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Akemashite omedetou gozaimasu!

von

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Akemashite omedetou gozaimasu
 

„Silvester?“ –
 

„Ja, du weißt schon, der Tag vor Neujahr. Auch 31. Dezember genannt.“ –
 

„ICH WEIß, WAS SILVESTER IST!“
 

Eine kleine Ungeduldsvene trat auf Shoichis Stirn hervor, und der Rothaarige schnaubte in Richtung seines Besuchs. „Ich… hab nur vergessen, dass es schon morgen ist. Kann ja mal passieren, ich hab viel zu tun.“ –
 

„Genau deswegen frage ich ja, was du machst. Ich möchte feiern und hätte dich gern dabei.“ Spanner lächelte sanft, während er das Papier seines Lollies zwischen den Fingern zwirbelte. „Oder bricht Melone Base über uns zusammen, wenn du mal einen Abend nicht an deinem Schreibtisch sitzt, bis du über deiner Arbeit einschläfst?“
 

Shoichi wurde jäh rot und murmelte unverständliches, aber das sichtlich verlegen. Musste Spanner denn jetzt darauf herumhacken, dass er ihn vor kurzem schlafend an seinem Arbeitstisch gefunden hatte, wie er gerade die Tastatur seines Laptops besabbert hatte, während seine Unterlagen von der umgekippten Coladose eingeweicht wurden?! Es war ihm peinlich genug, dass der blonde Techniker ihn so aufgefunden hatte…
 

„Du willst wirklich feiern? Wo denn? Und mit wem?“ Shoichi konnte sich viel vorstellen, aber Spanner auf einer rauschenden Silvesterparty mit Alkohol und Musik und 500 anderen feierwütigen Menschen gehörte nicht dazu. So, wie er den introvertierten Amerikaner einschätzte, war dieser eher der Typ, der sich am 31. Dezember drei Filme aus der Videothek auslieh und rechtzeitig mit Tiefkühlpizza eindeckte, um bloß nicht bis zum 2. Januar aus dem Haus zu müssen.
 

„Oh naja, ich wollte es mal ganz traditionell aufziehen, die letzten drei Jahre hab ich immer vor dem Fernseher verbracht…“
 

‚Bingo!‘ dachte Shoichi, nicht ohne ein amüsiertes Grinsen. „Ganz traditionell?“ –
 

„Ja!“ Ein feiner Glanz trat in Spanners blaue Augen, und seinem Freund schwante augenblicklich nichts Gutes. Irgendwoher kannte er dieses fanatische Leuchten… und es bedeutete, dass Spanner sich mal wieder in irgendetwas festgebissen hatte, von dem man ihn nicht loskriegen würde. Also musste es etwas zu tun haben mit Mechas oder…
 

„Ich möchte ein richtig japanisches Silvester und Neujahr feiern!“
 

… Japan.
 

„Wir werden Soba kochen, die kaufe ich morgen, wenn ich mit allem anderen fertig bin. Und kurz vor Mitternacht müssen wir dann rausgehen, sonst hören wir die Glocken nicht! Und den ersten Sonnenaufgang natürlich, den dürfen wir nicht verpassen! Und dann an Neujahr gehen wir beide zum Namimori-Schrein und beten ein bisschen für dich, denn du hast es wirklich nötig. Und dann kochen wir natürlich noch Miso-Suppe mit Mochi und Kombu und…“ zählte der Blonde auf, bis sein Gegenüber ihn unterbrach.
 

„Spanner, ich höre immer WIR, dabei hab ich noch gar nicht zugesagt.“ –
 

„Oh!“ Spanner machte für einen Moment ein leicht erschrockenes Gesicht, und Shoichi dachte schon, er hätte ihn mit seinen Worten getroffen, als der Blonde sich auf dem Absatz umdrehte und Richtung Tür ging.
 

„Uhm… bist du jetzt…?“ –
 

„Ich muss meinen Kimono bügeln. Das hätte ich ja fast vergessen! Danke dass du mich erinnert hast! – Wir sehen uns dann morgen Abend! Ich muss jetzt erst mal den Oosouji fertig machen!“ –
 

Shoichi blinzelte. „Den…was?“ –
 

„Also echt mal…“ Spanner sah ihn fast schon vorwurfsvoll an und hob einen Zeigefinger. „Den traditionellen Hausputz! Als Japaner solltest du wissen, was das ist!“
 

Der Techniker war schon lange gegangen, als Shoichi einfiel, dass seine Mutter früher immer die Tage vor Neujahr einen wahren Putzwahn bekommen hatte. Der Rothaarige seufzte und stützte den Kopf in die Hände. Wie immer übertrieb es Spanner mit seiner Begeisterung für Japan und dessen Traditionen und reizte alles bis ins Detail aus. Und er sollte da jetzt auch noch mitmachen!
 

Dabei hatte er wirklich genug zu tun. Byakuran hatte ihn freundlicherweise bis weit ins neue Jahr hinein mit Arbeit eingedeckt, da konnte er sich eigentlich nicht mal erlauben, aufs Klo zu gehen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Und dann sollte er einen ganzen Abend und den darauffolgenden Tag vertrödeln, nur weil sein japanophiler Freund mal wieder eine seiner Anwandlungen hatte? Ein zweiter tiefer und selbstmitleidiger Seufzer brach aus Shoichi heraus. Da hatte er sich wirklich was eingebrockt. Und sein armer Magen würde sich bei dieser Flut an Essen mit Sicherheit auch überschlagen.
 

‚…hat er… hat er eben gesagt, er will selber kochen?‘
 

Shoichi erstarrte in seinem Schreibtischstuhl und schluckte hart. Er konnte von Glück reden, wenn er nach Neujahr nicht noch eine Woche wegen Lebensmittelvergiftung ausfiel und die Arbeit sich weiter auftürmte, bis Byakuran dann zurück kam und ihn rettungslos im Rückstand vorfinden würde.
 

‚Ich wünschte, Silvester und Neujahr würden dieses Jahr ausfallen…‘
 


 

Irgendwie saß sein Kimono nicht mehr gut. Er rutschte über die Schultern und kniff an der Taille und an den Füßen war er zu kurz, so dass der Bund seiner weißen Socken rausguckte. Was für ein Glück, dachte sich Shoichi als er vor Spanners Appartement stand, dass er keine offizielle Verabredung hatte, sondern nur seinen ebenso unstylischen Freund besuchen ging, um mit ihm das neue Jahr zu begrüßen. Falls der Dresscode dann später irgendwann aufgehoben werden sollte, hatte er immerhin noch ein normales T-Shirt drunter.
 

„Yo, Spanner, ich hab‘s nicht früher geschafft, ich musste noch…“
 

Shoichi blieb das Wort im Hals stecken, als ein fremdes Wesen ihm entgegen kam und ihn mit „Schön dass du mit mir Oomisoka feierst!“ begrüßte. Die Gestalt vor ihm trug einen hellblauen und allein schon vorm ersten Anblick sehr hochwertigen Kimono, mit dunkelblauer und weißer Verzierung. Jede Falte saß wie mit dem Lineal gezogen und die Holzschuhe, die unter dem Saum hervorlugten, waren auf Hochglanz poliert. Keine Spur von weißen ausgewaschenen Socken. Und im Haar trug der Fremde eine Pflaumenblüten-Spange. Direkt neben einem – Shoichi sehr bekannt vorkommenden – Haarkringel.
 

„Was… hast du mit meinem besten Freund gemacht?“ murmelte Shoichi sichtlich schockiert und starrte den Blonden wieder und wieder an. Doch es gab keinen Zweifel: Wenn der Haarkringel noch nicht ausreichte, war spätestens der schmale Lolliestiel zwischen den Lippen des Mannes genug, um ihn zu überzeugen: Dieses Sinnbild des gut gekleideten Japaners vor ihm war Spanner.
 

Fast hätte Shoichi gelacht. Sein Freund hätte sich bemühen können wie er wollte, seine blonden Locken und die hellblauen Augen, die immer ein bisschen zu relaxed aussahen, hätten niemanden über seine ausländische Herkunft hinweg getäuscht. Und doch stand Spanner die traditionelle japanische Kluft erstaunlich gut. An kleinen Menschen sahen Kimono und Yukata oft seltsam aus, aber Spanners Größe und die langen Beine verliehen dem Gewand… irgendwie etwas majestätisches.
 

„Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihn anzuziehen.“ rechtfertigte der Blonde sich und reichte Shoichi eine Schale mit Tee. „Und zu einem traditionellen Oomisoka und dem anschließenden Neujahr gehört eben auch ein Kimono.“ –
 

„Ja ja, ist ja gut… er steht dir.“ Shoichi blinzelte, erstaunt darüber, wie leicht ihm das Kompliment von den Lippen gerutscht war. Er hätte sich nie träumen lassen, Spanner jemals wegen dessen Kleidung zu komplimentieren. Wahrscheinlich lag es daran, dass der jüngere Techniker so anders aussah, im Vergleich zu seinem sonstigen legeren Auftreten in Overall und Springerstiefeln.
 

„Und… was hast du jetzt geplant, außer den Soba? Wir können ja nicht den ganzen Abend nur Nudeln essen.“ Kaum hatte er ausgesprochen, kam es Shoichi in den Sinn, dass Spanner sich an japanischem Essen sicherlich den ganzen Abend festhalten konnte, so begeistert wie er davon war. Andererseits… Spanner war nicht Byakuran. Der Rothaarige lächelte leicht. Zum Glück nicht.
 

„Naja, ich dachte… am 31. schaut man Musikshows im TV! Und wir müssen ja auch rechtzeitig los, damit wir pünktlich zu Mitternacht draußen sind. Die ganzen Security-Checks werden ihre Zeit brauchen.“ Erwiderte Spanner und nippte ebenfalls an seinem Tee. Klassisch grün, wie immer. „Oder hast du einen anderen Vorschlag?“
 

Es war das Stichwort, auf das Shoichi gewartet hatte. Den ganzen Tag hatte er sich den Kopf zerbrochen, wie er den Abend überleben wollte, ohne ein schlechtes Gewissen wegen der liegengebliebenen Arbeit zu haben, und vor allem ohne in seine übliche Jahres-End-Depression zu verfallen, die ihn jedes Jahr am Silvesterabend heimsucht, seit er 15 war. Also seit geschlagenen 10 Jahren. Nein, er wollte endlich mal einen Oomisoka ohne die üblichen Selbstvorwürfe (keine Freundin, keine coolen Freunde, stattdessen ein Job bei der Mafia und eine düstere ungewisse Zukunft) erleben, und die letzten Jahre hatte er es einfach damit versucht, am 31. solange zu arbeiten, bis er über seinem aktuellen Projekt einschlief. Wohin das führte, hatte Spanner ihn am Vortag ja schmerzlich erinnert… also hatte Shoichi sich etwas anderes ausgedacht.
 

Bzw., es war ihm beim aufräumen quasi in die Hände gefallen. Irgendjemand – im Zweifelsfalle einer der BlackSpell, denn die waren die Säufer unter ihnen – hatte ihm vor kurzem eine Flasche richtig teuren Whysky zugesteckt. Bei Shoichis strikter alkoholfreier Lebensweise hätte die gute Flasche vermutlich solange gestanden, bis sie zu Staub zerfallen wäre, wenn es nicht eben kurz vor Jahresende gewesen wäre. Um es auf den Punkt zu bringen: Zum ersten Mal in seinem jungen Leben hatte Shoichi den Entschluss gefasst, sich so richtig zu betrinken. Und Spanners Zwei-Mann-Silvesterparty kam ihm da gerade recht.
 

Alleine zu trinken war armselig, also würde sein Techniker-Kumpel einfach mittrinken müssen.
 

„TV ist ok, das hab ich früher als Teenager immer gemacht.“ –
 

„Kann ich mir vorstellen.“ Spanners Mundwinkel zuckte leicht. Er kannte Shoichi und seinen Musik-Tick mittlerweile ganz gut. Mit Sicherheit hatte sein Freund damals im Bandshirt und zerrissenen Jeans vor dem Fernseher gesessen und gehibbelt, bis seine Lieblingsband endlich auftrat. Irgendwie schade, dass der Shoichi von heute für sowas keine Zeit mehr fand. Jeder brauchte doch ein Hobby, das ihm Spaß machte und den Stress abbaute…
 

Der Blick, mit dem Spanner seinen Gegenüber nun ansah, war etwas traurig. Ja, Shoichi war zu ihm gekommen und würde mit ihm zusammen feiern, aber seine Arbeit würde er dabei sicher nicht vergessen. Seine Arbeit, und Byakuran. Ein unangenehmer Knoten legte sich um die Brust des Technikers, und er nahm schnell einen weiteren großen Schluck Tee, um das Gefühl zurück zu drängen. Wann immer seine Gedanken in Richtung des weißhaarigen Mafiabosses abschweiften, fühlte er sich seltsam beklemmt. Vielleicht hätte es ihn erleichtert, wenn er gewusst hätte, dass Shoichi genau dasselbe fühlte – oder es hätte ihn besorgt. Aber das waren Dinge, über die er einfach nicht mit seinem Freund reden konnte. Erstens war er dafür zu ungeschickt mit Worten, und zweitens hätte Shoichi das Thema bestimmt abgebogen. Byakuran war NIE ein gutes Gesprächsthema für eine lockere und ehrliche Konversation.
 

„Also, dann hole ich uns mal die Soba! Warm oder kalt?“ Der Blonde erhob sich und deutete Richtung Küche. Shoichi überlegte nicht lange.
 

„Kalt. Warmen Ramen esse ich das ganze Jahr.“ meinte er mit einem Lächeln. Eine ordentliche Grundlage für den Alkohol war wohl nicht die schlechteste Idee. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass weder er noch Spanner sonderlich viel vertragen würden…
 


 

2 Stunden später war die Whyskyflasche halb leer und die beiden jungen Männer auf dem besten Weg, ihren ersten Vollrausch zu erleben. Dass Soba eine gute Grundlage war, war damit wohl widerlegt. Oder die Tatsache, dass sie beide nichts vertrugen, bestätigt. Vermutlich war es eine unheilbringende Kombination aus beiden Faktoren.
 

Was Shoichi gerade herzlich egal war, denn sein Kopf fühlte sich so leicht an, als wäre alles, was Mafia, Byakuran und seine Zukunftsängste betraf, daraus gelöscht worden.
 

Es war nicht schwer gewesen, Spanner zum mittrinken zu animieren. Gut, der Amerikaner hatte ein wenig irritiert geguckt, als sein Freund die Flasche mit einem „Komm, wir stoßen auf den letzten Tag dieses Jahres an!“ hervorgeholt hatte. Alkohol war etwas, dass er bislang nie mit Shoichi in Verbindung gebracht hatte. Ganz zu schweigen davon, dass Spanners Erfahrungen mit Alkohol sich auf einen Schnaps gegen Heiserkeit im Kindesalter und ein lauwarmes Dosenbier auf dem College beschränkten. Aber Shoichis unschuldiger Vorschlag, anzustoßen, hatte ihn nichts Böses ahnen lassen.
 

Doch es war nicht bei dem einen Glas geblieben, oh nein… und vielleicht hätte Spanner sich auch geweigert, weiter mitzuziehen, wenn Shoichi ihm nicht mit dem schlagenden Argument gekommen wäre, dass jeder Japaner soviel trinken musste wie der, der ihn einlud. Es war vielleicht nicht seine Party, aber es war sein Whysky. Und bereits nach dem dritten Glas brannte es schon wesentlich weniger auf Zunge und Hals, so dass der Gastgeber sich auch nicht großartig wehrte, wenn Shoichi ihm immer wieder nachschenkte.
 

„Ich… hab immer gedacht… Japaner vertragen nichts…“ Mit einigem Mühen richtete Spanner sich aus seiner halbliegenden Position auf, um seinen Freund besser ansehen zu können. Irgendwann in den letzten 20 Minuten hatten sie es sich auf dem Futonbett des Blonden bequem gemacht und schauten nun von dort aus die Hitparade auf dem Musikkanal, auf dem Boden vor ihnen die böse Flasche und ihre Gläser, die schon wieder so gut wie leer waren. Die Sprache des Technikers war schon leicht verwaschen, und seine sonst so blassen Wangen hatten eine erstaunlich rosige Tönung angenommen. „Aber irgendwie… bist du… nüchterner als ich…“ –
 

„Tja… nicht alle Japaner vertragen nichts!“ Shoichis überlegener Tonfall litt ein wenig unter seiner schweren Zunge, und doch setzte der Rothaarige sein Glas für den letzten Schluck an, wie um seinen Worten mehr Ausdruck zu verleihen. „Mach mal lauter, den nächsten Song möchte ich hören…“

Spanner streckte sich nach der Fernbedienung, und sein Kimono verrutschte soweit, dass der Saum seiner Boxershorts herausguckte. Schwarz mit roten Kanji…
 

Shoichi verschluckte sich augenblicklich. Erstens, weil es ihn zum lachen brachte, wie jemand so einen Stilbruch begehen und unter ein traditionelles Gewand solche Liebestöter anziehen konnte… und andererseits, weil das gleichzeitig etwas war, was wie die Faust aufs Auge zu Spanner passte. Shoichi beugte sich tiefer, um die Kanji zu entziffern: Liebe, Hoffnung, Glück…
 

„AU!!“
 

Spanner hatte sich erhoben, ohne mitzubekommen, dass Shoichis Kopf gerade knapp über seinem Steißbein war, und seinem Freund einen ordentlichen Kinnhaken mit dem Hintern verpasst. „Sorry… alles ok?“ –
 

„Jaa…“ nuschelte der Ältere der beiden und rieb sich seinen Unterkiefer. „Wo hast du denn diese Boxershorts her?“
 

Spanner wurde rot. Wohl zum ersten Mal in Shoichis Gegenwart. „Die waren ein Geschenk…“ schwindelte er, so offensichtlich, dass es sogleich aus seinem Gegenüber herausplatzte:
 

„Von wegen, die hast du selber gekauft!“ –
 

„Na und wenn, ich mag sie! Sie sind bequem!“ –
 

„Ich sag ja gar nichts…“ –
 

„Dann hör auf mich auszu… grinsen!“ Spanner packte Shoichi am Ärmel seines T-Shirts, das zum Vorschein gekommen war, als der Rothaarige einfach das Oberteil seines Kimonos heruntergelassen hatte. „Von dir… lass ich mir gar keine Reden über Mode halten, du… Fashion Victim.“ Spanner war selber erstaunt, dass er dieses Wort noch über die Lippen brachte. „Immer diese Bandshirts unter der Uniform… als müsstest du dich für was schämen…“ –
 

„Hey, hey, sachte, das ist neu!“ Shoichi fasste Spanner nun am Kragen seines Kimonos. „Wehe es reißt!“ -
 

„Du hast doch… mindestens 100 Stück davon…“ –
 

„…soll ich dir mal eins leihen? Dann wärst du endlich mal gut gekleidet…“

Shoichi hatte einen riesen Spaß an dem Streit. Wann war er das letzte Mal so ausgelassen gewesen? Und wann hatte er Spanner jemals so aufziehen können? Unter normalen Bedingungen bekam sein Freund es doch nicht mal richtig mit, wenn jemand mit ihm stänkerte. Und jetzt regte er sich so richtig herrlich auf… ob das wirklich alles am Alkohol lag? Shoichi musterte Spanner und studierte die Gesichtszüge des Blonden, die so ausdrucksstark waren wie er es noch nie gesehen hatte. Die blauen Augen funkelten richtig erregt, und die hellen Haare, sonst so ordentlich zu einer Seite gekringelt, standen in alle Richtungen. Spanner sah viel jünger aus, und…
 

Mit einem Mal wurde Shoichi bewusst, wie nahe sie sich waren. Dass ihre Gesichter nur Zentimeter voneinander entfernt waren, dass sie sich gegenseitig festhielten, dass sie auf Spanners Bett knieten und sich seit fast einer Minute in die Augen sahen. Nun kroch auch ihm die Röte ins Gesicht und leuchtete mit seinen Haaren um die Wette. Wieso bloß fühlte sich das alles so komisch an? Und wieso… schlug ihm das Herz bis zum Hals?
 

„Wir haben 23 Uhr 30 und es wird langsam Zeit, den Main Act für diesen Abend anzukündigen…“
 

Schön langsam drehten die beiden jungen Männer den Kopf Richtung TV, ehe sie sich entsetzt ansahen. „SCHON SO SPÄT?!“ platzte es aus beiden heraus, ehe sie auf die Füße sprangen – oder stolperten.
 

„Shit… wir verpassen die Glocken…“ Suchend sah Spanner sich nach seinen Schuhen um, und weil er sie nicht fand, schlüpfte er in seine Arbeitsstiefel. Er war mittlerweile viel zu betrunken und nun auch viel zu aufgeregt, um sich noch über den Traditionsbruch Gedanken zu machen. Ganz zu schweigen von dem Anblick, der er jetzt bot. „Shoichi, beeil dich!!“ –
 

„ICH MACH DOCH SCHON!!“ Der Angesprochene schlüpfte gerade in seine Jacke, nachdem er den Kimono notdürftig gerichtet hatte. „Zieh dir auch was über, es ist kalt draußen!“ –
 

„Keine Zeit mehr!“ Spanner packte Shoichi am Arm und zerrte ihn hinaus aus seinem Appartement und zum nächsten Fahrstuhl. Nach nur wenigen Schritten und einer unsanften Kollision mit der harten Wand musste er sehr zu seinem Leidwesen feststellen, dass ihm das Gleichgewicht abhanden gekommen war. „… es… dreht sich alles…“ murmelte der Blonde und klammerte sich ein wenig an Shoichis Arm, um nicht zu Boden zu gehen.
 

„Du hast zu viel getrunken…“ –
 

„DU hast mir immer wieder eingeschenkt!“
 

Da hatte Spanner leider recht. Shoichi spürte, wie auch ihm schwummrig im Kopf wurde und dass er einen leichten Drall zur Seite hatte. Komisch… auf dem Bett eben war es nicht so schlimm gewesen, und er hätte absolut nichts dagegen gehabt, dorthin zurück zu kehren. Aber das würde Spanner wohl das Herz brechen – am Oomisoka verpasste er das Neujahrsgeläut. Und wenn er zum Fahrstuhl gekrochen wäre, nichts hätte den Techniker jetzt in der Base gehalten, Alkohol hin, Schwindel her.
 

Da half wohl nur noch eins – gegenseitige Unterstützung! Shoichi zog Spanner in eine aufrechte Position, legte dessen Arm um seinen Hals und schlang seinerseits einen Arm um Spanners Hüfte, wo er sich ziemlich gut festhalten konnte. Unter seinen Fingern fühlte es sich warm und weich an, und das Rot auf Shoichis Wangen wurde noch um einige Schattierungen intensiver.
 

„Du hast Hüften wie ne Frau…“ nuschelte er verlegen und knautschte ein wenig. In dem weiten Overall war es sonst nicht zu sehen, aber nun hatte er die Antwort darauf, wo der Jüngere die ganzen Lollies ließ, die er so über den Tag verteilt weglutschte.
 

„… bist du gemein!“ Ein wenig hilflos hielt sich Spanner an seinem Freund fest, obwohl er wirklich gerne losgelassen hätte. Er wusste doch selber am besten, wo seine Schwachstellen waren, und dass Shoichi ihn da jetzt so gnadenlos drauf ansprach, war ihm äußerst unangenehm. Wobei… sonst war es ihm doch auch egal, was andere von seinem Aussehen hielten… war er durch den Alkohol sensibler geworden? Spanner konnte nicht lange darüber nachdenken, denn sobald er versuchte, den Gedankengang festzuhalten, fing wieder alles an, sich zu drehen.
 

Sich gegenseitig festhaltend und nur mehr leicht schwankend betraten die beiden Männer den Fahrstuhl und kämpften sich anschließend tapfer durch die Ausgangschecks, wo sie jedes einzelne Mal intensiv angestarrt und sogar ausgelacht wurden. Was für ein Anblick – der Vizechef der Base und der Leiter der Technikereinheit hackedicht und im Festtagsgewand, wie sie eng umschlungen durch die Gegend stürzten. Das würde Gesprächsstoff für Wochen geben, soviel war klar. Vor allem, weil niemand es dem sonst so spießig-korrekten Captain Irie zugetraut hätte, dass er sich tatsächlich mal so gehen ließ und sich betrank…
 

Wirklich keine Sekunde zu früh traten Shoichi und Spanner schließlich ins Freie, wo gerade die ersten Schläge der Neujahrsglocke erklangen. 8 Schläge für das alte Jahr, 100 für das neue. Um sie herum standen noch mehr Menschen, in kleinen Gruppen oder zu zweit, und lauschten andächtig. Shoichis Arm legte sich etwas fester um Spanner, der in seinem dünnen Kimono nach kürzester Zeit zu zittern anfing, um ihm etwas mehr Wärme zu spenden. Wäre er nüchtern gewesen, hätte er sich wohl Gedanken gemacht, was die Leute bloß von ihnen denken sollten, aber jetzt… war es ihm irgendwie egal. Der Alkohol kreiste in seinem Kopf, die Glocken läuteten, um sie herum wünschten sich die Leute alles Gute, und Spanner murmelte ihm immer noch etwas betrunkener als er ins Ohr: „Akemashite omedetou gozaimasu…“ in einem vermutlich dank des Whyskys nicht ganz akzentfreien Japanisch.
 

Wie süß das klang… und dann, ohne lang darüber nachzudenken, küsste Shoichi den Blonden auf die Stirn. „Dir auch ein frohes Neues Jahr, Spanner.“
 

Das nächste, was er spürte, waren warme Lippen, die sich auf die seinen legten.
 

Wie aus einem Reflex heraus schlangen sich nun beide Arme des Rothaarigen um die so anschmiegsamen Hüften seines Freundes, während Spanner seine Hände in Shoichis Nacken verschränkte. Vergessen waren die anderen Menschen, von denen nun wirklich ein paar starrten, weil die beiden jungen Männer, die eben noch ganz normale da gestanden hatten, sich nun küssten.
 

Ein Schauer nach dem nächsten lief Shoichi über den Rücken, und er spürte, wie es Spanner unter seinen Händen ebenfalls leicht schüttelte – ob nun vor Kälte oder vor Aufregung konnte er nicht sagen. Aber so kräftig, wie er Spanners Herzschlag durch die Jacke hindurch an seinem eigenen Brustkorb fühle konnte, musste der Blonde ebenso aufgeregt sein wie er selbst. War das schön, ihn so nahe bei sich zu haben und zu küssen… es fühlte sich einfach nur gut an, noch besser als der Rausch durch den Whysky. Spanner war warm und weich und er schmeckte nach Erdbeeren, trotz der viertel Flasche Alkohol, die ihm über die Zunge gegangen war, und seine Haare dufteten… nach Sonne…
 

Das war es also gewesen, was er die ganze Zeit gefühlt hatte. Die seltsame Stimmung zwischen ihnen beiden, die nicht vom Alkohol herrührte, sondern von der Zuneigung, die sich füreinander hegten. ‚Schon komisch‘, dachte Shoichi, dessen Kopf an der frischen Nachtluft zusehends klarer wurde, und fuhr mit einer Hand durch Spanners blonde Locken. ‚Dass mir das im nüchternen Zustand nie in den Sinn gekommen ist… oder überhaupt aufgefallen ist. Ich musste erst betrunken werden um zu merken, wie gern ich ihn habe…‘ Es stimmte also, was man sagte: Betrunkene und Kinder sprachen die Wahrheit und spürten sie auch.
 

„Nee~ Shoichi… ich… gehen wir bis zum Sonnenaufgang nochmal rein…?“
 

Beim Anblick von Spanners kälteroten Nase und den bebenden Lippen, nach dem sie den Kuss gelöst hatten, musste Shoichi leise lachen. „Amis halten keine Kälte aus…“ stichelte er amüsiert und knuffte den Jüngeren liebevoll in die Seite. „Ok, gehen wir rein. Mal schauen was die Securityleute sagen, wenn wir in 5 Stunden wieder kommen…“
 

Ja, vielleicht würde das neue Jahr wirklich ein besseres werden als das vergangene. Der Beginn war jedenfalls der beste, den Shoichi je erlebt hatte. Beim nächsten Mal, wenn Spanner ihn zum traditionellen japanischen Silvester einlud, würde er mit wesentlich mehr Vorfreude kommen. Eigentlich schuldete er seinem Freund etwas, für dessen wirklich guten Vorschlag, der zu so etwas schönem geführt hatte…
 

Zufrieden mit sich und der Welt stolperte Shoichi in die Base zurück, einen immer noch betrunkenen und nun ziemlich durchgefrorenen Techniker im Arm. Bis zum Sonnenaufgang war noch viel Zeit, das neue Jahr ausgiebig zu grüßen.
 


 

Die Schiebetür zu Shoichis Appartement öffnete sich mit einem Zischen, und beiden Cervello, die davor standen, wären wohl die Kinnladen heruntergefallen, wären sie nicht darauf programmiert gewesen, immer ein unbeteiligtes Gesicht zu machen.
 

Vor ihnen stand ein zerzauster, knutschgefleckter und nur in Boxershorts gekleideter Spanner.

Die Blicke der Frauen blieben an der Beinkleidung des Blonden hängen. Schwarz mit roten Kanji.
 

„Irie-sama ist…?“ brach eine der beiden Cervello schließlich das schweigen.
 

„Shoichi? Der schläft noch… er ist ziemlich verkatert.“ Ein verschlafenes und gleichzeitig richtig schadenfrohes Grinsen legte sich auf Spanners Gesicht. „Und ich hatte doch Recht! Japaner vertragen tatsächlich weniger Alkohol als der Rest der Menschheit…“
 

~ Ende ~
 

Ich wünsche allen einen guten Rutsch ins neue Jahr! Falls euch der Oneshot gefallen hat, lasst mir doch ein Kommie da. ^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kalahari
2011-06-26T21:18:11+00:00 26.06.2011 23:18
wie niedlich^^
ein gelungener os: lustig, knuffig, unterhaltsam und nicht überkitscht
wirklich sehr amüsant, ein gelungenes ende
mir gefällt besonders, dass alles nicht so übertrieben wirkt, sondern viel mehr natürlich.
die gefühle der beiden dezent aber bestimmt dazustllen, war eine sehr gute idee und passt einfach (wie die faust aufs auge^^)
wirklich sehr niedlich^^
Von:  Erdkoenig
2011-06-23T19:07:49+00:00 23.06.2011 21:07
Was für eine knuffige Story ^///^
Richtig klasse, du hast die beiden auch 100% getroffen XD Hach, und es gab immer wieder Stellen, an denen ich wirklich richtig lachen musste. Die Boxershorts! XDD Genial!
Und dann dieser super niedliche Kuss <3 Und wie Shouichi am Ende mit Kater im Bett liegt XD
Schreib noch mehr Stories mit den beiden >_< Onegai! Es gibt einfach viel zu wenig von diesem tollen Pairing und dein Schreibstil ist auch einfach klasse. Sehr angenehm zu lesen :3
Weiter soouu! ^^
Lg
Von: abgemeldet
2011-02-03T15:49:06+00:00 03.02.2011 16:49
IoooooooooooooooooI
nein wie putzig, das ist ja wohl Zucker pur XDDD
Ich wusste ja dass Spanner Japan anscheinend interessant findet aber dass sein Interesse so weit geht hätte ich nicht gedacht XD
Und Shoichi hat sich dann ja doch überwunden und hey, im nachhinein wars eben doch toll ;P
ich mag diese story ^.^
sie ist so süß und fluffig und flauschig XD
und ich find die vorstellung von den beiden so übelst süß, zwei hagelvolle, niedliche boys, einer mit dem absolutesten stilbruch traditioneller japanischer klamotten und der andere auf einmal so mutig und hilfsbereit xD
haaaach XD
es gibt leider viel zu wenige storys über die beiden, dabei sind die doch so zucker! >.< mäh, die welt mag wohl kein zucker wies aussieht -.-
komm, wir tun unszusammen und schreiben jetzt gaaaanz viele storys über die beiden engelchen xD
auf alle fälle lad ich deine story demnächst runter, die muss ich haben xD

Lg
Manni
Von:  Malignitas
2010-12-28T14:10:07+00:00 28.12.2010 15:10
ach du meine Güte!
das war ein sooo süßer oneshot gewesen.
Ich fand die Handlung ziemlich super, da immer wieder ein paar Dinge mich zum Lachen brachten. Außerdem hast du den Character der beiden echt gut getroffen. Spanner, der voll japansüchtig ist, und Shoichi, der Workaholic.
Und dann noch das Ende! Der überniedliche Kuss und dann ganz zum Schluss der Spruch von Spanner xD
Du solltest wirklich mehr Alkohol-FFs oder so etwas in der Art schreiben!
(Humor-FF's und Fluff-FF's so wie deine find ich einfach genial ^^)
Von:  LittleTreeflower
2010-12-28T12:17:07+00:00 28.12.2010 13:17
Ich bin sooo froh, dass du diese FF hochgeladen hast, Hase! Sie ist mal wieder Zucker pur!
Ich liebe es, wie du Spanners Japantick beschreibst. Und seine Kanji-Shorts möchte ich auch mal sehen! O///O
Du solltest öfters Storys mit den beiden schreiben! Da ist Quietschalarm garantiert ^///^


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