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Venia Legendi Eudaimonía

Die Erlaubnis zu lehren wie man glücklich ist
von

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Die vier Stadtbummler haben sich auf zwei Sesseln zusammengesetzt, Adele bei Clara, Heinrich bei Alexander auf der Lehne.

Alle warten sie darauf, dass der Junge endlich spricht.

„A-also, es war so…“, beginnt Heinrich schließlich, immer noch das gelbgrüne Shirt an.

„Meine Schwester…“

Alexander sieht seinen Freund verwirrt an.

„Ich hab eine Halbschwester.“, ergänzt Heinrich also.

„Sie ist vier Jahre älter als ich, ihre Mutter ist…an Krebs gestorben, dann hat Vater neu geheiratet. Ulrike, heißt sie. Sie ist mit Siebzehn ausgezogen, weil…“

Der Junge sieht etwas entschuldigend aus, findet Alexander, als er das sagt.

„Weil sie nicht so eine Tochter geworden ist, wie Vater sie gerne gehabt hätte.“

Erstaunt blickt der Professor zu seinem Freund auf.

„Das…das heißt aber nicht, dass sie auch…?“

„Doch“, antwortet Heinrich, „Sie ist lesbisch. Vater hat es zwar nie mir gegenüber zugegeben, aber ich wusste es schon, bevor Ulrike abgehauen ist. Sie hat mir sicherlich auch tausendmal geschrieben, aber Vater muss die Briefe gleich vernichtet haben.“

„Was…“, fängt Clara an, „Was hat das mit deinem Shirt zu tun?“

Heinrich zupft etwas unsicher an besagtem Shirt herum.

„Naja, weil…weil das Ding aus der Frauenabteilung kommt…Meine Schwester hat – Vater hat ihr immer so tolle Kleider und Röcke gekauft, aber sie hat sich immer geweigert die anzuziehen, hat lieber Hosen getragen, und dann…“

Alexander zieht voller Vorahnung seine Augenbrauen in die Höhe.

„Dann hab ich die Sachen anziehen dürfen – also Ulrike hat es mir erlaubt, Vater durfte davon natürlich nichts mitbekommen, weil…“

Heinrich bricht ab, als er den Blick seines Freundes einfängt.

Mit bebender Stimme spricht er weiter.

„Genau so hat er mich angeschaut, als er es rausgefunden hat…“

Sofort springt der Junge panisch von der Sessellehne auf, doch Alexander hält ihn an den Händen auf.

„N-nicht schlagen! Bitte nicht…!“

Der Ältere stellt seinen Freund mit einer festen Umarmung ruhig, drückt den zitternden Körper fest an seinen.

„Schhhh…Heinrich…ich will dich doch nicht schlagen.“

Die ernsthaft besorgten Blicke von Clara und Adele tut Alexander mit einem Nicken ab, bevor er sich wieder dem Jungen zuwendet.

„Klar bin ich überrascht, so was zu hören, das verstehst du doch, oder?“

„J-ja.“, bringt Heinrich heraus.

„Hasst du mich jetzt?“

„Nein. Niemals.“, entgegnet Alexander.

Vorsichtig löst sich der Kleine wieder von ihm.

Lächelnd fährt ihm sein Freund durch die Haare.

„Ich bin etwas überfordert, das ist alles.“, meint er.

„Ü-überfordert? Wieso?“

„Weil ich mir das einfach nicht vorstellen kann. – Naja, gut, wie alt warst du damals?“

„Vier-vierzehn,“, antwortet Heinrich und mit gesenktem Blick ergänzt er, „a-aber ich mag Kleider eigentlich immer noch…“

„Jaaaaa…ich bin etwas überfordert, wie gesagt…“, seufzt Alexander, woraufhin sein Freund schon wieder nervös wird und seine Augen sich trüben.

„Okay, das bedarf die Hilfe von Frauen.“, schreitet Clara an dieser Stelle ein.

Kumpelhaft legt sie Alexander einen Arm um die Schultern und zieht ihn ein wenig mit sich.

„Wir gehen jetzt mal ein bisschen quatschen, während Adele dem Kleinen ein schönes Kleid raussucht, ja?“

„Ich weiß nicht – “

„Schön.“, meint sie, indem sie die Bedenken des anderen einfach übergeht.

Zusammen nehmen sie auf den Stühlen vor der Damenumkleide Platz.

„Sprich mit mir.“, fordert Clara ihr Gegenüber auf, „Was genau „überfordert“ dich?“

Alexander fährt sich angespannt durch die Haare, wodurch ihm sein Hut vom Kopf fällt, den die Rothaarige auffängt und zwischen sie auf den Boden legt.

„Das…das alles.“, bringt der Professor heraus und versucht mit Handbewegungen seine Ratlosigkeit auszudrücken.

„I-ich lieb Heinrich doch, weil er eben keine Kleider trägt und– “

„Wow.“, unterbricht ihn Clara und sieht ein wenig gekränkt aus, „Dann würdest du also auch was mit seiner Schwester anfangen?“

Völlig verwirrt sieht Alexander sie an.

„Na, die trägt doch keine Kleider, wie wir eben erfahren haben.“

„Nein, doch nicht – !“

Alexander seufzt frustriert.

„Ich lieb Heinrich, weil er ein Mann ist und sich nicht wie eine Frau verhält!“

Clara muss schmunzeln.

„Du magst es also nicht, wenn er so süß schüchtern lächelt?“

„Das ist lächerlich, „süß schüchtern lächeln“ können auch Männer.“

„Dann hasst du es aber sicherlich, wenn er bei jeder Kleinigkeit rot anläuft, hm?“

„Clara, das- “

„Oh, und ganz schrecklich war es sicher für dich, als er so entzückt darüber war, dass du dir das Datum gemerkt hast, seit wann ihr zusammen seid, und er fast angefangen hat zu heulen. Ist ja total unmännlich, sowa– “

„Halt die Klappe!“

Etwas erschrocken über sich selbst zieht Alexander den Kopf ein, als sich einige andere Kunden nach ihm umdrehen.

„Sorry, ich…“

„Ich weiß.“, meint Clara und klopft ihm gutmütig auf den Oberschenkel.

„Wenn du auf sogenannte „echte Männer“ stehst, Alexander, hättest du dir nicht so jemanden wie Heinrich aussuchen dürfen, sondern eher so jemanden wie dich. So jemanden, der auf jeden Fall als hetero durchgeht.“

„Darum geht’s mir doch gar nicht.“, versucht Alexander ihr klar zu machen.

„Um was dann?“

„Darum, dass…! Was…was wird das jetzt?! Muss ich mich darauf einstellen, dass Heinrich nur noch in – in Röcken und Kleidern rumläuft?“

„Mich, an deiner Stelle, würd das nicht stören; im Gegenteil.“, meint Clara mit einem Schmunzeln, „Stell dir mal vor: die ganze Zeit freie Sicht auf seine nackten Beine – und jetzt erzähl mir nicht, du hättest was gegen seine nackten Beine; ich hab das im Restaurant heut Mittag genau mitbekommen…!“

Alexander schließt seufzend die Augen und reibt sich die Stirn.

„Ja, ich hab nichts gegen seine nackten Beine, aber da reichen doch kurze Hosen.“

„Kleider sind offen. Ganz offen, auch im Schritt.“

Der Professor öffnet seine Augen und muss tatsächlich grinsen, als er Clara anschaut.

„Du bist unmöglich.“, stellt er fest.

„Danke.“, kommt es von ihr zurück, „Du übrigens auch mit dieser Einstellung.“

Sie sieht, wie hinter Alexander Adele mit Heinrich in einer der Umkleiden verschwindet, und um ihr Gegenüber das nicht mitkriegen zu lassen, versucht sie wieder ein wenig ernster dreinzuschauen und blickt ihm in die Augen.

„Weißt du, was ich heute Morgen zu Adele gesagt hab? Hey, Süße, das wird nichts mit dem Kleinen, der ist schwul?! Nein, ich hab gesagt: So was von schade, dass der Große so gar nicht dein Typ ist, sonst würd ich liebend gerne den Kleinen nehmen.“

Alexanders Augen weiten sich.

„Schau nicht so entsetzt. Heinrich mag zwar wirklich nicht so super männlich aussehen und viel jünger, als er eigentlich wohl ist, aber er hat eine unheimlich tolle Ausstrahlung, die…die eine Frau niemals haben könnte. – Und er wird immer noch er selbst sein, wenn er dieses Kleid trägt. Er wird immer noch seine flache Brust haben, seine schmale Hüfte und seinen – “

Mit einem dreckigen Grinsen zwinkert sie Alexander zu.

„Du weißt schon.“

Der Professor verdreht die Augen.

„Aber du wirst besser drankommen, als bei einer Hose– “

„Jajajajaja, ist gut!“, unterbricht er sie und schiebt sie ein wenig von sich, um sich zu bücken und seinen Hut wieder aufzusetzen.

„Meinst du, du bist bereit, dich davon zu überzeugen, dass dein Freund auch im Kleid umwerfend aussieht?“, setzt Clara an.

Es dauert eine Weile, bis Alexander den Mut dazu gefunden hat, zu nicken.

„Gut“, meint die Rothaarige mit einem breiten Grinsen, „Dann dreh dich um.“

Der Professor zögert, Clara muss ihm noch einmal zunicken, bevor er ihrer Aufforderung folgt.

Alexander hätte sich nicht umdrehen dürfen.

Heinrich krallt voller Nervosität seine Finger in den gerüschten Stoff.

Alexander öffnet seinen Mund, bleibt jedoch stumm.

Heinrich beißt sich auf die Unterlippe.

Alexander nimmt seinen Hut vom Kopf, ist unfähig, sich zu rühren.

Adele muss Heinrich ein wenig anschieben, damit er auf den anderen zu läuft.

„Ha- w…“

Der Ältere gibt es auf, zu sprechen, und hebt seinem Freund stattdessen eine Hand entgegen.

Zögerlich nimmt der Junge diese an, lässt sich zu Alexander auf dessen Schoß ziehen.

Sofort sind die Hände des Professors auf dem lilafarbenen Stoff, fahren den weiten Ausschnitt nach, über die rosa Schleife…

Alexander nimmt Heinrichs Kopf in seine Hände und lässt seinen Blick noch einmal über das Kleid wandern, bevor er an den blauen Augen hängen bleibt.

„Du siehst…das…“

Er beugt sich nach vorne und gibt dem Jungen einen Kuss, der mehr sagt, als alle Worte.

Als Alexander von ihm ablässt, wischt sich Heinrich hektisch über die Augen.

„I-ich dachte schon, jetzt hasst du mich…“

„Nein, ich…“

„Ich muss das Kleid auch nicht nehmen, w-wenn du willst, zieh ich nie wieder eins an, du musst nur sa– “

„Nein“, unterbricht ihn der Ältere mit einem Lächeln, „Mir…gefällt das Kleid. – Also, du gefällst mir, in dem Kleid.“

„Wi-wirklich…?“

„Ja.“

Heinrich atmet erleichtert auf.

„Es…es ist jetzt auch nicht so, dass ich jeden Tag so was anziehen muss, nur…nur ab und zu, wenn…das wär schön, wenn ich das darf…“

„Hm“, entgegnet Alexander, etwas abwesend, da er mit seiner Hand durch die Rüschen fährt, sie ein wenig hochschiebt und Heinrichs Knie erreicht.

„Ich kauf’s dir.“, sagt er und ergänzt noch mit einem Flüstern dicht am Ohr des Jungen: „Wenn ich auch was davon haben darf, ab und zu…“

Glücklich lächelnd nimmt Heinrich Alexanders Hut, der zwischen ihnen eingeklemmt ist, und setzt ihn ihm wieder auf.

Adele und Clara sehen sich freudig an.
 

„Dann bis morgen früh beim Frühstück!“

„Macht’s gut!“

„Noch nen schönen Abend!“

„Euch auch…“

Vollkommen fertig lässt Alexander die Einkaufstüten vors Bett fallen und sich selbst in selbiges.

Heinrich schafft es noch ins Bad, bevor auch er sich neben seinen Freund auf die Matratze schmeißt.

„Meine Füße…“, jammert er.

„Mein Rücken…“, jammert Alexander.

„Verdammt, ich bin müde wie ein Stein…“

„Was glaubst du, wie’s mir geht? So anstrengend wie das heute war...“

„Aber ein Gutes hatte der Tag.“, meint Heinrich, „Er hat mein Schwulsein total bestätigt.“

Alexander bringt ein leises Lachen heraus.

„Wieso das denn?“

„Weil ich gelernt hab, wie anstrengend Frauen sind…“

Der Ältere muss schmunzeln.

„Du kannst aber auch manchmal echt anstrengend sein.“

„Das ist was anderes.“, entgegnet Heinrich, „…Oder nicht?“

„Doch.“, flüstert Alexander und nimmt die Hand des Jungen in seine.

„Tut mir Leid, dass ich so blöd zu dir heute war.“, entschuldigt er sich.

„Ich kann dich verstehen.“, meint Heinrich leise, „Und ich verzeih dir, wenn du mir versprichst, dass wir morgen was ohne die beiden unternehmen.“

„Versprochen.“

Alexander schließt lächelnd die Augen.

„Gute Nacht, mein Schatz.“

Heinrichs Wangen färben sich rot; ihn überkommt ein ganz komisches Gefühl, als er so genannt wird.

„G-gute Nacht, Alex.“
 

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Ich hab mit dem Kapi noch einen Tag länger gewartet, aber es sind trotzdem nicht mehr Vorschläge zu Heinrichs Beichte gekommen *schnief* XP

Also bedank ich mich bei Hanasorya für die Teilnahme und kann, wie man ja gelesen hat, Ran gratulieren :D

Du darfst wie versprochen entscheiden, ob es ein Bildchen zu Heinrich im Kleid geben soll, oder nicht – ODER du kannst natürlich auch eins selbst zeichnen ;)
 

Und bevor Fragen aufkommen, oder man die Sache mit Heinrichs Schwester für an den Haaren herbeigezogen halten könnte: Ulrike gab’s wirklich, und ich fand’s einfach nur witzig, wie Kleist sie immer zur Hausfrau bekehren und ihr in seinen Briefen einreden wollte, dass sie doch heiraten soll – während er selbst ja nicht so auf Familiengründung aus war XD

Daher kommt die Idee :)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Nachbarschaft
2023-01-23T20:51:26+00:00 23.01.2023 21:51
Ach Heinrich der kleine Hamster

Von:  Ryosae
2011-06-05T19:35:21+00:00 05.06.2011 21:35
Geschickte Idee von dir! :D
Vielleicht wollte er sie zu einer Familie drängen, weil er selbst keine haben konnte?
Adoption ging damals ja nicht so wirklich. :P

Aber das Alex so reagiert hat am Anfang. Schon komisch... o.O
Bin aber froh das er sich wieder eingekriegt hat! :D

LG :D
Von:  Ran34
2011-05-19T16:18:56+00:00 19.05.2011 18:18
Ich liebe diese zwei Schnuckies einfach! >.<
Und ich hoffe so dehr, dass wir nochmal ein Kapi zu lesen bekommen, in dem unser kleiner Heinrich das Kleid trägt und Alex auch etwas davon hat!^^
Das Kapi ist echt klasse und ich hoffe, dass wir schon bald eine Fortsetzung lesen dürfen! >.<

Und es ist sooo cool, dass ich tatsächlich richtig lag! >.<
Wegen der FA habe ich dir eine ENS geschickt.

lg~

!!!An alle anderen Leser!!!
PS: Ihr dürft euch natürlich auf jeden Fall auf eine FA von Heinrich im Kleidchen freuen! >////<


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