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Unsterblich

My Immortal ~ Eternal Chronicles
von

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In der Gewalt der Präfektin

„Du hast gewusst, dass das geschehen würde, oder?“

Ayumu starrte Tokimi wuterfüllt an, während sie die Ruhe selbst blieb. Immerhin lächelte sie nicht, ihr ernster Blick ging in die Entfernung, direkt an ihm vorbei, was seinen Zorn nur weiter anfachte.

Im Hintergrund der beiden brannte es noch immer, aber dank Fuus Hilfe war es den Einwohnern gelungen, eine Katastrophe zu verhindern. Bis auf ein oder zwei Gebäude war die Stadt nicht sonderlich in Mitleidenschaft gezogen, man würde alles rasch wieder repariert bekommen.

„Du meinst, ob ich wusste, dass das Feuer nur ein Ablenkungsmanöver von Hyperion ist, um Leana zu entführen?“, fragte Tokimi und Ayumu wurde das Gefühl nicht los, dass sie nur versuchte, Zeit zu schinden.

Als er nickte, schüttelte sie mit dem Kopf. „Nein.“

Verarsch mich nicht!“, fuhr er sie wütend an und ignorierte dabei, dass sie aufgrund seiner Wortwahl die Augenbrauen unwillig zusammenzog. „Du bist doch das Orakel der Zeit, du musst es gewusst haben!“

Sie legte die Hände vor ihrer Brust zusammen als würde sie beten oder ihr Glück mitteilen wollen, aber ihr Blick blieb nach wie vor ernst, die Augenbrauen zusammengezogen. „Ich habe gesehen, dass er versuchen würde, Leana zu entführen – aber in meiner Vision ist er gescheitert.“

Ayumu stutzte. „Gescheitert? Woran?“

„In meiner Vision floh er auf normalem Weg und wurde dann von dir aufgehalten – ich wusste nicht, dass er in der Lage ist, rudimentäre Magie einzusetzen.“

Ihre Stimme klang tatsächlich bedauernd, weswegen Ayumu nicht weiter vermutete, dass sie log. Es musste die Wahrheit sein, aber...

„Wie kann es sein, dass er so eine Magie plötzlich benutzen kann, ohne dass du etwas davon weißt?“

Endlich nahm sie ihren Blick aus der Entfernung und sah ihn direkt an. Etwas ungemein Verletzliches flackerte in ihren Augen, er musste unwillkürlich schlucken.

„Ich kann verschiedene Möglichkeiten der Zukunft sehen“, erklärte sie. „Dinge, die geschehen und jene, die geschehen könnten, wenn sich bestimmte Bedingungen dafür ändern, indem jemand wissentlich oder unbeabsichtigt eingreift. Aber es gibt Einflüsse von außen, die ich nicht in meine Visionen miteinbeziehen kann.“

Nachdem sich die Eternal bislang derart aufgespielt und fast schon als Gottheit vor ihm präsentiert hatte, verwunderte es ihn, dass sie nun freiheraus zugab, dass es Dinge gab, die sich ihr und ihrer Vorsehungskraft entzogen. „Und was sind das für Einflüsse?“

„Verschiedene, wenngleich die Zahl im Vergleich zu dem, was ich sehen kann natürlich verschwindend gering ist“, versuchte sie ihre Aussage gleich wieder zu relativieren.

Seine Geduld schwand langsam und mit ihr das Verständnis dafür, dass auch sie nur ein Mensch war, mehr oder weniger jedenfalls. „Was genau war es für ein Einfluss, der hier deine Vision zunichte machte?“

Ihr Schweigen hielt noch einen Moment lang an, offenbar war es ihr nicht ganz so recht, gerade eine sehr störende Schwäche vor ihm zugeben zu müssen, aber er ließ sie auch nicht einfach so vom Haken, er wollte diese Antwort.

Schließlich seufzte sie leise und schloss die Augen. „Es war der Einfluss eines Shinjuu.“
 

Hyperion setzte Leana überraschend sanft auf einem aus Kissen bestehenden Berg ab. Kaum ließ er sie los, fühlte sie sich wie eine Marionette, der sämtliche Fäden abgeschnitten worden waren, ihre Arme fielen kraftlos an hier herab und auch ihren Kopf zu heben, erschien ihr unendlich schwer. Langsam wurde ihr wieder bewusst, wie schwer und schmerzhaft das Leben ohne ein Shinken und dessen Macht sein konnte.

Hyperion trat zurück und die andere Person kniete sich vor sie. Fast schon schmerzhaft griff sie an Leanas Kinn und ließ ihren Kopf nach oben rucken, damit sie ihrem Gegenüber in die Augen sehen konnte – allerdings besaß diese Frau vor ihr nur eines. Das rechte Auge war von einer Augenklappe verdeckt und erinnerte sie geradezu schmerzhaft an Zetsu, der die Angewohnheit hatte, sein silbernes Haar genau dieses Auge verdecken zu lassen.

Das Haar dieser Frau war ebenfalls silbern, aber der Farbton war selbst in diesem dämmrigen Licht als heller, mit mehr Weiß darin, zu erkennen.

Auch wenn diese Farbe abwich, wenn ihr Auge golden war und ihre Lippen voller und rosiger, konnte Leana nicht anders als bei dieser Person an Zetsu erinnert zu werden. Es war die Art wie sie lächelte, wie ihr Haar zu einem Pferdeschwanz hochgebunden war und das seltsame Funkeln in ihrem Auge, das verriet, wie amüsant sie alles fand, was sie betrachtete.

Eines war für Leana in diesem Moment jedenfalls vollkommen klar: Diese Frau war ebenfalls ein Splitter.

Diese Erkenntnis brachte allerdings Verwirrung mit sich, denn warum – um Himmels willen – sollte ein Splitter von Zetsu denn eine Frau sein? Das machte einfach keinen Sinn, aber gleichzeitig wusste sie auch, dass ihr Gefühl sie nicht trog. Diese Frau war ein Teil von ihm.

Da sie sich offenbar über Leanas Starren amüsierte, dauerte es eine ganze Weile, ehe sie das eingezogene Schweigen brach: „Ich bin Eos, die Präfektin.“

Der Name war genauso ungewöhnlich wie der von Hyperion und wollte auch überhaupt nicht zu dem farbenprächtigen Kimono dieser Frau passen. Einen solchen Namen hätte Leana eher mit anderen Dingen in Verbindung gebracht – aber nach all dieser Zeit war sie schon ein wenig daran gewohnt, dass ein Name nicht zwangsläufig zu dem passte, der ihn trug.

Eos wandte sich an Hyperion: „Du kannst jetzt gehen. Ich werde dich rufen, falls ich dich brauche.“

Tatsächlich verschwand er gehorsam und ließ Leana allein mit Eos zurück – und schon wünschte sie sich, er würde wieder erscheinen. Schon damals, als Zetsu noch gelebt hatte, war ihr hin und wieder aufgefallen, dass er eine durchaus unberechenbare Seite besaß, eine, die sie gar nicht kennen wollte, weil sie nicht zu ihrem Bild von ihm passte – und sie hatte das Gefühl, eine Ahnung gar, dass diese Seite nicht jedem Splitter zu einem Teil zugefallen war, sondern sich gänzlich auf Eos forcierte.

Ihre Vermutung bestätigte sich sofort, als sich der Gesichtsausdruck der Präfektin änderte, ihre Lippen verzogen sich zu einer angsteinflößenden Grimasse, das Funkeln in ihrem Auge wies nun eher darauf hin, dass es ihr Spaß bereiten würde, jemanden leiden zu sehen.

„Verrate mir nur eines.“ Ihre Stimme war das absolute Gegenteil ihres Gesichtsausdrucks, sie war süßlich wie Honig und darum bemüht, jeden um den Finger zu wickeln. „Warum träumen wir von dir?“

Das war der letzte Beweis, den Leana benötigte, um zu wissen, dass sowohl Eos als auch Hyperion wirklich Splitter waren, denn immerhin träumte auch Ayumu von ihr. Sie hätte ihr alles erklären können, jedenfalls alles, was sie wusste, sie hätte ihr von ihrer Vergangenheit und Zetsu erzählen können – aber stattdessen schwieg Leana. Nicht nur, weil sie es im Moment als anstrengend empfand zu sprechen, sondern auch, weil es ihre Erinnerungen waren und die wollte sie mit niemandem außer Zetsu teilen, nicht einmal mit seinen Splittern.

Eos schien über dieses Schweigen allerdings nicht sonderlich erbaut zu sein. Ihre Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in Leanas Kinn. „Meine Liebe, nur weil ich ein nettes Gesicht habe, heißt das nicht, dass ich auch immer nett bin.“

Im Moment war an ihrem Gesicht absolut nichts Nettes zu erkennen, aber natürlich sagte Leana das nicht, stattdessen brachte sie nur mühsam folgende Worte hervor: „Ich weiß nichts...“

Mit einem wütenden Aufschrei packte Eos ihren Oberkörper und warf sie tiefer in die Kissen hinein, so dass sie fortan auf dem Rücken lag und die Decke im Blickfeld hatte. Jedenfalls für einen kurzen Moment, denn schon einen Augenblick später beugte Eos sich mit einem sanften Lächeln über sie.

„Vielleicht sollte ich nicht so unfair sein, was meinst du?“ Ihre Stimme klang wieder so honigsüß und einschmeichelnd wie zuvor, aber nun war es Leana möglich, auch die unausgesprochene Drohung hinter ihren Worten hören zu können.

„Ich gebe dir noch einmal die Gelegenheit, zu überlegen, bevor ich böse werde.“

Eos strich ihr mit einem Finger über die Wange, aber in dieser Berührung war nichts zärtliches zu spüren, es war Furcht, statt Zuneigung, die dabei in Leana entstand. Aber immerhin schien es etwas in Eos anzusprechen, das sie davon abhielt, weiter auf die Beantwortung ihrer Frage zu bestehen.

Was sie dann allerdings tat, gefiel Leana noch weniger.

Eos' Finger glitt an ihrem Hals hinab, wanderte über ihr Schlüsselbein und hielt – sehr zu Leanas Missfallen – erst auf ihrer linken Brust wieder inne. Einen Moment lang schien es als wäre die Präfektin mit ihren Gedanken ganz woanders, doch plötzlich kehrte das Leben wieder in ihr Auge zurück und statt nur den Finger darauf liegen zu lassen, packte sie die Brust mit der ganzen Hand.

Leana entfuhr ein Laut, der auf Überraschung, Empörung und Schmerz zurückzuführen war. Auch diese Berührung war ohne jegliche Zärtlichkeit oder Leidenschaft, es war ein verkrampftes Drücken, das Leana Tränen des Schmerzes in die Augen trieb. „Bitte...“

Tatsächlich ließ Eos sie wieder los, aber nur, um die Hand weiter nach unten wandern zu lassen.

„Hmm, ich habe das Gefühl, dass ich das schon öfter getan habe“, murmelte sie begeistert.

Leana rümpfte die Nase, erwiderte aber nicht, dass Zetsu ihr sicherlich nie derartige Schmerzen bereitet hatte, auch wenn eine Erwähnung dieses Namens sie vermutlich ganz einfach aus der unangenehmen Situation befreit hätte – oder sie in eine noch schlimmere befördert.

Da sie schwieg, ließ Eos den Finger an ihrer Hüfte entlanggleiten, wobei ihr spitzer Fingernagel unangenehm kratzte, obwohl Leana noch immer das Nachthemd trug.

Im nächsten Moment griff die Präfektin bereits unter Leanas Körper und packte mit derselben Brutalität von vorhin nun an ihren Hintern. Erneut entfuhr ihr ein Schrei, noch dazu stieg ihr wegen der Scham und dem Ärger über ihre eigene Machtlosigkeit heiße Röte ins Gesicht.

„Ich glaube, das gefällt mir“, flötete Eos vergnügt, ließ wieder ab und strich ihr erneut über die Hüfte.

Leana benötigte nicht viel Vorstellungskraft, um zu wissen, welche Stelle Eos als nächstes würde berühren wollen, immerhin hatte sie genug Zeit mit Zetsu verbracht. Aber die Aussicht, dass jemand anderes als er – und sei es auch ein Splitter von ihm – sie dort berühren könnte, ließ Zorn in ihr aufwallen. Und dieses Mal war das Gefühl stark genug, um ihr die Kraft zu geben, endlich wieder ihre Gliedmaßen zu bewegen.

Sie schleuderte die überraschte Eos mit einem Tritt von sich und richtete sich dann auf. Ohne darauf zu warten, ob die Präfektin sofort wieder aufstehen würde, hastete Leana zum Fenster hinüber, um über das Dach fliehen zu können – doch bevor sie es erreichte, fiel eine Gestalt von der Decke herab und stellte sich zwischen sie und das Fenster.

Zuerst glaubte Leana, es handele sich dabei um Hyperion, doch ein zweiter Blick ließ sie irritiert blinzeln. Es war kein Ninja, nicht einmal ein Mann und auch kein Mensch. Vor ihr stand ein leibhaftiger Lakai, dessen schwarzes Haar zu zwei Pferdeschwänzen gebunden war, die wohl süß aussehen sollten und Unbedarfte damit leicht in die Irre führten.

Selbst ohne Shinken konnte Leana die Feindseligkeit spüren, die von diesem Wesen ausströmte. Der Lakai rührte sich zwar nicht mehr, aber sie wusste, dass er das in Windeseile wieder ändern würde, sobald sie einen erneuten Vorstoß zum Fenster wagte. Also fuhr sie herum, um es in die andere Richtung zu versuchen – und erstarrte, als sie dort weitere Lakaien entdeckte. Jeder einzelne hatte schwarzes Haar, das im krassen Kontrast zu der weißen Haut stand und trug neben schwarzer Kleidung auch ein Katana in der Hand. Sie würde hier nicht herauskommen.

Zumindest griff keines der Wesen sie an, sondern warteten offenbar darauf, einen Befehl zu erhalten – und Leana war überzeugt, dass es Eos war, die ihnen Anweisungen gab.

Aber warum? Sie ist ein Teil von Zetsu, warum sollte sie Lakaien kontrollieren können?

Allerdings kam ihr da auch der Gedanke, dass beides vollkommen unabhängig voneinander stehen könnte. Wie Ayumu war sie immerhin eine eigenständige Person.

Die Präfektin schaffte es endlich, sich aufzurichten und lachte. Die Lakaien öffneten ebenfalls ihre Münder und fielen in das Lachen mit ein, auch wenn ihnen jegliche Emotion darin fehlte, so dass es zu einem unheimlichen und furchteinflößenden Chor anschwoll.

Wie festgewurzelt verharrte Leana auf ihrer Position und wartete darauf, dass endlich wieder Stille einkehren und Eos ihr sagen würde, wie es nun weitergehen sollte, was sie mit ihr vorhatte.

Im nächsten Moment erstarb das Lachen – erst bei Eos und dann auf einen Schlag auch bei sämtlichen Lakaien – und die Präfektin sah Leana wieder mit demselben liebenswürdigen Lächeln von zuvor an. Das Funkeln in ihrem Auge verhieß aber nach wie vor nichts Gutes. „Ich werde dir nichts antun, keine Sorge, meine Liebe. Aber du wirst mit Sicherheit verstehen, dass du eine Weile mein Gast sein musst. Eine Rose lässt man immerhin nicht so einfach wieder gehen.“

Leana sagte darauf nichts, aber ihr Schweigen wurde offenbar als Zustimmung gewertet, denn die Lakaien griffen mit ihren freien Händen bereits nach ihr, um sie fortzuziehen. Die Haut dieser Wesen war kälter als sie je gedacht hätte, sie erschauerte, als sie ihre Arme berührten.

Aber sie wehrte sich nicht, sondern ließ sich von ihnen mitziehen. Eos' gieriger Blick, den sie ihr hinterherwarf, brannte geradezu in Leanas Rücken, noch lange nachdem sie weit entfernt von dem Zimmer der Präfektin war.



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