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Zeitlos -♠-

100 Storys -1-
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Zeitlos (Geschichten eines Aussteigers)

Far away. Timeless. Alone.

To find yourself you have to forget what you have been one day.
 

Manchmal wissen die Menschen nicht, wer oder was sie sind. Sie verstecken sich in der Masse und tauchen unter. Einer ist nur ein Teil von Allen und Alle sind nur ein Teil von Einem. Es besteht kaum mehr ein Unterschied. Sie vergessen sich selbst und richten sich stattdessen nach anderen. Geprägt und beeinflusst durch die Gesellschaft weilen sie, als einer von vielen. Unerkannt.
 

Welcher Tag war heute? Welches Jahr? Was für ein Monat?

Fred wusste es nicht. Er konnte nur Vermutungen anstellen. Vielleicht war es Mai oder Juni, was er aufgrund der Wärme vermutete. Die Pflanzten grünten und die Sonne schien hell und richtete ihre Hitze gen Boden. Doch die Baumkronen warfen ihre Schatten und ließen somit die Temperatur niedriger erscheinen, als sie es tatsächlich war. Folgedessen konnte Fred sich im Punkt Monat nicht sicher sein. Das Jahr? Es musste um die 1998 sein, vielleicht ein Jahr mehr oder weniger. Und der Tag? Es hätte jeder sein können.

Fred war schon eine ganze Weile unterwegs und hatte die Tage und Nächte schon lange nicht mehr mitgezählt. Mal war es Winter gewesen, dann wieder Frühling, Sommer und Herbst. Mal war es bitterkalt in den fernen Wäldern, in denen er sich herumtrieb, sodass er beinah erfror. Manchmal war es auch so heiß, dass er fürchtete in Flammen aufzugehen. Doch er ließ sich nicht davon einschüchtern. Er wollte nicht zurück in die Gesellschaft, ganz egal, wie es ihm hier auch erging. Unter keinen Umständen! Außerdem würde er sich in dieser Außenwelt nicht mehr zu Recht finden. Schließlich hatte er schon seit einer Ewigkeit mit niemandem gesprochen. Nein. Für ihn stand es fest: Er würde lieber einsam in diesen Wäldern krepieren, als zurück in diese Welt der Unfreiheit zu gehen.

Er saß mit dem Rücken an einem Baum und blickte, während er nachdachte, auf den großen Fluss vor sich. Dieser war glasklar und schimmerte im Licht der Sonne. Die kleinen Wellen brachen sich an seinen Füßen, die er ins Wasser streckte. Er war froh darüber, damals gegangen zu sein. Beinah hatte Fred das Gefühl, es wäre nie anders gewesen, er hätte schon immer in dieser Einsamkeit gelebt. Die Menschen in den Städten hätten ihn dafür verachtet, dafür, dass er anders war. Ein Aussteiger. Doch es interessierte ihn nicht mehr, was andere von ihm hielten. Schließlich hatte er sich von der Gesellschaft, von der Masse, abgehoben und hatte nach sich selbst gesucht, nach seinen Ansichten und seinem eigenen Leben, fernab von allem. Dafür musste er seinen Geist und seinen Körper an ihre Grenzen treiben und weit weg gehen. Er musste alles zurücklassen, was er liebte und schätzte. Alles was er bei sich trug war ein großer Rucksack mit Messern und anderen Werkzeugen, ein Schlafsack, zwei, drei Bücher und eine Taschenuhr.

Ja, seine kleine Taschenuhr. Es war einst ein Geschenk von seinem Großvater. Fred konnte sie einfach nicht zurücklassen. Wehmütig sah er in seine Hände, in denen sie lag. Dann schloss er die Augen und lehnte sich zurück. Einen Moment lang dachte er an seinen Großvater, an seine kleine Schwester, an seine liebevollen Eltern und seine großartigen Freunde. Das war einmal. So sehr Fred sie auch vermisste, er konnte nicht zurück, nicht, bevor er gefunden hatte, was er suchte: sich selbst.

Er hatte sein Ziel genau vor Augen, doch etwas stand ihm bis jetzt noch immer im Weg. Die letzte Erinnerung an sein Zuhause: Die silberne Taschenuhr in seinen Händen.

Um sich selbst zu finden musste er sie zerstören, so sehr er es auch versucht hatte zu vermeiden.

Er öffnete die Augen wieder, stand auf und packte seine wenigen Habseligkeiten, um weiter zu ziehen. Er blieb nie lange an einem Ort. Noch einmal sah er sich um. Die kleine Lichtung, der große, schimmernde Fluss, das Unterholz, das weiche Gras, die Vögel, die Rehe und die großen Bäume. Es sah fast aus, wie überall in diesen Wäldern, doch Fred wusste, dass dieser Ort immer etwas besonderes, anderes sein würde. Schließlich warf er noch einen Blick auf die Taschenuhr, die in seiner Hand ruhte. Es war genau 12Uhr. Dann klappte er sie zu und ließ sie fallen.

Zeit und Erinnerungen dürfen mir nicht im Wege stehen!

Mit diesem Gedanken trat er auf die silberne Uhr, sodass ihr Glas zersplitterte. Dann verließ er die Lichtung. Erinnerungslos. Zeitlos. Identitätslos. Frei.

Die Suche nach seinem Selbst hatte gerade erst begonnen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  SailorCherryknoedel
2011-08-14T08:17:31+00:00 14.08.2011 10:17
Oh, nett^^
Zuallererst muss ich sagen: Ich mag deinen Schreibstil hier sehr und finde, dass er ausgezeichnet zur Story passt! Du hast einen bemerkenswerte Wortschatz, kein Satz gleicht dem nächsten und somit kann man die FF problemlos herunterlesen.
Ich finde, es kommt eine getragende Melancholie rüber, wenn ich lese. Der Text wirkt also nicht wirklich traurig auf mich, regt mich aber zum Nachdenken an. Besonders interessant fand ich,dass ich ihn dirket im Anschluss an die Diskussion gelesen habe, wer hier bei Animexx AL wird und wer nicht... Denn wer nicht massentauglich ist, wird auch nicht gewählt!
Jedanfalls hat mir die FF ziemlich gut gefallen. ^_^
Von: abgemeldet
2011-05-18T08:48:16+00:00 18.05.2011 10:48
Diese Geschichte berührt mich auf eine besondere Art nd Weise. Ist nicht leicht zu beschreiben.
Vielleicht weil ich mich selbst auch nach dieser Freiheit sehne, auf der Suche nach mir selbst, was ich bin,, was ich sein will.
Aber ans aussteigen habe ich noch nie gedacht, dafür bin ich viel zu sehr verwurzelt.
Ich glaube ich wäre in der Wildnis , fernab von Heizung, Kühlschrank und Supermarkt, gar nicht lebensfähig!

Undir graut es vor dem Gedanken, wie Fred meiner Familie den Rücken zuzukehren, sie vor mir selbst zu verleugnen - nein, ich glaub der Preis wäre mir zu hoch.

Und eine andere Frage drängt sich mir bei Freds Geschichte auf, was wenn er sich selbst gefunden hat?
Gibt es danach noch einen Weg zurück?

Bei einer Familie, die ich verachte, in der ich misshandelt wurde, oder alle verstorben oder weit weg gezogen sind, könnte ich es mir noch vorstellen, einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen.
Aber in Freds Erinnerung, an seine Familie sehe ich eigentlich nur Liebe und Zuneigung. Sowas Stelle ich mir unheimlich schwer vor.
Ich hoffe, Fred findet zu sich selbst und findet etwas, was diesen Preis wert ist.
Von:  _-THE_JOKER-_
2011-05-08T12:41:24+00:00 08.05.2011 14:41
Wirklich sehr gut. Warum nur gibt es hier noch nciht ein einziges Kommentar. das ist ja echt strange XD. Naja jetzt bin ich ja da, ist ja schön, nech?! Also, ich mag diese Story sehr (die Idee mit der Uhr kam von mir, zu mindestens, dass er sie kaputt tritt) sie ist wirklich gut. Es ist interessant, mal etwas über einen Aussteiger zu lesen, mal was neues. Du hast ihn hier sehr gut dargestellt und ich glaube, dass du seine Beweggründe und Gefühle sehr gut beschrieben und getroffen hast. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Aussteiger auch in Wahrheit, von so etwas getrieben seien könnte. Die Idee mit dem, sich selbst finden, da man sich in der Gesellschaft verliert ist gut. Du hast hier auch schön den inneren Konflikt des Protagonisten dargestellt. er ist ausgestiegen, aber er denkt immer noch an seine Familie und verspürt Trauer. Er ist noch zerrissen, aber er will die Suche nach sich selbst nicht aufgeben. Denn wenn er sich finden will, wissen will wer er ist, dann muss er alles aufgeben, so auch die wunderbare Taschenuhr und damit (das interpretiere ich mal darein) auch die zeit an sich. er muss das Zeitgefühl dafür aufgeben und das und die Errungenen an die Familie ist ein Wahnsinnig hoher Preis. Es ist eigentlich eine sehr verlockende Vorstellung, einfach aussteigen, weg von allem, frei sein. Für mich jedoch wäre der Preis einfach zu hoch, aber es hat schon seine Reize. Ich bin sehr gespannt, wie sich das weiter entwickelt, gute Idee, gute Umsetzung und gute Arbeit weiter so, favo.


jöker


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