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Regenfänger

von

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Ungewissheit


 

Kapitel 5 – Ungewissheit

Bereits kurz nachdem der junge Mann das Narkosemittel injiziert hatte, erschlaffte Vivis Muskulatur und sie sank zurück in die weichen Kissen. Leblos, wie es schien. Ein wenig besorgt beobachtete Ace das Treiben des Arztes. Er hatte Angst, dass es um Vivi noch schlechter stehen könnte, als man bereits annahm. Und als sie gerade so schwer in sich zusammengesackt war, drängte sich wieder das Bild der verletzten Vivi vor seine Augen. Urplötzlich spannten sich seine Muskeln an, seine Hände lagen verkrampft in seinem Schoß. Er wusste, dass die Operation unter normalen Umständen nicht allzu lange dauern würde, aber er wollte wenigstens danach guten Gewissens behaupten können, dass er mit jeder Faser seines Körpers bei ihr gewesen war. Und dass nicht nur, weil er ihr damit Mut zusprechen wollte..

Der Arzt derweil zog ein Skalpell, dessen scharfe Klinge poliert glänzte, aus einer Sicherheitshülle und mit dessen Hilfe er die Wunde säuberlich auftrennte. Abermals quollen Unmengen an Blut hervor. Angewidert verzog der Pirat das Gesicht. Nicht, weil er so etwas nicht sehen konnte, er kannte das ja bereits von Raubüberfällen einiger Rookie-Piratenbanden, aber er konnte sich vorstellen, wie schmerzhaft die Wunde nachher, wenn sie wieder erwacht war, auf dem Rücken der Blauhaarigen brannte.

Mit einer Kanüle entnahm der junge Mann eine Ladung Blut, welche er in seinem Labor auf Fremdkörper untersuchen würde. Dann inspizierte er vorsichtig mit einer Pinzette die Tiefe der Wunde.

Unablässig und mit einer irritierenden Selbstverständlichkeit streichelte Ace Vivis Hand. Dieses zarte Geschöpf hatte viel mehr drauf als er es je vermutet hätte. Und jetzt waren ihre Kraftreserven erschöpft und sie würde mehr als nur Entspannung brauchen, um sich wieder zu erholen. Wie sehr hoffte er doch, dass sie wieder komplett gesund werden würde.

Er wusste nicht wie lange er sie betrachtet hatte, als der Arzt auf einmal die Stimme erhob und verkündete, dass er fertig wäre und Ace noch für einige Zeit bei ihr bleiben sollte, da sie bald aufwache. Er hatte sie mittlerweile auch verbunden. Keine Spur mehr von dunkelrotem Blut, welches unschöne Assoziationen in ihm weckte.

Wie er bald merkte, mussten in etwa zwei Stunden vergangen sein, denn es war Nachmittag und die Sonne sandte gerade die letzten glühenden Strahlen auf die Erde. Die Dämmerung war bereits eingetreten und der Regen hatte wieder eingesetzt, was ziemlich ungewöhnlich auf Sandy Island war. Die Niederschlagsrate war doch sonst immer erschreckend niedrig – Normalität in Alabasta.

Seufzend stand Ace auf, nachdem der Doktor die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er trat an die Fensterfront und öffnete die Tür zum Balkon ein Stück. Die erfrischende Brise, die hereinfegte, umspielte die hellen Vorhänge und der Schwarzhaarige konnte sehen, wie sehr sich die Kinder auf den Straßen an dem kühlen Nass erfreuten, welches in dicken Tropfen unablässig vom Himmel herabfiel. Der Sturm hatte deutlich seine Spuren hinterlassen, jedoch nicht in Arbana. Nur in der Ferne erkannte er zerfallene Holzverschläge und Stroh auf den Straßen, ebenso wie zerbrochene Tonscheiben und einen umgefallenen Stapel Lehmziegel. Doch der Ernte dieses Landes tat der Regen nur gut. Bald würden die Bewohner von Alabasta wieder reichlich zu essen haben und auch der König würde üppige Speisen servieren, dem war er sich sicher. Erst jetzt merkte er, dass er immer noch seine nasse Kleidung trug. In Gegenwart von Vivi vergaß man eben mal die auffälligsten Dinge..

Als Ace ein leises Stöhnen hinter sich vernahm, wandte er sich wieder der Prinzessin zu. Sie regte sich allmählich, ihre Haare flatterten im Wind. Bei ihrem Anblick fuhr er sich nervös mit dem Daumen über die Lippen. Sie sah wunderbar aus mit diesem unbekümmerten Lächeln, das musste er zugeben. Es gab viele schöne Frauen, aber es gab keine, die ihn bisher wirklich berührt hatte. Und heimlich fragte er sich doch, ob sich das gerade änderte, auch wenn er sich das nicht eingestehen würde..

„Ace?“, flüsterte eine zaghafte Stimme seinen Namen.

Sofort trat er näher an ihr Bett heran, trotzdem hielt er einigen Abstand.

„Ich bin es, Vivi. Alles in Ordnung?“

Sie blinzelte ein paar Mal in ungefähr seine Richtung.

„Ich sehe nur verschwommen.“

„Wie hast du dann gewusst, dass ich da bin?“, fragte Ace verwundert.

„Ich hab es nur vermutet“, murmelte sie und jetzt sah sie ihn auch wieder ganz deutlich.

Ein leichter Rotschimmer bildete sich auf ihren Wangen. So leicht, dass man ihn eigentlich übersehen hätte, doch Ace sah ihn. Und er grinste.

„Ich war die ganze Zeit über bei dir.“

Ruckartig setzte sie sich in ihrem Bett auf und wollte aufstehen, doch sie zuckte zusammen und schwankte gefährlich, aber Ace überbrückte den Abstand zwischen ihnen innerhalb von Sekunden, sodass sie nicht umfallen konnte. Behutsam hielt er sie in den Armen und ließ sich mit ihr auf dem Bett nieder.

„Leg dich besser wieder hin, du bist verletzt“, tadelte er sie sanft.

Der Rotschimmer auf ihren Wangen vertiefte sich zusehends. Mit einem Nicken verschwand sie vorsichtig unter der Bettdecke und zog sie bis zu den Schulterblättern. Es war äußerst unbequem auf dem Bauch zu liegen und so für längere Zeit zu verharren.

Nach einigen Minuten des Schweigens, in denen sich auch die Wirkung des Betäubungsmittels vollständig verflüchtigt hatte, konnte Vivi brennend scharf den Schmerz durch ihren Rücken schießen spüren. Hörbar hielt sie den Atem an und hoffte somit den Schmerz ebenfalls anhalten zu können. Doch natürlich brachte es nichts.

„Die Wunde muss ja höllisch wehtun“, bemerkte Ace.

„Es.. ist erträglich“, brachte sie stockend hervor.

„Du lügst. In Wirklichkeit drehst du fast durch vor Schmerz.“ Zärtlich und beruhigend zugleich strich er ihr übers Haar.

„Jammern bringt ja auch nichts“, entgegnete sie verkrampft.

Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Wie tapfer sie zu sein versuchte. Aber sie musste jetzt auch mal an sich denken, anstatt immer nur daran, dass sie zur Stelle sein musste, sollte sich etwas in ihrem Land tun.

„Du solltest dich entspannen, sonst tut es nur noch mehr weh“, erklärte er fürsorglich.

„Das ist schon okay“, meinte sie beharrlich. „Ist nicht so schlimm.“

Genau in dem Moment kamen Peruh und Igaram herein, aber nicht ohne vorher anzuklopfen.

„Ace, würdest du bitte mitkommen?“, bat Peruh und warf dem Pirat einen bedeutungsvollen Blick zu.

Als dieser sich zögerlich erhob, merkte Vivi sofort, dass etwas nicht in Ordnung war.

„Was ist denn los? Kann ich auch mitkommen?“

„Nein, Prinzessin, Ihr müsst Euch noch ausruhen“, entgegnete er entschuldigend.

„Das kann ich auch währenddessen. Oder darf ich etwa nicht dabei sein?“ Vorwurfsvoll musterte sie Peruhs Gesicht. Sie wusste genau, dass er diesem Gesichtsausdruck am liebsten nachgeben würde. Doch er ließ sich nicht umstimmen.

„Wirklich, Ihr solltet Euch schonen. Wir werden Euch nachher genauestens über alles informieren“, versicherte er mit Nachdruck in der Stimme.

„Natürlich“, meinte sie gekränkt. „So wie immer, was?“

Er konnte deutlich hören, dass ihre Stimme nur so triefte vor Sarkasmus.

„Prinzessin Vivi..“, setzte Igaram an, aber sie schnitt ihm das Wort ab.

„Geht schon. Ich wollte sowieso ein bisschen schlafen.“

Sichtlich verwundert aber auch verunsichert verließen die drei das Zimmer.

Erleichtert seufzte Vivi auf. Natürlich konnte sie nicht schlafen, wenn dieser tiefe Schnitt auf ihrem Rücken unerbittlich pochte und scheinbar zu zerreißen drohte. Aber erstens wollte sie endlich, dass Ace aus ihrem Blickfeld verschwand und zweitens war sie sich sicher – und das machte sie noch verrückter als Ace‘ Anwesenheit – dass mit Ace und Peruh etwas nicht stimmte. Sie konnte nicht im Geringsten sagen was, obwohl sie fürchtete, dass es etwas mit ihr zu tun hatte.

Erschrocken musste Vivi feststellen, dass sie immer mehr der Person glich, die damals als Miss Wednesday für die Baroque Firma gearbeitet hatte. Berechnend, kalt und misstrauisch. Aber nur, wenn es nötig war. Sonst war sie immer das herzige, fröhliche und ehrgeizige Mädchen mit einem ausgeprägten Sinn für Humor – und Gefahr. Sie musste schmunzeln über diese gespaltene Persönlichkeit.

„Hoffentlich kann ich mich bald wieder normal bewegen“, sagte sie laut zu sich. „Ich muss echt mal raus hier.“

***

„Warum hast du mich geholt?“

Sichtlich irritiert schritt Ace neben Peruh durch die Korridore.

„Der König, Igaram und seine Frau, die Wächter, Chaka und ich sollten uns versammeln, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden“, erklärte Peruh mit angestrengter Miene.

„Welches weitere Vorgehen?“

„Was mit der Prinzessin geschehen soll. Das mag jetzt ein wenig abgedroschen klingen, aber es ist tatsächlich so, dass es nicht so gut um Vivi bestellt ist. Zumindest was ihren Rücken anbelangt.“

Igaram schwieg auf dem Weg zum Thronsaal, dessen Tor sie auch schon erreicht hatten und eilig öffneten. Alle außer die drei hatten sich bereits eingefunden.

Igaram ließ sich neben Terracotta auf den Stuhl sinken. Auch Peruh nahm neben Chaka Platz, während sich Ace neben Peruh niederließ.

Schon räusperte sich Kobra einige Male vernehmlich.

„Da mir Doktor Oho gerade in Absprache mit dem behandelnden Arzt erzählt hat, was aus den Untersuchungsergebnissen hervorging, sehe ich mich gezwungen darüber zu entscheiden, was mit der Prinzessin passieren soll. Bitte, Doktor Oho, erzählt, was die Laborergebnisse besagen.“

Der alte Mann erhob sich und zückte seine Notizen, von denen er die Prognose ablas.

„Es wurde eine Schädigung der Nerven des Rückenmarkes diagnostiziert. Das Messer war anscheinend unrein und noch dazu so scharf, dass es sich tief in das Fleisch bohren konnte. Man müsste weitaus fortgeschrittenere Methoden anwenden, um einer Lähmung vorzubeugen. Andernfalls wird diese unaufhaltsam eintreten.“

Als der Arzt die erschrockenen Gesichter sah und doch keiner etwas darauf zu sagen wusste, setzte er sich hastig wieder.

„Peruh, Ihr seid mitunter mein engster Vertrauter, was schlagt ihr vor?“

Der König versuchte, sich seine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen, doch er konnte sie nicht gänzlich verbergen.

„Nun, es erscheint mir unumgänglich, Prinzessin Vivi auf eine andere Insel zu bringen. Vielleicht sollten wir sie nach Nada fahren. Das ist nicht weit weg und dort ist die medizinische Versorgung besser als hier. Zwar lange nicht so gut, wie in Drumm, aber es würde zu lange dauern, die Prinzessin auf die Winterinsel zu bringen, aufgrund der wetterlichen Lage.“

„Das ist zwar ein hervorragender Vorschlag, Peruh, aber, ob die medizinischen Fähigkeiten dort ausreichen?“, zweifelte der König.

Da meldete sich auf einmal Ace zu Wort: „Verzeiht, dass ich Euch unterbreche, aber ich hätte da eine Idee, die eventuell funktionieren könnte.“

Als der König ihm zunickte, fuhr er fort.

„Mein Bruder, Monkey D. Ruffy, Ihr kennt ihn sicherlich noch, hat einen ausgezeichneten Arzt in seiner Crew. Doktor Tony Chopper, er war vor einem Jahr auch beim Sturz von Sir Crocodile dabei. Er hat auf Drumm bei Doc Bader und Doktor Kuleha gelernt. Ich kenne keinen besseren Arzt. Wenn das einer schaffen kann, dann er.“

Einige Zeit herrschte gespannte Stille. König Kobra wägte ab, ob er die Idee für gut befinden sollte. Immerhin hatte sich Vivi wegen diesem Piraten in diese Gefahr gestürzt und ein ganzes Jahr lang wegen der Strohhutbande in Erinnerungen geschwelgt.

„Er muss wahrlich ein guter Arzt sein, wenn er au Drumm studiert hat, aber wer weiß, wo sich die Strohhutbande im Moment aufhält? Das dürfte viel länger dauern, als nach Drumm.“

„Mit einem schnellen Schiff gelangt man schneller zur Crew, als nach Drumm, weil sich die Fahrt nach Drumm wegen den wetterlichen Bedingungen um ein oder zwei Tage verzögern könnte und man eine andere Seeroute nimmt. Es wäre allerdings möglich mit der Strohhutbande einen Treffpunkt zu vereinbaren und dort Vivi zu behandeln“, führte Ace seinen Vorschlag aus.

„Dein Vorschlag klingt sehr gut und als sei es der einzig sichere Ausweg. Kannst du denn den Kontakt zur Strohhutbande schnellstmöglich herstellen?“

„Selbstverständlich.“

„Aber, König Kobra, da gibt es noch ein Problem. Unsere schnellsten Schiffe sind gerade zur See, um zu exportieren. Wir haben kein Schiff, das schnell genug oder gar stabil genug wäre, um über die Grandline zu segeln. Die Zweimaster sind zu sperrig, um schnell voran zu kommen“, gab Peruh zu bedenken.

Seufzend ließ sich Kobra wieder auf seinen Sitz plumpsen.

„Das ist wahr. Wir haben keine Möglichkeit irgendwo hinzugelangen.“

„Mein Boot dürfte groß genug für zwei Personen sein. Es ist sehr stabil und blitzschnell.“

„Ausgezeichnet. Dann wirst du, soweit mit den Piraten alles klappt, Vivi zu ihnen bringen“, beschloss Kobra zufrieden.

„Sehr wohl“, entgegnete Ace und verneigte sich.

Schließlich verließen alle einigermaßen beruhigt den Saal und gingen wieder ihren Tätigkeiten nach. Nur die Feuerfaust war beunruhigt. Sollte er die Prinzessin wirklich zur Strohhutbande bringen, dann könnte das erstens richtig gefährlich werden, weil sein Boot sehr klein ist, er von der Marine gesucht wird und sie verletzt ist und zweitens würde er dann seine Gelegenheit verpassen. Und den Grund, warum er eigentlich hier war. Aber er musste es tun, andernfalls könnte es böse für Vivi enden. Und das war momentan das letzte auf der Welt, was er wollte.
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: RuffysKreationen
2012-01-24T17:07:22+00:00 24.01.2012 18:07
Ui, arme Vivi. Sehr dramatisch...aber cool, dass die Strohhüte um Hilfe gebeten werden :D


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