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Unerwünschte Gefühle

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich bin wieder da! :D Und habe wieder viel zu lange gebraucht :'( Ich danke euch vielmals für die lieben Kommis und das Interesse an der Story. Wenn ich wieder so lange brauche, um ein neues Kapitel zu schreiben, habt bitte keine Scheu, mir zu schreiben und mal nachzuhaken ;)

Ich wünsche euch viel Vergnügen mit dem neuen Kapitel! Komplett anzeigen

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"It's okay"

„So lately, been wondering

Who will be there to take my place

When I'm gone, you'll need love

To light the shadows on your face

...

I know now, just quite how

My life and love might still go on

In your heart, in your mind

I'll stay with you for all of time“
 

(Wherever you will go – The Call)
 

Mit einem lauten Klirren ging die Kaffeetasse zu Bruch, die Maron soeben aus dem Wandschrank heben wollte. Leise fluchend wollte sie sich gerade daran machen, die Scherben vom Boden aufzusammeln, als Rinako in die Küche eilte und sie vehement davon abhielt.

„Oh nein, Madame, das lässt du schön bleiben!“

Die Braunhaarige wollte schon protestieren, da wurde sie von ihrer Freundin auf einen Stuhl gedrückt. An ihrer Stelle war es nun die Rothaarige, die die Scherben feinsäuberlich zusammenkehrte und in einer Mülltüte verschwinden ließ.

„Rinako, ich kann das auch selbst machen!“

„Nein kannst du nicht, du hast dir in den vergangenen Wochen schon genug zugemutet. Also komm mir jetzt nicht mit deiner ich-bin-schwanger-und-nicht-krank-Ausrede und gönn' dir und deinem Baby verdammt nochmal ein bisschen Ruhe...“

Dagegen hatte Maron kein Argument mehr parat. Ihr war ja selbst bewusst, dass sie die Ruhe dringend nötig hätte, aber das war nunmal leichter gesagt als getan. Immerhin stand sie kurz davor, in ein ihr völlig fremdes Land auszuwandern und alles, was in den letzten Wochen und Monaten geschehen war, hinter sich zu lassen.

Die Zeit war vergangen wie im Flug und alle Zeichen standen auf Aufbruch. Morgen würde die Hochzeit von Chiaki und Miyako stattfinden und auch ihr Flieger würde morgen mit ihr an Bord abheben und sie in eine neue Zukunft bringen. Zu ihrem großen Bedauern konnte sie die Zeremonie nicht einfach schwänzen, doch sie würde versuchen, während der Feier sang- und klanglos zu verschwinden. Sie wollte sich nicht von jedem verabschieden müssen - und schon garnicht von Chiaki. Sie wusste, dass dieser Abschied ihr Herz in weitere tausend Stücke zerreißen würde. Und auf der anderen Seite hatte sie zu sehr Angst, dass sie es sich doch noch anderes überlegen könnte oder ihm in ihrer Melancholie doch noch von ihrer Schwangerschaft erzählen würde. Von ihrem gemeinsamen Kind.

Etwas erschöpft sah sie sich in der Wohnung um, die sie in den letzten Monaten ihr Zuhause genannt hatte. Überall standen beschriftete Kartons herum, in denen sie all ihr Hab und Gut verstaut hatte. Derzeit war sie dabei, noch die letzten Gegenstände wie zum Beispiel ihr Geschirr in Pappkartons unterzubringen. Während sie sich bereits auf dem Weg nach Berlin befinden würde, würde Rinako noch einige Tage in Momokuri verbringen und dafür sorgen, dass der Umzugsservice alle Sachen abholte und ja nichts vergaß. Für die Rothaarige war es keine Frage gewesen, dass sie ihrer besten Freundin diesen Gefallen tun würde. Sie hatte vollstes Verständnis dafür, dass die Schwangere alles so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, um sich endlich voll und ganz auf die Schwangerschaft konzentrieren zu können. Das war bisher leider viel zu kurz gekommen.

Sobald alle Möbel und Kartons abgeholt waren, würde sie der 25-jährigen nach Deutschland folgen und ihr dabei helfen, die Wohnung einzurichten, in der sie hoffentlich ein neues Leben beginnen konnte. Als alleinerziehende Mutter gemeinsam mit ihrem Kind. Jeden Abend betete Rinako dafür, dass das Baby, wenn es endlich geboren sein würde, Maron den Trost geben würde, den diese brauchte, um alles Geschehene zu vergessen. Um Japan zu vergessen. Um Chiaki zu vergessen.

Sie wusste nicht warum, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, als Freundin gescheitert zu sein. Dass sie Maron nicht hatte helfen können, ihr wahres Glück zu finden. Dass sie nicht das erfüllen konnte, was sie sich zur Aufgabe gemacht hatte, als sie sich nach dem verhängnisvollen Anruf auf den Weg nach Momokuri gemacht hatte. Sie hatte wirklich alles versucht, um die brünette Schönheit zur Vernunft zu bringen, doch all ihre Versuche waren fehlgeschlagen. Und langsam aber sicher musste auch sie sich eingestehen, dass es keine Hoffnung mehr gab, alles in Ordnung zu bringen. Nun war es zu spät. Unwiderruflich...
 

Kritisch betrachtete sich Chiaki im Spiegel und drehte sich von einer Seite zur anderen. Miyako hatte ihn gezwungen, am Tag vor der Hochzeit noch einmal mit dem Anzug zum Schneider zu gehen, damit dieser im Notfall noch ein paar letzte Änderungen vornehmen konnte. Völlig überflüssig, wie er selbst fand, aber Miyako wollte, dass es die perfekteste Hochzeit werden würde, die jemals auf Erden stattgefunden hatte. Diese Planungen in den letzten Wochen hatten ihn fast um den Verstand gebracht. Oft hatte er sogar freiwillig Überstunden im Krankenhaus geschoben oder hatte die Abende in Access`Bar verbracht, um sich dieses Gerede um die Trauung nicht länger anhören zu müssen. Er war mittlerweile einfach nur noch froh, wenn er das alles hinter sich hatte. Die ganzen Planungen, die völlig übertriebene Hochzeitsfeier und natürlich der Abschied von Maron. Miyako hatte ihm mehrfach erzählt, dass diese auf alle Fälle zur Hochzeit kommen würde.

Der junge Arzt hatte lange gehofft, dass es nicht so sein würde. Weniger weil es für ihn selbst unangenehm werden würde, sondern mehr weil er sich vorstellen konnte wie schlimm es für seine ehemalige Geliebte sein musste. Wie stand sie das nur durch? Alleine der Gedanke daran, dass er zusehen müsste, wie Maron vor seinen Augen einen anderen Mann heiratete, machte ihn schon rasend.

Auch wenn er sich immer und immer wieder einredete, dass es an der Zeit war, sie gehen zu lassen, hing er doch nach wie vor an dieser wunderschönen Frau. Ob sich das jemals ändern würde, bezweifelte er stark, aber wichtiger war, dass sie nicht mehr unter ihm und der ganzen Situation leiden musste. Mehr wollte er nicht. Und wenn das bedeutete, dass er sie wohl nie wieder sehen würde, dann musste er es akzeptieren und ihrem Weg zurück zum Glück nicht im Weg stehen. Er hatte schon zu viel zerstört...

„Ich glaube, es sitzt noch alles“, stellte er nüchtern fest. Diese Bemerkung ging an seine Mutter Hana, die sich von dem roten Sofa erhob und auf ihn zukam. Auch sie betrachtete ihn einige Momente im Spiegel, strich über die Schulterpartien und nickte anerkennend.

„Ich hatte auch nichts anderes erwartet.“

Dann herrschte Stille zwischen den beiden. Auch wenn es nun schon einige Zeit her war, so beschäftigte die Frau noch immer das, was sie auf der Verlobungsfeier beobachtet hatte. Lange hatte sie darüber nachgedacht, wie sie dieses Thema bei ihrem Sohn ansprechen sollte. Einerseits blockte er bei solchen Themen immer ab und auf der anderen Seite hatte sich einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt ergeben, um mit ihm darüber zu sprechen. Das lag unter anderem auch daran, dass er mittlerweile kaum einen Schritt machen konnte, ohne dass Miyako an ihm klebte. Fast so, als hätte sie Angst, dass eine andere Frau, ihn ihr noch wegnehmen könnte. Und so, wie Hana das beurteilen konnte, war diese Angst vielleicht nicht ganz unbegründet.

Kurz grübelte sie, ob vielleicht genau jetzt der Moment gekommen war, ihre Sorgen zum Ausdruck zu bringen.

„Chiaki, könnten wir uns vielleicht kurz unterhalten?“

Dem 26-jährigen war sofort der veränderte Tonfall in der Stimme seiner Mutter aufgefallen. Es musste ihr wirklich wichtig sein, normalerweise ließ sie keine Gefühlsregungen erkennen.

„Von mir aus.“

„Bist...bist du glücklich?“

Zögerlich drehte sich der werdende Bräutigam um und sah seine Mutter irritiert an. Auch wenn es sich ein bisschen hart anhörte, aber noch nie hatte sich Hana bei ihm erkundigt, ob er glücklich sei.

„Mutter, ich werde Miyako morgen heiraten!“

„Ich weiß, aber das beantwortet nicht meine Frage!“

„...“

Der Blauhaarige fand es besser, erst einmal zu schweigen. Seit Maron in sein Leben getreten war, sträubte sich etwas in ihm zu sagen, dass er Miyako aufrichtig liebte. Seit Maron wusste er seine Gefühle nicht mehr einzuordnen. Und er würde einen Teufel tun, etwas zu sagen, nur weil andere es von ihm erwarteten. Er hatte schon oft darüber nachgedacht, warum er Miyako nicht einfach verließ. Er kam jedes Mal zu dem selben Entschluss: Er hatte ihr damals im Krankenhaus ein Versprechen gegeben, das ihn auf irgendeine Weise an sie band. Er glaubte, ihr etwas schuldig zu sein, hätte sie bei dem Unfall genau so gut auch sterben können. Und es wäre seine Schuld gewesen.

„Vielleicht geht mich das auch gar nichts an, aber ich muss es jetzt einfach wissen: Was ist zwischen dir und Maron passiert?“

Chiaki wusste sofort, dass sie auf den Abend anspielen wollte, an dem sie die beiden mehr oder weniger umschlungen in seinem alten Zimmer vorgefunden hatte.

„Was spielt das denn noch für eine Rolle, Mutter?“

„Eine große Rolle! Ich...ich glaube, einen fatalen Fehler gemacht zu haben, Chiaki!“

„Nicht du hast den Fehler gemacht...“

„Doch, das habe ich. Kannst du dich noch an dieses Bankett erinnern? Maron war an diesem Abend so wunderschön und es war nicht zu übersehen, welche bewundernden und liebevollen Blicke sie dir zugeworfen hat. Ich habe es mit der Angst zutun bekommen. Ich hatte Angst, dass sie versuchen würde, dich zu verführen und somit die Hochzeit zu gefährden. Dabei habe ich garnicht darauf geachtet, wie glücklich du gewirkt hast! Ich glaubte, dass ihre Gefühle einseitig seien und habe sie zur Rede gestellt. Ich wollte ihr bewusst machen, dass du an Miyakos Seite gehörst und sie sich nichts auf ihre Gefühle einbilden sollte.“

Erst jetzt begann Chiaki zu verstehen, was damals an diesem Abend geschehen war. Warum seine Geliebte auf einmal so aufgelöst war und sich von ihm trennen wollte. Er hatte damals sofort im Gefühl gehabt, dass etwas geschehen sein musste, das sie derart aus der Fassung gebracht hatte. Maron hatte ihm nie etwas von diesem Gespräch erzählt. Aber auch das war jetzt völlig bedeutungslos.

„Und warum erzählst du mir das jetzt? Ich werde morgen heiraten, mein Entschluss steht.“

„Weil ich gemerkt habe, dass ich falsch gehandelt habe. Da gibt es noch etwas...“

Noch immer zeigt sich der Blauhaarige völlig unbeeindruckt und konzentrierte sich scheinbar auf die Passform seines Anzuges. Was sollte ihn denn auch jetzt noch schockieren können?

„Und das wäre?“

„Ich habe es Miyako verraten.“

Interessiert konnte er sich doch noch dazu durchringen, seine Mutter gespannt anzusehen.

„Was hast du ihr verraten?“

„Dass Maron Interesse an dir zu haben scheint. Ich dachte, es wäre das Richtige, doch ich habe mich geirrt. Es war kein Zufall, dass Maron auf die Verlobungsfeier eingeladen war. Sie war zuerst nicht eingeplant, doch Miyako wollte ihr zeigen, dass du ihr Verlobter bist und sie keinerlei Chancen mehr auf dich hätte. Ich war nicht dabei, aber aus Miyakos Erzählungen konnte ich heraushören, dass sie bei ihr zu Hause gewesen sein muss. Dort scheint es ein unangenehmes Gespräch gegeben zu haben.“

Gespannt sah sie in die wunderschönen Augen ihres Sohnes, deren Ausdruck auf einmal wieder trüb und leer geworden war. Ungeduldig wartete sie darauf, dass er ihr eine Antwort geben würde – doch diese blieb aus. Das war wohl der Moment, in dem sie feststellte, wie wichtig ihm diese Frau sein musste. Und sie, seine eigene Mutter, hatte es nicht bemerkt. Vielleicht sogar nicht wahrhaben wollen. Und hatte selbstsüchtig das Glück zerstört, auf das er so lange gewartet hatte.

Es schmerzte sie, ihren einzigen Sohn so unglücklich zu sehen.

„Chiaki...du musst das morgen nicht durchziehen. Noch kannst du alles absagen.“

Nie hatte Hana geglaubt, dass ihr diese Worte einmal über die Lippen kommen würden.

„Und dann?“

Chiakis Worte waren nüchtern. Keinerlei Gefühlsregungen waren an ihm zu erkennen. Er war alles andere als der glückliche Bräutigam, den man sich am Tag vor der Hochzeit vorstellen würde.

„Und dann kannst das tun, was dich wirklich glücklich macht.“

„Glaub mir, dafür ist es zu spät. Auch ich habe Fehler gemacht, von denen ich mir wünschen würde, ich hätte sie niemals begangen.“

„Und weißt du, was ich mir wünsche? Dass ich dich selbst einmal gefragt hätte, was du dir unter Glück vorstellst.“

Kurz sah er ihr in ihre feuchten Augen. So emotional hatte er Hana noch nie erlebt. Aus ihm jedoch waren alle Emotionen gewichen. Er fühlte nichts mehr.

„Lass es gut sein, Mutter.“

Damit machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Umkleidekabine. Zurück blieb Hana, deren Schuldgefühle von Sekunde zu Sekunde wuchsen.
 

Noch sehr verschlafen öffnete Maron ihre braunen Augen und musste sich erst einmal an das helle Licht gewöhnen. Sie musste doch tatsächlich eingeschlafen sein! Ein Blick auf ihr Handy verriet ihr, dass es bereits später Nachmittag war.

Nach der kleinen Diskussion mit Rinako hatte diese sie gezwungen, sich wenigstens für eine halbe Stunde auf die Couch zu legen und mal ein bisschen durchzuatmen. Je näher der Abschied und der Umzug rückten, umso fürsorglicher wurde die Rothaarige. Das lag vielleicht auch an dem letzten Termin bei der Frauenärztin. Der Ultraschall zeigte zwar, dass es dem Baby soweit gut ging und es sich völlig normal entwickelte, doch selbst Frau Akima, die Ärztin, hatte sofort bemerkt, dass die junge Mutter sich mehr Stress aussetzte, als gut für sie und die Schwangerschaft war.

Seitdem hatte Rinako ein noch schärferes Auge auf sie. Ständig versuchte sie zu kontrollieren, dass Maron sich zwischendurch immer mal wieder ausruhte und nicht zu schwere Dinge hob, was bei einem anstehenden Umzig wirklich nicht einfach war. Die Brünette hatte schon des Öfteren darüber nachgedacht, ob das Verhalten ihrer besten Freundin ein bisschen übertrieben war. Doch auf der anderen Seite tat es ihr gut zu wissen, dass es jemanden gab, der sich Sorgen um sie und das Baby machte. Wenn es schon der eigentliche Kindsvater nicht tat...

Nichts desto trotz hatte sie wertvolle Zeit verloren, in der sie noch ein paar letzte Sachen hätte einpacken können. Der Koffer, den sie für den Flug benötigte, lag geöffnet auf dem Fußboden. Morgen würde sie darin noch den Föhn und ihren Kulturbeutel verstauen. Umziehen konnte sie sich nach der Trauung auch noch am Flughafen.

„Na, Schlafmütze? Bist du auch mal wieder wach?“

Verschmitzt lächelnd betrat Rinako das Wohnzimmer.

„Warum hast du mich nicht geweckt?“

„Ich dachte, dass dir ein bisschen Schlaf mal richtig guttun könnte.“

Die junge Frau wusste, dass die Schwangere nachts nur sehr wenig schlief, da sie keine Ruhe fand. Jede Nacht konnte sie ihr Schluchzen hören, das sie versuchte, mit Kissen zu dämpfen und doch blieb es nicht unbemerkt.

„Was willst du eigentlich heute Abend machen, Maron? Wir könnten Fynn anrufen und uns einen lustigen Film im Kino ansehen.“

Rinako war sich voll und ganz bewusst, dass Maron auf sowas sicher keine Lust hatte und doch hoffte sie, sie dazu bewegen zu können, einmal das Haus zu verlassen und sich von ihren Sorgen abzulenken.

„Weißt du, ich hatte eigentlich geplant, den Abend mal ganz alleine zu verbringen. Ich geh ein bisschen spazieren und setze mich dann an einen ruhigen Ort, um einfach mal den Kopf freizubekommen. Aber du kannst gerne etwas mit Fynn unternehmen. Sie würde sich sicher freuen.“

„Du weißt, was ich davon halte, Maron!“

Liebevoll lächelte die Brünette. Einerseits machte sich ihre Freundin Sorgen darüber, dass sie ganz alleine unterwegs sein würde und auf der anderen Seite, dass sie zu sehr in ihrer Trauer versinken würde. Sie hatte Angst, dass sie noch Depressionen bekam.

„Mach dir mal keine Sorge. Ich schick dir auch zwischendrin ein paar SMS, wo ich bin und dass es mir gut geht, okay? Ich bin doch ein großes Mädchen.“

„Ein unvernünftiges, großes Mädchen!“

Die Rothaarige versuchte, streng auszusehen, doch bei dieser Frau schaffte sie es einfach nicht. Maron wusste das und musste tatsächlich ein bisschen lachen.

„Dann sei bitte so lieb und nimm wenigstens das Pfefferspray mit, okay?“

„Mach ich und du versuchst bitte, nicht die ganze Zeit an mich zu denken und dir einen schönen Abend mit Fynn im Kino zu machen, okay?“

Auch Rinako konnte sich bei dieser Bemerkung ein Lächeln abringen und hatte auf einmal das Bedürfnis, ihre beste Freundin zu umarmen. Maron war im ersten Moment etwas verwundert, erwiderte die Umarmung dann aber sehr gerne. Was wäre nur aus ihr geworden, wenn Rinako ihr nicht zur Seite gestanden hätte?
 

Eilig rannte Miyako durch die Wohnung und packte immer wieder einige Dinge in einen kleinen Koffer. Sie schien bei bester Laune zu sein, zierte ihr Gesicht doch ein herzliches Lächeln.

Chiaki saß währenddessen nur unbeeindruckt auf dem Sofa und sah dem Treiben seiner Verlobten zu. Sie wollte sich an die Tradition halten, die besagte, dass Braut und Bräutigam die letzte Nacht vor der Vermählung getrennt verbringen mussten. Sie würde sich also einen schönen Abend mit ihren Freundinnen in einem der teuersten Hotels in der Stadt machen und er? Vermutlich würde er eine Zeit lang alleine in seiner Wohnung bleiben und wieder und wieder über alles nachdenken. Nachdem er wieder in seinem schlechten Gewissen versunken war, würde er sich auf den Weg zu Access' Bar machen und ein Bier nach dem anderen trinken. Das hörte sich wirklich nach einem realistischen Plan an. Nicht unbedingt positiv, aber realistisch.

Mit einem Ausruf des Triumphes verkündete die junge Frau, dass sie nun alle Sachen beisammen hatte und für die Abreise bereit war.

„Dann...wünsche ich dir einen schönen Abend!“, log Chiaki mit einem übertriebenen Lächeln. Er fragte sich jedes Mal aufs Neue, wie ihm Miyako glauben konnte, dass es sich tatsächlich um ehrliche Freude handelte.

„Den werde ich auf alle Fälle haben, mein Lieber! Ich würde vorschlagen, dass du heute mal ein bisschen früher ins Bett gehst, findest du nicht? Du siehst in letzter Zeit doch sehr erschöpft aus und das macht sich auf den Hochzeitsfotos sicher nicht gut.“

„Vielleicht hast du Recht.“

„Natürlich habe ich Recht! Schlaf gut, wir sehen uns dann morgen am Altar. Ich bin die im weißen Kleid.“

Freudestrahlend drückte sie ihm einen langen Kuss auf die Lippen, schnappte sich ihren kleinen Rollkoffer und verschwand aus der Wohnung.“

Chiaki blieb alleine zurück. Seufzend fuhr er sich durch die Haare und ließ sich wieder auf das Sofa fallen. Innerhalb von Sekunden drifteten seine Gedanken ab – zu der Frau, die ihm seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.
 

Hätte der Blauhaarige es sich nicht direkt wieder auf dem Sofa bequem gemacht, sondern hätte seiner Bald-Ehefrau am Fenster nachgesehen, wäre er wohl etwas stutzig geworden. Das Hotel, in dem Miyako angeblich ihre letzte Nacht vor der Hochzeit mit ihren Mädels verbringen wollte, lag fast am Stadtrand von Momokuri. Sie hätte von dem Häuserblock nur rechts abbiegen müssen und der langen Straße folgen. Stattdessen lief sie nach links, wo sie schnell in eine Seitengasse verschwand und durch einige Straßen der Stadt lief. Sie hatte ein klares Ziel, zu einem Hotel würde ihr Weg sie aber nicht führen. Und auch ihre Freundinnen würden dort nicht auf sie warten, wie sie es Chiaki hatte weismachen können.

Kurz dachte sie noch über ihren Verlobten nach, der schon morgen ihr Ehemann sein würde. Wann war er nur so einfältig geworden? Sie hätte ihm alles erzählen können, er würde nichts hinterfragen. Deswegen würde er auch nie hinter ihr Geheimnis kommen, das sie schon seit einiger Zeit geheim halten konnte, ohne Misstrauen zu erwecken. Nie hätte sie geglaubt, dass sie so ein einfaches Spiel haben würde. Da sie Chiaki selbst dafür verantwortlich machte, hielt sich ihr schlechtes Gewissen dementsprechend in Grenzen. Vielleicht hätte sie sich ja nie zu diesem Schritt entschlossen, wenn ihr Verlobter mehr Interesse an ihr gezeigt hätte. Doch noch nicht einmal die Hochzeitsvorbereitungen hatten seine Einstellung ändern können. Doch daran konnte sie jetzt auch nichts mehr ändern, vielleicht wird ihn das Eheleben ja zur Vernunft bringen.

Etwa zwanzig Minuten lief Miyako durch die Straßen und Gassen ihres Heimatortes bevor sie vor einem großen Gebäudekomplex zum Stehen kann. Ein verschmitztes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, bevor sie in die Eingangshalle trat. Mit dem Aufzug fuhr sie voller Vorfreude hinauf in den zehnten Stock. Nachdem sie ausgestiegen war, folgte sie dem Flur, bis sie vor der letzten Tür im hinteren Teil stand. Grinsend drückte sie auf den Klingelknopf, bevor sie sich verführerisch an den Türrahmen lehnte und darauf wartete, dass ihr geöffnet wurde.

Schon nach wenigen Sekunden konnte sie eilige Schritte hören, die sich näherten. Im nächsten Moment wurde die Eingangstür aufgerissen.

Vor der 25-jährigen stand – wie nicht anders zu erwarten – ein grinsender Yamato. Er hatte sich schon den ganzen Abend auf diesen Besuch gefreut. Deshalb wollte er auch keine Zeit verlieren. Stürmisch zog er seine Geliebte in die Wohnung, schloss die Tür hinter sich und drückte ihr einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen.

„Guten Abend, schöne Frau“, flüsterte er in ihr Ohr.

Miyako musste kichern. Ihr gefielen diese kitschigen Komplimente. Von ihrem eigenen Verlobten bekam sie ja schon lange keine mehr.

„Du hast dich ja anscheinend sehr auf mich gefreut.“

„Das habe ich in der Tat. Wie bist du Chiaki losgeworden?“

„Was heißt hier 'loswerden'? So desinteressiert wie er im Moment ist, würde er noch nicht einmal bemerken, wenn ich eine ganze Woche verschwinden würde.“

„Ich kann nicht verstehen, was du an ihm findest.“

Der Unterton in Yamatos Stimme ließ erahnen, welche Meinung er von dem Blauhaarigen hatte. In seinen Augen war er nur ein aufgeblasener, einfältiger Idiot, der nicht zu schätzen wusste, was er hatte. Mal sehen, ob er jemals etwas von der Affäre mitbekommen würde und wenn ja, wie er wohl reagieren würde. Insgeheim hoffte der Braunhaarige, dass er es herausfand, dann müsste er Miyako nicht länger mit diesem Arschloch teilen...

„Bitte, Yamato, das Thema hatten wir doch schon.“

Das war leider wahr. Da er sich den Abend aber nicht mit derart düsteren Gedanken zerstören wollte, zögerte er nicht mehr lange, sich leidenschaftlich dem Hals seiner Liebschaft zu widmen.
 

„Und du bist dir wirklich sicher, dass du nicht mitkommen möchtest? Wir würden uns sehr freuen.“

Rinako war dabei, ihre Jacke anzuziehen, da sie sich schon in zehn Minuten mit Fynn am Kino treffen würde.

„Ja, ganz sicher. Macht ihr euch einen schönen Abend, ich will euch wirklich nicht die Stimmung verderben.“

Der besten Freundin der Brünetten war in der Tat die schlechte Stimmung von Maron aufgefallen, die sich nicht zu bessern schien, je näher die Abreise rückte. Auch wenn ihr ein bisschen Ablenkung guttun würde, konnte sie nur zu gut nachvollziehen, dass sie keine Lust hatte, ins Kino zu gehen und gute Laune vortäuschen zu müssen.

„Dann pass bitte auf dich auf, was auch immer du heute vorhast.“

„Natürlich und jetzt beeil dich, sonst kommst du noch zu spät.“

Eine schnell Umarmung und damit war die Rothaarige aus der Wohnung verschwunden. Maron blieb noch einige Augenblicke unschlüssig in dem Flur stehen. Sie war wirklich dankbar um die Ruhe, die jetzt eingekehrt war. Sie war unglaublich froh, dass Rinako nach Momokuri gekommen war, um ihr zu helfen und darauf zu achten, dass sie nicht in Depressionen verfiel, doch auch sie wünschte sich ab und an Ruhe und Einsamkeit.

Sie fühlte sich schon die ganze Zeit sehr träge und erschöpft. Dennoch hatte sie sich schon den ganzen Tag über, ihren letzten Abend in Japan gedanklich zurechtgelegt.

Dafür streifte sie sich in ihrem Schlafzimmer einen warmen Pullover über, der die Wölbung an ihrem Bauch optisch komplett verschwinden ließ und gleichzeitig warm hielt. Warme Socken mit Stiefeln und vorsichtshalber noch einen Mantel sollten die Kälte abhalten. Anschließend verstaute sie noch zwei Decken sowie eine Thermoskanne mit Tee in einem Korb. Ihr Handy trug sie in einer kleinen Umhängetasche mit sich, um Rinako immer mal wieder eine SMS zu schreiben, dass es ihr gut ginge und sie sich keine Sorgen machen müsse.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie alle Lichter ausgemacht hatte, machte sie sich auf den Weg in den Aufzug, der sie quälend langsam in das Erdgeschoss transportierte.

Vor dem Gebäude, schlug ihr die kühle Abendluft wohltuend entgegen. Mit einem mal fühlte sie sich, als würde sie gerade ein Gefängnis verlassen, in das sie sich viel zu lange zurückgezogen hatte. Die Straßen des Örtchens waren um diese Uhrzeit bereits wie leergefegt. Vereinzelt saßen noch ein paar Personen in den romantischen Cafés in der Nähe der Promenade. Mit langsamen Schritten ging Maron an diesen vorbei. Sie hatte sich für ihre komplette Umgebung verschlossen. Wollte nichts wahrnehmen, was um sie herum geschah. Keine verliebten Pärchen, keine vergnügten Jugendlichen, die froh waren, endlich Wochenende zu haben – sie hörte nichts, sah nichts, nahm nichts wahr.

Stur verfolgte sie den Weg, bis sie den Ort erreichte, an dem sie nur alleine sein wollte, um ihren Gedanken nachzuhängen.

Der Strand von Momokuri war zwar nicht groß, doch für Maron hatte er eine enorme Anziehungskraft. Vor allem jetzt, da sich niemand mehr dort befand, der sie in ihrer eigenen kleinen Welt hätte stören können. Bereits als junges Mädchen und als Jugendliche hatte sie viel Zeit hier verbracht. Am Anfang gemeinsam mit ihren Eltern, als ihre Familie noch intakt und glücklich war. Später war sie hier her gekommen um Ruhe vor den Streitigkeiten mit ihrem Vater zu finden. Oft hatte sie stundenlang nur dagesessen und gar nicht den Drang verspürt, wieder nach Hause zurückzukehren. Takumi, ihr Vater, hatte sich dafür ohnehin nicht interessiert. Es hatte nicht lange gedauert und die Wege von Vater und Tochter hatten sich getrennt. Er war in die USA verschwunden, sie blieb alleine zurück und versuchte, ihre verkorkste Kindheit und Jugend zu verarbeiten. Kurz danach war sie auch schon nach Tokio gezogen.

Seit die Brünette wieder in Momokuri war, hatte sie nicht einmal die Kraft aufgebracht, den Strand zu besuchen. Die Wellen rauschen zu hören, den Sand wieder unter ihren Füßen zu spüren. Vielleicht weil sie Angst hatte, dass alle alten Gefühle wieder in ihr hochkamen.

Jetzt, da sie wieder an diesem noch immer sehr vertrauten Ort stand, erkannte sie, dass all ihre Sorgen unbegründet gewesen waren: Er vermittelte ihr auch nach all den Jahren ein Gefühl des Trostes und der Ruhe.

Langsam kam sie dem rauschenden Meer Schritt für Schritt näher. Obwohl es den Tag über sehr warm gewesen war, war der Sand bereits wieder kühl, was Maron aber nur sehr wenig ausmachte. Circa 5 Meter vor dem kühlen Nass breitete sie ihre Picknickdecke aus, setzte sich auf diese und starrte hinaus in die Ferne.
 

Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte Chiaki auch diesen Abend in Access' Bar verbracht. Auch wenn es ihn wunderte, war es das erste Mal gewesen, dass das Thema nicht auf Maron gefallen war. Wenn er ehrlich sein sollte, war er sehr froh darüber. Wie sollte er sie vergessen können, wenn er immer wieder auf sie angesprochen werden würde? Sie beherrschte ohnehin Tag und Nacht seine Gedanken und daran würde sich auch so schnell nichts ändern. Ehrlich gesagt konnte er sich noch nicht einmal vorstellen, dass es jemals so sein würde.

Mit einem einzigen Zug trank er den Rest seines Bieres aus und erhob sich dann von dem Barhocker, auf dem er den ganzen Abend gesessen hatte.

„Willst du wirklich schon gehen?“, fragte Access, der gerade ein Bier für einen anderen Kunden zapfte.

„Ja, das wird morgen ein harter Tag. Vielleicht solltest du das Arbeiten heute auch deinen Angestellten überlassen. Immerhin bist du mein Trauzeuge, für dich wird das Ganze nicht weniger anstrengend.“

„Wem sagst du das“, nuschelte dieser noch. Grinsend nahm der Blauhaarige seine Jacke von der Garderobe und zog sie sich an. Fast hätte er bei der Aussage seines besten Freundes laut aufgelacht. Zwar hatte Access schon damit gerechnet, dass er als Trauzeuge ausgesucht werden würde, aber alleine der Gedanke, einen Anzug tragen zu müssen machte ihn wahnsinnig. Mal ganz davon abgesehen, dass er absolut nicht mit der Braut einverstanden war.

Mit einem letzten Gruß verabschiedete sich der 26-jährige und verließ die Bar. Draußen schlug ihm der kühle Wind entgegen. Erst jetzt fiel ihm auf, wie schwül und stickig es drinnen gewesen war. Einige Momente stand er einfach so da und atmete tief ein und aus, dann setzte er sich langsam in Bewegung. Er hatte noch gar nicht vor, schon nach Hause zu gehen. Er würde sowieso nur auf dem Sofa sitzen, irgendwelche blöden Fernsehsendungen schauen und Trübsal blasen. Dann konnte er genauso gut auch einfach noch ziellos durch die Stadt laufen und sich ein bisschen ablenken.

Nach einer ganzen Zeit, er hatte schon sämtliches Zeitgefühl verloren, erreichte er die Promenade. In Gedanken versunken lehnte er sich an das Geländer und starrte auf das Meer. In diesem Moment fiel ihm auf, dass er schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr hier gewesen war. Wie denn auch? Er hatte einen harten Job, in dem er lange arbeitete und viel Freizeit blieb ihm da auch nicht. Er wusste, dass Miyako den Strand häufig mit ihren Freundinnen besuchte. Das war nicht gerade die Gesellschaft, die er sich erhoffen würde. Diese gackernden Hennen waren doch wirklich sehr anstrengend.

Als er seinen Blick durch die Nacht schweifen ließ, blieb sein Blick an einer Person hängen, die alleine am Strand saß und ihren Gedanken nachzuhängen schien. Warum war er eigentlich nicht auf eine solche Idee gekommen? Er wandte seinen Blick wieder ab und blickte auf das Meer. Doch schon wenige Sekunden später zog es ihn wieder zu der einsamen Person. Warum das so war, konnte er nicht sagen. Vielleicht, weil der Anblick eine Ruhe ausstrahlte, die sofort auf ihn überzugehen schien. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Person, die er in der Dunkelheit nur schwer erkennen konnte, ihn irgendwie an Maron erinnerte. Zierliche Gestalt, wellige lange Haare. Konnte es wirklich sie sein?
 

Maron konnte nicht sagen, wie lange sie schon da saß, aber das spielte auch überhaupt keine Rolle. Sie genoss die Stille und fühlte sich zum ersten Mal seit Monaten wieder frei von Sorgen und Problemen. Mittlerweile hatte sie sich in die zweite Decke eingewickelt, die sich in ihrem Korb befunden hatte. Der kühle Wind streichelte ihr Gesicht und verursachte trotz des Pullovers eine Gänsehaut auf ihren Armen. Der Sommer neigte sich dem Ende zu und der Herbst kündigte sich an. Eine wunderschöne Jahreszeit, wie sie fand.

Sie bekam fast nicht mit, dass auf einmal eine große Person neben ihr stand.

„Darf ich?“

Sie erschrak zwar einen kurzen Moment, musste ihren Kopf aber noch nicht einmal anheben, um zu wissen, wer es war. Stattdessen musste sie ein bisschen Schmunzeln, als sich Chiaki neben sie setzte, ohne auf eine Antwort zu warten.

„Ich hätte eigentlich damit rechnen müssen, dass du mich wieder finden würdest.“

Ihre Worte klangen keineswegs wütend oder genervt, vielmehr war sie belustigt und ruhig. Eine Tatsache, die nicht nur Chiaki, sondern auch Maron selbst verwunderte. Sie konnte nicht genau sagen, woran das lag, aber sie war im Moment in keinster Weise in Stimmung, zu streiten oder die Probleme wieder aufkommen zu lassen, wollte die Ruhe nicht zerstören.

„Ich muss zugeben, dass es sich diesmal tatsächlich um einen Zufall handelt.“

„Und wie kommt es, dass du dich um diese Uhrzeit hier herumtreibst?“

Während sie sprach, blieb ihr Blick immer noch an dem Meer hängen.

„Dasselbe könnte ich dich auch fragen, aber ich war mal wieder bei Access, ihr dürftet euch schon kennengelernt haben.“

„Ja, den kenne ich. Er scheint ein echt netter Kerl zu sein.“

„Nett ja, aber völlig durchgeknallt, wenn du mich fragst.“

Die Brünette musste bei dieser Aussage lachen. Genau so hatte sie sich den Lilahaarigen auch vorgestellt, besonders konventionell sah er jedenfalls nicht aus.

„So schlimm wird es schon nicht sein.“

„Das sagst du so leicht. Seit er mit Fynn zusammen ist, hat er sich ein bisschen gebessert, aber du hättest ihn in der Schulzeit erleben müssen. Ich kann heute garnicht mehr sagen, wie oft wir zusammen nachsitzen mussten, weil er mich in irgendwas hereingezogen hat. Mein Vater war natürlich alles andere als begeistert, dass er ständig zum Direktor eingeladen wurde.“

Und dann begann er, die ganzen Geschichten über sich und Access zu erzählen, die ihm noch in Erinnerung geblieben waren. Maron amüsierte sich köstlich dabei, sie hätte seiner Stimme ewig lauschen können und er genoss es in vollen Zügen, ihr wunderschönes Lachen hören zu dürfen. Es war schon viel zu lange her, dass er sie so gut gelaunt gesehen hatte und er wusste, dass es ehrlich war. Es tat gut, dass sie beide wieder normal miteinander sprechen konnten. Jedenfalls für den Moment.

Als er fertig war, herrschte wieder Stille. Keine unangenehme Stille. Beide genossen die gemeinsamen Momente. Es fühlte sich fast so an, als würden sie sich noch immer so nahe stehen, wie vor einigen Wochen. In Wirklichkeit waren sie sich jedoch unglaublich fern.

„Wirst du wirklich gehen?“

Der 26-jährige wusste, dass er den Augenblick damit vielleicht zerstören könnte, aber er musste diese Frage loswerden, bevor es zu spät war.

„Ja, das werde ich. Das hört sich fast so an, als würdest du mir nicht glauben.“

„Du weißt, dass ich dir alles glauben würde. Aber ich hatte gehofft, dass du dieses eine Mal lügen würdest... Sagst du mir wenigstens, wohin du gehst?“

Maron lächelte leicht, schüttelte dann aber ihren hübschen Kopf.

„Es ist besser, wenn du das nicht weißt. Am Ende kommst du noch auf die blöde Idee, mich suchen zu wollen.“

Diesmal war es Chiaki, der ein verbittertes Lachen zustande brachte.

„Da hast du wohl Recht“, wisperte er.

Wieder vergingen einige Minuten, in dem sie sich einfach noch einmal nahe sein wollten.

„Kann ich dich etwas fragen, Maron?“

„Natürlich.“

Der junge Mann musste erst einige Sekunden darüber nachdenken, wie er seine Worte am besten formulierte.

„Immer wenn wir uns in den letzten Wochen begegnet sind, hast du mir immer wieder mehr als deutlich klar gemacht, dass dir meine Nähe nicht gefällt. Warum duldest du mich jetzt?“

Maron wusste ganz genau, was er meinte und doch brachte sie seine Frage ein bisschen aus der Fassung. Es war, als könnte er ihre Gedanken lesen, hatte sie sich diese Frage doch schon selbst gestellt und keine Antwort finden können.

„Das hört sich vielleicht ein bisschen komisch an, aber ich weiß es nicht so genau. Es war nie so, dass mir deine Nähe nicht gefiel, sie tat mir einfach nicht gut. Und da wir nun beide einen Neustart wagen werden, ist es vielleicht keine schlechte Idee, damit anzufangen, alte Probleme abzuwerfen. Immerhin werden wir uns wohl so schnell nicht mehr begegnen. Wir sollten uns einfach nicht mehr gegenseitig im Weg stehen.“

Wie immer traf sie diese Tatsache schwer, aber es konnte auch keiner von beiden leugnen, dass sie Recht hatte. Wieder bildete sich auf Chiakis Gesicht ein bitteres Lächeln. Wie hatte es nur so weit kommen können?

Dann konnte er auf einmal fühlen, wie Maron ihm näher kam. Fast reflexartig legte er seine Arme um sie, die sofort die Gelegenheit nutzte, sich anzuschmiegen. Ab diesem Moment schien die Zeit still zu stehen. Keiner von beiden hatte erwartet, dass sie sich noch einmal so nahe kommen würden, aber sie waren dankbar für diesen Augenblick. Eine halbe Ewigkeit sagte keiner ein Wort, dann griff die junge Frau auf einmal nach seiner Hand.

„Es wird langsam ziemlich kalt, lass uns nach Hause gehen.“

Stumm nickte er und stand nur widerwillig auf. Nachdem sie gemeinsam Marons Sachen eingepackt hatten, machten sie sich auf den Weg durch Momokuri zurück zu dem Wohnkomplex „Orléans“, in dem sie beide im Moment noch wohnten. Dabei liefen sie stets eng beieinander. Manchmal berührten sich ihre Hände, hin und wieder legte er seinen Arm um sie. Sie ließ es geschehen.

Kurz bevor sie das Gebäude erreichten, blieben sie einige Meter entfernt in der Dunkelheit stehen und blickten aneinander an.

Nervös griff er nach ihren Händen, schloss seine Augen und legte seine Stirn gegen die ihre. Jeder hatte das Gefühl, etwas sagen zu wollen, jedoch fehlten ihnen im Moment die Worte. Deshalb löste sich die Schwangere kurz, ging dann wieder näher auf ihn zu und legte wie in Zeitlupe ihre Lippen auf seine. Er erwiderte den Kuss sofort mit aller Leidenschaft, die er aufbringen konnte. Der Kuss war genau so schön wie jeder, den sie sich in ihrer gemeinsamen Zeit gegeben hatten und doch war er anders. Denn diesmal würde es der letzte sein. Als sie sich voneinander lösten, sahen sie sich tief in die Augen, während Maron mit ihrer Hand zärtlich über seine Wange strich.

„Ich hoffe, dass du dein Glück findest. Es ist okay“, flüsterte sie. Es war keine Höflichkeitsfloskel, sie wünschte sich wirklich, dass er seinen Frieden mit allem schließen konnte. Außerdem würde es ihr eigenes Gewissen erleichtern, nicht im absoluten Streit mit ihm auseinandergegangen zu sein.

„Das wünsche ich dir auch.“

„Schlaf gut.“

Ein letzter Kuss auf die Wange, dann verschwand sie im Gebäude. Er blieb noch eine ganze Zeit lang in der Dunkelheit stehen und blickte ihrer wunderschönen Gestalt nach.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, wie ihr sehen könnt, bleibt es auf alle Fälle weiter spannend und kompliziert :D Ich denke, ihr dürftet auf alle Fälle auf das nächste Kapitel gespannt sein, das ich hoffentlich bald veröffentlichen kann.

Ich freue mich sehr über eure Kommis, die mich immer sehr motivieren :)

Hoffentlich bis bald, eure Snuggle <3 Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Biancacojocaru
2016-10-29T20:39:12+00:00 29.10.2016 22:39
Dddduuuuuu bbbiiiiisssssttttt ssssoooowwaaasss vvvooonnn fffiiieeessssss wie kannst du nur uns so lange warten lol
😍ich liebe deine Geschichte und hoffe du lässt uns nicht so lange warten ich will mehr bin süchtig danach habs mir schon sehr oft durch gelesen bin vernarrt verrückt danach 😂😂 LG Bia
Antwort von:  Snuggle
10.11.2016 00:50
Vielen, vielen, vielen Dank ^//^ Ich lass euch diesmal wirklich nicht so lange warten. Seeeehr bald gibt es Nachschub ^^
Von:  julieaxD
2016-10-18T18:36:58+00:00 18.10.2016 20:36
Ich liebe deine Fanfiction! Habe dich schon seit dem 1. Kapitel verfolgt.
Super spannend. Ich habe mich früher auch nur auf Animexx angemeldet,um dich zu
abbonieren/zu den Favoriten zuzufügen. *~* <3
Freue mich schon aufs nächste Kapitel. (:💜💙
Antwort von:  Snuggle
10.11.2016 00:48
Ich war total sprachlos, als ich gelesen habe, dass du dich wegen dieser Story angemeldet hattest. Ich glaube, ein größeres Kompliment kann man nicht bekommen ^//^ Vielen Dank dafür! Diesmal spanne ich auch nicht so lange auf die Folter: Das nächste Kapitel wird schon sehr bald fertig sein :)
Von:  Scorbion1984
2016-10-13T15:56:03+00:00 13.10.2016 17:56
Hoffentlich merkt er seinen Fehler bevor er ja sagt !Miyako ist aber auch ein durchtriebenes Biest !👹 Soll sie doch Yamato heiraten ,der würde sich freuen !Der Trottel !👏 Soll sie ihm doch endlich die Wahrheit sagen ,ich meine Maron und Chiaki !💏
Antwort von:  Snuggle
10.11.2016 00:45
Ja, Miyako ist schon echt hinterhältig :/ Aber ich lade schon bald das nächste Kapitel hoch, dann erfahrt ihr, wie es mit diesem ganzen Chaos weitergeht ^^
Von:  ItachiUchih4
2016-10-11T21:33:28+00:00 11.10.2016 23:33
Oh man!!!!! Warum muss es weiter so spannend bleiben!????????
Jetzt dauert es hoffentlich nicht so lange bis es weiter geht!
Verdammt ich will wissen was an diesem doofen Hochzeitstag geschieht!!!!!!!! Happy End! Nichts ist okay!
Chiaki, alter öffne mal die Augen und fang sie bloß vor ihrem Flug nach Berlin ab!!!!!!!!!

Oh ich halt das ja kaum aus o.O Hana, oder Rinako oder Access oder Fin, man macht doch mal was dagegen....

Du hast das wieder so perfekt geschrieben, dass man sich total gut hinein versetzen konnte. Du siehst ja wie ich fast aus der Haut fahre, so toll fand ich das Kapitel^^

Bitte schreib so schnell wie möglich weiter, raff dich dazu auf xD

Grüße
Antwort von:  Snuggle
10.11.2016 00:44
Die Story wäre doch ohne ein bisschen (viel) Hin und Her etwas langweilig ;D Ich freue mich immer total, wenn ich so tolles Lob bekomme und ich merke, dass sich einige Leser für meine Story begeistern können :) Das motiviert mich immer sehr, deshalb habe ich mich nach Veröffentlichung des letzten Kapitels auch direkt an die Arbeit gemacht und fleißig geschrieben. Also gute Neuigkeiten: Ihr bekommt schon sehr bald Lesenachschub :D
Von:  chaoslady
2016-10-09T15:13:17+00:00 09.10.2016 17:13
Wieder mal ein tolles Kapitel
1. Frage wann kommt das nächste Kapitel
2. Frage wann fliegt die Affäre von miyako auf


Bitte Schreib schnell weiter
Antwort von:  Snuggle
10.11.2016 00:41
Vielen Dank für dein Lob ^^
Frage 1: Das nächste Kapitel wird schon sehr bald fertig sein!
Frage 2: Das solltest du lieber selbst herausfinden ;)
Von:  Noirchen89
2016-10-07T23:20:49+00:00 08.10.2016 01:20
Ich habe vor ein paar tagen an dich gedacht und wann du das nächste Kapitel veröffentlichst 😅 du scheinst mich wohl erhört zu haben 😁 wieder ein sehr schönes Kapitel! Ich dachte mir aber schon das sie sich "zufällig" treffen 😆 ich bin gespannt wie die Affäre von Miyako auffliegt.
Lg und hoffe diesmal nicht allzulange zu warten bis ein neues Kapitel erscheint 😉
Antwort von:  Snuggle
10.11.2016 00:38
Zufälle gibt es doch immer wieder :D Natürlich werde ich dir noch nichts konkretes über die folgende Handlung verraten, sonst wäre die ganze Spannung ja weg ;) Tatsächlich müsst ihr nicht mehr allzu lange auf das nächste Kapitel warten :) Ich bin fleißig am Schreiben und ungefähr 85% sind schon fertig! Also hoffentlich bis bald ;)


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