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Ein Platz an der Sonne

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Ein Platz an der Sonne
 

Es war wieder einmal ein sonniger Tag. Die kleinen Körbe mit den Muscheln standen schon auf ihren Plätzen und auch die Schaufeln waren schon rausgestellt worden. Nur der Korb mit den Schafen stand noch in einer schattigen Ecke des winzigen Souvenirladens, der zwischen den anderen großen Läden auf der Promenade fast unterging.

Eines der Schafe, ein besonders aufgewecktes, lugte, wie jeden Morgen mit verschlafenen Äuglein über den Korbrand. Hach, wie gern würde es mal die Sonnenstrahlen auf der Wolle spüren und den frischen Seewind einatmen. Doch wie jeden tag blieb der Korb in seiner schattigen Ecke stehen.

Missmutig drehte sich das kleine Schaf zu seinen Mitschafen um.

„Warum müssen wir immer hier drin hocken? Warum können wir nicht auch mal an die Sonne? Ich kann das angeberische Geschwätz von den Seesternen nicht mehr ertragen!“, grummelte es leise vor sich hin.

Eines der Schafe nickte. Ein anderes dagegen schüttelte den Kopf.

„Es soll nun mal nicht sein“, mähte es leise, damit die alte Frau, der der Laden gehörte, es nicht mitbekam.

„Aber warum nicht?“, fragte nun das aufgeweckte Schäfchen.

„Vielleicht will Sie verhindern, dass wir mitgenommen werden.“ Ein viertes Schaf hatte sich zu Wort gemeldet.

Sie war die Tochter der alten Dame und Sie half oft im Laden aus. Die meisten nannten sie nur ‚Sie’ oder ‚die Andere’, aber das Schäfchen hatte sie eigentlich ganz gern. Anette nannte die alte Frau sie. Anette war ein schöner Name, fand das Schäfchen. Aber warum sollte Anette nicht wollen, dass sie mitgenommen wurden?

Das kleine Schäfchen legte den Kopf schief und blickte fragend drein.

„Wieso sollen wir nicht mitgenommen werden?“

Die anderen Schafe schüttelten den Kopf.

„Weil sie wollen, dass die Leute für uns solche Papierschnipsel und Metallscheiben hinlegen“, antwortete das Schaf von vorhin, dass auch schon gesagt hatte, dass Anette schuld wäre.

Das Schäfchen legte die Stirn in Falten und dachte nach.

„Aber wenn wir nicht draußen in der Sonne stehen, dann sieht uns doch keiner. Wie sollen die dann wissen, dass es uns gibt?“

Diesmal nickten die anderen Schafe. Da war was dran. Und so steckten sie ihre Köpfe zusammen und berieten, was man denn da tu könne.

Nach einigem Hin und Her und etlichen Überlegungen hatten die Schafe einen Entschluss gefasst. Diesen Entschluss im Hinterkopf warteten die Schafe auf die Dämmerung, denn dann würde der laden geschlossen und das Licht ausgeschaltet. Erst dann würden sie ihren Plan in die Tat umsetzen können. Ungeduldig zählten sie bis dahin, wie viele von ihnen in diesem Korb saßen, es waren genau sieben Stück, und fragten sich, wann das letzte Mal eines von ihnen mitgenommen worden war und ob der plan funktionieren würde.
 

Endlich war es soweit! Draußen färbte sich der Himmel orange und die alte Frau und Anette räumten die Körbe von draußen nach drinnen. Kurz darauf waren alle Körbe im Inneren des Ladens. Anette zählte noch zusammen mit der alten Frau die Papierschnipsel und Metallscheiben, die die Leute vorbeigebracht und gegen etwas eingetauscht hatten. Dann ging endlich das Licht aus und die Ladentür wurde abgeschlossen.

Sofort war Leben im Laden. All die ganzen Muscheln und Seesterne prahlten, wie viele Leute sie gesehen hätten und wie herrlich das Wetter gewesen wäre. Die Windspiele schwärmten von der angenehm frischen Brise und wie schön sie sich gedreht hätten und die Schaufeln erzählten davon, wie viele von ihnen zum Sandburgen bauen und Wassergräben ausheben mitgenommen worden seien.

Nur hörten die Schäfchen und Postkarten diesmal gar nicht zu. Die Schäfchen nämlich kletterten fluchs aus ihrem Körbchen und begannen das umzusetzen, was sie geplant hatten.

Eines der Schäfchen huschte zu der Ladentür mit den riesigen Scheiben und beobachtete die Straße. Ein anderes schlich derweil zur Verkaufstheke und begann, in den Schubladen zu wühlen. Ein drittes rannte zu den großen Luftballons hinüber, die die alte Frau und Anette jeden Morgen neu aufpusteten und austauschten. Das vierte Schaf stibitze einer Schaufel, die schon eingeschlafen war, den Stiel. Ein fünftes trappelte auf leisen Sohlen zu den Sonnenbrillenständern und die letzten beiden bewachten mit grimmigen Mienen das Körbchen.

Das Schäfchen auf der Theke hatte bald gefunden, was es suchte: eine Schere. Mit der Schere krabbelte es zu der Papierrolle, mit der manche Leute ihre Sachen einwickeln ließen. Schnell hatte das Schaf ein Stück davon abgeschnitten und beeilte sich, zum Körbchen zurück zu kommen. Dort warteten die anderen Schafe schon. Nur das eine stand noch an der Tür und hielt Wache.

Mittlerweile waren all die anderen Sachen auf das seltsame Treiben aufmerksam geworden und beobachteten die Schafe interessiert. Diese aber ließen sich davon nicht beirren und begannen an dem Körbchen herumzuwerkeln.
 

Am nächsten Morgen war es soweit. Die Schäfchen hatten gerade den letzten Knoten straff gezogen, als auch schon das Schaf an der Tür Alarm gab und hastig in den Korb gehüpft kam. Es hatte gerade noch so Zeit, seine Wolle zu richten, als auch schon Anette die Tür aufschloss.

Wie üblich wurden die Körbe mit den Muscheln und Schaufeln nach draußen geräumt. Sogar die Postkartenständer durften frische Luft schnappen. Nur die Schafe blieben wieder da, wo sie immer standen. Doch dieses Mal störte sie das gar nicht. Darauf hatten sie sich schließlich vorbereitet. Doch die passende Gelegenheit ließ auf sich warten.

Endlich, irgendwann kurz nach Mittag, betrat ein Vater mit seinem kleinen Sohn das Geschäft. Anette war also abgelenkt. Schnell klemmten die Schafe den Schaufelstiel senkrecht in den Korbboden, banden die Luftballons an die Korbhenkel und knüpften das Verpackungspapier einem Segel gleich an den Schaufelstiel-Mast.

Kaum ein paar Millimeter hob der Korb vom Boden ab, aber es reichte. Schnell setzten sich die Schafe noch die Sonnenbrillen auf und begannen dann kräftig in ihr Segel zu pusten.

Langsam, ganz langsam setzte sich das kleine Luftschiff in Bewegung. Vor Aufregung pusteten die Schäfchen so kräftig sie konnten. Da hörten sie das Klingeln der Kasse. Jetzt musste es schnell gehen!

Das aufgeweckte Schäfchen wusste sich nicht besser zu helfen. Mit einem gewagten Sprung hüpfte es aus dem Korb und begann zu schieben. Als sie die Tür erreichten, hörten sie das Rascheln einer Tüte. Mit etwas Glück hatten sie also nur noch ein paar Sekunden. Aber genau diese Sekunden reichten.

Der Korb schwebte gemächlich über die Schwelle, wurde von einer Brise erfasst und zur Seite getragen und blieb dann an einem der Hocker, auf denen die Schaufelkörbe standen, hängen. Asch schnitten die Schafe die Luftballonschnüre durch und bauten das Segel ab. Sie hatten gerade so den ‚Mast’ zwischen sich versteckt, als der Mann und das Kind zur Tür heraustragen.

„Nanu?“, meinte der kleine Junge nur, als er den Korb mit den Schafen da stehen sah und kratze sich am Kopf.

„Die Schafe waren aber eben noch nicht da.“

Der Vater ignorierte seinen Sohn jedoch und zog ihn weiter. Die Schafe atmeten erleichtert aus und machten es sich dann im Korb bequem und warteten.

Bald schon schien die Sonne kräftig vom Himmel und eine sanfte Brise Seewind umschmeichelte die Nasen der Schafe.

Das aufgeweckte Schäfchen beobachtete zufrieden die vielen Touristen auf der Promenade und fragte sich, wer es wohl mitnehmen würde, als auch schon ein freudiges Quietschen ertönte.

„Schaaaafe!“

Neugierig drehte sich das Schaf um und blickte direkt in das Gesicht eines blonden Mädchens. Das Mädchen streckte auch sogleich die Hände nach ihm aus und hob es aus dem Korb. Sanft wurde dem Schaf über die Wolle gestreichelt und die Nase gekrault.

„Ich glaub, die nehm’ ich mit!“, verkündete da das Mädchen und streckte das Schaf einer jungen Frau entgegen.

„Mach du nur“, antwortete diese.

Schnell rannte das Mädchen mit dem kleinen Schaf im Arm in den Laden und legte Anette einen Papierschnipsel auf den Tisch. Nachdem es ein paar Metallscheiben wieder eingepackt hatte, lief das Mädchen mit dem Schaf wieder nach draußen. Dabei streckte es das Schaf vor sich aus und sah es an.

„Ich glaub, ich werde dich Senda nennen.“

Das Schaf bekam ganz rosige Öhrchen, so sehr freute es sich. Es winkte den anderen Schafen noch einmal zu und machte sich dann zusammen mit dem Mädchen auf den Weg in ein neues Abenteuer.



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