Zum Inhalt der Seite

Regenfänger

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Auf ab, hin her


 

Kapitel 10 - Auf ab, hin her

„Dieser Vogel rast jetzt schon zum wiederholten Mal knapp an meiner Hüfte vorbei! Seine Absichten sind eindeutig“, stellte Ace fachmännisch fest.

„Bild dir nichts ein, das war doch nicht viermal derselbe Vogel“, schmunzelte Vivi.

Die beiden waren schon einige Zeit auf dem unebenen Pfad durch das Dickicht unterwegs und die einzigen Lebewesen, die hier anzutreffen waren, war bisher diese bunte Vogelart.

„Nicht jeder denkt so anständig wie du.“ – „Stimmt, du nicht“, brachte Vivi es auf den Punkt.

„Ich rede von diesem Papagei!“, zeterte der Schwarzhaarige, was Vivi ein leises Lachen entlockte. Zu köstlich wie der Pirat sich gespielt aufregte und dabei so unmännlich klang.

„Darf ich anmerken, dass du leicht feminin wirkst?“

Abrupt blieb er stehen und stoppte gleichzeitig seinen Redefluss.

„Rede ich etwa sooft über meine Fingernägel?“

Lachend boxte Vivi ihm in die Schulter und schüttelte energisch den Kopf, sodass ihre Haare wild in der Luft herumwirbelten. Sie folgten dem Weg jetzt schon eine halbe Ewigkeit und es gab immernoch keine Anzeichen dafür, dass dieser Urwald bald ein Ende hatte. Nur das Kreischen des exotischen Vogels hallte wie eine Kampfansage durch die Nacht. Vivi wunderte es, dass Ace noch keinerlei Anzeichen von Anstrengung oder gar Erschöpfung zeigte, obwohl er sie und beide Rucksäcke über den Trampelpfad schleppen musste. Ihr fiel auf, dass er unglaublich sicher im Umgang mit seinem Körper, vor allem mit seinen Beinen war, denn er sah die ganze Zeit über kein einziges Mal zu Boden und obwohl dort fast unnatürlich viele Baumwurzeln, Steine und Löcher verstreut lagen, war er noch nicht ansatzweise ins Straucheln gekommen.

Sie war sich vollkommen sicher, dass sie ihm blind und bedingungslos vertrauen konnte. Für ihn würde sie ohne zu zögern die Hand ins Feuer legen. Wie treffend das doch war. Wenn sie zu dem Zeitpunkt nur gewusst hätte, wie bald sich das schon zeigen würde.

„Möchtest du etwas trinken?“, fragte sie, nachdem sie über ihren Lachanfall hinweg war und wieder halbwegs Luft bekam. Er nickte als Antwort, was ihr reichlich merkwürdig vorkam, denn sonst war er doch nie so wortkarg. Sie tastete sich mit ihren Fingern zum Rucksack hinunter, wobei sie nicht umhin kam, seine warme Haut zu berühren. Sofort bildete sich eine schwache Gänsehaut auf Ace‘ Rücken, ausgelöst durch diese elektrisierende Berührung.

Es zischte laut, als sie den Deckel von der Wasserflasche schraubte, ehe sie diese dem Pirat reichte.

Dieser nahm gierig einige tiefe Schlucke und gab sie Vivi zurück, da raste auf einmal ein weiterer Vogel auf Ace zu, besser gesagt auf die Flasche in seiner Hand, die daraufhin aus seiner Hand glitt. Noch im Flug schwappte ein Großteil des Inhalts heraus, doch noch bevor sie auf dem Boden auftraf, hatte Ace sie schon aufgefangen. Die Blauhaarige auf seinem Rücken baumelte in der Luft, da er so reflexartig zu Boden gegangen war und seine Arme unter ihr hervorgezogen hatte.

„Darf ich ihn jetzt grillen?“

„Nur zu, wir werden hier eh verhungern“, stellte sie müde fest, als auf einmal das Waldende vor ihnen zu sehen war, welchem sie im Eifer des Gefechts immer näher gekommen waren. Schnell zog er Vivi wieder auf seinen Rücken und eilte los, sodass sie schon kurz darauf unter freiem Himmel standen.

„Schau mal, da drüben“, machte Ace die junge Frau, die fasziniert die Sterne am Firmament betrachtet hatte, auf die kleine Stadt, die vor ihnen in der Landschaft lag, aufmerksam.

„Ein Hafen? Aber das würde heißen, dass wir doch relativ weit gesegelt sind! Wie kann das sein?“

Sie konnte sich nicht erklären, wie sie eine derartige Strecke in so kurzer Zeit hatten zurücklegen können. Wenn sie mit ihrer Vermutung, wo sie waren, richtig lag, hatten sie gerade einen Weg über mehrere Tage in wenigen Stunden bewältigt.

„Ein Ausläufer eines Zyklons muss uns so schnell vorangetragen haben. Einen Zyklon hat es nämlich zweifellos gegeben“, schlussfolgerte Ace.

Als sie sich weiter dem kleinen Dorf näherten, bemerkten sie zwei Gestalten, die gerade aus einer düsteren Gasse hervorgekommen waren. Sie hatten beide riesige Rucksäcke bei sich, deren Träger sich unter dem Gewicht des Inhalts spannten. Ace verschwand mit Vivi auf dem Rücken hinter einem Stapel Tauen und lauschte der Konversation.

„Mann, das war vielleicht einfach, denen das ganze Geld zu stehlen“, johlte ein großgewachsener Mann mit Zahnlücke und langen Haaren.

„Das war die bisher beste Gelegenheit, die wir hatten. Trotzdem, hier steigen immer mehr Kriminelle und Piraten ab. Da müssen wir geschickter rangehen, damit wir auch die Ersten sind…“

Dann tauchten sie in der Dunkelheit der nächsten Gasse unter und auch die Stimmen verhallten.

„Scheint wohl so, als wäre die Kriminalitätsrate hier erschreckend hoch.“ Er überlegte angestrengt, wobei er mit einer Flamme, die aus seiner rechten Hand schoss, spielte. Vivi hatte sich derweil auf ein Knäuel aus Seilen gesetzt und beobachtete die wechselhafte Mimik des Piraten.

„Was hast du denn?“, fragte sie, als er nicht mehr weiter auf seine Aussage einging. Sie konnte nicht ganz nachvollziehen, worauf er damit hinauswollte.

„Ich werde nochmal zum Striker zurückgehen und ihn hierherfahren. Dann können wir ihn hier irgendwo in einer dunklen Hafennische abstellen. Zum Schluss wird er noch von solchen besoffenen Kerlen gekapert.“

„Du gehst alleine?“

„Na, eigentlich dachte ich, du kommst mit.“

„Ich bleibe hier. Dann bist du viel schneller und außerdem hast du mich schon die ganze Zeit getragen“, erklärte sie ruhig, obwohl ihr die Aussicht, dass sie für einige Zeit hier in der Dunkelheit ausharren musste, nicht sonderlich behagte. Doch wollte sie ihn nicht unnötig belasten, denn es wäre sicherlich keine gute Idee nachher erschöpft weiterzureisen.

„Das ist viel zu gefährlich, Vivi. Ich kann und will dich nicht allein hier lassen. Bei der Dunkelheit und den geldgierigen Kerlen..“

Vorsichtig rappelte sie sich auf und legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich verhalte mich unauffällig. Es würde nur leider nicht viel bringen, wenn du bei der Weiterreise völlig erledigt bist.“

„Aber..“

„Jetzt geh schon! Du könntest schon lang vorn sein. Oder traust du mir etwa nicht zu, dass ich für ein paar Minuten unbeaufsichtigt bleibe?“ Der Blick ihrer blitzenden Augen bohrte sich in seinen.

„Na gut. Bleib aber wirklich ruhig und pass auf mit deinem Rücken. Ich will dich hier nachher vollständig vorfinden, verstanden?“

„Aye, aye! Hau schon ab.“

Sie konnte förmlich spüren, wie schwer es ihm fiel, sie sich selbst zu überlassen, wenn auch nicht für lange. Sein Zögern spiegelte den inneren Konflikt, den er im Moment auszutragen schien, wider; es wäre doch verantwortungslos von ihm und zudem gefährlich. Auf dem Weg würde ihm das auch keine Ruhe lassen, doch schließlich musste er sich geschlagen geben. Die Herausforderung war deutlich in ihren Augen zu lesen. Und sie hatte ja bereits bewiesen, dass sie ganz gut auf sich selbst aufpassen konnte, oder?

„Gut, ich lass dir deinen Rucksack da, falls du etwas brauchst. Sollte doch etwas sein, schrei so laut du kannst.“

Ein letzter unsicher Blick, den sie mit einem aufmunternden Lächeln konterte, dann war er schon verschwunden. Nur ein ständig auf und ab wippender, roter Punkt war noch zu sehen.

Vivi tastete nach ihrem Rucksack, öffnete ihn und wühlte mit einer Hand darin herum. Hatte sie nicht eine Taschenlampe eingepackt? Während sie noch den Inhalt umkrempelte, ertönte hinter ihr plötzlich ein markerschütternder Laut, der sie alarmiert hochfahren ließ. Der Rucksack fiel ihr aus den Händen, der Inhalt kugelte teilweise heraus, doch das interessierte die Blauhaarige in dem Moment nicht. Was war das gewesen? Und was war das für eine Stadt? Die Vernunft kämpfte gegen ihre wachsende Neugierde an. Sie war sich all der Gefahren, die im Dunkeln lauerten und nur darauf warteten, sie in ihre Fänge zu nehmen, bewusst. Doch früher oder später mussten sie doch herausfinden, wo sie hier gelandet waren. Und während Ace den Striker holte, konnte sie sich ebenfalls nützlich machen. Bedacht darauf keinen Lärm zu machen, schlich Vivi zu einer Gasse hinunter. Das Dorf war um diese Uhrzeit schwach beleuchtet, einige Kneipen waren scheinbar noch in Betrieb. Gegröle, laute Stimmen und Lachen war zu hören. Sie schlug den Weg zur Ostseite einer dieser Kneipen ein. Nun wurde sie völlig von der Dunkelheit verschluckt, sodass sie sich normal bewegen konnte. Aus einigen Fenstern drang Licht und sie konnte die Stimmen ausmachen, die sie schon zuvor gehört hatte. Zu ihrem Pech konnte sie nicht hineinschauen, da diese zu hoch lagen. Mit ihren Augen suchte sie angestrengt die Gegend ab, was der matte Schein der wenigen Laternen um ein vielfaches erschwerte. Vorsichtig spähte sie um die Ecke zur Frontseite der Bar und tatsächlich entdeckte sie dort zwei kleinere Holzfässer, welche sie nacheinander zum Fenster schleifte und dann stapelte. Umständlich kniete sie sich schließlich darauf. Im Inneren der Kneipe sah es nicht besonders aus, nur die hölzernen Schwingtüren erinnerten stark an einen Westernsaloon. Gedämpfte Stimmen drangen nach außen, woraufhin Vivi ihr Ohr an die Scheibe presste. So konnte sie die ganze Zeit über die Konversation mit anhören, die sich um ein vor allem für sie sehr interessantes Thema drehte.

„Das muss ich sofort Ace erzählen“, schoss es ihr sogleich durch den Kopf und sie wollte gerade von den Fässern hinuntersteigen, als diese bedrohlich zu schwanken begannen. Die Blauhaarige konnte gerade noch abspringen, doch die Behälter krachten auf den Boden und zerschellten, wie ein Schiff, das gegen ein Riff fuhr. Augenblicklich erstarrte sie zu Eis. Hatte sie vielleicht jemand gehört? Drinnen war es ruhig geworden. Fast zu ruhig, doch da hörte sie ein Knarzen. Die Flügeltüren schwangen auf. Dumpfe Schritte. Vivis Herz drohte stehenzubleiben. Doch dann durchfuhr sie auf einmal ein Impuls und sie rannte aufgescheucht zur Hinterseite der Hütte und wollte zur Westseite. Auch die Schritte wurden lauter, schneller. Sie duckte sich, als der Schatten um die Ecke bog. Einige Sekunden verharrte die Gestalt dort. Dann aber trat sie näher.

„Waren nur ein paar alte Fässer“, lallte er und zog ab.

Vivis Puls raste immernoch und das Herz hämmerte gegen ihre Brust, doch sie konnte wieder tief ausatmen, nachdem sie zuvor ertappt die Luft angehalten hatte. Noch einmal vernahm sie das Knarzen der Saloontüren und dann begann auch das Stimmenwirrwarr wieder von vorne. Sie hatte verdammt viel Glück gehabt.

***

In rasantem Tempo segelte Ace mit seinem Striker auf die andere Seite der Insel. Wassertropfen peitschten ihm gegen die Brust und ins Gesicht, einige feuchte Strähnen klebten ihm bereits an der Stirn. Sein Gesichtsausdruck wirkte verbissen, doch seine Körperhaltung strahlte befremdende Anmut aus. Wie er bereits vermutet hatte ging ihm die Sorge um Vivi nicht mehr aus dem Kopf. Wie sollte sie auch? Er schüttelte sich. Jetzt wusste er wenigstens, wo sie waren und das musste er Vivi sofort sagen. Sie waren nicht mehr weit vom Treffpunkt mit der Strohhutbande entfernt und jetzt konnten sie auch sogleich weitersegeln. Am Ufer angekommen, sprang er von Bord und lief den Steg entlang, zu dem Platz, wo Vivi zuvor gesessen hatte.

„Was zum..?!“, platzte es aus ihm heraus.

Alles, was er dort vorfand, war ein Rucksack mit über dem Boden verstreuten Inhalt. Nervös rieb er sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. Das war doch wirklich nicht war, oder? Sie konnte doch nicht ernsthaft weg sein. Da legten sich plötzlich unbemerkt zwei Hände auf seine Schultern. Blitzschnell fuhr er herum und blickte der grinsenden Vivi in die Augen.

„Wo kommst du denn jetzt her?“, fragte er teils überrascht, teils ein bisschen angefressen. Hatte er ihr nicht gesagt, sie solle nicht herumlaufen? Nicht nur wegen der Gefahr, sondern weil sie sich schonen sollte, verdammt nochmal! Doch der Tonfall schien sie nicht zu stören.

„Ich hab gerade ein Gespräch in einer Kneipe belauscht“, begann sie zu erzählen.

„Das ist nicht dein Ernst, oder?“, hakte Ace nach.

Sie nickte nur.

„Das hat uns noch gefehlt. Ich hab nämlich gerade herausgefunden, dass wir nicht mehr weit von unserem Ziel entfernt sind. Deshalb müssen wir gleich aufbrechen. Jetzt ist es wenigstens noch dunkel, da sieht man uns nicht.“

Wortlos hob er sie an Bord des Strikers. Vivis Beobachtungen in der Kneipe hatten ihren Spielraum zusätzlich geschmälert. Er konnte nur hoffen, dass sie Ruffy und seine Freunde auch am erwarteten Platz antrafen. Ansonsten mussten sie mit allem rechnen.
 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: RuffysKreationen
2012-01-25T17:16:35+00:00 25.01.2012 18:16
Jaja, Vivi kann nicht still sitzen bleiben XD
Bin echt neugierig, was denn nun das Gespräch in der Kneipe war :O


Zurück