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Via Inquisitoris: Draculas Rückkehr

der dritte Vampirkrimi
von

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Guard College

Anmerkung: Das Guard College habe ich erfunden – und es noch dazu unverfroren fast auf den Golfplatz Whitbys gestellt.
 

In den Räumen der Polizei trafen sich spätabends die Sonderermittler und Lady Sarah, die heilfroh war, dass sie Inspektor Cuillin nur mit Vornamen vorgestellt hatte. So wunderten sich die anderen weder über ihren Titel noch wussten sie ihren Nachnamen.

Raymond Yu-Zhang begann: „Ich habe mit den Eltern des ersten Opfers gesprochen, so gut es ging. Sie sind verständlicherweise sehr geschockt und stehen unter ärztlicher Betreuung. Sie konnten aber angeben, dass sich Lucy eigentlich nicht anders verhalten hatte als sonst. Sicher, sie wollte unbedingt mit ihren Freundinnen am nächsten Goth-Festival teilnehmen, aber das war auch alles. Und das machen die meisten Jugendlichen und Erwachsenen hier, verkleiden sich als Menschen des 19. Jahrhunderts oder auch Figuren aus den Vampirgeschichten. Sie aß normal, weil Sie danach fragten. Ihre beste Freundin geht in das Guard College, eine Sandrine Mercure, allerdings nicht in das Internat sondern extern. Ruby Ellison, die das ebenfalls tat, kennen die Eltern nicht.“

„Das Zimmer war auffallend. Ansonsten handelt es sich um ein gewöhnliches Familienhaus, wenn ich das so sagen darf, “ ergänzte die Psychologin. „Aber in Lucys Zimmer fanden sich außer den Schulbüchern nur Bücher über Vampire, ich denke, alle romantischen Geschichten, die es so in den letzten Jahren gegeben hat.“

„Vampire und Romantik“, erwiderte Sarah prompt: „Das erscheint mir stets ein Widerspruch in sich. Vampire sind Jäger der Nacht, oft genug gelten sie als Wesen der Hölle, des absoluten Bösen.“ Um ein Haar hätte sie hinzugefügt, dass bei nahezu unsterblichen Wesen der Wunsch nach Nachkommenschaft und damit auch das Hingezogenwerden zum anderen Geschlecht fehlte. Das ging keinen Menschen etwas an.

„Es sind sehr erfolgreiche Geschichten, die eben auf Teenager und deren Träume ausgelegt sind, Sarah. Sie wissen schon, junges Mädchen verliebt sich in geheimnisvollen neuen Mitschüler, lernt sonst einen rätselhaften jungen Mann kennen. Am Schluss rettet sie ihn vor der Hölle oder wird ebenfalls zu einem Vampir – Friede, Freude, Eierkuchen. – Das könnte ein Motiv sein, warum sie allein an der Abbey war, als sie sich mit ihrem Mörder traf. Womöglich hat er ihr eine derartige Beziehung vorgespielt.“

„Dann hat er einen Vampir gespielt, um sie anzulocken“, definierte Raymond: „Das würde auch die Bisswunden erklären.“

„In der Tat.“ Kenneth Cuillin atmete tief durch: „Und das lässt mich um Ruby bangen. Wenn da draußen jemand rumläuft, der sich für einen Vampir ausgibt oder gar sich selbst dafür hält.. Nun gut. Es ist spät geworden. – Raymond, gehen Sie doch morgen früh zu den Ellisons und sehen sich Rubys Zimmer an, ob auch sie so eine Vampirfreundin ist, ob die Eltern weitere Mitglieder dieser Clique kennen. Solange wir keinen Beweis haben, hoffe ich, dass sie nur weggelaufen ist oder das Ganze nichts mit dem Mord an Lucy Davenport zu tun hat. Mia und Sarah, wenn ich Sie beide bitten dürfte in das Guard College zu gehen, kurz mit dem Direktor zu sprechen, auch wegen des verschwundenen Jungen, und dann mit Sandrine Mercure. Vielleicht hat die beste Freundin Lucys mitbekommen, wer der geheimnisvolle Treff sein sollte oder was Lucy sonst oben an der Abbey wollte. So von Frau zu Frau könnten Sie bei ihr oder einem anderen Mädchen Erfolg haben. Ich werde mich auf eine kleine Reise begeben.“

„Wir haben nicht angenommen, dass Sie sich drücken wollen“, meinte Raymond prompt: „Wohin?“

„Wenn der vermisste Junge bis morgen früh nicht wieder im Guard College eintrifft, werde ich seine Eltern aufsuchen müssen. Denn dann liegt der Verdacht nahe, dass auch ihm etwas zugestoßen ist.“ Und das war keine Aufgabe, auf die er sich freute.
 

Sarah bummelte durch die nächtliche Kleinstadt. Zwei verschollene Jugendliche, dazu eine Tote. Nein, mochte Inspektor Cuillin auch hoffen, dass diese Fälle nicht miteinander zusammenhingen – drei Verbrechen an drei Gleichaltrigen in solch einer kleinen Stadt wären des Zufalls zuviel. Aber sie wusste, dass sie ihn nicht darauf ansprechen brauchte. Das war auch ihm klar, aber er hoffte, Vater zweier Kinder, der er selbst war, dass die noch vermissten Zwei wieder auftauchen würden, sich nur ein paar schöne Tage gemacht hatten.

Jetzt sollte sie sich allerdings ein wenig auf die Jagd begeben. Diese Gruppe von Touristen, die dort vorn aus dem Bus stiegen….da waren einige junge, gesunde Männer dabei, die ihrem Beuteschema entsprachen. Der Führer begrüßte sie gerade zu einem Rundgang durch Whitby auf Draculas Spuren – nun, zumindest einer sollte heute mehr über die Jäger der Nacht erfahren, als er dachte, und seine kurze Bewusstlosigkeit während der Führung und die Schwäche am nächsten Morgen auf das Mittagessen eines Pubs schieben.
 

Am folgenden Morgen fuhren Mia Dechamps und Sarah mit dem Auto der Psychologin zu der Privatschule. Diese lag am Ende der Mulgrave Road oberhalb des grünen Cliffs, inmitten einer Gartenanlage mit Blick über den schmalen Sandstrand auf die Nordsee und den Pier von Whitby, dort, wo die Eske das Meer erreichte.

Dem Baustil nach war es ein ehemaliges Schloss aus der elisabethanischen Epoche. Innen herrschte Dämmerlicht, was die Inquisitorin als angenehm empfand. Auch, wenn sie Tageslicht gewohnt war und ertrug – Dunkelheit war ihr lieber.

Die Sekretärin seufzte etwas, ließ die beiden Damen aber zum Direktor.

Mr. William Haines, dessen graumelierte Haare ein höheres Alter anzeigten als sein Gesicht, erhob sich höflich – und erstarrte kurz, ehe er mit einem Lächeln sagte: „Ich freue mich, dass unsere Polizei nicht nur fähige, sondern auch hübsche Mitarbeiter hat. Bitte, nehmen Sie Platz.“

Sarah war seine Überraschung nicht entgangen – und sie entsprach der ihren. Ein Vampir als Schuldirektor war in der Tat etwas Ungewöhnliches. Er hatte in ihr sicher eine Artgenossin erkannt. Momentan sollte sie wohl eher Mia das Reden überlassen – das Gespräch als Kadash mit dem Direktor konnte sie auch später noch führen. Und er würde ihr bestimmt mehr Auskunft geben als der menschlichen Polizei. Schließlich galt die Regel der Unauffälligkeit auch für ihn. Das erklärte allerdings, warum er so betont hatte, der abgängige Junge würde schon wieder zurückkehren. Er hatte sicher keinen Wert auf eine Polizeiuntersuchung gelegt. Den Mord an Lucy Davenport hatte er nicht ahnen können.

Die Polizeipsychologin stellte sich sachlich als solche vor und Sarah als Beraterin: „Wie Sie sicher wissen, wurde Lucy Davenport an der Abbey ermordet.“

„Ich lese die Zeitung. Sie war allerdings keine Schülerin dieser Schule.“ Das klang verteidigend, wenn auch nicht unhöflich.

„Ruby Ellison ist dies aber. Und auch sie wird seit gestern Morgen vermisst.“

Der Direktor verschränkte die Hände, als wolle er sich an sich selbst festhalten: „Sie sehen einen Zusammenhang?“

„Zwei sechzehnjährige Mädchen, zugleich aus dem gleichen Ort verschwunden? Leider, ja. Darum möchten wir uns gern mit den Freundinnen von Ruby unterhalten, vor allem jedoch mit Lucys Freundin Sandrine Mercure. Es wäre schön, zumindest Ruby noch lebend zu finden. Vielleicht weiß Sandrine, wohin Lucy ging, oder mit wem sie Umgang hatte, ob sich die beiden potentiellen Opfer näher kannten. Ein Junge Ihrer Schule ist übrigens ja wohl auch abgängig?“

„Ja.“ Mr. Haines warf einen Blick auf die gelassen dasitzende Vampirin, ehe er Mia Deschamps antwortete: „Ihr Inspektor von Interpol informierte mich heute morgen, dass er die Eltern davon in Kenntnis setzen wolle. Ich bin überzeugt, dass dies nutzlos ist. Andy wird sich mit Ruby ein schönes Wochenende machen. Ich bin sicher, es ist alles vollkommen harmlos. Außer natürlich der Mord an diesem armen Mädchen aus dem öffentlichen College.“

„Eine blutleere Leiche….“ betonte Sarah prompt: „Es muss ja nicht noch mehr davon geben.“

„Nein, natürlich nicht“, beteuerte Mr. Haines sofort, der die Anspielung zu verstehen glaubte. Nein, mehrere blutleere Leichen – dafür könnte sich der Kadash interessieren. Den brauchte er wirklich nicht auf der Matte: „Natürlich. Ich werde Miss Mercure aus dem Unterricht holen lassen, damit Sie mit ihr sprechen können. Meine Sekretärin wird Ihnen einen passenden Raum zeigen. Die Freundinnen von Ruby könnte die Klassenlehrerin auch kennen und dann einzeln zu Ihnen schicken. – Wobei ich zugeben muss, dass nach meinem Wissen Andy…also, Andrew McCloud, keinerlei Kontakte zu Miss Ellison hat. Er ist einer meiner, unserer Vorzeigeschüler, und macht sich nicht gerade viel aus Mädchen.“

„Umso eigenartiger ist es, dass er verschwunden ist, und Ruby Ellison dazu“, erklärte Mia Deschamps sofort: „Danke, Herr Direktor, für die Erlaubnis. – Sarah…?“

Die Inquisitorin dachte einen Moment nach, ehe sie meinte: „Ich glaube, Mia, dass Sandrine mit Ihnen allein offener ist, als mit uns beiden. Sie sind die Psychologin, aber ich denke, dass Vertrauen im Einzelgespräch leichter zu erreichen ist. – Ich werde mich unterdessen noch ein wenig mit Mr. Haines unterhalten.“

Mia stutzte, ehe sie sich entsann, dass ihre Begleiterin erwähnt hatte, sie sei Journalistin: „Nun, bedenken Sie, für wen Sie arbeiten.“ Schließlich hatte der Interpolinspektor ja gemeint, sie sollten auch den Direktor zu dem verschwundenen Jungen befragen.

„Selbstverständlich.“ Sarah lächelte.

Als die Psychologin gegangen war, verschwand dieses Lächeln allerdings abrupt und sie legte eine silberne Münze auf den Tisch des Direktors.

Mr. Haines starrte darauf. Zwei Hände zur Faust geballt, darüber die Zweige des Hohen Rates….das war das Zeichen des Kadash, des Inquisitors: „Sie….sie arbeiten für ihn…? Aber, warum interessiert sich der Inquisitor für verschwundene Kinder?“

„Weil im gleichen Ort bereits eine blutleere Leiche gefunden wurde?“ schlug Sarah vor, ehe sie sachlich ergänzte: „Im Übrigen, Mr. Haines: ich bin der Kadash.“

Der Vampir starrte sie fassungslos an. Das war nichts, nicht einmal dieses alte Wort, womit jemand seiner Art scherzen würde. Aber sie sah so jung aus, so nett….

Sie konnte seine Gedanken erfassen: „Wenn Sie je erfahren, worin meine Fähigkeiten liegen, werden Sie keine Gelegenheit mehr haben, das auch nur zu denken. Ich bin nicht nur freundlich.“

„Ja, das denke ich mir, verzeihen Sie bitte, Inquisitor.“ Das Aussehen war schließlich nur der Zeitpunkt der Verwandlung: „Was möchten Sie wissen? Das ermordete Mädchen war nicht in dieser Schule.“

„Aber die anderen beiden, die - noch – nicht gefunden wurden. Ruby Ellison und dieser Andrew McCloud.“

„Andy kommt zurück, da bin ich sicher.“

„Und was macht Sie so sicher?“

Der Direktor holte tief Atem und starrte noch einmal die Plakette vor sich an, ehe er sagte: „Er ist…nun ja….mein Schüler.“

Sarah musterte ihn mehr als erstaunt: „Das meinen Sie jetzt nicht im menschlichen Sinn.“

„Nein.“

„Ich glaube, DAS sollten Sie mir jetzt wirklich ausführlich erzählen. Das ist noch ein Kind!“

„Ja, es ist ungewöhnlich, aber Andy ist auch ungewöhnlich. – Als ich verwandelt wurde und die kritischen Jahre erreicht, hatte ich gewisse Probleme mit der Situation. Mein Meister versuchte mir zu helfen. Da er bemerkte, dass ich vor allem darunter litt, keine eigenen Kinder mehr bekommen zu können, empfahl er mit den Beruf des Lehrers. Ein sehr guter Rat. So betreue ich seit Jahrhunderten Kinder, oder eher Jugendliche, denn mir macht es ungeheures Vergnügen zuzusehen, wie in den acht Jahren, in denen sie bei mir sind, aus Kindern Erwachsene werden. Selbstverständlich beachte ich die Regel der Unauffälligkeit. Seit langer Zeit schon benutze ich ein Haarfärbemittel und wenn die Zeit reif ist, nehme ich als grauhaariger Mann meinen Abschied und beginne irgendwo wieder als scheinbar Dreißigjähriger als einfacher Lehrer. – Als ich Andy McCloud das erste Mal bei der Vorstellung traf, war er gerade zehn. Und, Sarah, Verzeihung, Inquisitor: der Junge ist ein Genie. So etwas ist mir in all den Jahrhunderten noch nicht untergekommen. Er war da schon viel klüger als seinesgleichen, viel interessierter, und ich beschloss, mich genauer um ihn zu kümmern, ihn zu fördern. Das tat ich auch.“

„So weit, so gut. Aber…?“

„Vor einem Jahr erzählte er mir mit Begeisterung, dass er in einen Zirkel eingeladen worden war, der sich mit Vampiren beschäftigte. Nun, Sie wissen sicher, dass ich näher nachfragte. Zu meiner Beruhigung handelte es sich nur um den üblichen Teenagerunsinn, aber seine Neugier zu diesem Thema war geweckt. Er forschte sozusagen wissenschaftlich nach und stellte Theorien auf, warum jemand ein Vampir ist und warum nicht, woher die Sagen kommen könnten. Erstaunlich für einen Sechzehnjährigen. Und da….Inquisitor, er ist so klug, so sportlich, so in sich gefestigt. Und er hat mein Vertrauen auch nicht gebrochen. Als ich ihm sagte, was ich bin, schwieg er selbst gegenüber seinen Mitschülern. So habe ich vor knapp einem Monat mit der Umwandlung begonnen. Sicher, der Hohe Rat empfiehlt, keine Minderjährigen zu verwandeln, aber er ist sechzehn und wenn Sie bedenken, im Mittelalter galt man mit vierzehn als volljähriger Krieger…Nun, ich habe ihn bislang zweimal so…gebissen und die Umwandlung hat bereits ein wenig eingesetzt.“

Ja, die Umwandlung musste behutsam von statten gehen, um keinen Gebissenen zu erzeugen. Umgekehrt: nach nur zweimaligem Beißen wurde man in der Regel noch nicht zu einem Vampir, eher einem Menschen mit gewissen Vampirfähigkeiten. Das würde sich erst im weiteren Verlauf des Blutaustausches steigern. Sarah gab zu, dass sie das nur in der Theorie kannte, da es bei ihr ja offenbar anders abgelaufen war. Aber niemand konnte und wollte diese Methode mit der Mischung aus Vampir und Gebissenen wiederholen.

„Nun, ich werde dazu gegenüber der menschlichen Polizei verständlich schweigen. Aber sobald Andy auftaucht, will ich ihn sprechen.“ Sie bemerkte das unwillkürliche Widerstreben, einen Schüler zum Inquisitor zu schicken: „Sie können dabei anwesend sein. Aber jetzt möchte ich ganz nach menschlicher Art sein Zimmer sehen.“

„Ja, Inquisitor.“ Der Direktor erhob sich. Auf ein Verfahren vor dem Hohen Rat wegen Verführung Minderjähriger legte er keinen Wert. Zumal, wenn Andy nicht da war, um zu beweisen, dass er weitaus reifer war, als es sein Alter aussagte.
 

Das Zimmer des Jungen, das er mit einem anderen Schüler teilte, verriet nur zu deutlich den Unterschied. Neben Schulbüchern hatte er viele Bände über Physik und Chemie herumstehen, Medizin, aber kein einziges, weder Roman noch Sachbuch über Vampire.

In seinem Schreibtisch fand Sarah ein Tagebuch. Sie blätterte die letzten Seiten durch. Der letzte Eintrag war von vorgestern: „Heute habe ich ein Treffen mit einem echten Vampir“, hieß es da. War das auf den Direktor bezogen? Und war das noch etwas, was sie Kenneth Cuillin aushändigen konnte? Sie blätterte zurück. Doch, das würde sie sogar müssen. Denn so schweigsam er zum Thema Mr. Haines gewesen war, er erwähnte einige Monate zuvor Treffen mit Vampir-Mädchen, wie er sie nannte, in seinen Augen dumme Puten, die kichernd davon träumten, einen wahren Dracula beschwören zu können. Das musste die Gruppe um Lucy Davenport sein. Also gab es da mehrere – hoffentlich konnte Mia die Namen herausfinden, denn die waren dann wohl alle potentiell in Gefahr. Alles in allem verriet das Tagebuch einen recht nüchternen, zielstrebigen jungen Mann mit offenbar sehr guten Noten. Zumindest konnte sie das aus der Bemerkung schließen: „Heute habe ich schon wieder sechs Fehler in der Mathematikarbeit gehabt. Schön, beste Arbeit der Klasse, aber das muss ich noch ändern.“

„Das nehme ich einstweilen für Inspektor Cuillin von Interpol mit“, sagte sie.

„Das ist wirkliche Privatsache. Wollen Sie nicht erst mit seinen Eltern...“

„Er ist seit Tagen nicht hier gewesen, Lucy wurde vorgestern Abend ermordet und Ruby ist seit gestern Morgen verschwunden.“

„Sie verdächtigen ihn doch nicht…“

„Im Moment halte ich ihn für ein potentielles nächstes Opfer. Und die Polizei wird alles tun, um die beiden zu finden, Mr. Haines. Allerdings frage ich mich, wie das im Krankenhaus gesehen wird, falls ihm Blut abgenommen wird.“

„Ich...ich denke, dass da noch nicht viel zu finden ist.“ Ja, die Regel der Unauffälligkeit. „Man müsste es unter Umständen manipulieren. In unserem Krankenhaus arbeitet ja ein Vampir.“

Sarah gab ihre Überraschung nicht zu erkennen: „Wir werden es sehen. – Wo ist Miss Deschamps?“

„Kommen Sie.“
 

Sarah klopfte höflich. Schließlich wollte sie die Polizeipsychologin nicht in ihren Gesprächen stören. Als sie den Kopf zur Tür hereinsteckte, sah Mia aber erfreut auf:

„Wie sagt man, pünktlich auf die Sekunde. Ich wollte schon gerade nach Ihnen schicken. Sandrine, das ist Sarah. – Sandrine hat sich bereit erklärt, uns in ihren Gruppenraum zu führen. Die Mädchen, auch Lucy Davenport, wenn sie hier bei Sandrine auf Besuch war, haben unterhalb der Schule eine kleine verborgene Kirche gefunden, wohl aus der Zeit des Kryptokatholizismus.“

Sandrine musterte die Unbekannte, entschied sich dann dafür, dass sie ihr vertrauen konnte: „Es ist alles zerstört, aber wir haben da unseren Gruppenraum.“

„Wie viele Mädchen außer Lucy gehören denn noch dazu? Auch Ruby?“ erkundigte sich die Vampirin sofort.

Die Schülerin nickte: „Ja, vier noch. Mit mir. Das ist es ja, was mich jetzt so ängstlich macht. Miss Deschamps hier meinte, dass dann alle in Gefahr sind. Aber wir haben die Beschwörung doch noch gar nicht durchgeführt!“

„Vielleicht war das nicht nötig“, tröstete Mia sofort etwas: „Komm, sehen wir uns das an.“

Während sie in den Keller gingen, zeigte Sarah ihr Mitbringsel: „Das Tagebuch des Jungen“, meinte sie leise: „Es dürfte Sie interessieren.“

Mia hob die Hand mit einem Lächeln. Es war nett, dass diese Beraterin nicht vergaß, wer die eigentliche Aufgabe hatte – und sie ihr einen Weg abgenommen hatte, Andys Zimmer ansehen zu müssen.

Sandrine blieb stehen: „Es…es ist natürlich für Schüler verboten, hier unten zu sein, aber es eignet sich eben so gut zum Versteckspielen. Und eines Tages fand jemand hier, im Heizungskeller ein Loch….“

Sie drückte sich an dem Öltank vorbei und deutete in eine Ecke, vor der ein Sandhaufen lag: „Der Sand ist nur zur Tarnung, damit Mr. Blake, der Hausmeister, nichts merkt.“ Sie zog ihn beiseite und man erkannte nun, dass der Sand nur auf einem Tuch aufgeschüttet war. Dahinter zeigte sich eine sechzig auf fünfzig Zentimeter große Öffnung im Ziegelwerk. Sandrine legte sich ohne zu zögern auf den Boden und krabbelte hindurch, die beiden jungen Frauen folgten ihr und blickten sich noch aufstehend erstaunt um.
 

Durch schmale Glasöffnungen im Dach fiel Licht in diese winzige Kapelle, denn das musste sie einst gewesen sein. Vermutlich war der Besitzer des Schlosses katholisch geblieben, nachdem Elizabeth im 16. Jahrhundert diesen Glauben verboten hatte. Da war ein verstaubter, etwas eingestürzter Altar, über dem noch ein Kreuz hin, der Boden war mit Fliesen bedeckt.

Sarah blickte zu dem etwas verängstigten Mädchen: „Eine hübsche kleine Kirche und ein noch besseres Versteck für euch, wenn ihr Bücher über Vampire lesen wolltet, nicht wahr?“

„Ja. Wir haben auch gesucht, ob man das von außen finden kann, weil dort, neben dem Altar so etwas wie ein Gang ist, aber der ist verschüttet und wir haben uns nicht getraut zu graben. – Die Dachfenster sind auch nicht zu finden, vermutlich unter Pflanzen….“

„Lucy war sozusagen eure Anführerin?“ erkundigte sich Mia: „Du hast gesagt, dass sie die begeisterste Anhängerin war, auch, wenn sie hier nicht zur Schule ging.“

„Ja, sie war so…so sicher dass es echte Vampire gibt und wollte einen hier beschwören.“

„Entschuldige“, meinte Sarah, jetzt ehrlich irritiert: „Ihr glaubt, Vampire beißen Menschen und töten sie und dann wolltet ihr euch so einen potentiellen Mörder herholen?“

Sandrine deutete auf den Boden: „Deswegen haben wir ja auch schon mit Kreide ein Pentagramm gezeichnet. Da kommt kein Vampir drüber und wir wollten es auch noch mit Knoblauch ausstreuen, uns mit Silber und Knoblauch versorgen. Wir hätten ihn da erst herausgelassen, wenn er uns versprochen hätte, dass er ein guter Vampir ist.“

„Aha“, sagte die Inquisitorin auch nicht schlauer: „Und was ist bitte ein guter Vampir?“ Ein guter Jäger?

„Der keine Menschen beißt sondern nur Tierblut trinkt.“

„Das wäre eine haarige Angelegenheit!“ entfuhr es Sarah, die die Vorstellung entsetzte, in einen Pelz beißen zu sollen. Überdies: woher nahmen diese Menschen die Unverschämtheit, sich selbst für unantastbar zu halten, dafür aber Eichhörnchen oder Meerschweinchen zu opfern? Denn sie hegte kaum Zweifel, dass in den Geschichten diese dran glauben mussten, um tödliche Beißereien bei Menschen zu vermeiden. Wie heuchlerisch. Natürlich tötete kein wahrer Vampir, aber das wussten sie ja nicht.

Mia lächelte etwas: „Das klingt so, als ob man das Ihnen selbst vorgeschlagen hätte, Sarah. Was meinen Sie zu diesem Pentagamm? Solche Gruppen sind doch Ihr Gebiet.“

„Ja, danke.“ Sie sollte sich wirklich zusammenreißen. „Pentagramme sollen Menschen vor Wesen der Hölle schützen, auch soll Knoblauch und Silber wirken. Das ist alles ganz klassisch. – Sandrine, hat dir jemand das Angebot gemacht, einen Vampir kennen zu lernen oder hat Lucy etwas davon erwähnt, dass sie die Gelegenheit dazu hätte?“

„Nein, das…das hat Miss Deschamps auch schon gefragt, aber…ich glaube auch nicht, dass sie uns etwas davon erzählt hätte, erst später, wenn sie ihn schon an der Angel hätte. Ich meine, er in sie verliebt gewesen wäre. Und natürlich, sie sicher gewesen wäre, dass es sich um einen echten Vampir handelte.“

„Einen Freund hatte sie nicht?“

Sandrine schüttelte den Kopf: „Ich überlege schon dauernd, seit ich von dem Mord hörte, aber…aber wenn das wirklich ein Vampir war, können Sie ihn doch nicht verhaften?“

Die Inquisitorin nickte: „Nein, verhaften kann ich ihn nicht.“

Aber etwas in ihrer Stimme ließ die anderen beiden ihren Blick meiden.
 

**
 

Das nächste Kapitel bietet: Polizeiarbeit - und einige neue Thesen.

Die vampirische Verführung Minderjähriger des Schuldirektors könnte ihm auch noch Ärger einbringen.
 

bye
 

hotep



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  kiji-chan
2011-03-15T16:12:40+00:00 15.03.2011 17:12
Verführung Minderjähriger... Okey.

Aber die Idee mit Haare färben finde ich cool. Besser als in seinem Schloss zu leben.

Was ich mich allerdings die ganze Zeit frage, unterschlagen Vampire Steuern und betrügen den Staat?

Diese Geschichte scheint bis jetzt sehr gelungen. Freue mich auf weitere Kapis

ncha!
Kiji
Von:  Teilchenzoo
2011-03-14T10:02:04+00:00 14.03.2011 11:02
Hm, der direktor hat auf mich bis jetzt einen ehrlichen Eindruck gemacht. Wenngleich ich seine Verführung Minderjähriger unangebracht finde. Mag sein, dass der junge ein Genie ist, aber ich hätte an seiner Stelle noch die zwei Jahre gewartet, das hätte auch dem Jungen gut getan. Noch ein paar Jahre mehr wären natürlich am besten. Das heilt auch von eventueller Selbstüberschätzung und mangelndem Einfühlungsvermögen. Dafür sind ja auch Genies anfällig.

Sarah wird sich sicer auch den zweiten Vampir zur Brust nehmen. Vielleicht kann der ja weiterhelfen.
Achje ... ein Teenie-Vampir-Liebe-Zirkel ... sehr naiv. Unglaublich naiv. Und Sarah hat schon Recht. So ein kleines Tier zu opfern, denn für die wäre der Blutverlust definitiv tödlich.

Weitergekommen bin ich noch nicht ... mal schaun, was es im nächsten Kapitel an Neuigkeiten gibt.

lg neko
Von:  ayakoshino
2011-03-13T18:50:50+00:00 13.03.2011 19:50
Hmm, ein Direktor als Vampir, der einen menschlichen Schüler zu seinem Schüler machen will ist schon was besonderes. Ich bin mal gespannt wo der Schüler jetzt überhaupt ist, was er macht und was es mit dem zweiten verschwundenen Mädchen auf sich hat. Dieser Zirkel von Vampierverrückten Mädchen ist auch seltsam...
Ich bin jedefalls schon sehr auf das nächste Kapitel gespannt!
lg ayako


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