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Schlaflied der Eintagsfliege

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Schlaflied der Eintagsfliege

Das Schlaflied der Eintagsfliege
 

Kazu
 

Es war hektisch und viel zu laut. Mein armer, armer Kopf. Er schien bersten zu wollen. Ich war sehr müde und extrem genervt. Es war viel zu viel gewesen, in letzter Zeit. Ich hatte zu viel gearbeitet und zu wenig geschlafen. Aber es sollte alles perfekt werden. Diese Modewoche in Paris war etwas sehr wichtiges für mich. Mein Freund hatte mich dabei unterstützt so gut er es konnte. Doch nach Paris musste ich alleine fliegen. Obwohl er mich hatte begleiten wollen. Doch das hatte ich nicht gewollt. Da musste ich ganz alleine durch. Ich wollte endlich abschließen. Ich wollte nach all den Jahren endlich richtig abschließen. Und in Paris würde ich es schaffen können. Denn dort würde unser Traum endlich in Erfüllung gehen können.
 

Überall liefen Leute mit ihren Koffern herum, und suchten sich ihren Weg. Meine Gruppe erreichte unser Gate, ich wollte endlich ein bisschen schlafen und zur Ruhe kommen. Ich war froh das ich nicht alleine hier herum laufen musste. Denn ich war so abwesend und tief in Gedanken, ich hätte mein Gate sicherlich verpasst. Aber zum Glück waren da noch die anderen aus meinem Team.

Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken und starrte durch die große Glasfront nach draußen. Es würde bald dunkel werden. Und im Flieger würde ich endlich in ruhe schlafen können. Niemand würde mich dann nerven, und ich konnte ein paar Stunden schlafen. Ich griff in meine Tasche und zog ein kleines Buch heraus. Mittlerweile war es sehr abgegriffen, und ein paar Seiten waren lose geworden. Ich hatte sie wieder festgeklebt. Ich brauchte dieses Buch. Noch brauchte ich dieses kleine Buch. Mit dem doch irgendwie alles angefangen hatte. Wenn ich dieses Buch nicht gefunden hätte, dann... wäre sicherlich alles ganz anders geworden. Dann hätten wir niemals angefangen miteinander zu reden.
 

Ich schlug es auf, und betrachtete die Signatur auf der ersten Seite. Shizumi.... der Name meiner großen Liebe. Warum hatte er mich verlassen. Warum hatte er mich verlassen, alleine gelassen. Wie hatte er mir das nur antun können. Ich schloss die Augen fest, wolle nicht das die Tränen sich ihren Weg über meine Wangen bahnten. Ich hatte jetzt schon länger nicht mehr wegen Shizumi geweint. Ich wollte jetzt nicht wieder damit Anfangen. Ich ließ die Augen geschlossen, spürte wie die Tränen unter meinen Liedern brannten, aber das war ich gewohnt. Ich versuchte mich zu entspannen und bemerkte gar nicht wie sich meine Erinnerungen in meinen Traum einpflochten.
 

*~*~*Dream*~*~*
 

Ich sah auf meine Uhr. Ich hatte noch zwei Minuten, bis der Unterricht begann. Ich hatte es jetzt so lange wie möglich heraus gezögert. Noch länger konnte ich nicht herum trödeln. Und so beschleunigte ich meinen Schritt und betrat das altmodisch eingerichtete Klassenzimmer, in dem es ein wenig stickig war. Ich sah mich gelangweilt um. Es saßen schon ein paar Leute im Raum. Aber ich wollte nicht bei ihnen sitzen. Und so setzte ich mich nach hinten in den Raum. Eigentlich hatte ich keine Lust hier zu sein. Keine Lust, war eigentlich unter trieben. Denn ich musste mich dem Spott meiner Freunde stellen, die mich jetzt wohl nach jeder Stunde damit ärgern würden. Freunde konnten ganz schön gemein sein. Und eigentlich hatte ich echt einen Ruf zu verlieren.
 

Aber der Kurs wurde von meiner Tante gegeben, und ich hatte versprochen dabei zu sein. Immerhin war ich ihr Lieblings Neffe, und ich hatte ihr einen gefallen tun wollen. Jetzt saß ich also hier mit einem Haufen Mädchen, die nur hier saßen weil sie keinen Bock darauf gehabt hatten in einen Kochkurs zu gehen, oder in den Fußballclub oder in sonst einen anderen Club. Bestimmt würden sie hier mit dem gleichen Wissen raus gehen, mit dem sie auch hier rein gekommen waren.
 

Und ich würde bestimmt auch der einzige Junge im Kurs bleiben. Na toll. Das würde mir sicherlich nicht den Ruf eines Frauenverstehers einbringen. Denn die Mädchen die hier saßen, waren nicht gerade die Art Mädchen die in der Schule bevorzugt wurden. Oder die ich bevorzugt hätte, wenn ich mich zu Mädchen hingezogen gefühlt hätte.
 

Ich hätte vielleicht doch lieber in den Fußballclub gehen sollen, so wie ich es erst vorgehabt hatte. Da waren viele meiner Freunde, oder in sonst einen Club. Alles.... alles war bestimmt cooler als hier! Hier zu sitzen und mich zu Tode zu langweilen. Aber jetzt saß ich hier, weil ich so dumm gewesen war, und in einem schwachen Moment meiner Mutter und meiner Tante eine Freude hatte machen wollen. Man durfte wehrlose Männer nicht mit Frauen alleine in einem Raum lassen.
 

Meine Tante betrat den Raum, nahm meine Anwesenheit mit einem kleinen Lächeln zur Kenntnis. Sie ordnete ihre Papiere, die sie mitgebracht hatte und begann dann mit ihrem Unterricht. Kurz nach dem Klingeln wurde die Tür noch mal geöffnet. Alle drehten sich neugierig herum, wer es schaffte gleich in der ersten Stunde zu spät zu kommen.

Ein Typ trat rein, den ich vom sehen her kannte. Er nuschelte eine Entschuldigung und setzte sich in meine Reihe aber nicht neben mich. Er nahm einen kleinen Block und begann sich fleißig Notizen zu machen. Mich beachtete er gar nicht. Schade ich hatte gehofft vielleicht einen Leidensgenossen gefunden zu haben. Aber der Typ hatte diesen Kurs wohl echt belegt, weil er etwas lernen wollte. Aber was sollte man schon anderes erwarten von so jemandem. Er war ein Freak. Solche Jungs waren auch nicht viel beliebter als die Mädchen, die mit hier im Kurs saßen. Und ich war gerade dabei mir meinen guten Ruf an der Schule zu ruinieren.
 

Ich versuchte mich wieder auf die Worte meiner Tante zu konzentrieren. Aber irgendwie wollte nichts bei mir hängen bleiben. Davon abgesehen wusste ich das meiste eh schon, von dem was sie erzählte. Ich wusste wie man eine Nähmaschine benutzte, ich war nicht umsonst der Sohn einer Schneiderin. Aber ich versuchte zumindest so zu tun als würde ich ihr andächtig lauschen und träumte mich einfach nach draußen in die Sonne. Es musste bestimmt toll sein, jetzt dort draußen in der Sonne herum zu liegen und einfach mal gar nichts zu machen.
 

Nach dem Unterricht blieb ich noch etwas sitzen, musste erst mal wieder wach werden, nach dem ich beim Läuten der Schulglocke erschrocken festgestellt hatte, dass ich vor mich hin gedöst hatte. Davon abgesehen hatte ich keine Lust gleich von den anderen zu hören, wie toll doch ihre Kurse gewesen sein. Und noch weniger Lust hatte ich darauf von meinen lieben Freunden gefragt zu werden, wie denn mein Kurs gewesen sei. Ich wartete bis alle gegangen waren und wollte dann auch gehen. Mich meinen Freunden stellen, ich wollte es hinter mir haben.
 

Ich stand auf und wollte den Raum verlassen, als ich ein kleines Heftchen auf dem Tisch liegen sah. Ich wollte es zuerst liegen lassen. Aber dann entschied ich mich dagegen. Ich nahm es an mich und blätterte es an irgend einer Seite auf. Ich war verblüfft. Ich betrachtete die feinen Linien, die sich zu einem perfekten Bild zusammen fügten. Ich blätterte die Seite um, auf jeder Seite in diesem Heftchen waren Zeichnungen von Kleidungsstücken. Dieser Freak hatte Talent. Nein, Talent war eigentlich unter trieben. Es war perfekt. Es war wunderschön was er da geschaffen hatte. Jede Zeichnung war vollendet. Es fehlte nichts, alles war bis ins kleinste Ausgearbeitet, sah aber so aus als hätte er nicht lange dafür überlegen müssen, sondern im Gegenteil, als hätte er von Anfang an im Kopf gehabt wie die Entwürfe werden sollten. Ich fand das sehr beeindruckend. Unter jedem Entwurf war eine kleine Signatur. +Shi zu mi...+ entzifferte ich die Zeichen. Das musste wohl der Name von diesem Genie sein.
 

Ich packte das Büchlein ein und ging dann zu meinem nächsten Unterrichtsraum wo schon meine Freunde auf mich warteten. Der Spott fiel nicht so schlimm aus wie ich erwartet hatte. Anscheinend waren meine Freunde zu dem Entschluss gekommen, dass ich wohl schon alleine durch die Belegung dieses Kurses genug zu leiden hatte. Und damit hatten sie ja auch irgendwie recht. Ich war ihnen sehr dankbar, dass sie mich nicht weiter damit aufzogen. Ich hatte keine Zeit, nach Shizumi zu suchen um ihm sein Buch wieder zu geben. Und nach dem Unterricht befand ich es als sinnlos. Shizumi würde bestimmt auch bis Morgen warten können. Vielleicht hatte er es auch gar nicht gemerkt, denn er hatte schon ein wenig verträumt gewirkt. Ich würde ihn morgen suchen.
 

Ich fand Shizumi am nächsten Tag in der Mittagspause auf dem Schulhof. Er saß auf einer Mauer und war vertieft in seinen Block. Er bemerkte mich erst, als ich vor ihm stand. Er sagte nichts, sah mich nur fragend an. Er schien überrascht zu sein, das ich ihn aufsuchte. Ich griff in meine Schultasche und zog das Büchlein heraus, so musste ich nicht viel erklären. „Oh ich dachte schon, ich hätte es mal wieder verschusselt. So was passiert mir ab und an... ich mache es nicht mal absichtlich oder so...“, sagte Shizumi und schenkte mir zum aller ersten mal ein Lächeln. „Eh...na ja also du hast es liegen gelassen.....im...im...“ Ich fasste mir ein Herz. „Im Nähkurs.“, meine Freunde waren gerade nicht da, da musste ich nicht so tun, als ob es das grauenhafteste war was ich mir jemals angetan hatte. Denn ganz so schlimm war es nicht. Eigentlich. Aber es gab Dinge, die durfte man vor anderen nicht gerade laut kund tun und so was gehörte definitiv dazu.
 

„Ach ja, die Lehrerin hat wirklich Ahnung von dem was sie da erzählt. Ich glaube meine Mutter wäre nicht so begeistert, wenn sie davon wüsste, dass ich den Nähkurs besuche und nicht irgendeinen Sportklub mit meiner Anwesenheit unterstütze....“, er grinste. So als mache es ihm Spaß, seine Mutter mit derlei Dingen zu ärgern. „Du bist echt ein Genie..... deine Zeichnungen sind wunderschön.“, gestand ich. Er schwieg und betrachtete die Blätter. „Meiner Meinung nach hättest du es gar nicht nötig, da im Kurs zu sitzen.“ Er sah hoch und sah mich dann einige Minuten lang an. Ich wollte schon irgendwas sagen, da ich dachte er hätte vergessen, das ich ihm immer noch gegenüeber stand. „Na ja, ich mag zwar Zeichnen können. Aber ich kann nicht nähen.“ Dann glitt er von der Mauer und winkte mir kurz zu, ehe er dann in Richtung Schule ging. Ich blieb ein wenig verwirrt stehen. Fasste mich aber schnell wieder und machte mich auf den Weg zu meinen Freunden. Die restliche Woche liefen wir uns nicht weiter über den Weg. Zumindest bemerkte ich ihn nicht weiter.
 

„Das ist ganz einfach.....“, er war vielleicht ein Genie, was seine Zeichnungen anging, aber es stimmte. Er hatte keine Ahnung von dem Handwerklichen teil. Und seine Finger wollten wohl auch nicht so wie er wollte. „Schau mal so schwer ist das gar nicht.“, versuchte ich ihm und mir etwas Mut zuzusprechen. Ich zeigte es ihm noch mal, aber Shizumi saß etwas hilflos vor der Maschine. Wir saßen im Kurs und waren mittlerweile so weit, das wir uns an den praktischen Teil wagen konnten. Der Kurs und vor allem die Kursteilnehmer waren doch angenehmer als ich erwartet hatte. Ich musste mir meine Vorurteile echt abgewöhnen. Die anderen waren schon fleißig dabei, das was wir gelernt hatte in die tat um zusetzen. Nur bei Shizumi harperte es sehr.
 

„Das ist doch jetzt echt nicht schwer.“ Shizumi versuchte es, aber seine Finger waren ein wenig zittrig. „Komm schon, du machst das hier doch freiwillig. Stell dich bitte ein bisschen besser an.“, versuchte ich es erneut. „Was heißt hier besser. Meine Finger zittern nun mal so Kazu.... da kann ich nichts gegen machen.“, sagte er entschuldigend und auch ein wenig entnervt. Denn ich merke, dass es ihn selbst ärgerte. Der gute war nahe daran zu verzweifeln. „Und die Stunde ist auch viel zu kurz, um das alles immer zu üben. Und wenn ich zu Hause bin stehe ich vor meiner Nähmaschine und habe keine Ahnung mehr wie ich es wieder anfangen soll.“ Ich sah auf die Uhr, er hatte recht die Stunde war gleich wieder vorbei, und einen entscheidenden Schritt weiter waren wir nicht gekommen.
 

Shizumi schien daran zu verzweifeln. Wir saßen mittlerweile seid zwei Wochen hier im Kurs, und irgendwie schaffte Shizumi es nicht seine Finger ruhig zu halten. Er wollte es unbedingt lernen, der Wille war da, aber irgendwie schaffte er es nicht.

In der zweiten Stunde hatte er sich neben mich gesetzt. Das fand ich nett, er hatte wohl begriffen, das ich vielleicht auch kein so unangenehmer Zeitgenosse war. So kam ich mir nicht ganz so verloren vor. Und eigentlich war Shizumi auch sehr nett. Mir gefiel seine Art. Irgendwie war der Unterricht mit ihm viel Lustiger. Ich kam mir auch nicht so vor, das er mich die ganze Zeit beurteilen würde. Irgendwie hielt mir sein Verhalten einen Spiegel vor. Denn in seiner Gesellschaft fühlte ich mich sehr wohl. Es war nicht so, das ich auf irgendwas achten musste oder so. Ich konnte so sein, wie ich nun mal sein wollte.
 

Mein Sitznachbar war ziemlich intelligent, und überraschend „normal“. Damals hatte er seine strubbeligen Schwarzen Haare mit weißen und roten Extentions geschmückt. Er trug immer ein paar Glitzersteinchen im Gesicht. Aber es stand ihm gut. Er lebte seine Kreativität in jeder Lebenslage aus, hatte ich das Gefühl. Er trug auch immer diese komische Kette, an der eine Kasette hing.
 

Shizumi hatte den Wunsch seine tollen Entwürfe in die Tat um setzen. Dieser Nähkurs war für ihn wie ein Zeichen gewesen. Zumindest hatte er es mir so erzählt.

Aber irgendwie wollten seine Finger nicht so warm werden mit der Maschine. „Wenn du willst...“, sagte ich zu ihm. „Dann zeige ich dir es heute Nachmittag noch mal.“, sagte ich vorsichtig. Er hob den Kopf und sah mich fragend an. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass er ab und an einfach so in seine eigene Gedankenwelt abdriftete und nicht mitbekam was man zu ihm sagte.
 

„Ich hab heute nichts zu tun...“, begann ich ihm erneut zu erklären. „Und wir haben zu Hause viele Nähmaschinen. Da werden wir schon eine Finden, die auch mit deinen Fingern zurecht kommt. Oder mit der auch deine Finger klar kommen.“, Shizumi grummelte. „Du tust ja so, als ob ich doof bin!“ Ich grinste. „Nein, nicht das du dumm bist... sondern einfach nur.... vielleicht überfoderst du dich ein wenig mit alle dem. Du willst einfach zu viel. Du würdest jetzt schon gerne an deiner eigenen Maschine sitzen und deine Entwürfe schneidern. Aber so geht das nun mal nicht. Man muss einfach ein bisschen lernen. Und Geduld gehört einfach dazu.“
 

Er verzog das Gesicht, aber nickte dann. „Okay... dann.... treffen wir uns heute nach dem Unterricht vor der Schule. Meine Mutter arbeitet sowieso bis spät Abends. Etwas zu essen finden wir bestimmt schon.“, sagte ich. Er schenkte mir ein Lächeln. Shizumi sah so hübsch aus, wenn er lächelte. Ich nahm meine Tasche und wollte mich auf den Weg machen. „Kazu....“, ich blieb stehen und drehte mich noch mal um. „Hai?“, fragte ich. „Das ist wirklich lieb von dir.....Danke...“ Ich wusste selber nicht warum es mir so ein Bedürfnis war, Shizumi zu helfen. Aber es fühlte sich sehr sehr gut an.
 

*~*~*dream end~*~*~*
 

„Kazu-san, sind sie wach?“, ich schrak hoch und sah in das Gesicht einer jungen Frau. „Ja ja ich bin wach... ich bin wach....“, gab ich noch ziemlich verschlafen von mir. „Wir können die Maschiene betreten. Dort können sie dann sofort weiter schlafen.“, sagte die Mitarbeiterin. Ich nickte. „Ja... das ist gut. Aber ich glaube ich will gleich noch einen Kaffee haben.“, sagte ich noch total benommen von meinem Traum. „Danach schlafe ich dann hoffentlich besser.“ Wenn ich Kaffee zu mir nahm wurde ich immer wunderbar ruhig. Und dann konnte ich mich immer sehr sehr gut entspannen. Das fanden andere zwar komisch, aber bei mir hatte Kaffee nun mal diese Wirkung.
 

Shizumi war mir so nahe gewesen. Ich war noch ganz überwältigt von seiner Anwesenheit. Er war mir immer noch so nahe. Immer noch so schmerzhaft nahe. Wenn ich die Augen schließen würde, dann wäre er wieder da. Dann könnte ich ihn berühren. Meine Arme wieder um ihn legen und ihn festhalten. Damit er mich nie nie nie wieder verlassen würde.
 

Ich erhob mich und nahm meine Tasche, wir machten uns auf den Weg um das Flugzeug zu betreten. Ich war froh, das das alles schnell ging. Im Flieger ließ ich mich in meinen Sitz sinken. Ich war sehr froh, das wir erste Klasse reisten. Denn ich war extrem erschöpft und wollte einfach noch ein wenig bei meinen Erinnerungen bleiben. Erinnerungen die zu gleichen Teilen schmerzhaft und süß waren. Bis ich meinen Kaffee bekommen würde, würde es noch ein klein wenig dauern. So lange konnte ich mit meinen Gedanken noch bei meinen Erinnerungen verweilen.
 

Ich schloss die Augen und dachte an diese wunderbare Zeit die auf dieses Treffen gefolgt waren. Shizumi hatte mich so glücklich gemacht.
 

Shizumi....
 

Ich versank in meinen Gedanken. In meinen Erinnerungen die heute so lebendig waren. So als würde das alles erneut passieren..........
 

Als wäre die Zeit zurück gedreht worden.... als meine Erinnerungen begriffen, dass ich sie weit nach hinten schieben wollte. Uns so wollten sie sich noch einmal in aller Lebendigkeit vor mir zeigen.
 

~*~*memory*~*~
 

„Siehst du... du wirst immer besser.“, sagte ich begeistert. Ich war stolz auf mich, dass ich Shizumi hatte helfen können. „Nur ein bisschen Ruhe, man muss sich nur ein klein wenig Zeit nehmen und dann wird das alles schon.“, sagte ich zu ihm. Shizumi sah mich an und schenkte mir sein wunderschönes Lächeln. „Du bist ja auch ein wirklich guter Lehrer.“, sagte er zu mir, und ich wusste, dass er es genau so meinte. Und das schmeichelte mir schon sehr. Aber ich hätte ihm das niemals gesagt.
 

„Ach komm schon, hör auf zu schleimen. Ich will nicht wissen wie oft du mich verflucht hast in der Zeit die wir hier zusammen gelernt haben....“, sagte ich halb im Scherz. Doch er grinste nur. Shizumi hatte sich sehr verbessert. Es waren riesige Fortschritte, die dieser gemacht hatte. Mittlerweile schaffte er es seine Finger ruhig zu halten. Es war echt alles eine Sache der Übung gewesen. „Du brauchst meine Hilfe nicht mehr...“, sagte ich zu ihm. Heute war unser letztes Treffen. Wenn man es genau betrachtete, dann wäre er schon vor zwei Wochen so weit gewesen, sich ganz alleine zu verbessern. Aber irgendwie hatten wir das beide ignoriert.
 

Meine Freunde hatten schon ein wenig gespottet. Sie waren sehr überrascht gewesen, dass ich Shizumi meine Hilfe angeboten hatte. Denn in unserer Welt, gab es eigentlich keine Leute wie ihn. Und Freundschaften mit solchen Gestalten, die für das Image nicht gerade förderlich waren, gab es schon gar nicht. Ich hatte ihnen gesagt ich würde ihm nur ein paar Nachhilfestunden geben, denn ich war ja kein Unmensch und jeder würde irgendwann mal auf Hilfe angewiesen sein. Und irgendwann wäre ich der, der auch mal auf die Hilfe eines anderen angewiesen wäre.
 

Aber aus diesen „paar Nachhilfestunden“ waren bald regelmäßige Treffen geworden. Wir hatten uns zwei Mal in der Woche getroffen und es war echt toll gewesen. Denn wir hatten uns echt toll unterhalten. Und ich fühlte mich echt wohl in seiner Gegenwart. Doch jetzt nach zwei Monaten, gab es nichts mehr was ich ihm hätte beibringen können. Er war fast genau so gut wie ich, dass was uns unterschied war meine jahrelange Übung.
 

Shizumi sah hoch und mir in die Augen. „Aber es ist schade, das wir uns dann nicht mehr so oft sehen werden.“, er war immer ehrlich zu mir. Ab und an konnte es schon ein wenig unangenehm sein. Besonders dann wenn ich merkte, dass ich selber absolut nicht ehrlich zu mir war. „Ich bin gerne mit dir zusammen, weißt du?“, sagte er leise zu mir. Es war nicht so, dass ich nicht gerne mit Shizumi zusammen war, aber eigentlich gehörte er nicht zu den Leuten, mit denen ich mich abgab. Schon alleine bei diesem Gedanken kam ich mir echt blöd und extrem oberflächlich vor. Aber eigentlich war ich ja super gerne mit meinen Freunden zusammen. Ich war nicht unglücklich mit ihnen. Ich kannte sie alle schon so lange, und wir hatten immer viel Spaß zusammen. Aber Shizumi war so anders.
 

Shizumi schien zu wissen, dass er nicht zu der Gruppe von Leuten gehörte die in meinem Freundeskreis akzeptiert wurden. „Ach ja, deine lieben Freunde....“, seine Miene verriet nicht, wie er es meine. Und ich wollte nicht mit ihm über das Thema sprechen. „Du hast mir so viel beigebracht.“, er lächelte. „Und ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du mir so selbstlos geholfen hast.“, fügte er hinzu. Ich war total erleichtert, dass er das Thema gewechselt hatte.

„Na ja du hast halt sehr sehr viel Talent. Und deshalb wollte ich dir helfen. Ich denke du solltest dein Talent ausleben können. Das hier ist doch dein Traum.“ Er lachte leise. „Sicher das, dass der Grund ist?“ Ich verstand ihn nicht so wirklich. Aber ich kam auch nicht dazu nachzufragen.
 

Shizumi sah auf die Uhr. „Ich muss jetzt los. Ich muss mich um meinen kleinen Bruder kümmern.“ Ich sah ihn überrascht an. „Du hast einen kleinen Bruder?“, fragte ich ihn. Wir hatten niemals über Shizumis Privatleben geredet. Er lächelte. „Ja, habe ich. Unsere Eltern arbeiten sehr viel, und sind nicht so oft da, deshalb kümmere ich mich oft um das Essen und so.“ Wir stiegen die Stufen herunter in das Erdgeschoss. „Das ist lieb von dir.“, sagte ich. „Na ja jeder würde das tun. Er ist ja noch klein, und wenn sich sonst keiner um ihn kümmert.“ Ich lehnte mich an die Wand und ich sah zu wie Shizumi seine Schuhe anzog. Als er fertig war, sahen wir uns einen Moment lang an. „Danke....“, sagte er noch einmal leise und sah mich einen Moment lang an. Wollte er noch irgendetwas sagen? Ich wusste es nicht. Doch dann tat er etwas, das mich total aus dem Konzept brachte. Er beugte sich zu mir und gab mir einen kurzen zarten Kuss auf die Lippen ehe er dann verschwand. Ich stand einfach da, und starrte ihm hinterher. Und ich war mir ganz sicher, dass er gegrinst hatte, als er gegangen war.
 

Ich fand es nicht schlimm, dass er mich geküsst hatte. Im Gegenteil. Es war schön gewesen. Auch wenn es nur ein kleiner Kuss gewesen war, alles in mir kribbelte. An diesem Abend konnte ich nur noch an Shizumi denken. An Shizumi und diesen kurzen Kuss.
 

Und dann fiel mir wieder ein was er gesagt hatte. Ob das der einzige Grund war, dass ich ihm geholfen hatte....
 

Wenn ich ehrlich zu mir war. Wenn ich sehr ehrlich zu mir war, dann war Shizumi schon seid längerem gut genug gewesen um sich alleine zu verbessern. Und dennoch hatten wir uns wieder und wieder getroffen.... und das war nicht nur von ihm ausgegangen. Nein, ich hatte ihm immer noch eine gute Nacht gewünscht, und gesagt, dass ich mich auf das nächste Mal freuen würde. Aber Shizumi hatte auch niemals gefragt, wie lange ich ihm noch Unterricht geben würde. So als hätten wir beide es heraus zögern wollen.
 

Wenn ich sehr ehrlich zu mir war, wie nur selten in meinem Leben, dann fand ich sein Lächeln nicht nur schön, sondern wunderschön. Wenn ich tief in mich hinein horchte, dann bevorzugte ich die Gesellschaft von Shizumi. Dann traf ich mich lieber mit Shizumi, als mit einem anderen. Bei ihm fühlte ich mich wohl. Er machte Witze über die ich wirklich lachen konnte. Seine Gegenwart tat mir gut.
 

Hatte ich meine eigenen Gefühle vielleicht nicht bemerkt? Fühlte ich vielleicht mehr für Shizumi? Fühlte Shizumi vielleicht etwas für mich? Oder war ich gerade einfach nur über alle Maße verwirrt und redete mir jetzt irgendwas sein, weil ich mich nach mehr sehnte?
 

Ich hatte eine ganze Woche Zeit darüber nachzudenken, denn ich hatte keine Gelegenheit mit Shizumi zu reden. Und das machte mich fast wahnsinnig, ich wachte morgens mit der festen Überzeugung auf, nicht in Shizumi verliebt zu sein. Aber diese Überzeugung wandelte sich dann in Unsicherheit und ich dachte den ganzen Tag, vorzugsweise in der Schule, darüber nach, ob ich da nicht viel viel mehr empfand. Doch Abends war ich dann so weit, dass ich mir sicher war, das ich ihn nur so mochte und da nichts weiter war. Diese Gefühlsschwankungen brachten mich an den Rande des Wahnsinns.
 

Ich wollte mit Shizumi darüber reden. Wollte ihn fragen, warum er mich geküsst hatte, was das alles für ihn bedeutete. Aber irgendwie kam mir immer wieder etwas dazwischen. Entweder hielt mich irgendeiner der Lehrer auf, weil sie noch etwas mit mir zu besprechen hatten. Oder meine Freunde beanspruchten mich. Oder ich wusste einfach nicht, wo ich genau nach Shizumi suchen sollte.

Selbst im Nähkurs schaffte ich es nicht mit ihm darüber zu reden. Ich wollte nicht, dass es andere mitbekamen. Das ging schließlich nur ihn und mich etwas an. Und doch traute ich ich mich einfach nicht. Mir war zwar klar, dass ich auf Männer stand, aber ich hatte noch nie eine Beziehung gehabt. Und ich wusste nicht wie ich mit all den Gefühlen und Gedanken, die da in meinem Kopf waren umgehen sollte. Und so ging noch eine Woche ins Land. Die ich damit verbrachte, mich zu fragen was ich fühlte.
 

Ich hatte mir diesmal ganz fest vorgenommen, mit ihm zu sprechen. Nach dem Kurs, wenn alle anderen weg waren. Ich konnte mich nicht konzentrieren, starrte ständig auf meine Uhr, und wünschte mir, dass die Stunde endlich vorbei sei. „Shizumi.....“, er sah mich fragend an. „hmm....“, er hob den Kopf und seine Finger hielten mit seiner Arbeit inne. „Hast du gleich ein paar Minuten Zeit?“, fragte ich ihn und versuchte dabei sehr unbefangen zu wirken. Er nickte. „Hai, klar für dich doch immer.“
 

Nach der Stunde warteten wir, bis alle aus dem Raum gegangen waren. „Was hast du denn auf dem Herzen?“, fragte er mich. „Wobei kann ich dir helfen?“ „Als ob du das nicht wüsstest....“, antwortete ich ihm und setzte mich auf mein Pult. Musterte den schönen jungen Mann. Wir schwiegen ein paar Minuten. „Was hast du dir dabei gedacht?“, fragte ich ihn schließlich. „War es nicht gut?“, fragte er. Ich riss die Augen auf. „Bitte was?“, fragte ich total aus dem Konzept gebracht. „Na ja, war doch die letzte Möglichkeit, dir zu zeigen, was ich für dich fühle. Es dir so zu zeigen, dass du es auch nicht missverstehen kannst.“, erklärte er mir. „Tut mir leid, ich bin kein Naturtalent.“, fügte er hinzu.
 

Er war so ehrlich zu mir. „Was?“, fragte ich ihn, denn irgendwie überforderte mich dieses endgültige Wissen doch. „Kazu, wie kann man so begriffsstutzig sein. Gib es zu, du hast es doch verstanden. schon an dem Abend.“, sagte er ernst. Ich sah ihn verwirrt an. „Ich... ich...“, er unterbrach mich mit einer Handbewegung. „Hab ich gemerkt, dass du es nicht bemerkt hast. Aber anscheinend hast du ja nicht mal bemerkt, was du selber fühlst....“, sagte er leise zu mir.
 

„Was fühle ich denn?“, fragte ich ihn. Hatte er irgendwas mitbekommen, was ich nicht mitbekommen hatte? „Keine Ahnung... aber ich weiß was ich fühle...“, er trat auf mich zu und sah mich einen Moment lang an. Ehe er mich erneut küsste, länger dieses Mal. Ich war nicht erschrocken und diesmal war ich auch nicht überrumpelt. Diesmal hatte ich gewusst, dass er mich küssen würde. Und ich hatte es gewollt. Denn in dem Moment war es uns wohl beiden klar gewesen. Wir liebten einander. Ich liebte Shizumi. „Du hast recht...“, flüsterte ich leise und lehnte meine Stirn an seine. „Ich liebe dich.“ Er lachte leise.
 

Ich schloss meine Augen und schlang meine Arme um seine Taille. Zog ihn enger an mich heran und genoss unsere zweisamkeit. „Hast du heute Nachmittag Zeit?“, fragte ich leise. Er grinste und nickte. „Für dich habe ich immer Zeit.“
 

Es hatte keiner weiteren Worte bedurft, seid dem waren wir zusammen gewesen. Und sehr sehr glücklich miteinander. Von da an sahen wir uns eigentlich jeden Tag und begannen zusammen zu träumen. Eigentlich hatte ich nie vor gehabt, genau wie Shizumi Designer werden zu wollen. Aber er hatte mich beflügelt. Aus zwei Träumen war einer geworden. Und in mir war keinerlei Zweifel, das wir beide für immer zusammen bleiben würden. Für immer! Immer! immer!
 

Und dennoch war es passiert.... für uns beide hatte es kein Happy End gegeben.
 

Es war passiert als wir zusammen spazieren gegangen waren. Wir hatten herum gealbert und nicht auf unsere Umgebung geachtet. Es war ein so schöner warmer Sommerabend gewesen. Und alles schien perfekt. Wir waren zuerst Essen gegangen und wollten unseren Jahrestag mit einem schönen Spaziergang abrunden. Wir wollten gerade eine Straße überqueren als es passiert war. Ich war von einem Auto angefahren worden. Daran konnte ich mich nicht mehr erinnern. Nur noch an diese fürchterlichen Schmerzen.
 

Im Krankenhaus war ich kurz erwacht. Und Shizumi war da gewesen. Er hatte geweint, meine Hand gedrückt und immer wieder gesagt, dass es seine Schuld war. Ich verstand ihn nicht, war nur froh das er bei mir war. Das er meine Hand festhielt. Ich hatte ihm gesagt, dass ich ihn liebte, das er für mich das aller aller aller wichtigste auf dieser Welt war. Das war das aller letzte was ich jemals zu ihm gesagt hatte. Das traurige Lächeln auf seinen Lippen war das Letzte, was ich von ihm sah. Denn ich sah Shizumi niemals wieder.
 

Ich lag eine lange Zeit im Krankenhaus. Fast acht Wochen lang. Die ersten drei Wochen war ich kaum bei Bewusstsein gewesen. Ich hatte alles durch einen Schleier aus Betäubungsmitteln und Müdigkeit mitbekommen. In diesen acht Wochen, in denen ich im Krankenhaus lag, kam Shizumi nicht ein einziges Mal ins Krankenhaus. Als ich endlich erwachte, und nicht mehr so erschöpft war und wieder klar denken konnte, fragte ich nach ob Shizumi mich besucht hatte. Oder ob er zumindest eine Nachricht hinterlassen hatte. Irgendwas, aber nichts. Das erste Mal hatte meine Mutter es mir gesagt. Sie hatte diese Aufgabe übernommen mir zu sagen, dass Shizumi nicht aufgetaucht war. Ich hatte ihr nicht geglaubt. War böse auf sie gewesen, dabei konnte sie doch nichts dafür. Und dennoch hatte sich in all meiner Verzweiflung meine Wut gegen meine Mutter gerichtet, dabei konnte sie nichts dafür. Im Gegenteil, sie hatte Shizumi ja auch gemocht und war genau so verwirrt wie ich. Machte sich auch Sorgen.
 

Jeden Tag, wenn ich am Tage geschlafen hatte, löcherte ich die Schwestern, ob Shizumi da gewesen war. Und jeden Tag wurde ich aufs neue enttäuscht. „Es tut mir sehr leid, Kazu-kun. Deine Mutter war da und wird wohl heute Abend noch mal vorbei kommen. Sie lässt dich schön grüßen. Sie hat dir ein bisschen Schokolade hier gelassen. Aber Shizumi, war nicht da. Er hat auch keine Nachricht hinterlassen und angerufen wurde auch nicht. Das hätten wir ja bei der Telefonzentrale bemerkt, und schließlich nehmen, die ja die Anrufe an, wenn die Patienten schlafen. Und du wurdest nicht angerufen.“
 

Jeden Tag das selbe, jeden Tag die selbe niederschmetternde Nachricht. Nach sechs hatte ich aufstehen gedurft, mit einem Rollstuhl durfte ich mein Zimmer verlassen. Konnte ich mich ein wenig fortbewegen. Ich hatte sofort versucht Shizumi mit meinem Handy zu erreichen. Aber das klappte nicht. Seine Handynummer existierte noch, es war einfach nur so, dass der Teilnehmer nicht erreichbar war. Ich versuchte es immer und immer wieder. Aber er rief mich niemals zurück an. Natürlich hatte auch meine Mutter versucht Shizumi anzurufen. Aber ich hatte ihr einfach nicht glauben wollen, dass sie ihn nicht erreicht hatte.
 

An dem Tag, an dem ich entlassen wurde, war mein größter Wunsch sofort zu Shizumi zu fahren. Doch meine Mutter ließ, das nicht zu. Sie wollte nichts davon hören. Denn ihrer Meinung nach sollte ich mich erst noch erholen, bevor ich nach Shizumi suchte. Sie ließ mich nicht aus dem Haus. Erst nach einer Woche schaffte ich es, mich aus dem Haus zu schleichen. Ich musste einfach wissen was passiert war, warum mein Liebster verschwunden war. Wo er war, ob ihm irgendwas passiert war. Bestimmt war ihm irgendwas passiert. Ganz sicher war ihm etwas passiert!

Ich musste immer noch Krücken nutzen und so war ich total erschöpft als ich bei dem Haus anlangte in dem Shizumi und seine Familie gelebt hatten. Meine Lungen brannten, und die Seitenstiche bohrten sich tief in mich. Ich fühlte mich einer Ohnmacht nahe. Und so brauchte ich erst ein paar Minuten um wieder zu Atem zu kommen.
 

Ich klingelte. Ich klingelte noch einmal. Und noch einmal, auch wenn es sehr unhöflich war und einem normalerweise sofort geöffnet worden wäre. Aber niemand öffnete. Ich wollte gehen, denn das Tor war meist verschlossen, aber irgendwie wollte ich mich nicht so zufrieden geben. Und so versuchte ich es trotzdem. Ich drückte gegen das Tor und es ging zu meiner Überraschung auf. Ich betrat den kleinen Vorgarten und ging zur Haustür. Vielleicht war die Klingel einfach kaputt, versuchte ich es mir schön zureden. Deshalb war auch das Tor offen, damit man dann noch mal an der Haustür klopfen und klingeln konnte.
 

Aber leider war dem nicht so. Ich wusste es, ich hatte es doch schon die ganze Zeit über gewusst. Sie waren nicht mehr da. Das Haus war unbewohnt. Ich sah durch ein Fenster, drinnen standen immer noch die Möbel, aber alles schien unbewohnt. Denn man konnte den Staub auf den Gegenständen sehen. Ich drückte vorsichtig die Türklinke hinunter, jedoch war die Tür fest verschlossen.
 

„Was machen sie da!“, fragte mich auf einmal eine schroffe Stimme. Ich erschrak mich total und sah mich um. Dort stand ein alter Mann. Er musterte mich böse. „Entschuldigung, ich suche einen Freund, der hier gewohnt hat.“, sagte ich ehrlich. Die Wahrheit war am besten. „Hier wohnt niemand mehr...“, sagte der Mann barsch und sah mich immer noch böse an. Er wollte mich hier weg haben. „Wo... wo ist die Familie denn hin gezogen?“, fragte ich ihn etwas verzweifelt. Doch der Mann schien mir keine Auskunft geben zu wollen. „Weiß ich nicht... interessiert mich auch nicht... nichts als Arbeit hat man mit diesen Mietern... haben fast den ganzen Kram da gelassen. Nur die Kinder nicht... nix... alles weg....“
 

Ich sah ihn verwirrt an, vielleicht würde ich ja doch irgend eine Auskunft bekommen.. „Was? Welche Sachen?“, er grummelte unwillig, murmelte wieder etwas unnötiger Arbeit, geruhte sich dann aber doch mir zu antworten. „Die Sachen von den Kindern, nix mehr da. Kein Bild keine Sachen, als ob sie nie existiert hätten.“ Das traf mich irgendwie. „Seid wann?“, fragte ich ihn, und musste mit den Tränen Kämpfen. „Zwei Monate?“, sagte der Mann zu mir.
 

Danach war ich zusammen gebrochen. Und war im Krankenhaus wieder zu mir gekommen. Meine Mutter war schrecklich böse mit mir gewesen, aber sie hatte mich unterstützt. Doch niemand konnte etwas über den Verbleib von Shizumi oder seiner Familie sagen. Wir hatten oft bei der Polizei nachgefragt. Wir hatten bei der Schule nachgefragt. Aber niemand konnte irgendetwas sagen. Shizumi und sein Bruder waren von den Schulen abgemeldet worden. Egal bei welcher Behörde wir nachfragten, niemand hatte uns eine Antwort geben können.
 

Ich hatte bis heute niemals aufgehört zu hoffen. Niemals aufgehört nach ihm zu suchen. Ich hatte mir so oft vorgestellt, wie mein Leben jetzt wäre wenn Shizumi nicht verschwunden wäre, einfach so. Ohne mir auch nur ein Wort zu sagen.
 

„Kaffee Kazu-san?“, ich schrak erneut hoch. Sah die Stewardess an und schenkte ihr ein müdes Lächeln. „Bitte...“, ich nahm die Tasse entgegen und betrachtete den Inhalt. Ich hatte auf die Rückkehr meines Liebsten gewartet. Hatte gehofft er würde wieder kommen, und eine gute Erklärung haben. Aber er kam nicht.
 

Irgendwann habe ich nur noch gehofft, das er zurück kam, egal ob mit Erklärung oder nicht. Ich hatte ihn einfach wieder haben wollen. Denn ein Leben ohne Shizumi konnte ich mir nicht vorstellen.
 

Doch dann war Daisuke in mein Leben getreten. Und hatte in mir Gefühle geweckt, von denen ich dachte, dass sie mit Shizumi verschwunden waren. Jetzt endlich war es Zeit abzuschließen mit alle dem. Einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen. Ich leerte meine Tasse und schloss dann die Augen. Shizumi würde niemals wieder zurückkehren...
 

Ich musste endlich mein neues Leben zulassen...
 

Meine neue Liebe....
 

Und doch würde etwas in mir niemals, niemals aufhören zu hoffen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2015-06-16T15:03:05+00:00 16.06.2015 17:03
Man fühlt wirklich bei jedem neuen Wort mit und genießt es in deiner erschaffenen Traumwelt zu sein.
Ich mags total! ♡
Von:  Yagyuu
2010-12-13T08:14:40+00:00 13.12.2010 09:14
Huhu!

Nun folgt auch endlich mal nen Kommi. XDDD

Also...
Ich liebe deinen Schreibstil immernoch und ich lese deine FF´s einfach so runter und fühle immer mit.
Man kann sich einfach so schön in die Charas hineinversetzen und hach...
*sprachlos sei*
^////^

Schade ist nur...dass es so "kurz" is.
Ich liebe einfach das Pairing und würde sooooooo gerne noch viel viel mehr über sie lesen. ^.^
*schwärm*

Also...
Mach bitte bitte weiter so, denn ich liebe deinen Schreibstil.
*ganz dicke knuddel*
*knuff*


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