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Unsterblich

My Immortal ~ Eternal Chronicles
von

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In der Falle

Leana stand bewegungslos da, den Blick nach wie vor auf Hyperion gerichtet. In ihrem Rücken spürte sie immer noch die Spitze von Kobayashis Schwert. Er war ein Samurai, sie wusste, er würde sie nicht von hinten erstechen und doch rührte sie sich nicht, denn jede Bewegung würde unweigerlich zu einem Kampf führen, in dem sie möglicherweise unterlegen wäre, so ganz ohne Shinken.

Es war ihre eigene Schuld, ihre Dummheit, die sie in diese Situation gebracht hatte und nun musste sie darüber nachdenken, wie sie sich am besten wieder daraus befreite.

Vor ihr stand Hyperion, der sie angreifen könnte, hinter ihr stand Kobayashi, der sie auf jeden Fall angreifen würde und an den Seiten, wie sie aus den Augenwinkeln sehen konnte, postierten sich bereits die Soldaten des Generals, um ihr jeden Fluchtweg abzuschneiden. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie sich losreißen und zu fliehen versuchen könnte.

Sie brauchte ein Schwert und das schnell. Nein, sie hatte ein Schwert, das sie von den Banditen mitgenommen hatte, aber es war stumpf. Könnte sie damit wirklich gegen einen Samurai-General kämpfen, der Aura Photonen nutzte?

Mit Sicherheit würde er ihr Schwert zerteilen wie einen morschen Ast und dasselbe dann mit ihrem Körper wiederholen.

Während sie noch dastand und überlegte, konnte sie wieder seine Stimme hören: „Denkst du etwa, du wirst unsichtbar für mich, nur weil du dich nicht mehr bewegst?“

Offensichtlich verstand er ihre Bemühungen, einen Ausweg zu finden, vollkommen falsch und sah darin eher einen Versuch, sich der Situation durch Verdrängung zu entziehen. Sie fand es bedauerlich, dass das nicht funktionieren könnte.

„Etwas an dir ist anders als das letzte Mal“, fuhr er fort. „Wo ist dein Shinken?“

„Weg“, antwortete sie kurzangebunden.

„Dann wird das hier ja fast zu einfach.“ Er lachte spöttisch auf und unterbrach sich damit selbst. „Du wirst brav mit uns kommen. Es gibt da jemanden, der dich unbedingt sehen will.“

„Kein Interesse“, erwiderte sie kühl und sehr zum Missfallen des Generals.

Mit einem leisen Knurren stieß er die Spitze seines Schwertes ein wenig vor, immer noch nicht weit genug, um sie zu verletzen, aber doch um sie die Schärfe deutlich spüren zu lassen. „Ich warne dich, treib es nicht zu weit, Weib. Ohne deine Kräfte bist du nur ein Mensch, so wie viele andere meiner bisherigen Gegner auch – und die habe ich alle besiegt.“

Gleichgültig hob sie die Schultern. Sie glaubte nicht daran, dass er sie töten würde, immerhin hatte er sich bereits selbst verraten, als er ihr sagte, dass jemand sie treffen wollte. Mit Sicherheit würde er nicht das Risiko eingehen, diese Person zu verärgern, indem er mit einer Leiche auftauchte.

Plötzlich wandte Hyperion den Blick ein wenig zur Seite. Er zog sein Schwert hervor, das im einfallenden Licht ebenfalls rot zu glühen schien.

„Was soll das werden?“, brummte Kobayashi. „Ist das einer deiner Freunde, Weib?“

Also kannte er diese Person nicht, vielleicht war ihm Hyperion auch noch nie ohne seine Maske begegnet, vielleicht wusste er nicht einmal von der Existenz dieses Ninja.

„Als ob ich Freunde hätte“, erwiderte Leana und rollte dabei mit den Augen.

Fast im selben Moment, in dem sie das gesagt hatte, schrien die Soldaten rechts von ihr plötzlich auf und stürzten überrascht zu Boden. Ein Schatten huschte über sie hinweg, direkt auf Hyperion zu, der allerdings vollkommen unbeeindruckt blieb und nur das Schwert hob. Ein anderes prallte in der nächsten Sekunde mit einem lauten Klirren auf seines, Funken sprühten für einen kurzen Moment – und dann war es Leana möglich, Ayumu zu erkennen, der Hyperion grimmig anstarrte.

Sein Gegenüber erwiderte den Blick vollkommen gefühllos und bewegte sich nicht. Ayumu musste sich erst ruckartig zurückbewegen, damit ihre Klingen wieder auseinanderfuhren.

Leana beobachtete diesen Moment genauso verdutzt wie Kobayashi und richtete ihren Blick dann auf Ylva, die um ein einiges langsamer hinterherkam und erst einmal tief durchzuatmen versuchte, als sie endlich ebenfalls auf der Lichtung stand.

„Eine Inugami?“, brummte Kobayashi. „Das trifft sich gut, die werden wir auch gleich als Geschenk mitnehmen.“

„Nur über meine Leiche“, knurrte Leana.

Wieder einmal sprang ihr Beschützerinstinkt an, wenn es um Ylva ging und der Gedanke, dass das Mädchen möglicherweise in einem Käfig den Rest ihres Lebens fristen würde, ließ Zorn in ihr aufwallen – und das war genug, um sie eine unüberlegte Entscheidung treffen zu lassen.

Sie sprang einen Schritt vor, zog das stumpfe Schwert und wirbelte herum. Zu ihrer Überraschung zerbrach ihre Waffe nicht, als sie auf seine traf, sie konnte auch keinerlei Aura-Photonen daran feststellen. War es möglich, dass sie nur aktiviert wurden, wenn er gegen einen Shinkenträger kämpfte?

Kobayashi schnaubte missbilligend. „Dein Shinken ist wirklich weg.“

Offenbar hatte er lediglich eine Finte erwartet, wie es aussah und war geradezu enttäuscht darüber, dass sie die Wahrheit gesagt hatte.

Sie erwiderte nichts darauf, ihre Gedanken überschlugen sich bereits. Wenn er keine Aura-Photonen einsetzen konnte, würde sie diesen Kampf doch gewinnen können – oder ihn zumindest solange führen, bis sie eine Möglichkeit fand, zu fliehen.

Hinter sich hörte sie bereits, wie Klingen wiederholt aufeinanderprallten, mit Sicherheit waren Ayumu und Hyperion wieder in einen Kampf verwickelt. Sie widerstand der Versuchung, hinzusehen. Nicht zuletzt, weil sie nun im direkten Duell mit Kobayashi stand und ein Wegsehen ein Moment der Schwäche gewesen wäre, sondern auch weil sie nicht sicher war, wie ihr Körper reagieren würde, wenn sie Hyperion kämpfen sah. Möglicherweise würde sie ihn unbewusst wieder für Zetsu halten und das wollte sie vermeiden.

Außerdem war ihr Kampf mit Kobayashi nun wichtiger. Sie wich hastig zurück, als er zu einem eigenen Angriff ansetzte und hielt ihr Schwert schützend vor sich. Ihre Überraschung wuchs, als die Klinge auch dieses Mal nicht zerbrach. Da es so stumpf und offensichtlich länger nicht gepflegt worden war, hätte sie nicht gedacht, dass der Stahl der Wucht eines Katanas standhalten würde.

Aber das war für sie nur umso geschickter, als sie begann, den General mit Angriffen einzudecken, die er allesamt abzuwehren verstand.

Sie empfand diesen Kampf als ein wenig... umständlich. Zetsu hatte einmal gesagt, ihr Kampfstil wäre eher von europäischer Natur und dass er sich von dem asiatischen unterscheiden würde, nicht zuletzt, weil man andere Waffen verwendete. Die europäischen Schwerter waren auf beiden Seiten geschärft, asiatische Klingen dagegen nur auf einer, während die andere Seite stumpf war. Das allein zwang einem schon einen anderen Kampfstil auf, wenn man dann noch die Länge, Beschaffenheit und das Gewicht dazunahm, wurde einem selbst beim Nachdenken darüber schnell deutlich, dass man dann einfach anders kämpfen musste.

Zwar hatte sie in der Vergangenheit gegen Zetsu gekämpft und auch gegen andere Personen mit asiatischen Waffen – aber immer mit ihrem Shinken und auch wenn sie es nicht gern zugab, war es doch so, dass die Götterschwerter selbst wussten, wie man am besten kämpfte und lediglich jemanden brauchten, der sie führte, den Rest übernahmen sie selbst.

Aber als ehemalige Ritterin war es ihr glücklicherweise dennoch möglich, sich zumindest erfolgreich zu verteidigen. Nur den Sieg, den sah sie nicht, denn auch wenn sie schneller war als Kobayashi, so war er um einiges stärker und ihre Kraft, die sie aufbringen musste, um seine Angriffe abzuwehren, ging langsam zur Neige.

Aber etwas in ihr sagte, dass sie nur aushalten musste. Nicht mehr lange, dann würde Hilfe kommen, nicht mehr lange...

Sie dachte sich, wie verrückt dieser Gedanke war. Es gab niemanden, der ihr zur Hilfe eilen könnte, Zetsu war nicht da, Isolde war nicht da, es gab in dieser Welt niemanden, den sie kannte, außer Ayumu und Ylva. Der Ninja war allerdings vollauf mit seinem Kampf gegen Hyperion beschäftigt und die Inugami beobachtete das alles nur mit großen Augen.

Es gab niemanden...

Mit diesem Gedanken wich auch das letzte bisschen Kraft aus ihrem Körper, verzweifelt sank sie auf die Knie. Es kam selten vor, aber ihr Kampfgeist war in diesem Moment der Hoffnungslosigkeit erloschen und sie rechnete nicht damit, dass er bald wiederkam.

Zufrieden grinsend steckte Kobayashi sein Schwert wieder ein und ging auf sie zu, um sie zu fesseln und dann mit sich zu nehmen – doch nach nur zwei Schritten hielt er abrupt wieder inne.

Ein leises, fast unmerkliches Geräusch erfüllte die Luft, aber es war allgegenwärtig und die Lautstärke wuchs stetig an, so dass sogar Ayumu und Hyperion wieder innehielten und sich verwirrt umsahen.

Leana hob den Blick, den sie bislang auf den Boden gerichtet hatte. Die Quelle des Geräusches konnte sie nicht ausfindig machen, aber dafür fiel ihr auf, dass sich etwas an den Bäumen veränderte. Es war kaum merklich, aber wenn man lange genug hinsah, konnte man sehen, dass Farbe von den Blättern zu tropfen schien als würden sie schmelzen. Erst langsam und träge, aber kaum hatte sich der erste dicke Tropfen gelöst und war zu Boden gefallen, ging es immer schneller, bis es aussah als würde Blut von den Bäumen regnen.

Die Soldaten bemerkten das offensichtlich auch, zuerst kamen nur einige erschrockene Ausrufe, aber schon bald gerieten sie alle in Panik und schrien durcheinander, während sie sich nach der Ursache dafür umzusehen begannen.

Die entdeckten sie zwar nicht – aber dafür fielen ihre Blicke auf eine Schreinmaid, die plötzlich mitten auf dem Weg auftauchte, der von der Lichtung wegführte. Ein in ihrem langen braunen Haar befestigtes Glöckchen klingelte leise in einem Windhauch, der nur sie erfasste. Ihr Gesicht war allerdings nicht zu erkennen, da sie einen Fächer vor dieses hielt, lediglich ihre Augen waren zu sehen, aber sie hielt diese geschlossen und schien die Ruhe selbst zu sein.

Leana spürte eine Woge von Macht von dieser Person ausgehen, kraftvoll und doch sanft und ein wenig... traurig, einsam. Sie war sich ganz sicher: Diese Person war eine Eternal.

Kobayashi dagegen schien sich nicht sicher zu sein. „Wer bist du?“

„Ich bin Tokimi Kurahashi, eine Eternal der Chaos-Fraktion, das Orakel der Zeit.“

Der Name weckte in Leana eine Erinnerung. Sharivar hatte Eternal erforscht, ihre Daten gesammelt und ausgewertet. Eien no Aselia; Seikensha Yuuto; Tokimi, das Orakel der Zeit. Die drei standen miteinander im Zusammenhang, sie kannten sich, arbeiteten zusammen... aber warum war sie hier?

Ihr Fächer schnappte mit einem leisen Geräusch zusammen und enthüllte ein grimmiges Lächeln. „Als Orakel der Zeit ist es meine Pflicht, jenen zu helfen, die in Not sind.“

Aus den Augenwinkeln bemerkte Leana, wie Hyperion zwischen den Bäumen verschwand, aber Ayumus Blick war so sehr auf Tokimi gerichtet, dass ihm das nicht auffiel. Die Aufmerksamkeit aller anderen galt ebenfalls der Eternal, die nun ein Schwert hervorzog. Es war bräunlich als ob es aus Bronze gefertigt wäre und wirkte... alt, nicht sonderlich gefährlich.

Aber die Energie, die davon ausging, raubte Leana für einen kurzen Moment den Atem, bis ihr Körper sich wieder daran gewöhnt hatte.

Ein Shinken von Rang 3... es ist gefährlich, auch wenn es nicht so aussieht.

Kobayashi wandte sich der neu aufgetauchten Gegnerin zu, eine kaum merkliche Veränderung ging mit seinem Schwert vor, die Aura-Photonen waren wieder aktiviert.

Siegessicher stürzte er sich direkt auf sie – und lag im nächsten Moment bereits auf dem Boden.

Leana musste mehrmals blinzeln, aber tatsächlich: Tokimi war dem Angriff mit geschlossenen Augen ausgewichen und hatte dann Kobayashis Schwung gegen ihn selbst ausgenutzt, um ihn mit dem stumpfen Ende ihres Shinken zu Fall zu bringen.

„Es ist dir unmöglich, mich auch nur zu berühren“, sagte Tokimi in einem selbstsicheren Tonfall, ohne den bitteren Beigeschmack von Arroganz. „Ich sehe jede Bewegung, die du machen wirst und kann ihr rechtzeitig ausweichen oder dich direkt töten.“

Mit einem Knurren richtete Kobayashi sich wieder auf, aber noch bevor er etwas tun konnte, sprach Tokimi weiter, während sie ihm immer noch den Rücken zugewandt hielt. „Du willst mich von hinten angreifen? Das ist sehr unehrenhaft für einen Samurai. Du willst Wakizashi und Katana benutzen? Bemüh dich erst gar nicht. Oh und deine versteckten Rauchbomben im Gürtel werden dir auch nicht weiterhelfen.“

Sein Knurren wurde ein wenig lauter, aber tatsächlich machte er keine Anstalten dazu, sie weiter anzugreifen, sondern wartete ab.

„Ich gebe dir und deinen Männern die Gelegenheit, zu fliehen. Ich werde euch nicht verfolgen, ich verlange nur, dass ihr euch umgehend von diesem Wald entfernt.“

Kobayashi schien angestrengt nachzudenken, seine Männer warfen ihm fragende Blicke zu, abwartend, manche von ihnen waren bereits sichtlich nervös und schienen auf der Stelle fliehen zu wollen. Zwei seltsame Feindinnen in zwei aufeinanderfolgenden Missionen waren zu viel für ihre Nerven, keiner von ihnen verstand, was überhaupt vor sich ging.

Er bemerkte das wohl ebenfalls, denn schließlich steckte er das Katana widerwillig ein. „Verstanden. Aber wir haben uns nicht das letzte Mal gesehen, darauf kannst du dich verlassen.“

„Das bezweifle ich“, merkte Tokimi an.

Doch der General ignorierte ihre Worte und gab seinen Männern zu verstehen, dass sie abzogen – und innerhalb kürzester Zeit war die Lichtung tatsächlich frei von Soldaten.

Ayumu und Ylva stellten sich direkt neben Leana, während sie immer noch Tokimi betrachteten, die sich ihnen nun mit einem echten Lächeln zuwand. Doch ehe sie etwas sagen konnte, erklang ein Klatschen hinter ihnen. „Sehr gut gemacht, Tokimi-san, wundervoll.“

Leana und ihre Begleiter drehten sich um, damit sie den Neuankömmling in Augenschein nehmen konnten, auch wenn zumindest die Eternal das nicht gebraucht hätte. Sie wusste bereits, wer er war, als sie nur seine Stimme hörte. Immerhin war er der Grund, weswegen sie überhaupt in diese Welt gekommen war, er war Schuld daran, dass sie Isolde für den Moment verloren hatte und mit Sicherheit – sie war sich tief im Inneren mehr als nur sicher, dass er etwas damit zu tun hatte – war er auch dafür verantwortlich, dass Zetsus Seele gespalten war: Auf einem Stein saß, wie immer mit einem leichten Lächeln bewaffnet, der Magier Fuu.



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