Der Name
"So ich glaube es sind alle da.", teile ich der Erzieherin, mit dem Namen
Karin mit, nachdem ich die 15 Kinder der Häschengruppe durchgezählt und
mit Namen benannt habe.
"Wunderbar Nathan, dann können wir ja gleich alle gemeinsam
frühstücken.", schägt die Erzieherin vor und macht sich daran, allen Kindern
mitzuteilen, das wir frühstücken wollen.
Eine der Mütter verabschiedet sich noch von der kleinen Lisa und verlässt
dann den Kindergarten. Als Lisa mich sieht, macht sie große Augen und
tapst sofort auf mich zu, um sich mit ihren kleinen Händchen an dem
Stoff meiner Hose festzuhalten.
"Na-tan...", nennt sie mich mit ihrer kindlichen Stimme, weil sie meinen
Namen noch nicht richtig aussprechen kann. Ich lächle und hocke mich zu
ihr runter. Vorsichtig löse ich ihre Händchen von meiner Hose, um sie dann
behutsam auf den Arm zu nehmen.
"Na-than.", spreche ich ihr vor. Sie lächelt süß.
"Na-tan."
Karin kichert.
"Die Kinder mögen dich wirklich sehr, du bist eine gute Unterstützung.",
lobt mich Karin.
"Oh vielen Dank."
Kinder sind genau mein Ding. Leider habe keine Geschwister und habe meine
Freunde immer darum beneidet. Viele von ihnen meinen, das kleine Kinder
nervig seien. Das stimmt ja zum Teil auch, aber nicht nur. Es macht Spaß mit
ihnen zusammen zu sein. Kinder sind ehrlich und man kann ihnen meist
ihre Gefühle direkt ansehen. Sie weinen einfach, wenn ihnen danach ist,
und lachen, wenn sie glücklich sind. Außerdem sind sie noch wesentlich freier,
als wenn sie erst erwachsen werden. Es ist schön, wenn man ihnen etwas Gutes
mitgeben kann.
Zum Frühstück sitzen wir immer an einem großen, ovalen Tisch, wo jeder
Platz hat. Der Tisch ist der Höhe der Kinder angepasst und so sieht es
ziemlich komisch aus, wenn ich auf einem der Ministühle sitze und mein
mitgebrachtes Brötchen esse. Auch Karin findet das immer sehr amüsant.
Ich bin mit meinen 190 Centimetern für die Meisten wahrlich ein Riese.
Bevor wir essen, nach das altbekannte Ritual.
"So, jetzt nehmen wir uns mal alle an den Händen.", sage ich gut gelaunt
und nehme die kleinen Hände meiner Sitznachbarn.
"Und was sagen wir immer, bevor wir essen?", fragt Karin. Eines der Kinder
ruft in die Runde.
"Piep, piep,... piep...", der Kleine macht ein nachdenkliches Gesicht.
"Super und dann?", fragt Karin.
"Guten Appetit.", sagt ein Mädchen.
"Genau und jetzt alle zusammen."
Gemeinsam rufen wir, "Piep, piep,piep, guten Appetit."
Jedes der Kinder hat einen Minirucksack dabei, in dem es eine Brotdose hat.
Die wird ausgepackt und es wird gegessen.
Beim Essen werden Geschichten aus dem Alltag erzählt. Lisa erzählt wie sie
zur Erdbeerkönigin wurde, Thomas, das er gerne Feuerwehrmann werden
möchte, Malte wünscht sich einen Rennwagen und Lili wäre gern Prinzessin.
Ich höre den Kindern gerne dabei zu und amüsiere mich prächtig.
"Und Na-tan, wird Superheld.", erklärt Lisa. Karin und die Kinder schauen in
meine Richtung. Einigen der Kinder entlockt es ein fröhliches Lachen.
"Ja, Nathan...wird Superheld.Nathan ist toll.", meint der kleine Nils.
"Okay, dann werde ich also Superheld. Wer möchte denn mit mir fliegen?"
"Ich, ich ich.", rufen die Kinder vergnügt.
"Okay, also alle. Jeder kommt mal dran.", erkläre ich geduldig.
Einiger der Kinder rufen begeistert "Huraaaa..." und ich lächle dazu.
Nach dem Frühstück ist je nach belieben erstmal Lesestunde mit mir oder
Spielen mit Karin angesagt.
Zusammen mit eingen Kindern gehe ich zum Bücherregel und frage, was sie
gerne hören möchten. Um mit den Kindern auf gleicher Höhe zusein hoche
ich mich zu ihnen herunter und schon schauen mich mehrere Paare
begeisterter Kinderaugen an.
"Ein Märchen!", ruft Lili.
"Nein was mit Autos.", quatscht Malte dazwischen.
"Ich möchte ...Geschichte mit den Tieren.", meint die kleine Lara mit den
großen, braunen Knopfaugen.
"Okay, ich hab eine Idee. Jeder sucht sich ein Buch aus und wir lesen aus
jedem was vor.", schlafe ich vor.
"Jaaa...", rufen die kindlichen, glücklichen Stimmen.
Katrin kommt mit einer der Kleineren auf dem Arm, aus der Spiel- und
Kuschelecke.
"Und? Alles klar?", fragt sie, wärend sie sich zum mir auf minigröße
runterhockt. Ich nicke.
"Wir werden gleich drei verschiedene Geschichten lesen. Wollt ihr Karin
auch sagen, was ihr gerne hören möchtet?", frage ich und schaue die Kinder
immer noch auf Augenhöhe an.
"Ich möchte Autos.", höre ich sofort Malte sagen. Karin lächelt.
"Oh, das hört sich gut an und du Lisa?"
"Ich eine Prinzessin-Geschichte.", sagt Lisa und tippt Lara an, die sich
gerade umgedreht hat, um nach einem Stofftier zu angeln.
"Lara, Geschichte möchtest du hören?", fragt Lisa mit ihrer kindlichen
Stimme.
Lara schaut sich interesseirt um und lächelt.
"Tiere."
Sie zeigt das Stofftier hoch.
"Das ist auch eine gute Idee.", Karin schaut mich an, dann zu dem Kleinen
auf ihrem Arm. Der fängt nun an zu zappeln und wird dann runtergelassen.
Karin lächelt den Kleinen munter an.
"Und was möchtest du machen?"
"Ich...möchte Eisenbahn ...fah-en.", versucht er zu sagen.
"Okay, dann lass uns mal zurück in die Spielecke gehen. Nathan, ich schlage
vor, das wir so gegen 12 raus gehen. Um 13 Uhr gibt es ja Mittagessen."
Ich nicke und Karin geht mit dem Kleinen an der Hand wieder in die
Spielecke, wo einige Kinder bereits eine Burg aus Bauklötzen gebaut haben,
oder eine andere Festung aus Kissen und einige bersuchen am Tisch ein
Puzzel mit riesigen Teilen zu lösen. Was gar nicht so einfach ist. Aber es
macht Spaß.
Ich mache also mit den Kindern die Lesestunde. Nach und nach lese ich
die gewünschten Bücher vor. Dabei betone ich das Gelesene besonders,
so das es auch möglichst echt wirkt. Dazu zeige ich den Kinder immer
wieder die Bilder und stelle ihnen einige Fragen dazu. Zum Beispiel
welche Farbe das Auto hat, oder wie viele Kleider der Prinzessin auf
dem Bild zu sehen sind. Die Kinder lösen alle Fragen meisterhaft und
alle sind begeistert.
So gegen 15 Uhr, als alle Kinder langsam abgeholt werden und soweit alles
besprochen ist,schickt Karin mich nach Hause.
"So, du kannst langsam nach Hause gehen. Hast heute gute Arbeit geleistet.",
betont sie noch mal.
"Vielen Dank. Dann sehen wir uns ja Montag.", verabschiede ich mich noch
und hole meine Sachen, um dann gleich nach draußen zu gehen.
Der Schnee ist bereits geschmolzen und es ist auch nicht mehr so
eisgefrohren. Kein Wunder, wir haben bereits anfang März. Spätestens zu
Ostern sollte der Schnee aber endgültig weg sein, bestimme ich.
So kann ich mich immer auf mein Fahrrad schwingen. Das
ist praktischer, als zu Fuß zu gehen. Meine zehn Wochen Praxis im
Kindergarten sind bald vorbei. Dann heißt es wieder Schulbank drücken,
den unangenehmen Teil dieser Ausbildung. Ich freue mich also umso mehr,
wenn ich wieder Praktikum habe. Ich liebe diese Arbeit einfach.
Wärend ich so mit meinem Fahrrad durch die Allee fahre, wird mir
wieder bewusst, das ich ja heute Bandprobe habe und auf dem Weg dort
hin und wieder zurück an diesem Blumenladen vorbeifahre. Wieder muss
ich an diesen Jungen Mann denken, den ich seid nun ungefähr drei Wochen
nicht mehr aus dem Kopf kriege. Ich hoffe sehr darauf, dass er auch heute
wieder dort sein wird. Ich bin schon glücklich, wenn ich ihn nur ansehen
kann. Er zieht mich magisch an. Seit einigen Tagen aber, überlege ich wie
ich ihn vielleicht noch näher kennenlernen könnte. Ich würde ihn so gern
mal zu einem Kaffee einladen. In der Stadt gibt es doch so ein nettes, kleines,
Cafe'. Dort ist es immer so angenehm, nicht überfüllt. Hat eher etwas
kuschliges, sogar hin und wieder mit Klavierspiel und ist nicht voll von
eingebildeten Tussen, oder anderen Volldeppen.
Bloß, wie stelle ich das an? Ich kann doch nicht einfach in den Laden gehen
und ihn auf einen Caffee einladen. Außerdem ist er meinem Blick immer
ausgewichen, als ich im Laden die Blumen kaufte und scheint auch nicht
sehr gesprächig zu sein. Von meinen Beobachtungen, als vermeintlicher
Stalker habe ich vernommen, das er offentsichtlich nicht nur zu mir so ist,
sondern auch zu anderen Kunden.
Trotzdem scheint niemand mit einem vergrätzen Gesicht den Laden zu
verlassen. Ich habe mir von einem Bekannten, der dort hin und wieder mal
liefert, oder abholt, sagen lassen, das fast alle Kunden den Laden mit einem
Lächeln verlassen und er habe auch schon mal mitgehört, wie begeistert
sie von diesem zarten Gesicht sind. Das passe ja hervorragend in diesen
Laden. Schade sei nur, das er niemals lächelte.
Es soll ja sogar Menschen geben, die tatsächlich nicht lächeln können,
aber ich glaube nicht, das er zu den Menschen gehört, dessen Gesicht
sich zu einer vergretzten Visage verzerren, sobald sie den Versuch
starten. Das war auch ein Grund, warum ich ihn unbedingt mal lächeln
sehen wollte. Ich ziehe praktisch jede Information, die ich über diesen
Menschen bekommen kann ein, als sei sie pure Luft. Erst hat mich das
verwirrt, aber dann bin ich mir bewusste geworden, das ich mich
unweigerlich zu diesem Menschen hingezogen fühle. Schon seit jenem
ersten Tag. Natürlich ist der erste Gedanke vielleicht auf das gleiche
Geschlecht zu stehen erstmal verwirrend, zumal ich bis jetzt immer nur
Freundinnen gehabt habe und bis dato dachte ich sei Hetero. Trotzdem
kann sich das Blatt ja mal wenden und wichtig ist ja nicht das Geschlecht,
sodern das Gefühl. Wenn es einen Glücklich macht...meine Mutter sagt
immer, "Glück fühlt man im Herzen und Liebe ist eine
Herzensangelegenheit."
Damit hat sie wohl recht.
Ich will mich jetzt aber noch nicht festlegen. Schließlich kenne ich ja nicht
mal seinen Namen und meine letzte Ex-Freundin, mit der ich vor einem
Monat schluss gemacht habe, weil sie mich mindestens zwei Mal betrogen
hat, hängt mir immer noch im Nacken. Wenn sie zu früh von meiner
heimlichen Schwärmerei erfährt, könnte es vielleicht sein, das sie sich da
einmischt und diesem völlig ahnungslosen Jungen die Augen auskratzt.
Seid unserer Trennung ist sie irgendwie unansstehlich geworden.
Wie habe ich es nur geschafft, dieses Weib zu lieben? Naja, hinterher ist
man immer schauer.
Als ich im Mehrfamilienhaus die Stufen zu meiner Wohnung erklimme,
werde ich gleich von meiner Mutter begrüßt, die gerade aus der
gemeinsamen Wohnung meiner Eltern kommt und auf dem Sprung zur
Arbeit ist. Teildienst, denke ich. Sowas Nerviges. Jedenfalls stelle ich mir
das sehr nervig vor.
Und ja, ich wohne im gleichen Haus wie meine Eltern.
Das ist ganz praktisch. Zudem werde ich zu meinen Glück
Wohnugstechnisch von meinen Eltern unterstützt, da ich ja nichts verdiene.
Das ich meine eigene Wohnung habe, liegt auch daran, das die Wohnung
meiner Eltern bloß zwei große Zimmer hat und die zweite Wohnung gerade
frei war und eben nur ein Zimmer hat, und günstig war. Das Haus gehört
zudem Verwanten von uns und die haben uns diesen Vorschlag gemacht, als
wir vor zwei Jahren hierhergezogen sind. So etwas schlägt man als 18-jähriger,
der langsam flügge werden will natürlich nicht aus.
"Hallo Honey, wie schön, das ich dich noch sehe, bevor ich los muss.",
entgegnet sie mir mit einem strahlenden Lächeln und sie drückt mich
einmal fest. Ich nehme das einfach mal hin und verkneife mir mein,
"Mom ich bin schon groß, du musst mich nicht mehr zu Tode knuddeln.".
Denn gleich darauf lässt sie mich auch wieder los.
"Ich hoffe du hattest Spaß im Kindergarten, komm heute Abend auf jeden
Fall noch mal runter, wenn du Zeit hast, du musst mir unbedingt erzählen,
was alles passiert ist. Achja, es ist noch Essen da, steht bei uns in der
Mikrowelle. Kannst dir gerne was nehmen, wenn du willst. Schlüssel hast
du ja. So ich ich muss los, bis dahaaann.", verabschiedet sie sich noch gut
gelaunt und verschwindet durch das Treppenhaus. Ich nicke zu allem und
mache mich dann doch erst auf den Weg in die Wohnung meiner Eltern,
direkt zur Küche. Meine Schuhe lasse ich an, denn ich muss ja eh gleich los zur
Bandprobe. Noch eben mache ich mir das Essen warm, um es sofort in mich
hinein zu spachteln. Anschließend gehe ich hoch in meine Wohnung um
meine Gitarre zu holen. Alles gut verstaut. Meine Tasche ist auch da.
Dann gehe ich los, schließe die Tür ab und verlasse das Mehrfamilienhaus.
Zum Glück ist der Weg zum Proberaum nicht weit. Zu Fuß cirka 15 Minuten.
Ich gehe aber immer etwas eher los, weil ich ja noch etwas Zeit haben möchte
an dem Laden vorbeizuschauen, in dem der junge Mann arbeitet. Ich will sehen,
ob er heute ein Lächeln auf den Lippen hat. Gemütlich schlendere ich den Weg
entlang und komme auch schon bald an besagtem Laden vorbei. Ich stelle
mich an meine gewohnte Stelle von der aus er mich nicht sehen kann, zumindest,
wenn ich mich gut bedeckt halte und schaue eine ganze Weile zum dem Laden.
Er scheint nicht da zu sein. Aber dann...kurz bevor ich enttäuscht seufzen will,
sehe ich ihn und muss grinsen. Der junge Mann mit dem hübschen Gesicht ist
gerade dabei die Überdachung vor dem Laden aufzuspannen. Das ist das erste
Mal seid drei Wochen, das ich ihm so nahe bin. Denn seid dem habe ich ihn nicht
einmal draußen vor dem Laden gesehen. Eher zufällig schaue ich nach
oben zum Himmel und sehe, das es sich langsam graut. Als er sich
umdreht weiche ich etwas zurück. Ich komme mir zwar ein bisschen vor
wie ein Idiot, aber das ist mir egal. Immerhin mag ich den jungen Mann, der
vermutlich nicht älter ist als ich. Obwohl... eigendlich ist es ja schon mehr als nur mögen... also darf ich das! Sage ich mir gleich in meinen Gedanken.
Nachdem er wieder mit dem Rücken zu mir steht, lucke ich erneut ein Stückchen
weiter aus meinem Versteck und sehe wie ein Mann an dem Jungen vorbei geht,
zusammen mit einem anderen Mann.
Wohl eher ungewollt, rempelt einer der Männer den Jüngeren an und...
Wenn mich meine Augen nicht täuschen zuckt der jüngere merklich zusammen.
Komisches Verhalten. Der Mann sieht verwirrt aus und entschuldigt sich gleich.
Der Jüngere hingegen, steht nur da.Nicht locker, eher fast steif und ohne
erkennbaren Ausdruck in seinem Gesicht, zumindest aus meiner Sicht. Nur ein
kurzes Nicken gibt er von sich.Erst als die beiden Älteren verschwunden sind,
schaut der jüngere auf. Schnell verschwinde ich wieder hinter meinem Versteck.
Mein Blick fällt auf eine Uhr, die an einem der Läden angebracht ist, direkt
gegenüber meines Verstecks. Sie sagt mir, das ich weiter muss, um nicht zu spät
zu kommen. Nur ungern wende ich den Blick von ihm ab. Mit der Verwunderung
über sein merkwürdiges Verhalten, setze ich meinen Weg fort und da fängt es
auch schon an ein wenig zu nieseln.
Beim Proberaum angekommen, sitzen meine Freunde schon auf dem
Sofa und unterhalten sich. Jack, der Bassist, Suki, der Schlagzeuger
und Meg, die Sängerin, der Band. Sie bespricht gerade mit den Anderen den
neuen Song, den wir einstudieren wollen, für einen kleinen Wettbewerb,
an der Schule von Meg. Sie macht eine Ausbildung zur Pflegeassistentin,
und dort an der Schule findet zwei mal im Jahr ein Fest statt.Es ist eine
kleine Verantstaltung, kein Riesending, aber es macht Spaß zu spielen.
Besonders, wenn man gutes Feedback bekommt.
Als ich den Raum betrete, schauen mich die Drei gleich an und lächeln.
"Na Nathan, hast du es auch geschaft?", ruft Suki, der halb europäer,
halb Japaner ist.
"Jab, habe ich und ihr wart wohl schon fleißig."
"Klar, der Auftritt ist ja schon in ein paar Tagen. Hoffentlich ist das
Wetter bis dahin etwas besser.", meint Meg mit einem Grinsen.
"Ja, das hoffe ich aber auch, bei dem Wetter kräuseln sich meine Haare
immer so.", redet Jack in die Runde. Jack hat lange, schwarze Haare,
und die sehen tatsächlich sehr eigenartig aus, wenn schlechtes Wetter
herscht. An seinen Haare kann man so zu sagen erkennen, ob es regnen
wird oder die Sonne scheint. Der perfekte Wetterfrosch. Meg und Suki kichern
neckisch. Jack reagiert mit einem kurzen Fluchen.
Wenn es um seine Haare geht, ist er wirklich ein Sensibelchen.
Kurze Zeit später, hat Jack sich dann wieder eingekriegt und wir können
endlich mit der Probe anfangen.
Alle gehen auf Position und ich stöpsle meine E-Gitarre ein. Nach einem
Einspiel und einer Stimmprobe kann es dann losgehen.
Nach der eigendlichen Probe probieren noch einige Lieder aus, die wir
schon häufiger gespielt haben.
"Okay, das lief ja wirklich gut heute.", meinte Meg. Das stimmte wohl.
Ihre Stimme war heute wirklich voll da. Vor einigen Tagen noch hatte sie
eine Dicke Erkältung, da waren richtige Töne einfach nicht drin. Sie
ärgerte sich immer sehr darüber, wenn sie nicht singen konnte.
Gegen 17: 45 gehe ich dann wieder los.
"Machs gut Nathan.", verabschieden sich meine Freunde und ich mache
mich mit samt meiner Gitarre wieder auf den Weg nach Hause.
Natürlich gehe ich wieder an dem Laden vorbei, an dem ich auch schon
vorhin vorbeigegangen bin. Wieder schaue ich zu dem großen
Schaufenster, des Blumenladens und sehe den Scharzhaarigen, der mit
seiner Kollegin die letzten Kunden mit Blumen versorgt. Sie lächelt die
Kunden freundlich an, er verzieht keine Miene, jedenfalls sofern ich das
von hier aus sehen kann. Ich denke mir, das ja jeder mal einen schlechten
Tag hat und vielleicht keine Lust hat fröhlich zu sein. Aber kann es sein,
das jemand niemals glücklich aussieht? Vor allem immer dann, wenn ich
an diesem Laden vorbeikomme, also drei mal die Woche, jeden Montag,
Mitwoch und Freitag. Das kann doch nicht sein! Oder doch?
Gerade als ich aus meinem Versteck wieder herauslucke, schaut mein
heimlicher Schwarm in meine Richtung. Schnell verstecke ich mich
wieder. Ob er mich gesehen hat? Hoffentlich nicht. Wenn ja, wie peinlich.
Ich verhalte mich wie ein Kleinkind. Echt. Oder nein! Doch nicht.
Nebenbei bemerke ich, das mir selbst die Kinder im Kindergarten noch
erwachsener vorkommen. Die sagen meist ganz genau was sie wollen.
Ich aber, verstecke mich hier, wie ein feiges Huhn hinter der Mauer eines
Brunnes, der mitten auf dem Platz steht. Ich seufze einmal tief und geh
wieder meines Weges.
Da heute Freitag ist, werde ich später noch mal rausgehen. Vielleicht gehe
ich ja einen trinken, tanzen oder so. Jedenfalls sollte ich über mein
Verhalten mal gründlich nachdenken. Es ist mir bewusst, dass, das
nicht ewig so weitergehen kann. Irgendwann wird es mich sicher
depremieren, und nicht mehr reichen ihn nur aus der Ferne zu beobachten.
Aber bloß nichts überstürzen. Vielleicht ergibt sich ja mal eine passende
Gelegenheit. Das wäre ja mal super. Am besten auf neutralen Boden.
Nicht wärend der Arbeit, oder so. Da fällt mir ein, das ich meiner Mutter ja
einfach mal so eine Blume kaufen könnte. Dann habe ich auf jeden Fall
einen Grund nochmal in den Blumenladen zu gehen. Das mir das nicht
eher eingefallen ist. Ich bin doch blöd. Jedoch ist mir auch klar, dass ich
nicht drei Mal in der Woche in diesen Laden gehen kann. Sicher kommt
das irgendwann seltsam rüber. Dann werde ich bestimmt erst recht für einen
Stalker gehalten, wenn der junge Mann das nicht bereits tut, nachdem er
mich eben vielleicht gesehen hat. Unwahrscheinlich ist das nicht. Blöd ist
der bestimmt auch nicht.
Abends gegen 20:30 sitze ich bei meiner Mutter und meinem Vater in der
Küche. Meine Mutter ist vor einer halben Stunde nach Hause gekommen,
wie sie erzählt und quätscht mich auch gleich aus, wie es im Kindergarten
war. Auch mein Vater, der meistens schon gegen 19:30 Uhr zu Hause ist,
hört nur zu gerne zu, wenn ich von meinem Arbeitstag berichte.
Ich erzähle von der kleinen Lisa, die so gerne Märchen mag, einer Burg aus
Kissen und Bauklötzen und wie ich als Held betitelt wurde und spätestens
Montag jedes der Kinder mal fliegen lassen wollte. Ich denke mir, das sie
das bestimmt nicht vergessen würden. Leider habe ich das heute nicht
mehr geschaft, da die Kinder vom lesen und spielen sehr müde waren.
"Das hört sich alles so wunderbar an. Ich habe auch immer Spaß bei meiner
Ausbildung gehabt. Das ist so ein wunderbarer Beruf. Aber der, den ich jetzt
mache erfüllt mich ebenso gut."
Um es kurz anzureißen, meine Mutter hat auch mal die gleiche Ausbildung
gemacht wie ich jetzt zum Erzieher. Nur leider hat sie damals keine Stelle
gefunden und dann noch mal eine andere Ausbildung gemacht.
"Das stimmt wohl, und hast du heute abend noch etwas vor?", fragt mein
Vater. Ich nicke.
"Ich werd wohl gleich noch mal losziehen. Mal schauen, was sich so
anbietet, tanzen oder so."
Leider kann ich mich heute nicht mit meinen Freunden verabreden, da
alle heute mit Familienangelegenheiten beschäftigt sind. Aber da fällt mir
ein, das da ja noch Freak ist. Der Lieferant von dem Blumenladen.
Den werde ich gleich mal anrufen. Vielleicht hat der ja gerade Zeit.
"Okay, dann wünschen wir dir viel Spaß.", erklärt mein Vater und meine
Mutter lächelt dazu.
Wenig später habe ich mich dann auch schon in meine Wohnung
zurückgezogen und rufe Freak einfach mal an. Ein Tuten.
"Hey Nathan, was geht?"
"Hey Freak, ich wollte dich mal fragen, ob du Zeit hast. Wollte gern
weggehen, aber niemand hat Zeit."
"Oh, klar, um 21:30 vor der Bar?", fragt er.
"Ja, gute Idee. Dann bis nacher.", antworte ich und wir legen auf. Eine
Stunde reicht locker um mich fertig zu machen. Einen großen aufwand
mache ich jetzt nicht, will ja nur in ne Bar und ein bisschen was trinken.
In einer halben Stunde habe ich geduscht und mir frische Klamotten
angezogen. In die Bar nehme ich nur eine kleine Umhängetasche mit. Das
reicht für Geldbörse, Schlüssel und Handy. Bloß nicht zu viel Ballast
mitschleppen.
Zehn Minuten nach 21 Uhr gehe ich los. So kann ich mir Zeit lassen und
muss nicht hetzen. Ich denke über Freak nach, der noch in der
Mittelstufe ein ziemlicher Rabauke war. Echt abgedreht und ständig in
Prügelleihen verwickelt. Ich kenne ihn schon seid der Grundschule und
seid Anfang der Mittelstufe hat er den Spitznamen Freak. Gerade wegen
seiner Versessenheit und seiner Vorliebe dafür Ärger zu machen. Kaum
zu glauben, dass er jetzt ein braver Lieferant für einen Blumenladen ist.
Das passt auf den ersten Blick nicht zu ihm, aber wenn man ihn nur
einmal mit seiner äußerst süßen Freundin beobachtet hat, denkt man
sofort, dass diese Tätigkeit ganz wunderbar zu ihm passt. Dann wird er
auf einmal butterweich. Das Mädchen ist wohl auch der Grund, für seinen
plötzlichen Sinneswandel. Das denke ich mir einfach mal. Denn ich
wusste, das er sich damals nichts mehr wünschte, als eine süße Freundin.
Die hat er nun und ist inzwischen wirklich ganz wunderbar umgänglich.
Und wärend meiner Gedankengänge fällt mir noch ein, das er ja vielleicht
den Namen des jungen Mannes weiß. Ich werde ihn einfach mal danach
fragen.
Vor dem Eingang der Bar, ist er bereits zu sehen. Er unterhält sich mit
einigen Kumpels und amüsiert sich prächtig. Als er mich erblickt, winkt
er mir fröhlich zu und ich geselle mich zu der Runde und begrüße erstmal
alle.
"Hey, Nathan, ist es okay, wenn meine Freunde mitkommen? Hab sie gerade
zufällig getroffen."
"Klar, kein Problem. Je mehr es sind, desto lustiger wird die Runde.",
erzähle ich. Stimmt ja auch. Mit Mehreren ist es ja wirklich noch viel
besser. Aber ich muss mir unbedingt einen guten Moment angeln, an dem
ich Freak nach dem Namen fragen kann. Am besten, wenn er noch bei
vollem Verstand ist. Wenn er besoffen ist, plaudert er mir ein bisschen zu
viel.
Weniger Minuten später gehen wir auch schon rein und suchen uns eine
geeignete Ecke am Thresen. Wir sind nun zu fünft. Hoffentlich sind
genauso viele Hocker frei. Wir haben Glück. Die Bar ist noch relativ leer.
Also ist noch genug Platz frei. In weiser Vorraussicht setze ich mich direkt
neben Freak, um ihn auch gleich darauf ansprechen zu können, wärend die
Anderen Bier bestellen.
"Du Freak. Ich hab da mal ne Frage."
"Ja?", er dreht seinen Kopf in meine Richtung und schaut mich lächelnd,
fragend an.
"Weißt du zufällig, wie dieser junge Blumenverkäufer heißt, bei dem du
immer die Blumen lieferst?"
"Hm? Wieso willst du das wissen?", fragt er überrascht.
"Ach, ich laufe doch mindestens drei mal in der Woche an dem Laden
vorbei und habe ihn tatsächlich noch nie lächeln sehen und ich wüsste
halt einfach gern mal wie er heißt."
Freak macht kurz einen nachdenklichen Gesichtsausdruck.
"Warte mal. Sein Name klang relativ weiblich...ach ja, Bailey heißt er. Ich
meine die Verkäuferin hat ihn so genannt."
"Bailey also.", wiederhole ich nachdenklich. Ein wirklich schöner Name,
wenn ich so überlege. Freak neben mir kümmert sich nicht weiter um die
Frage und bestellt sich ein Bier, stößt mit seinen Freunden an. Auf die
Frage, ob ich auch eines trinken will antworte ich kurz mit einem "Ja". Dann
denke ich weiter über diesen Namen nach.
Bailey. Bedeutet das nicht 'offene Wiese'? Meiner Meinung nach past der
Name nicht wirklich zu seinem Verhalten. Er wirkt nicht offen und schon
gar nicht frei. Wenn ich an eine offene Wiese denke, denke ich an Freiheit.
Aber er redet ja nur bedingt und wirkt sehr abweisend. Ich habe ihn ja eine
ganze Weile beobachtet, wenn auch nur aus der Ferne.
"Hey Nathan, dein Bier wird warm.", teilen mir meine vier Sitznachbarn mit.
Ich schaue kurzerhand vor mir auf den Tisch.
"Oh. Sorry war ganz in Gedanken.", entgegene ich und setzte zum Trinken an.
Das Bier tut wirklich gut und zusammen mit den Anderen habe ich einen
unterhaltsamen Abend. Später gehen wir noch tanzen, suchen uns einige
Mädels, zumindest ich und die drei anderen. Freak tanzt ganz verliebt mit
seiner Freundin, die sich im Laufe des Abends noch dazu gesellt hat. Sie
geben wirklich ein niedliches Paar ab. Da kann man fast neidisch werden.
Das Mädchen mit dem ich aber gerade tanze lenkt mich zumindest
einigermaßen ab. Vor allem von Bailey, der mir jetzt noch mehr im Kopf
schwirrt, als ohnehin schon.