er gänzlich anderer Meinung war. Sie grinste ihn schief an und lauschte weiter James überzogenem Tatsachenbericht über die lausigste Band auf diesem Planeten. Was war nur aus den guten, alten Schicksalsschwestern geworden?

Harry griff sich die beiden Taschen, die er und James mitgenommen hatten und brachte sie die Treppen hinauf in das obere Stockwerk. Als er seine eigene auspackte fiel ihm ein, dass Lily heute Abend wieder nach Hause kommen würde. Sie war mit einer Freundin in Frankreich gewesen. Je voller das Haus, desto besser. Möglicherweise würde die Gegenwart seiner gesamten Familie ihm den Kopf waschen, aber er bezweifelte es. Noch immer tobten die Endorphine in seinem Körper und trübten das schlechte Gewissen. Vielleicht konnte er deswegen so normal mit Ginny umgehen. Zwar wusste er, dass er etwas Falsches tat, aber zurzeit machte es keinen unglücklich, insofern niemand davon erfuhr. Plötzlich ertappte Harry sich dabei wieder an Sirius zu denken. Er wünschte sich mehr denn je sein Patenonkel wäre noch am Leben. Auch ihm hätte er nicht erzählen können mit wem er eine Affäre hatte, schließlich war sein Hass auf die Malfoyfamilie viel tiefer und berechtigter gewesen, dafür hätte er ihm von der Situation an sich erzählen können. Sirius hätte ihn nicht verurteilt, aber ihn auf den richtigen Weg geschickt, wie auch immer dieser aussehen mochte. Doch er war nicht hier. Harry musste seine Suppe alleine auslöffeln. Seufzend verstaute er die geleerte Tasche und machte sich wieder auf den Weg nach unten.

„Ich habe gehört, ihr habt schon gefrühstückt…“, stellte Ginny fest und schien plötzlich ein wenig schlechter gelaunt als zuvor. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen weshalb. Möglichweise lag es daran, dass es ihr missfiel, dass James Dracos Küche mehr zu schätzen wusste als die seiner Mutter. Oder es war etwas gänzlich anderes. Jedoch hielt er es für das beste, zunächst zu schweigen und darauf zu warten, dass sie ihm von selbst eröffnen würde, was ihr Problem war – falls es überhaupt eins gab und er keine Paranoia bekam.

„Ja, das hat sich angeboten. Hast du schon einen Plan, was wir mit unserer baldigen gemeinsamen Auszeit anfangen?“

Ginnys Gesichtszüge hellten sich wieder merklich auf.

„Ja. Lass uns in dem Restaurant essen, in dem wir vor der Hochzeit immer waren. Danach könnten wir uns in guter, alter Muggelmanier einen Film im Kino ansehen.“

Zwar war Ginny von den Muggeln und ihren Erfindungen nicht annähernd so begeistert wie ihr Vater, aber das Konzept von Film und Kino hatte sie in ihren Bann gezogen. Sie kam näher und strich ihm mit einer Hand über die Brust.

„Und danach… mal sehen.“

Mit einem vielsagenden Blick reckte sie sich seinem Mund entgegen und schlang die Arme um seinen Hals. Zum zweiten Mal an diesem Tag küsste Harry einen Menschen, den er liebte. Ginny zu küssen ließ ein befriedigendes, ruhiges Gefühl von Vertrautheit in seinem Magen aufleuchten, das ihn ganz und gar erfüllte. Es war ein Gefühl, das er mit regnerischen, aber romantischen Herbstabenden, dampfendem Tee und Lachen verband. Aber es stellte seine Welt nicht auf den Kopf. Nicht mehr.
 

Als Ginny sich zum Duschen in das geräumige Badezimmer zurückgezogen hatte, ließ Harry sich rücklings auf ihr großes Ehebett fallen. Lily würde bald hier sein. Madleine, die Mutter ihrer Freundin, hatte ihnen bereits Bescheid gegeben.

Auch wenn es nicht angenehm war, trat jetzt endlich, endlich, das Gefühl von richtiger Schuld ein. Anfangs hatte er einen wunderbaren Tag verbracht und sich dabei eingeredet, dass er mit seinem Verhalten niemanden verletzte, insofern er sich unauffällig verhielt, nun sickerte langsam aber sicher das Verständnis ein, dass dem nicht so war. Er verletzte Draco, der wusste, dass er, Harry, jetzt hier war, bei Ginny. Er verletzte Ginnys Würde, auch wenn sie davon nichts wusste. Er missbrauchte das Vertrauen seiner Kinder und zu guter letzt verletzte er auch sich selbst. Der wichtigste Teil seines Selbstbildes war ins Wanken geraten. Seine bedeutendste Charaktereigenschaft hatte tiefe Risse bekommen. Er hatte sich immer für einen ehrbaren Mann gehalten, jemand der anderen Menschen half, ihnen beistand, Hilfe leistete. Jetzt war er zum dem geworden, was er sonst verurteile: Ein Lügner und Betrüger.

An seinem Handeln hingen so viele andere Leben. Was würde Ron sagen, würde er jemals erfahren, was Harry seiner Schwester antat? Er würde ihn verfluchen und – was noch viel schlimmer war – niemals wieder eines Blickes würdigen. Selbstmitleid, Wut und Verzweiflung begannen ihn zu überwältigen. Das Monster, dessen Gegenwart er schon in Dracos Zimmer gespürt hatte, fraß sich quälend durch seine Eingeweide und in sein Herz.
 

Der Anblick seiner Tochter vertrieb die düsteren Gedanken für kurze Zeit. Ihr strahlendes Lächeln und ihre lebhaften Erzählungen vertrieben die aggressiven Wellen all der Gefühle, die in seinem Inneren tobten – nur um sie kurz darauf mit neuer Intensität aufwallen zu lassen. Die Gezeiten der Schuld. Ginny, Albus, James und Lily. Ron, Hermine, Hugo und Rose. Sie alle linderten seinen Schmerz durch ihre Anwesenheit, ihr Lachen, ihre Scherze und ihre Unwissenheit. Gleichzeitig erinnerte ihn eben dieser Anblick an all die Dinge, die er in den letzen Wochen so zuversichtlich in den Sand gesetzt hatte. Auf seine Art hatte Draco in der Küche Recht gehabt. Das einzige, was zwischen Harry und dem absoluten Zusammenbruch seiner Welt stand war ein unachtsamer Schritt, ein schlecht gewähltes Wort, ein unabsichtliches Geständnis oder eine winzig erscheinende Kleinigkeit, die eine Lawine los trat. Er hatte bereits so viele Szenarien durchgespielt und konnte sich immer noch nicht das volle Ausmaß der Folgen vorstellen. Die Katastrophe würde im zentralen Kreis seiner Familie starten und sich dann in konzentrischen Kreisen immer weiter ausbreiten. Aber vielleicht würden sich auch neue Türen öffnen? Vielleicht würde sich alles verändern, aber nichts untergehen? Vielleicht würde auch einfach gar nichts passieren? Wie viele Männer führten erfolgreich ein Doppelleben? Durfte er sich daran orientieren? Wie sehr konnte er sein Glück herausfordern? Nach wie vor fühlte er sich nicht fähig eine Entscheidung zu fällen. Er konnte auf nichts verzichten. Auf niemanden. Oder wollte er nur nicht? Über diesen einen Punkt musste er sich dringend klar werden. Wenn es eine Frage des Wollens war, dann gab es nur eine Möglichkeit: Das alles beenden, bei Ginny bleiben und sich ein paar Wochen lang in Geduld üben, bis der Schmerz nachlassen würde. Wenn es eine Frage des Könnens, oder viel mehr des Nicht-Könnens war, dann musste er sich etwas anderes überlegen.

Der gesamte Abend verlief in erschreckender Normalität. So sehr es auch in ihm stürmte und brodelte, seine Oberfläche war spiegelglatt und unauffällig. Er wäre ein guter Slytherin gewesen, der Hut hatte recht gehabt. Vielleicht hätte ihn das mit Draco zusammengeführt. Vielleicht hätte der Blonde dann ein anderes Leben gelebt, vielleicht wäre sein Gewissen dann nicht so belastet. Vielleicht, vielleicht…

James war mehr als missmutig, als er am nächsten Tag einsehen musste, dass seine Eltern ihn tatsächlich dazu zu zwingen gedachten seine Geschwister zu beaufsichtigen. Mehrere Male hatte er Harry darauf hingewiesen, dass Albus alt genug sei, um auf sich selbst zu achten, dass man Lily einfach in ihrem Zimmer einsperren solle und er ohnehin nicht die geeignete Person sei, um Verantwortung zu übernehmen, seine Akte beim Hausmeister von Hogwarts würde das belegen. Tatsächlich sei es sinnvoller entweder Zuhause zu bleiben oder ihn und seine Geschwister bei Ron und Hermine unterzubringen. Jedoch waren weder Harry, noch Ginny bereit nachzugeben. Nicht, dass es ein Problem gewesen wäre Hermine zu fragen, aber es ging bei der Sache ums Prinzip. Genauso wenig war es James gelungen sich aus den Haushaltspflichten herauszureden, die er versprochen hatte zu übernehmen. Harry fühlte sich wie ein siegreich heimgekehrter Krieger nach einer heroischen Schlacht gegen die gefürchteten Monster der Pubertät.

Zusammen mit Ginny hatte er sich in den Garten gelegt. Sie genossen den warmen Tag und ließen es sich nicht nehmen, gelegentlich einen befriedigten Blick durch das Küchenfenster zu werfen, wo James gerade den Boden wischte. Magie durfte er schließlich noch nicht außerhalb der Schule anwenden.

„Eigentlich ist es fast grausam, was wir da tun“, sagte Ginny „Ich meine, ich müsste nur einmal den Zauberstab schwenken und die Hausarbeit macht sich von alleine.“

„Ja, aber er hat es verdient. Die Band war furchtbar.“

Insgeheim gab Harry seiner Frau Recht. Tatsächlich hatten sie auch kurzzeitig in Erwägung gezogen, James von seinen Pflichten zu befreien. Die Forderung hatte schließlich in erster Linie dazu gedient ihn von dem Konzert abzuhalten. Wenn sie ehrlich zu sich selbst waren, war der Grund dafür, dass sie in den letzten Monaten wenig Zeit füreinander gehabt hatten, weder bei den Kindern, noch im Haushalt zu suchen, sondern bei ihnen selbst und ihrer Arbeit. Sie waren einfach zu beschäftigt und ausgelaugt gewesen, um abends noch etwas zu unternehmen. Allerdings hatten sie dann gemeinsam beschlossen, dass es dem Jungen ganz gut tat mal etwas für seine Familie zu tun, statt immer nur einzufordern.

„Er meinte, du hättest dich ganz gut mit Draco unterhalten können…“

„Ja, schon. Aber es wäre besser gelaufen, wären wir an einem weniger überlaufenen, verqualmten und lauten Ort gewesen.“

Harry fühlte sich unwohl, sobald Ginny ansatzweise das Thema Draco Malfoy anschnitt.

„Egal. Wir sollten jedenfalls den ganzen Tag nutzen. Was hältst du davon, wenn wir, bevor wir essen fahren, noch in die Winkelgasse gehen? Einfach nur so.“, fragte er.

„Da müssen wir doch bald ohnehin schon mit den Kindern hin. Lass uns lieber zum See fahren.“

Der See. In der Nähe ihres Hauses lag ein kleines Stückchen Wald. Bevor James geboren wurde, hatten sie dort durch Zufall einen kleinen See entdeckt, den sie damals „Ihr Geheimnis“ getauft hatten. Nicht einmal ihre Kinder wussten davon, obwohl Harry sich sicher war, dass James genau dort entstanden war. Sie waren eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr dort gewesen.

„Darauf hätte ich auch mal kommen können.“, sagte er und lächelte Ginny an.

Er war sich unsicher gewesen, wie der Tag verlaufen würde, aber in diesem Moment hatte er das Gefühl, dass nichts schief gehen konnte.
 

Draco starrte auf die tiefschwarze, kreisförmige Oberfläche des Kaffees in seiner Tasse. Er hatte ihn in Gedanken so stark gekocht, dass die Oberfläche zu einem dunklen Spiegel geworden war, in dem er sein Gesicht betrachten konnte. Er schüttete einen Teil der Tasse in den Ausguss und goss ausnahmsweise etwas Milch dazu. Er hatte Scorpius versprochen heute noch mit ihm in die Winkelgasse zu gehen und ein Buch zu kaufen, dessen Erscheinen der Junge seit Wochen sehnsüchtig erwartete. Vorher brauchte er jedoch etwas Ruhe.

Zielstrebig steuerte er die große Bibliothek an und setzte sich in den alten Sessel. Schon sein Vater hatte darin gesessen, sein Großvater, sein Ur-Großvater und so weiter und so fort. Auch wenn er fast alles entsorgt hatte, was ihn an seine Familie und deren (und auch seine) Verbrechen erinnerte, von diesem Möbelstück hatte er sich nicht trennen können. Die meisten seiner schönen Kindheitserinnerungen hatten bei diesem Sessel stattgefunden. Wenn sein Vater sich einmal Zeit für ihn genommen hatte, dann war es dort gewesen. Lucius Malfoy hatte dann immer einen Feuerwhiskey neben sich stehen gehabt, seinen Sohn auf den Schoß genommen und ihm vorgelesen. Als Draco älter geworden war, saß einer von ihnen auf diesem Sessel, der andere auf einen beliebigen Stuhl. Jedes Mal hatten sie sich abgewechselt und Gespräche geführt, an die er sich heute noch mit einem warmen Gefühl erinnerte. Lucius Malfoy war ein grausamer Mann gewesen, aber dieser Sessel erinnerte ihn daran, dass es auch eine Seite an ihm gegeben hatte, die ihn mit ganzem Herzen geliebt hatte.

Auf dem kleinen Tisch neben ihn lag noch ein Stapel Bücher, aber Draco fehlte die Konzentration dafür. Das kam nicht oft vor. Wenn er aufgewühlt war, waren es die Bücher, die ihn ablenkten. In seiner Jugend auf Hogwarts hatte er mit dem Lesen aufgehört. Er war davon ausgegangen, es könne ihn zu weich erscheinen lassen. Damals wollte er als tatkräftig und gefährlich wahrgenommen werden, als stolzer Malfoy eben, und nicht als introvertierte Leseratte. Gelesen hatte er dann in den Ferien. Auch wenn er in Hogwarts viele Leute gekannt hatte, waren sie für ihn mehr Bundesgenossen und Lakaien als Freunde gewesen. Die Zeit Zuhause verbrachte er oft allein.

Möglicherweise war das auch ein Grund für seinen Hass auf Harry gewesen: Seine Fähigkeit echte Freundschaften zu schließen. Hätte ihm damals jemand gesagt, dieser Junge würde irgendwann seine Frau betrügen, hätte er ihn für verrückt erklärt. Harry war der Goldjunge mit dem Helfersyndrom und dem großen Herzen. Dem Slytherin in ihm gefiel der Gedanke, dass er dieses Bild beschmutzt hatte. Es war, als hätte er Harry damit seinen Stempel aufgedrückt. Leider war er mittlerweile erwachsen geworden und konnte sich daher nicht auf dieses Gefühl konzentrieren. Tatsächlich fühlte er sich in erster Linie mies. Harry folgte seinem Herzen und nahm vermutlich nicht einmal richtig wahr, was er anrichtete. Er selbst hingegen benutze für gewöhnlich seinen Verstand. Er hätte das alles unterbinden sollen, bevor es überhaupt angefangen hatte. Irgendwo saß oder lag Harry jetzt mit Ginny und spielte ihr weiter das übliche, glückliche Eheleben vor.

Der Gedanke machte ihn krank. Eifersucht und Neid waren Gefühle, die den Malfoys durchaus bekannt waren, aber dieses Mal war es anders. Diese Form von Eifersucht war neu. Sie tat weh. Es ging nicht darum, den Besitz oder die Macht eines anderen haben zu wollen. Was er wollte, wollte er nicht besitzen. Er wollte ein Teil von Harrys Welt sein. Ein unauslöschbarer Teil, auf den er nicht mehr würde verzichten können, weil es nicht nur sein Herz, sondern auch seine Seele brechen würde. Er wollte ihn nicht verletzen, sondern bei ihm sein, ihn in seine Arme schließen, bevor Harry sich überhaupt einsam oder traurig fühlen konnte. Aber er wollte auch der Einzige sein. Gut, vielleicht wollte er Harry doch irgendwie besitzen. Aber nicht mit Gewalt, nicht zu so einem hohen Preis.

Als er noch einen Schluck Kaffee nehmen wollte, stellte er fest, dass die Tasse bereits geleert war. Mit einem Seufzen stellte er sie ab und richtete seinen Blick auf die Zimmerdecke.

„Hör einfach auf nachzudenken, atme.“, sagte er zu sich selbst und schloss die Augen.
 

Scorpius sah seinen Vater durch die Tür der Bibliothek verschwinden. Erst wollte er ihm nachgehen und ihn fragen, ob sie nicht schon losfahren könnten. Erstens wollte er unbedingt den neuesten Teil seiner Lieblingsbuchreihe kaufen und zweitens wusste er, dass Amanda sich jedes Wochenende irgendwann mittags im Buchhandel befand. Aber als er bemerkte wie abwesend Draco wirkte, schluckte er die Bitte herunter. Seit Harry und James am morgen gefahren waren, schien irgendetwas mit seinem Vater nicht zu stimmen. Ob etwas zwischen ihm und Harry vorgefallen war? James Vater hatte sehr dringend fahren wollen und die Stimmung am Tisch war angespannt gewesen. James hatte es wahrscheinlich nicht gemerkt, aber Scorpius konnte sowas riechen. Bis seine Eltern sich endlich zu der Trennung entschlossen hatten, hatte diese knisternde Unruhe wochenlang über dem Esstisch gehangen. Hatten sie damals wirklich geglaubt, er würde das nicht merken? Auf der einen Seite rührte es ihn, dass seine Eltern trotz ihrer Differenzen noch alles mögliche versucht hatten, seinetwegen zusammen zu bleiben und ihn rauszuhalten, aber auf der anderen Seite ärgerte es ihn auch. Er war alt genug, um bei so etwas mit einbezogen zu werden und außerdem wäre die Scheidung weit angenehmer verlaufen, hätten sie sich eher dazu entschieden. Das Einzige, was ihn wirklich störte, war, dass er seine Mutter kaum noch sah. Sicherlich, sie liebte ihn, aber im Moment liebte sie ihre neu gewonnene Freiheit mehr und das tat weh.

Scorpius verdrängte den Gedanken an Viktoria und schlich sich nach unten zur Bibliothek. Sein Vater hatte die Tür nicht ganz geschlossen. Er saß auf dem Sessel seines Vaters, eine Tasse Kaffee in der Hand, aus der er hin und wieder gedankenverloren einen Schluck nahm und starrte ins Leere. Das war nicht gut. Scorpius hatte dieses Verhalten nicht oft bei ihm beobachtet, aber wenn, dann bedeutete es meistens, dass er wegen irgendetwas total am Boden war. Als deutlich wurde, dass er seine Ehe nicht würde retten können, am Todestag seiner Eltern, nachdem ein guter Freund einer schweren Krankheit erlegen war… das waren die Gelegenheiten, an denen er sich manchmal sogar mehrere Tage hintereinander hierher zurückzog. Immer nur kurz um Scorpius nicht zu beunruhigen oder zu vernachlässigen. Er wusste vermutlich nicht einmal, dass er manchmal beobachtet wurde. Dabei registrierte er sonst alles.

Er hörte Draco murmeln: „Hör einfach auf nachzudenken, atme.“

Draco atmete tief ein. Scorpius atmete tief ein.

„Dad?“

Wenn er von sich selbst behauptete alt genug zu sein, um von seinem Vater einbezogen zu werden, dann wurde es auch Zeit seinen Vater einzubeziehen und zu versuchen für ihn da zu sein, so wie er es all die Jahre für ihn gewesen war.

Überrascht drehte dieser sich in seinem Sessel um und sah ihn an.

„Möchtest du fahren?“, fragte er und zauberte das Lächeln auf sein Gesicht, von dem Scorpius schon vor einiger Zeit erkannt hatte, das es seine Augen nicht erreichte.

„Nein. Ich will einfach nur mit dir reden.“

Er ging zu seinem Vater und zog sich einen der anderen Lesestühle heran.

„Was ist los mit dir, Dad? Du kommst nur zum Löcher-in-die-Luft-starren hier her, wenn etwas nicht stimmt. Und versuch jetzt nicht mir etwas anderes zu erzählen. Ich weiß Bescheid. Du sagst immer, du erkennst, wenn ich lüge oder wenn es mir schlecht geht, weil ich dein Sohn bin. Ich kann das auch.“

Draco sah ihn ein wenig perplex an.

„Hat es was mit Harry zu tun?“

Für einen kurzen Moment weiteten sich die Augen seines Vaters, als hätte er ihm gerade eröffnet ein Mädchen geschwängert, ein Drogenproblem zu haben oder sonst eine Nachricht, die Väter in heillose Panik versetzte. Schnell bekam er seine Mimik jedoch wieder unter Kontrolle.

„Schätze schon. Ich verstehe mich gut mit ihm und ich freue mich darüber, dass du in James einen guten Freund gefunden hast. Freundschaften waren nie so meine Stärke. Es freut mich, wie gut du darin bist… aber… ich erinnere mich einfach an viele Dinge, wenn ich ihn sehe. Ich fühle mich einfach ständig schuldig für das, was passiert ist. Ich dachte, ich hätte das alles hinter mir…“

Scorpius spürte, dass das nur die halbe Wahrheit war. Aber er brauchte nur in die Augen seines Vaters zu sehen, um zu wissen, dass er nicht mehr erfahren würde. Und zum ersten Mal glaubte er, dass das vielleicht auch gut so war. So sehr er seinem Vater helfen wollte, etwas das diesem einen derartigen Schmerz verursachte, war vielleicht doch noch nicht für seine Ohren gemacht.

„Weißt du, Dad. Lass uns heute nach dem Einkaufen noch irgendwo hingehen. Eis essen oder so…“

Draco sah ihn ungläubig an. Auch wenn ihr Verhältnis gut war, legte Scorpius in der Öffentlichkeit nicht allzu viel Wert darauf das auch zu zeigen. Eltern waren nun einmal etwas peinlich, egal wie cool man sie insgeheim fand.

„Scorp, du musst nicht…“

„Ich weiß, aber ich will. Und jetzt komm… es gibt da so ein Mädchen…“

Zwar hätte er seinem Vater lieber nicht davon erzählt, aber das verschmitzte Lächeln auf dessen Gesicht, diesmal echt, entschädigte ihn für die peinlichen Randbemerkungen seines Vaters, die er zukünftig würde ertragen müssen. Das war es einfach wert.
 

So, das war es dann erst mal wieder. Danke an alle, die noch dabei sind.

Die Ruhe vor dem Sturm

Soo, hier haben wir es. Das vermutlich vorletzte oder vielleicht vorvorletzte Kapitel dieser Geschichte. Ich denke die üblichen Entschuldigungen spare ich mir. Allgemein habe ich mich entschieden ein paar Sachen rauszukürzen und dafür etwas das Tempo anzuziehen, zum einen weil es jetzt besser zu den Charakteren passt und zum anderen, damit ich hier bald mal fertig werde XD Mir ist die Geschichte ans Herz gewachsen und ich möchte sie auf jeden Fall beenden. Ich hoffe, es gefällt. Viel Spaß beim lesen.
 

Harry starrte auf das beschriebene Briefpapier vor sich. Seine Handschrift sah von Zeile zu Zeile krakeliger aus, was kein Wunder war, bedachte man wie sehr seine Hand gezittert hatte, als er diesen Brief verfasst hatte. Er konnte es Draco einfach nicht persönlich sagen. Eigentlich sollte er diesen Brief jetzt direkt in einen Umschlag stecken und losschicken. Ohne ihn noch einmal zu lesen. Aber er konnte nicht anders. Wenn er die Zeilen nicht selbst ein weiteres Mal lesen würde, wäre das alles nicht real.
 

Draco,

die zwei Tage sind um. Sie sind so schnell vergangen und gleichzeitig unheimlich schleppend. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken und muss dir wegen dem, was du gesagt hast, Recht geben. Wir können diese Sache nicht weiter durchziehen. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel.

Lily ist vor zwei Tagen aus Frankreich heimgekehrt und der übliche Familientrott ist wieder eingekehrt. Auf der einen Seite hat mir das Ganze bewusst gemacht, wie wichtig ich für meine Familie bin, auf der anderen Seite konnte ich nicht aufhören an dich zu denken. Ich habe mich gefühlt wie der letzte Dreckssack auf Erden. Sicher, ich habe kein Recht mich zu beschweren… als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, war ich mir sicher, alles würde sich schon irgendwie einrenken. Aber die Wahrscheinlichkeit sowas könnte glimpflich ausgehen, liegt bei Null.

Ein sehr großer Teil von mir sehnt sich danach hier alles hinter mir zu lassen. Oft denke ich darüber nach, was passiert wäre, hätten wir uns unter anderen Umständen kennen gelernt. Das ganze Phantasieren bringt aber keinen von uns weiter. Die Dinge sind wie sie sind.

Mir ist bewusst, dass ich dir das persönlich sagen sollte. Aber ich kann nicht. Wenn ich dir gegenüberstünde, würde nichts aus meinem Mund kommen.

Viele halten mich für einen mutigen Mann. Wenn es um große Gefahren nationaler Bedeutung geht (verzeih den Anflug von Galgenhumor), mag das auch richtig sein, aber was diesen emotionalen Krieg angeht, bin ich ein Feigling.

Natürlich kannst du Scorpius hier vorbeibringen, wenn es wieder nötig ist und falls die Jungs sich treffen wollen, aber ich würde es begrüßen, wenn du mich vorwarnen könntest. Fürs erste wird es besser sein, wenn wir uns nicht über den Weg laufen.

Es tut mir Leid,

Harry.
 

Ein dicker Kloß formte sich in seinem Hals. Seine Hand zitterte, als er Dracos Adresse auf den Umschlag schrieb. Konnte er das wirklich tun? Einfach einen Brief schreiben? Und dann auch noch so einen? Er hätte noch so viel zu sagen gehabt, aber jedes weitere Wort erschien ihm noch grausamer zu sein. Wie tief war er eigentlich gesunken? Er hörte ein Rumpeln von unten und dann Ginnys Stimme, die erbost James‘ Namen rief. Mit einem Seufzen öffnete Harry die Schublade seines Schreibtisches und legte den Brief dort hinein. Er würde ihn abschicken, wenn er sich um seinen Sohn und dessen neuesten Schabernack gekümmert hatte. Oder morgen früh…
 

Harry saß in seinem Büro und stierte entnervt auf den Packen Papiere vor sich. Sinnloser bürokratischer Müll.

Natürlich hatte er den Brief nicht versandt. Er hatte sich auch nicht anderweitig gemeldet, was noch viel schlimmer war. Fünf Tage waren jetzt schon seit der Nacht vergangen, die er mit Draco verbracht hatte. Harry fühlte sich ruhelos. Er konnte das alles nicht einfach zu den Akten legen, genauso wenig schaffte er es aber auch sich bei Draco zu melden. Verdrängung schien allerdings ebenso wenig seine Stärke zu sein. Sein Gehirn ratterte unaufhörlich vor sich hin. Magen- und Kopfschmerzen begleiteten ihn seit Tagen.

Plötzlich ertönte ein Klopfen. Irritiert blickte Harry Richtung Tür. Eigentlich müsste er hier alleine sein, da er sich entschlossen hatte Überstunden zu machen. Weil er in den letzten Tagen so abgelenkt gewesen war, arbeitete er zu langsam und hatte keine andere Wahl mehr als länger zu bleiben. Seine Sekretärin war weg und ihm fiel auch sonst keiner ein. Vielleicht Ginny?

„Herein.“, brummte er missmutig. Noch mehr verlorene Zeit…

Die Person, die eintrat war nicht seine Frau.

„Draco?!“

„Harry…“

Da stand er, lässig an den Türrahmen gelehnt. Sein Gesichtsausdruck vermittelte jedoch nicht den Eindruck von Gelassenheit. Er sah müde aus, aber nicht auf die überarbeitete Art, die Harry schon kennengelernt hatte. Scheinbar hatte er dieselben Horrornächte hinter sich, die auch Harry durchlitt: Abwechselnde Wach- und Schlafphasen voller Horrorszenarien.

„Ich schätze mal, du hast dich nicht gemeldet, weil du schließlich doch zur Vernunft gekommen bist… ich hatte darauf gehofft, wir könnten uns noch einmal in Ruhe unterhalten, bevor wir getrennte Wege gehen, aber das scheint nicht in deinem Sinne zu sein. Keine Sorge, ich bin auch nicht deswegen hier. Es geht um Scorpius. Ihr hattet schließlich angeboten ihn zum Bahnsteig zu bringen…“

Harry hatte über alles Mögliche nachgedacht, aber das hatte er vergessen. Um seine Verdrängung stand es scheinbar doch nicht allzu schlecht.

„Tut mir Leid… ich…eigentlich… hatte ich auch einen Brief geschrieben. Aber irgendwie konnte ich ihn dann doch nicht absenden.“

„Wieso nicht?“

„Mir ist klar geworden, dass du mit dem, was du gesagt hast, Recht hattest. Aber ich wollte einfach nicht, dass es so ist… Ich wusste einfach nicht, wie ich dir gegenüber treten soll.“

„Und da hast du dir gedacht, du schweigst…“

Harry wusste, der vorwurfsvolle Ton war mehr als gerechtfertigt, aber trotzdem spürte er Wut in sich aufsteigen. Für ihn war diese ganze Situation ebenfalls alles andere als leicht! Lügen und Betrügen gehörten nicht zu den Dingen, in denen er Übung hatte. Genauso wenig wie Leute vor den Kopf zu stoßen. Als ob ihn das Geschehene nicht schon genug belastete! Natürlich war die Situation auch für Draco furchtbar, aber dessen Ehe war bereits unwiederbringlich im Eimer. Er war besser darin seinen analytischen Verstand zu gebrauchen. Harry war sich sicher, dass Draco sich nicht so zerrissen fühlte wie er.

„Es tut mir herzlich Leid!“, antwortete er kühl. „Ich wusste einfach nicht wie und eigentlich ist es besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. Ich vertraue mir selbst einfach nicht ausreichend und muss jetzt an meine Familie denken.“

„Sehe ich das richtig, dass du vor ein paar Tagen für mich auf die Würde deiner Familie scheißen wolltest und jetzt für deine Familie auf meine? Wenn du denkst, du kannst diese Situation nicht handhaben, hast du Recht. Allerdings scheint der Grund dafür dein Schwarz-Weiß-Denken zu sein und keine emotionale Verwirrung, oder wie du das nennen willst.“

„Schwarz-Weiß-Denken?!“

„Ja, Harry. Für dich ist alles gut oder schlecht. Du stellst dich auf die Seite, die deiner Meinung nach die „gute“ ist. Wenn das einmal nicht funktioniert und du zwischen zwei Möglichkeiten wählen musst, von denen beide moralisch fragwürdig sind, verlierst du den Überblick. Du musst um jeden Preis deine weiße Weste wahren. Da es hier keine richtige Entscheidung gibt, willst du dich drücken.“

„Meinst du, du kennst mich so gut? Möglicherweise tue ich mich einfach schwer mit dem Gedanken so viel Scheiße gebaut zu haben! Natürlich will ich niemanden verletzten und ich hätte nie gedacht zu so etwas fähig zu sein. Im Gegensatz zu dir bewege ich mich in einem Umfeld, in dem Aufrichtigkeit und Loyalität geschätzt werden.“

Er bereute die Worte kaum dass er sie ausgesprochen hatte. Draco hatte einen Nerv getroffen und er hatte es ihm heimzahlen wollen. Dieser schluckte und atmete tief ein.

„Ich denke, du weißt selbst, wie lächerlich das gerade war. Meine Vergangenheit hat damit nichts zu tun. Mag sein, dass ich allgemein besser mit der dunklen Seite des Lebens bekannt bin als du. Aber in dieser Situation sitzen wir beide im selben Boot.“

„Tut mir Leid.“

Harry ließ seinen Kopf in seine Hände sinken. Er fühlte sich unglaublich ausgelaugt.

„Ich bin einfach fertig. Noch nie in meinem Leben habe ich etwas getan, das so egoistisch ist. Für mich ist der Gedanke furchtbar, einem Menschen, den ich liebe, weh tun zu müssen. Leider verlangt die Situation genau das. In sowas bin ich einfach nicht gut.“

Das Gesicht noch immer in den Handflächen vergraben hörte er Draco näher kommen und sich auf den Schreibtisch setzen.

„Ich weiß. Niemand ist das. Solche Dinge lernt man schmerzhaft im Laufe seines Lebens. Für mich war es schon als Junge Gang und Gäbe. Versteh mich nicht falsch: Ich kann deine Entscheidung nachvollziehen, ich selbst habe sie dir nahe gelegt. Trotzdem war ich verletzt. So beschissen es auch klingen mag… ich dachte, ich sei dir wichtig genug, so dass du persönlich erscheinst, statt einfach nichts zu tun.“

„Du verstehst das nicht…“

Harry hob seinen Kopf und blickte Draco in die Augen. Mit seiner rechten Hand griff er nach Dracos.

„Du bist zu wichtig. Deswegen konnte ich nichts machen. Ich will bei Ginny bleiben, weil ich sie noch liebe und weil es das Richtige ist. Aber bei dir habe ich das Gefühl wieder richtig atmen zu können.“

„Verbotene Früchte schmecken besser…“

„Das ist es nicht. Ich weiß nicht, was es ist.“

Draco strich Harry mit einer zaghaften Geste über sein schwarzes Haar.

„Wir sind so lächerlich, wirklich. Als wären wir die Hauptdarsteller einer drittklassigen Soap.“

Harry lachte auf, eher zynisch als amüsiert.

„Du kannst Scorp vorbeibringen, wann immer du willst. Sag einfach vorher Bescheid.“

„In Ordnung. Wird vermutlich in drei bis vier Tagen der Fall sein…“

Schweigen hing bleiern zwischen ihnen in der Luft. Harry hielt noch immer Dracos Hand, Draco berührte noch immer sein Haar.

„Soll ich jetzt gehen?“, fragte er schließlich.

„Das wäre wohl besser.“

Widerwillig ließ er Dracos Hand los und versuchte das Gefühl des Verlusts zu ignorieren. Auch dieser erhob sich vom Schreibtisch und schickte sich zum Gehen an. Dann jedoch hielt er kurz inne und kam wieder auf Harry zu. Langsam beugte er sich vor und drückte seine Lippen sacht auf Harrys Stirn.

„Du machst das Richtige “, flüsterte er und verharrte kurz in dieser Position. Harry wollte etwas erwidern, aber seine Kehle war zu trocken. Wie angewurzelt saß er auf seinem Stuhl, unfähig irgendwas zu tun. Diese kleine Geste hatte etwas derart Unerwartetes, Rührendes und zugleich Irritierendes, dass er nicht wusste, wie und ob er reagieren sollte.

Draco schenkte ihm noch ein letztes, melancholisches Lächeln und war schon lange aus dem Büro getreten, als Harry sich wieder rühren konnte. So sehr er sich auch bemühte, er konnte sich nicht an das letzte Mal erinnern, bei dem er geweint hatte. Zu seiner Überraschung war es ungemein befreiend.
 

„Okay, Harry. Wirklich. Etwas stimmt nicht mir dir und ich will wissen, was es ist. Ginny war gestern nach der Arbeit bei mir und sagte, sie weiß nicht mehr, was sie mit dir anfangen soll. Sicher, du hast gerade unheimlich viel Arbeit zu erledigen. Aber seien wir ehrlich. Da ist mehr. Etwas, das du Ginny nicht sagen kannst. Demnach auch nicht Ron. Also rede mit mir.“

Harry wollte sein Gesicht in der großen Teetasse verbergen, die Hermine ihm gereicht hatte, aber ihr starrer Blick nagelte ihn in der Position, in der er war, fest. Seine letzte Begegnung mit Draco war vor ein paar Tagen gewesen, als dieser Scorpius bei ihnen vorbeigebracht hatte, damit sie ihn zum Express bringen konnten. Harry konnte an nichts anderes mehr denken. Draco hatte bei weitem gesünder gewirkt als bei ihrem letzten „richtigen“ Treffen, ihn aber so distanziert behandelt, dass Harry sich gefühlt hatte, als würde sich jedes nicht gesprochene Wort, jede nicht durchgeführte Geste direkt in seinen Körper bohren, wie fiese kleine Dornen, die keinen unerträglichen Schmerz auslösen, einen jedoch durch ihre Beständigkeit dauerhaft außer Gefecht setzen. Auch Ginny hatte es bemerkt. Er hatte sie damit abspeisen wollen, dass die beiden ihre alte Rivalität doch nicht hatten vergessen können, aber er wusste, dass sie ihm keinen Glauben schenkte. Ginny war eine Sache. Sie anzulügen mochte zwar nicht funktionieren, aber sie akzeptierte es, bis es soweit war. Hermine nicht. Und das wusste er.

„Ich kann es dir nicht sagen.“

„Hast du wen umgebracht?“

„Sehr witzig. Wäre es so, würde ich als erstes mit dir darüber sprechen.“

„Immerhin. Was ist es dann? Hast du Mist gebaut, Harry? Du wirkst auf eine Art traurig, die ich nicht von dir kenne. Was ist passiert?“

Er sehnte sich so sehr danach mit jemandem über seine Situation zu sprechen. Bereits nach diesen ersten Worten merkte er, wie seine Zunge sich lösen wollte. Alles in ihm schrie nach einer Beichte. Aber. Er. Durfte. Nicht.

Hermine atmete tief durch und er wusste, sie würde ihn knacken.
 

Ginny betrat das gemeinsame Schlafzimmer und setzte sich auf die Bettkante. Ihr war nach Schlafen zumute. Seit einiger Zeit träumte Harry nachts so schlecht, dass auch sie kaum Schlaf fand. Irgendetwas stimmte nicht. Sie hatte die Vermutung, dass es in irgendeiner Weise mit Draco zusammenhing. Sie selbst hatte ihm schließlich dazu geraten sich von ihm zu distanzieren. Aber seit dies offenbar geschehen war, stand es um ihren Mann noch schlechter. Hatte sie einen Fehler gemacht? Wäre Draco die Lösung gewesen? Möglicherweise waren die anfänglichen Albträume ein Zeichen für einen Heilungsprozess gewesen, den nur Draco hätte herbeiführen können? Sie fuhr sich durch die üppigen Haare und suchte dann nach einem Haarband in ihren Hosentaschen. Als sie keins fand, ging sie zum Schreibtisch und öffnete eine der Schubladen. Sie bewahrte dort oft welche auf, wenn es morgens schnell gehen musste. Statt eines Haarbandes erwartete sie ein blütenweißer Briefumschlag mit Harrys schönster Handschrift. Er war an Draco adressiert. Ginnys Herz begann zu hämmern. Sie wusste, es wäre ein unheimlicher Vertrauensbruch diesen Brief zu lesen. Aber sie wusste nicht weiter. Weshalb lag hier ein Brief für Draco? Vielleicht war er die Lösung des Problems. Vielleicht hatte Harry ihn aus blankem Stolz nicht abgeschickt. Vielleicht war es nur ihre Neugierde. Ginny öffnete den Brief.
 

„Du hast WAS?!“

Er wusste, sie würde ihn knacken. Aber fünf Minuten waren Rekord.

„Wenn Ron das wüsste. Er darf das nie erfahren. Harry! Du darfst dich nie wieder in seiner Nähe betrinken.“

„Er wird es nicht erfahren. Keiner wird das. Es war doch nur einmal…“

„Du klingst, als würdest du das bedauern…“

„Ich fühle mich so leer, seit er aus meinem Leben verschwunden ist. Hermine. Ich wollte niemandem weh tun. Aber… Herr Gott. Ich weiß auch nicht. Bei ihm fühle – fühlte- ich mich so…so ganz. So als würde jemand das Gleiche fühlen wie ich. Es war, als hätten wir eigentlich immer zusammengehört… irgendwie. Aber ich weiß selbst, dass es nur Ginny geben kann und darf. Und ich liebe sie. Sie ist wunderbar. Es gibt keine bessere Frau.“

„Keine bessere Frau“, wiederholte Hermine.

„Keine bessere Frau“, bestätigte Harry.

„Du wirst bei ihr bleiben. Sie wird es nie erfahren. Du redest mit mir, wenn etwas ist. Ich bin für dich da, Harry. Weißt du, ich hatte oft das Gefühl, dass ein Teil von dir gar nicht hier in dieser Welt ist. Irgendwas ist damals mit dir passiert, was keiner von uns je hat nachvollziehen können- Draco aber schon. Ich denke nicht, dass du böse bist. Oder schlecht. Du bist verzweifelt, Harry. Du weißt nicht, ob du hier richtig bist. Dein ganzes Leben bestand aus einem Leidensweg. Meine Güte. Du bist Jesus mit einer Brille. Nur, dass es für dich keine Erlösung gab. Aber auch Draco könnte das nicht. Das kannst nur du.“

Sie hatte Recht. Draco hatte Ähnliches gesagt. Er selbst war schon zu diesem Schluss gekommen. Trotzdem wollte er nicht loslassen. Was würde passieren, wenn er diesen melancholischen Teil von sich verlieren würde? Wäre er dann noch er? Würde er sich verlieren? Bei Draco hatte er das Gefühl, diese Melancholie offen mit sich herum tragen zu können, ohne jemanden damit zu beunruhigen. Gerade dadurch war sie einfach verpufft, wenn Draco bei ihm war. Dafür kam sie danach umso härter zurück. Dennoch. Er wollte nicht los lassen. Er wollte Dracos Gesicht nicht löschen. Er wollte ihn nicht vergessen. Er wollte weiter an ihn denken, die Augen schließen und sich an diese eine Nacht erinnern. Wenn er Kräuter roch, wollte er, dass sich vor seinem inneren Auge die Erinnerung an Pianistenhände, Sturmaugen, blonde Haare und wahnsinnige Leidenschaft zusammenbraute.

„Das Problem ist, dass Menschen sich nach Verzweiflung sehnen, Harry. Sie wollen etwas, das übermenschlich ist. Diese ruhige, tiefe Verbindung, die du mit Ginny hast, ist gesunde Liebe. Sie bedeutet sich auch zu streiten, sie bedeutet Flauten und Alltag. Menschen wollen das nicht akzeptieren. Manchmal sehe ich Ron an und denke: War es das jetzt? Ist das mein Leben? Ich habe einmal einen jungen, gut aussehenden Mann kennen gelernt, auf einem Geschäftsessen. Ich habe so heftig mit ihm geflirtet, ich schäme mich noch heute dafür. Ich habe ihm nichts von Ron erzählt, weil ich das Gefühl auskosten wollte ‚Single‘ zu sein und umschwärmt zu werden. Das war so erbärmlich. Aber ich bin zur Vernunft gekommen, bevor es zu spät war. Draco ist der junge Mann vom Geschäftsessen. Das zwischen euch mag aufgrund eurer Vergangenheit viel intensiver sein, aber das Prinzip ist das gleiche. Du willst einfach nicht begreifen, dass Glück etwas Ruhiges ist. Etwas, das eigentlich immer da sein kann, wenn man nur darauf achtet. Das hat auch nichts mit einem Kompromiss zu tun nach dem Motto: lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. Es hat einfach damit zu tun, nicht ständig die Gegenwart zu ignorieren.“

Harry starrte auf den Boden seiner leeren Tasse und dachte an die Vergangenheit, an die Gegenwart und an die Zukunft.
 

Draco saß auf dem Sessel seines Vaters, als es an der Tür pochte. Laut und wütend. Als träte jemand dagegen, statt normal mit den Knöcheln dagegen zu klopfen. Entnervt erhob er sich. Wer könnte das sein? Scorpius war in der Schule, Viktoria hatte gerade keinen Grund wütend zu sein. Er öffnete die Tür und erstarrte zur Salzsäule.

Feuerrotes Haar. Funkelnde Augen. Untypisch verkniffener Mund. Ein weißer Umschlag mit seinem Namen darauf, etwas zerknüllt, in der Hand. Ginny.

„Wir müssen reden!“, zischte sie.
 

Soo, cliffhanger. Ende Mai ist das nächste da, Ehrenwort. Vielleicht wird es etwas kürzer, aber ich werde auf jeden Fall die Begegnung zwischen Ginny und Draco so schnell wie möglich schildern.

Opferbereitschaft

Soo, wie versprochen habe ich es tatsächlich geschafft, dieses Kapitel pünktlich abzuliefern. *Trommelschlag und Fanfarenstöße*. Es ist noch nicht das letzte Kapitel. Ich bin noch nicht ganz sicher, auf wie viele Kapitel ich den Rest der Geschichte noch aufteile, bzw. in wie fern ich die Epilog-Idee, die ich hatte, noch ausbauen werde. Wir werden sehen. An dieser Stelle auch ein Danke, für all die lieben Kommentare und die treue Leserschaft!
 

Opferbereitschaft
 

„Komm rein“, brachte Draco nach kurzem Schweigen hervor. Ihm schwante böses. Er konnte sich nur einen Grund vorstellen, warum Ginny fuchsteufelswild mitten in der Nacht bei ihm auftauchen sollte: Sie hatte es herausgefunden. Die Frage, die sich nun stellte, war, ob Harry es ihr gesagt hatte, oder ob sie die Wahrheit auf anderen Wegen entdeckt hatte.

Sie stürmte an ihm vorbei ins Haus.

„Wo ist dein Sohn?“, presste sie hervor.

„Oben. Er schläft.“

Zu wissen, dass es keine Mithörer gab, schien bei Ginny den Knoten platzen zu lassen.

„Wie kannst du es wagen!“, schrie sie ihn an und holte zu einer Ohrfeige aus. Er ließ sie gewähren. Es wäre kein Problem für ihn gewesen, ihre Hand abzufangen oder sie einfach zurückzustoßen, aber er fand, sie habe sich diese Art der Wutbewältigung verdient. Zumindest dieses eine Mal.

Ein lautes Klatschen ertönte, als ihre Hand seine Wange traf aber es tat nicht annähernd so weh, wie er angenommen hatte. Ginny zog ihre Hand blitzschnell zurück, als hätte sie sich an seiner Wange verbrannt, und starrte, beinahe entsetzt, erst auf ihre Handfläche, dann auf ihn.

„Wolltest du nicht reden?“, fragte er und bemühte sich möglichst neutral zu klingen.

Sie entspannte sich daraufhin ein wenig. Vermutlich hatte sie angenommen, er würde ihr das nicht durchgehen lassen. Typisch Weasley. Erst handeln und hinterher über die Konsequenzen nachdenken.

Ginny schien plötzlich in sich zusammen zu sacken und stützte sich an der Wand des Eingangsflurs ab. Sie atmete tief durch und sah ihm dann direkt in die Augen.

„Wir beide müssen das klären, Malfoy. Ich denke, du weißt, worum es geht.“

„Ich habe da eine Vermutung.“

„Du hast eine Affäre mit Harry. Ich hab einen Brief gefunden, in dem stand, dass er das ganze beenden will

Ihre Stimme klang leise und dünn. Ein vollendeter Kontrast zu ihrem vorigen Auftreten.

„Komm doch erst einmal in die Küche. Ich kann dir einen Tee kochen…“

„Du besitzt wirklich die Dreistigkeit mir Tee anzubieten?! Jetzt, in dieser Situation?!“

Ihr Widerspruch hätte überzeugender gewirkt, sähe sie nicht so mitgenommen aus. Jetzt, da die anfängliche Kraft der Wut verraucht war, wirkte Ginny schwach und wenig bedrohlich.

„Ich habe nicht den Eindruck, dass du hier bist, um eine Szene zu machen… ich glaube viel

mehr, dass du etwas willst. Dann können wir uns auch setzen.“

Ohne ihre Antwort abzuwarten, steuerte er auf die Küche zu. In erster Linie wollte er Zeit schinden. Was konnte es sein, worauf Ginny aus war? Er wollte dieses Gespräch nicht führen! In diesem Moment war er unheimlich wütend auf Harry und seine Fahrlässigkeit. Wenn er den Brief schon nicht hatte abschicken können, hätte er ihn nach ihrem Gespräch verbrennen sollen. Jetzt, da er an den Brief dachte, interessierte ihn, was genau Harry geschrieben hatte, aber er konnte Ginny kaum danach fragen.

In der Küche angekommen, schwenkte er den Zauberstab, woraufhin sich Teekanne, Wasser, Kräuter und Tassen in Bewegung setzten. Ginny ließ sich auf einem der Stühle nieder.

„Du hast schon Recht. Mein Auftauchen hier hat einen Grund. Ich bin stocksauer auf dich. Und auch auf Harry. Am liebsten würde ich euch beiden den Hals umdrehen. Ich will von dir wissen, wie es dazu hat kommen können, wie lange es schon geht und dich um eins bitten: Erzähl Harry nicht, dass ich hier war. Ich werde ihm nie sagen, dass ich Bescheid weiß. Das bedeutet zum einen, dass du Scorpius weiterhin zu uns bringen kannst – generell würde ich natürlich deine Exfrau vorziehen, wenn es möglich ist. Und zum anderen bedeutet es: Wir beide werden so tun müssen, als habe dieses Gespräch nie stattgefunden.“

„Warum nicht?“

Draco verstand nicht, worauf Ginny hinauswollte. Wenn sie Antworten auf ihre Fragen wollte, sollte sie doch Harry fragen. Wieso wollte sie nicht, dass er von ihrem Wissen erfuhr? Es machte alles keinen Sinn.

„Weil ich Harry liebe und weil ich mit ihm zusammen bleiben will. Ich bin mir sicher, er liebt mich noch. Und auch seine Kinder. Er würde uns nicht ohne weiteres verlassen. Wenn er aber weiß, dass ich es weiß, wird er sich noch mehr dafür schämen, als er es vermutlich schon tut. Er würde sich von mir trennen, weil er glauben würde, dass er es mir nicht antun könnte, mich durch seine Anwesenheit ständig an den Betrug zu erinnern. Er würde glauben, mich und die Kinder entehrt zu haben – was er ja auch tatsächlich getan hat. Harry ist nicht der Mensch, der mit solchen Spannungen leben kann. Vielleicht würde er sogar zu dir zurück kommen, demnach ist mir klar, dass mein Besuch hier ein Fehler sein könnte…“

„Denkst du wirklich, er würde dich verlassen, wenn du ihm sagst, du weißt es?“

„Ich kann es mir vorstellen und das möchte ich nicht riskieren.“

„Ich kann mir das nicht vorstellen. Er versucht immer das Richtige zu tun. In jedem Fall würde er doch versuchen alles wieder hinzubiegen.“

„Weißt du, Malfoy, du magst meinen Mann mittlerweile auch recht… intim kennen“ – bei diesen Worte, sah sie aus, als wolle sie ihm vor die Füße spucken – „aber ich bin seit einigen Jahren mit ihm [i}verheiratet. Ich bin die Mutter seiner Kinder. Daher bilde ich mir ein, ihn etwas besser zu kennen. Natürlich würde er es versuchen, aber die Schuld würde ihn auf Dauer von mir entfernen. Wie es jetzt ist kann er so tun, als sei nichts gewesen. Harry ist nicht so stark, wie viele glauben.“

„Ich weiß. Und auch wenn du ihn länger kennst, Ginny, bilde ich mir ein, ihn auf eine andere Art gut zu kennen. Ich weiß, dass er mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat. Trotzdem, er würde bleiben. Um jeden Preis. Egal, wie unglücklich er ist.“

Ginny sah ihn wütend an und während sie nachzudenken schien, wandelte sich ihr Gesichtsausdruck immer mehr zum Traurigen. Sie sah auf die Tischplatte, als hätte sie dort etwas Interessantes entdeckt.

„Ist er das denn? Todunglücklich?“

Während ihrer Unterhaltung war Draco selbst wütend geworden. Es nervte ihn, wie sie ihn behandelte, auch wenn er es nicht anders verdient hatte. Ihre Art, ihm weismachen zu wollen, er habe keine Ahnung, verletzte ihn. Genauso wie ihre mehrmalige Erinnerung daran, dass er in Harrys Leben nichts zu suchen hatte. Ihre Bitte, er möge ihr helfen, ihre Ehe durch sein Schweigen zu schützen, erschien ihm unverschämt. Und doch wusste er, dass Ginny all das tat, weil sie Harry so sehr liebte und nicht mehr weiter wusste. Plötzlich spürte er Mitleid in sich aufsteigen. Diese Frau hatte gerade herausgefunden, dass ihr Mann sie betrog. Nicht mit irgendeiner Frau, sondern mit einem Mann. Noch dazu mit einem, den er früher gehasst hatte. Was mochte sie für Schlüsse daraus ziehen? Es musste ihr vorkommen, als hätte sie Harry für immer verloren. Draco fühlte sich auf einmal, als wäre alle Kraft aus seinem Körper gewichen.

„Nein, das ist er nicht. Er liebt dich. Er liebt die Kinder. Familie ist das, was er immer wollte. Es ist nicht nur das Pflichtgefühl, das ihn bei dir hält.“

Es tat weh die Wahrheit auszusprechen.

„Warum dann du?“

Sie sah ihm wieder in die Augen. Diesmal schimmerten ihre verdächtig feucht. Als die Teetassen auf sie zu schwebten, nahm Ginny sie dankbar an.

„Weil ihm trotz seines eigentlich ausgefüllten Lebens etwas gefehlt hat. In Harry ist eine Seite, dir ihr nicht verstehen könnt. Ich weiß nicht, wie ich das umschreiben soll. Es ist, als hätten er und ich, bei all unseren Unterschieden, die gleichen Erfahrungen in uns selbst gemacht, in unserem Kopf und unserem Herz. Wir teilen in einem Feld, das euch unbekannt ist, die gleichen Empfindungen. Harry hat den Krieg nie verarbeitet. Er hatte keinen älteren Mentor mehr, dem er sich hätte anvertrauen können. Ihr alle habt den Krieg ebenfalls erleben müssen, wart nicht älter als er und hattet eure eigenen Probleme. Er konnte euch die dunkle Seite in ihm nie anvertrauen. Mir schon. Jeden Tag hat er nur für dich, und später auch für eure Kinder, gelebt, dass er bei all der Verantwortung nie dazu gekommen ist, sich selbst zu heilen. In meiner Gegenwart gab es für ihn keinen Grund ‚heile‘ zu sein.“

Ginny schluckte.

„Ich habe ihm am Anfang geraten, sich von dir fern zu halten, weil er anfing wieder schlecht zu träumen… als es dann aus war zwischen euch…eurer Freundschaft, wie ich dachte…ging es ihm noch schlechter. Eigentlich wollte ich dich besuchen, damit ihr euch vertragt. Dann habe ich den Brief gefunden... Du liebst ihn wirklich, oder?“

„Ja.“

„Ich kann ihn dir nicht geben.“

„Ich weiß.“

„Warum ein Mann? Warum konnte er sich nicht einfach nur bei dir ausheulen?“

„Ich denke nicht, dass Harry da einen großen Unterschied wahrnimmt. Er findet dich als Frau attraktiv, da bin ich mir sicher. Wenn du mich fragst, verliebt Harry sich in Personen, nicht in Körper.“

„Du denkst, er liebt dich?“

„Ja. Aber nicht so sehr wie dich. So ungern ich das sage, ich glaube, ich erfülle für ihn eine Funktion, während du für ihn bestimmt bist.“

An seinen letzten Satz glaubte er selbst nicht. Er war sich sicher, dass Harry ihn genauso aufrichtig liebte, wie er Ginny liebte. Das, was zwischen ihnen passiert war, war nicht nur das Resultat (un)glücklicher Zufälle und einem funktionalen Miteinander. Wenn es Ginny nicht gäbe, dann wären sie womöglich noch Jahre zusammen gewesen, vielleicht sogar bis zum Ende. Aber das brauchte Ginny nicht zu wissen. Für sie waren die Worte, die Draco und Harry gewechselt hatten, nicht bestimmt. Sie musste nicht wissen, dass Harry sie beide hatte haben wollen, dass ein Teil von ihm sich gewünscht hatte, Draco früher auf diese Weise kennen gelernt zu haben. Sie war seine Frau, sie war die Mutter seiner Kinder. Das Recht war auf ihrer Seite.

„Glaubst du das wirklich?“

„Ganz sicher“, wiederholte Draco und trotz des warmen Tees, fühlte es sich an, als würde sich Kälte in ihm ausbreiten, so wie früher, wenn er für den Dunklen Lord gelogen hatte, um seine Familie und sich nicht zu gefährden. Liebe und Krieg lagen näher beieinander, als er angenommen hatte.

„Ich werde den Brief entknittern und zurück in die Schublade legen. Er wird es nie erfahren. Kann ich mich auf dich verlassen?“

„Jaantwortete Draco und wünschte sich für einen Moment, wieder der Malfoy von damals zu sein. Wäre er noch der skrupellose Junge, hätte er Harry dazu bringen können, bei ihm zu bleiben. Andererseits wäre Harry dann nie bei ihm gewesen. Vielleicht wäre das am besten gewesen. Für alle Beteiligten.

„Und dann nur noch eine Frage: Wie lange ging es zwischen euch?“

„Es ist nur einmal etwas passiert. Wir haben beide eingesehen, dass wir einen Fehler machen.“

Ginny überraschte ihn, indem sie ihn erleichtert und zugleich betrübt ansah und sagte:

„Es tut mir wirklich Leid. Ich bin immer noch wütend auf dich. Aber ich hätte dir gewünscht, dass du jemanden findest… ich hätte mir gewünscht, dass du und Harry Freunde hättet sein können.“

„Ich schätze, das ist nett gemeint, Ginny. Aber es klingt für mich wie blanker Hohn. Ich verliere nicht gerne, vor allem dann nicht, wenn ich emotional so viel investiere. Versteh mich nicht falsch: Ich bin beeindruckt davon, wie du mit der Situation umgehst und ich bin schon selbst zu dem Schluss gekommen, dass ich kein Anrecht auf Harry habe. Aber dein Mitleid ist das letzte, was ich will.“

„Ich wollte deins auch nicht und muss trotzdem damit leben“, erwiderte sie schlicht, stellte die Tasse auf den Tisch und schickte sich zum Gehen an.

„Ich finde selbst hinaus. Wir sehen uns, wenn du Scorp vorbei bringst. So kurz wie möglich.“

Draco hörte die Tür kurze Zeit später ins Schloss fallen. Eigentlich sollte er sich erleichtert fühlen. Er hatte das Richtige getan. Ginny hasste ihn nicht. Harrys Familie würde weiterhin glücklich sein können. Mit kleineren Abstrichen- besonders auf Harrys Seite. Wie früher waren sie beide es, die für das Glück der anderen bluten mussten.
 

Ginny ließ sich die kühle Nachtluft noch einen Moment um die Nase streichen, bis sie schließlich zurück ins Haus schlich. Harry gegenüber hatte sie behauptet, sie hätte noch einmal ins Ministerium gemusst. Mittlerweile war sie wieder gefasst. Die Unterhaltung mit Malfoy war zermürbend gewesen. Sie hatte gehofft, er würde ihre Forderung direkt annehmen, weil es ihm egal wäre. Was sie nicht erwartet hatte, war, festzustellen, dass es zwischen ihm und ihrem Mann tatsächlich eine tiefere Bindung zu geben schien. Irgendetwas in ihr hatte gehofft, Harry hätte sich nur ausprobieren wollen. Das allein wäre verletzend genug gewesen. Aber zu wissen, dass Harry Draco möglicherweise geliebt hatte und vielleicht sogar noch liebte, war furchtbar. Aber konnte das sein? Wenn Draco nicht gelogen hatte und sie wirklich nur ein einziges Mal zusammen gewesen waren, konnte es dann Liebe sein? Andererseits, warum sollten die beiden so ein Drama darum machen, wenn es nur körperlich gewesen wäre?

Was auch immer es war, sie hatte den Kampf – wenn man das so nennen wollte- gewonnen. Warum nur fühlte sie sich dann so schlecht?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (58)
[1] [2] [3] [4] [5] [6]
/ 6

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ReinaDoreen
2022-02-02T19:08:34+00:00 02.02.2022 20:08
Geht es denn hier noch weiter?
LG reni
Von:  SaphirUchiha99
2015-10-18T16:07:05+00:00 18.10.2015 18:07
Das ist krass. Ich muss das ganze erstmal verarbeiten...
Von:  Li-chi
2013-08-05T21:10:24+00:00 05.08.2013 23:10
Oh gott~ tolle kapitel~
ich hab ja die letzten zwei durch zeitmangel verpasst aber nun hab ich alles nachgeholt.
Irgendwann musste es ja rauskommen und ich bin wirklich gespannt wie es weitergehen wird.
harry is bestimmt einer der irgendwann alles ausspricht. Weil alle die wahrheit verdienen.
aber ich bin am meisten gespannt bei wem harry dann bleiben wird.
(auch wenn ich mir hXd wünsche aber es is so fesselnd~ wie er bei beiden gegenüber ist~ so oder so wäre ich bestimmt nicht enttäuscht <3)
es ließt sich alles so klasse <3
Von:  MikaChan88
2013-05-26T19:00:41+00:00 26.05.2013 21:00
armer draco...
total super kapi
freu mich schon aufs nächste ^-^

cu,
MikaChan
Von:  MikaChan88
2013-05-25T23:26:22+00:00 26.05.2013 01:26
wah wie gemein jetzt aufzuhören....
total super kapi
freu mich schon aufs nächste ^-^

cu,
MikaChan
Von:  Deedochan
2013-05-25T10:37:27+00:00 25.05.2013 12:37
Sehr emotionales Kapitel. Mir tut Ginny sehr Leid und ich bin auch überrascht, wie "erwachsen" sie mit der Situation umgeht (ich könnte das an ihrer Stelle nicht - aber so überhaupt nicht ^^). Trotzdem würde ich nicht sie, sondern Draco am liebsten umarmen. Er ist der Verlierer dieser Konversation - auch wenn er ein wenig geflunkert hat, um es Ginny leichter zu machen. Hoffentlich wendet sich das Blatt noch ^.~ *pro Harry/Draco Fahne schwenk* Bis zum hoffentlich baldigen nächsten Kapitel und nur so als Info: Ein paar Kommentare und Klammern deiner Beta sind noch im Kapitel versteckt.

glg
Deedo
Von:  mimaja56
2013-05-23T03:51:51+00:00 23.05.2013 05:51
ich hab es echt geschafft, ich habe ruhige 10 minuten gefunden für dieses Kapitel.

Danke, es war sehr emotional und zeigt den Zwiespalt auf, in den wir oft fallen weil wir uns gedanklich und gefühlsmäßig nicht im Einklang finden.

Oh, ich kann Harry so gut verstehen.

... und ich kann Ginny verstehen, die auf diese unschöne Art von Harrys "Ausrutscher" erfahren hat.
Aber mit tut auch Draco leid, der nun als Erstes ihren Rundumschlag abbekommt.


lg
mimaja
Von:  Deedochan
2013-05-19T23:51:36+00:00 20.05.2013 01:51
NEIN, NEIN, NEIN! Geschichte entdeckt, in einem Schwung gelesen und dann endet sie SO. AHHHH *im Kreis kreischend herumrenn* Also... mal abgesehen von meinem entsetzten Aufschrei zwecks des gemeinen, fiesen, bösen... *diverse andere gemeine Worte hier einsetzen* ... Cliffhangers, muss ich dir mein Lob aussprechen - eine sehr gute und einmal andere Story. Ich mag es, dass alle "erwachsen" sind und ein Leben haben und dadurch ist es natürlich noch schwieriger, die Situation aufzulösen. Du hast das, meiner Meinung nach, mit einem äußerst geschickten Händchen geschafft (, wobei ich sagen muss, die Geschichte könnte man noch sooooooooooooooooo viel ausbauen). Super! Ich freue mich jedenfalls irrsinnig auf das letzte/die letzten paar Kapitel.

glg
Deedo
Von:  Danny16
2013-05-13T18:11:52+00:00 13.05.2013 20:11
Nein >.<' Ich hasse es wenns so endet @_@
Ich hoffe es klappt mit Ende Mai :D
Von:  kaya17
2013-05-11T22:53:47+00:00 12.05.2013 00:53
tolles Kapitel, ich bin schwer gespannt was Ginny wohl mit Draco anstellen wird.
Das wird interessant^^


Zurück