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Unsterblich

My Immortal ~ Eternal Chronicles
von

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Tödlicher Sumpf

Die Reise dauerte zwei Tage, aber schließlich standen sie doch auf dem Steg, der in den Sumpf hineinführte. Die Bäume wirkten größer als alle anderen in den Wäldern, die sie bereits gesehen hatten, allein die aus der Erde herauswachsenden Wurzeln überragten Leana, so dass sie sich auf die Zehenspitzen stellen und den Arm hochstrecken musste, um diese auch nur mit den Fingerspitzen berühren zu können. Die Umgebung an sich ließ einen daher glauben, sich an einem geradezu heiligen Ort zu befinden, an dem man besser nicht zu laut sprach, wenn man keine Gottheiten gegen sich aufbringen wollte.

Erst beim Betrachten des Wassers wurde man sich wieder bewusst, dass man sich keineswegs in göttlichen Gefilden befand. Das stehende Wasser des Sumpfes war braun und stank an manchen Stellen derart abscheulich, dass dieser stechende Geruch durch das ganze Gebiet zog und man ihn selbst fernab dieser fauligen Orte riechen konnte. Fuu, der offenbar empfindlich war, was olfaktorische Einflüsse anging, verzog angewidert das Gesicht und drängte sich dichter an Lilly, die sich nicht daran zu stören schien.

Auch das Wetter schien sich gegen sie verschworen zu haben, der Himmel war mit gelblichen Wolken bedeckt, die nicht nach Regen, sondern eher nach einem Sandsturm aussahen. Das dadurch trübe Sonnenlicht färbte auch den Sumpf gelb und erweckte keinerlei positive Gefühle.

„Und wie finden wir jetzt den Novabaum?“, fragte Leana, die auch nicht unbedingt mehr Zeit als dringend notwendig an diesem Ort verbringen wollte.

Zu Fuus großem Entsetzen, hob Ylva die Nase in die Luft, um zu schnuppern, dann deutete sie den Steg hinunter. „Ich glaube, dieser Holzweg führt uns direkt zu ihm.“

Wortlos lief Leana bereits los, um diesem zu folgen, in der Hoffnung, dass sie das alles schnell hinter sich bringen könnte. Wie sie erwartet hatte, folgte ihr Ayumu direkt und schloss bald wieder zu ihr auf, um neben ihr zu laufen.

Ihr schien, dass die Gruppe von ehrfürchtigem Schweigen ergriffen worden war, denn keiner von ihnen sagte etwas, während sie den Steg entlangliefen. Selbst das puppenartige Mädchen, deren Name Mey war, schwieg. Sie war im Laufe des ersten Tages erwacht, konnte aber wegen Fuus und Lillys Fesseln nichts unternehmen – und schwieg daher aus Trotz, so schien es Leana. Aber sie hielt es für umso besser, immerhin konnte die Kleine so auch niemandem auf die Nerven gehen und dass sie das tun würde, sollte sie sprechen, konnte man ihr geradezu an der Nasenspitze ansehen.

Auf dem Wasser tanzten goldene Funken, die an Mana erinnerten, aber für Leana fühlte es sich nicht danach an. Es mussten eher Irrlichter sein, jene, die Reisende in den Sumpf lockten, damit sie darin ertranken. Glücklicherweise wollte keiner aus ihrer Gruppe diesen Lichtern folgen, Leana konnte sich gar nicht vorstellen, wie schwer es werden würde, sie vor dem Ertrinken zu retten.

Außer ihnen schien sich niemand im Sumpf zu befinden, was wohl nicht zuletzt an den Gerüchten lag, die sich um diesen Ort rankten – außerdem hatte Leana in der näheren Umgebung keine Ortschaft mehr gesehen. Sehr dicht besiedelt war dieses Land also nicht.

Aber das war für sie nur umso besser, denn je weniger Fremde sich in ihre Angelegenheiten einmischen konnten, umso schneller würden sie fertig werden, so hoffte sie jedenfalls.

Der Steg, von wem auch immer er errichtet worden war, führte sie tatsächlich quer durch den ganzen Sumpf. Als er endete, fanden sie sich vor einem riesigen Baum wieder. Die gesamte Gruppe musste den Kopf in den Nacken legen, um daran hinaufsehen zu können.

Allein der Stamm war bereits gigantisch, selbst die kleine Gruppe, die vor ihm stand, hätte nicht gereicht, um eine menschliche Kette um ihn herum zu bilden. Die Äste wuchsen in einer schwindelerregenden Höhe, für die man Flügel gebraucht hätte, um sie erreichen zu können. Aber das für Leana erstaunliche war ohnehin, dass sich eine riesige Öffnung im unteren Bereich des Stammes befand, so dass man hineinsehen konnte. Aber außer einem dornigen Gestrüpp war in der Dunkelheit nichts zu entdecken.

Doch egal wo Leana hinsah, nirgends entdeckte sie die üblichen hochstehenden Wurzeln der anderen Bäume, was sie wieder einmal darin bestätigte, dass Unternehmungen, die im Zusammenhang mit ihr standen immer schwerer waren als sie sein müssten.

„Wie kommen wir jetzt an eine Wurzel?“, fragte sie.

Lilly deutete direkt auf das dornige Gestrüpp. „Die Wurzeln von Novabäumen sehen ganz anders aus als die normaler Bäume – und vor allem sind sie dornig. Wir benötigen glücklicherweise nur ein kleines Stück davon.“

Allerdings machte keiner irgendwelche Anstalten, in das Wasser hinabzusteigen, um an die Wurzel zu kommen. Leana konnte es niemandem verübeln, ihr wurde schon allein beim Gedanken hinabsteigen zu müssen, ganz anders. Der Geruch war immerhin nicht sonderlich besser geworden, nur weil sie sich daran gewöhnt hatten.

Leana kniete sich hin, um zumindest eine Hand in das kühle Wasser tauchen zu können. „Wie tief ist es hier wohl?“

Schwimmen wäre kein Problem, das konnte sie, aber sonderlich begeistert war sie von dieser Aussicht nicht.

„Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden“, meinte Ayumu und im nächsten Moment befand er sich bereits im Wasser, das ihm bis an die Ellenbogen reichte, er lächelte sie an. „Man kann hier recht gut stehen. Kommst du auch rein?“

Die Ablehnung lag ihr bereits auf der Zunge, aber sie konnte nicht einfach die anderen alles machen lassen. Wenn Fuu ein Kind blieb, würde sie Zetsu möglicherweise nie wiedersehen, sie musste also selbst aktiv werden und bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, befand sie sich ebenfalls im Wasser. Innerhalb kürzester Zeit saugte sich ihre Kleidung voll davon, so dass nur noch ihre Schultern trocken waren, ihr ganzer Körper war nach wenigen Sekunden bereits derart kühl, dass sie ein wenig zitterte, während sie sich durch das stehende Wasser bewegte.

Unwillkürlich dachte sie wieder daran, dass in diesem Sumpf möglicherweise zahlreiche Leichen versunken waren und zuckte zusammen, als ihr Fuß gegen etwas stieß. Ihr Herz schlug augenblicklich schneller, doch sie beruhigte sich rasch wieder, als sie bei dem vorausgegangen Ayumu ankam. Er stand bereits im Halbdunkel des Baumstammes und blickte auf das dornige Gestrüpp, das wie eine Schlange verschlungen vor ihnen lag.

„Wir sollten einen Teil davon abschneiden“, sagte er und zog dabei ein Messer hervor, das sie bislang nicht an ihm hatte sehen können.

„Aber töten wir den Baum nicht dadurch?“

Anders als bei anderen Bäumen sah es nicht so aus als ob es mehrere Wurzeln gab, es schien nur diese eine zu geben und Leana wollte ungern schuld am Tod eines so riesigen und ehrfurchtserweckenden Baumes sein, mit Sicherheit würde diese Welt das nicht gutheißen.

Genau genommen kam es ihr ohnehin vor, als ob sie gerade beobachtet werden würde und wenn sie eines in dieser Welt gelernt hatte, dann, dass es besser war, auf ein Gefühl zu hören und dementsprechend zu agieren oder zu reagieren.

Ayumu dagegen schien kein solches Gefühl zu verspüren, er trat noch näher an die Wurzel und berührte sie – und zuckte im nächsten Moment zurück.

„Was ist los?“, fragte Leana, die gerade aus ihren Gedanken gerissen wurde.

Er antwortete erst nicht, weswegen sie glaubte, dass er sie nicht gehört hatte, doch ehe sie die Frage wiederholen konnte, wandte er ihr den Blick zu. Sein blasses Gesicht und die geweiteten Augen, ließen jedes Wort in ihrem Hals stecken bleiben.

Sie hat sich bewegt!

Leana blinzelte verwirrt, sie glaubte, sich verhört zu haben. „Was?“

Er gestikulierte zum dornigen Gestrüpp hinüber und wirkte dabei weiterhin erschrocken. „Es hat sich bewegt, als ich es berührt habe!“

Das zu glauben fiel ihr allerdings schwer, deswegen schüttelte sie leicht den Kopf. „Du spinnst doch.“

„Bestimmt nicht!“, erwiderte er verärgert und um es ihr zu demonstrieren, trat er wieder vor und berührte das Gestrüpp noch einmal.

Im ersten Moment geschah nichts, genau wie sie erwartet hatte, aber als sie gerade einen trockenen Kommentar dazu von sich geben wollte, konnte sie es ebenfalls sehen. Eine kaum merkliche Bewegung fuhr wellenartig durch das dornige Geflecht, als ob ihm eine ganz eigene Lebensform innewohnen würde. Als Ayumu die Wurzel wieder losließ, bewegte sich diese zwar nicht mehr, aber das eben Beobachtete verschwand damit nicht einfach aus Leanas Gedächtnis und plötzlich konnte sie dieses Gestrüpp nicht mehr einfach nur als solches ansehen, es war zu mehr geworden, zu dem Schatten im Schrank, in dem sich ein Monster verbarg und dem man sich lieber nicht näherte, solange es dunkel war.

„Ist es lebendig?“, fragte sie flüsternd.

Ayumu betrachtete die Wurzel mit gerunzelter Stirn, hinter der es eindeutig arbeitete. Selbst ohne ihn zu fragen, wusste Leana, dass er darüber nachdachte, ob er etwas über diese Wurzel wusste und wenn ja, was genau es war. Aber sie sah auch, dass er zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis kam und wusste es noch ehe er ein genervtes Seufzen ausstoßen konnte.

„Ich hätte doch besser aufpassen sollen“, brummte er.

Ihr lag bereits auf der Zunge, dass Zetsu es mit Sicherheit noch wüsste, aber sie sprach es nicht aus, weil es ohnehin zu nichts geführt hätte.

Stattdessen beschloss sie, einfach alles auf eine Karte zu setzen. Kurzerhand nahm sie Ayumu das Messer ab und trat auf die Wurzel zu. Sie ignorierte die Bewegungen, die durch das Gestrüpp gingen, als sie Hand daran legte. Ohne an den möglichen Frevel zu denken, den sie da unter Umständen gerade beging, hob sie das Messer und stach damit in die Wurzel.

Ein unmenschlich hohes Kreischen setzte in diesem Moment ein, es schallte durch den gesamten Sumpf und gab Leana für einen Augenblick das Gefühl, gelähmt zu sein, während dieser Ton durch ihren gesamten Körper vibrierte. Als das Kreischen wieder abebbte, war es ihr als würde sie alles nur wie aus weiter Ferne hören, sie wandte den Kopf und sah einen erschrockenen Ayumu, der irgendetwas rief, das sich entfernt nach Sei vorsichtig anhörte, dabei gestikulierte er auf die Wurzel vor ihr. Wie im Halbschlaf folgte sie seinen Bewegungen und erkannte – mild erschrocken – dass sich ein Ende der Ranke endlich zeigte, allerdings nur, um sich um ihren Körper zu schlingen. Die Dornen drangen durch ihre Kleidung und stachen schmerzhaft in ihr Fleisch, ein Brennen begleitete diese Stiche, aber ihr blieb keine Gelegenheit, sich darüber Gedanken zu machen.

Einen kurzer Ruck riss ihr den Boden unter den Füßen weg, sie wurde unter Wasser gezogen, ihre Lungen füllten sich mit Flüssigkeit, als sie einen erschrockenen Schrei ausstoßen wollte und begannen kurz darauf zu brennen, als sie nach Sauerstoff verlangten.

Das Wasser wurde vor ihren Augen langsam klarer und gab ihr den Blick auf die Wurzel frei – was sie innehalten ließ bei dem Versuch, sich gegen die Ranken zu wehren.

Zwischen den dornigen Wurzeln war Gesicht und Oberkörper einer Frau zu erkennen. Die Augen wirkten blind, ohne jegliche Iris oder Pupille, das Haar aus Flachs flatterte in der durcheinandergewirbelten Strömung als wären sie einem starken Windstoß ausgesetzt.

Leana starrte das Wesen fassungslos an, als es seinen Mund öffnete und ein weiteres Kreischen ausstieß, das selbst unter Wasser derart klar und laut erklang, dass Leana davon überzeugt war, dass ihr Trommelfell jeden Moment platzen würde.

Sie öffnete den Mund, um den unerträglich gewordenen Druck in ihrem Kopf auszugleichen und nach Luft zu schnappen, doch wieder strömte nur Wasser in ihre brennenden Lungen.

Die Ranken um ihren Körper verstärkten den Griff noch einmal, die Schmerzen wurden derart intensiv, dass sich ihr Blickfeld rot färbte und sie, ohne es zu wollen, noch einmal nach Luft schnappte. Das Wasser verbreitete einen unangenehm metallischen Geschmack in ihrem Mund.

Ein dunkler Schleier legte sich über ihre Augen und während er kam, gingen ihre Schmerzen und ließen nur ein dumpfes Gefühl von Hilflosigkeit zurück, das ihr die Kontrolle über ihren unnütz gewordenen Körper nahm.

Wieder sah sie Zetsu vor sich, wie er sich von ihr abwandte und davonging, während sie nicht in der Lage war, nach ihm zu rufen oder ihm gar zu folgen, um ihn davon abzuhalten zu verschwinden.

Erst als sie ihn nicht mehr sehen konnte, wurde alles schwarz und sie fühlte nichts mehr.



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