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Frances

von

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In Bedrängnis

Die Crew von Kingsleys Schiff nahm Frances leider nicht so bereitwillig auf wie ihr Captain. Die rund 60 Matrosen beäugten den Neuankömmling erst kritisch und gingen dann dazu über, sie schlicht und ergreifend zu ignorieren. Mit einer solch negativen Reaktion hatte Frances nicht gerechnet und bereute es schon fast, auf einem Schiff angeheuert zu haben, als Kingsley, dem das Verhalten seiner Männer nicht entgangen war, ein Machtwort sprach und ein paar von ihnen die Aufgabe erteilte, sich um Frances zu kümmern und ihr die Arbeiten an Bord zu zeigen.
 

Anfangs zog sie den Zorn der Matrosen, die sie widerwillig anlernen sollten, auf sich, da sie sich, aufgrund nicht nur mangelnder Erfahrung in solchen Dingen, sondern auch fehlender körperlicher Kraft zur Verrichtung eben jener, erwartungsgemäß ungeschickt anstellte. Am Ende war sie schließlich doch lediglich eine Kaufmannstochter, deren härteste Arbeit im Leben bisher darin bestanden hatte, mittelgroße Stapel von Büchern, die sie lesen wollte, von der Bibliothek ihres Vaters in ihr Zimmer und wieder zurück zu tragen.
 

Nichtsdestotrotz war sie äußerst lernwillig und wissbegierig. Sie wiederholte eine Arbeit so oft bis sie sie zufriedenstellend erledigen konnte. Dieser Eifer, der ihren Mangel an Kraft zumindest zum Teil kompensierte, brachte ihr bald gewissen Respekt unter den restlichen Crewmitgliedern ein, der dazu führte, dass sie, anstatt ignoriert, nun wenigstens geduldet wurde.
 

Nach mehr verlangte Frances auch nicht. Zu lange Gespräche und freundschaftliche Annäherung mit den Seemännern vermied sie, da ihr die Gefahr, als Schwindler entlarvt zu werden, zu groß erschien. Je näher sie einem Menschen kam, desto mehr musste sie – da ihr bewusst war, dass sie keine gute Lügnerin war – von sich preisgeben und dies war ihr zu riskant. So blieb sie also stets auf höflichem Abstand und hoffte, dass die wenigen Tage, die sie zur Überfahrt nach Nassau benötigten, möglichst schnell herumgingen.
 

Zum Verdruss der Mannschaft kamen sie am vierten Tag der Reise allerdings in einen Sturm und mussten für ein paar Stunden im Hafen einer kleinen Insel anlegen, um das Schiff mitsamt Ladung nicht zu gefährden.
 

Im Gegensatz zum Rest der Crew war Frances allerdings froh über diesen ungeplanten Zwischenstopp und den damit verbundenen Landgang, denn sie musste feststellen, dass die salzige Seeluft und das stets feuchte Klima unter Deck ihr nicht besonders gut taten. Ihre Haut war rau und aufgesprungen und ihre Haare fühlten sich nach so kurzer Zeit bereits leicht filzig an. Sie war also äußerst erfreut darüber, dass sie sich während des Aufenthalts auf der Insel in einem kleinen Gasthaus ein kurzes Bad genehmigen konnte. Es tat gut, für einmal die Bandagen um ihre Brust abzulegen und sich gründlich zu waschen. Sie hatte von der mangelnden Hygiene auf Schiffen gehört, doch dies am eigenen Leib zu erfahren, war noch einmal etwas ganz anderes.
 

Nachdem sie sich wieder angezogen hatte, machte sie sich auf den Weg zurück zum Schiff. Das Wetter hatte sich indes kaum gebessert. Der Sturm hatte sich zwar gelegt, doch fiel der Regen in solchen Massen vom Himmel herab, dass man das Gefühl bekommen konnte, man stünde unter einem Wasserfall.
 

Völlig durchnässt kam Frances wieder an Bord und wollte sich sogleich in ihre Schlafkoje zurückziehen, als sie hörte, wie der erste Maat des Schiffes die Mannschaft an Deck rief, um das Schiff ablegebereit zu machen.
 

„Wieso riskieren wir bei diesem Regen eine Weiterfahrt?“, wollte Frances von einem ihrer Mannschaftskameraden mit erhobener Stimme wissen, um gegen das laute Plätschern des Regens anzukommen.

„Der Sturm hat sich gelegt. Und ob das Wasser nun von oben oder unten kommt, macht keinen Unterschied.“, bekam sie zur Antwort.

Sie nickte daraufhin mit reichlich Unverständnis und machte sich anschließend mit gewissem Widerwillen daran, beim Segelsetzen zu helfen. Durch den starken Regen konnte sie kaum einen Meter weit sehen und so gestaltete sich die Arbeit äußerst schwierig.
 

Dennoch hatte das Schiff bald abgelegt und befand sich kurze Zeit später schon wieder auf offener See. Hier ließ der Regen denn auch endlich mehr und mehr nach und hörte in der Nacht schließlich ganz auf.
 

Um sich nicht mit ihrer triefend nassen Kleidung schlafen zu legen, beschloss Frances, sich noch eine Weile an Deck aufzuhalten und den leichten Westwind sich und ihre Sachen trocknen zu lassen. Sie stand an der Reling und genoss die sanfte Brise, die ihr über die Haut strich und schloss zufrieden die Augen. Da der Rest der Mannschaft bereits unter Deck schlief, herrschte eine friedliche Stille, die nur durch das leise Plätschern der See, die durch den Bug des Schiffes geteilt wurde, in kaum wahrnehmbaren Aufruhr geriet.
 

„Ganz allein hier um diese Zeit?“, riss eine Stimme sie aus ihren Gedanken. Erschrocken darüber, nicht allein zu sein, drehte sie sich ruckartig um und sah Captain Kingsley mit einer halbleeren Flasche Rum in der Hand auf sich zukommen.
 

Nervös wollte sie gerade zu einer Antwort ansetzen, als er meinte: „Kein Grund zur Beunruhigung, Schustergeselle Francis Graham. Hier, nimm einen Schluck.“ Kingsley hielt ihr die Flasche hin, woraufhin sie tat, wie ihr geheißen wurde. Sie mochte keinen Rum, doch sie wollte den Captain nicht verärgern. Außerdem reichte schon ein kleiner Schluck, um ihn zufriedenzustellen. Sie wollte nicht riskieren, betrunken zu werden, um in diesem Zustand womöglich Dinge auszuplaudern, die sie schwer bereuen würde. Es reichte schon, dass sie ihm bei ihrem Kennenlernen versehentlich ihren echten Namen genannt hatte. Sie hatte Glück, dass er den ihrem so ähnlichen Männernamen `Francis´ verstanden hatte. Solche Fehler durften ihr in Zukunft nicht mehr unterlaufen.
 

„Also, was machst du zu so später Stunde noch an Deck, Junge?“, hakte Kingsley noch einmal nach, wobei Frances erst jetzt bemerkte, dass er bereits lallte.

„Ich wollte meine Kleidung noch ein wenig trocknen lassen, bevor ich schlafen gehe...“, antwortete sie daraufhin wahrheitsgemäß und gab sich Mühe, ihre größer werdende Nervosität bestmöglich zu überspielen.

„Wenn das so ist, solltest du deine Sachen lieber ausziehen und an der Takelage aufhängen. Das würde beträchtlich schneller gehen.“, gab er daraufhin zurück und zupfte mit einer etwas unkoordinierten Geste an den oberen Knöpfen ihres Hemdes. Dabei lösten sich diese und gaben freie Sicht auf Frances’ bandagierten Busen. Eilig versuchte sie noch, sich zu bedecken, doch es war bereits zu spät.
 

Ungläubig starrte Kingsley sie an, bevor er nach ein paar Augenblicken mühsam herausbrachte: „Bursche... Du... Du bist ein Weib...!“

„Sir, ich...“, begann Frances verzweifelt, doch er schenkte ihr keinerlei Beachtung.

„Welch wunderbare Überraschung!“, rief er voll betrunkener Erregung aus. „Ich dachte mir bereits bei unserem Kennenlernen, was für ein außerordentlich hübscher Junge du bist... Dass du ein Weib bist, macht die Sache natürlich um einiges einfacher...“ Ein anzügliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Wie dankbar bist du mir dafür, dass ich dich mitgenommen habe? ... Und noch viel wichtiger: Wie dankbar wärst du mir, wenn ich dein kleines Geheimnis der Crew vorenthalten würde?“ Während er sprach, machte er einen Schritt auf sie zu und klemmte sie zwischen sich und der Reling ein.
 

„Nein... Ich bitte Euch! Was habt Ihr vor...?“, wollte Frances voll aufsteigender Panik wissen, doch da hatte Kingsley sie schon an den Schultern gepackt und ihr das Hemd komplett aufgerissen. Als er mit der Hand ihren Hinterkopf packte, um sie näher an sich heranzuziehen, bemerkte er ihren im Hemdkragen versteckten Zopf. Frances konnte – starr vor Angst – nur dastehen und zusehen, wie er ihn mit der Vorfreude eines kleinen Kindes in den Augen langsam öffnete. Als er fertig war, wanderte sein Blick mehrmals an ihrem zitternden, halbentblößten Körper hinauf und wieder hinab. Ihm gefiel ganz offensichtlich, was er sah, denn sein schmutziges Grinsen wurde immer größer. Ihren ihn um Gnade anflehenden Blick ignorierte er in seinem Alkoholrausch geflissentlich. Viel zu lange schon hatte er keine Frau mehr berührt – noch dazu keine so junge und hübsche.
 

Als er sich ihr weiter nähern wollte, schaffte Frances es unter Aufbringung all ihrer Willenskraft, ihre Angst zu überwinden und zu einem Verteidigungsschlag auszuholen. Sie trat hart gegen sein Schienbein und stieß ihn von sich. Von dieser plötzlichen Attacke überrascht, stolperte er nach hinten und ging zu Boden. Diese Gelegenheit nutzend rannte Frances davon und in Richtung der Beiboote. Kingsley hatte sich jedoch schnell wieder gefangen und folgte ihr. Er lachte und in seinen vom Rum glasigen Augen war pure Freude zu sehen.

„Wir haben hier also eine kleine Wildkatze. Das gefällt mir...“, bemerkte er mit einem schmierigen Grinsen im Gesicht, während er sich langsam an Frances heranpirschte.
 

Diese war gerade dabei, mit ungeschickten Händen eines der Beiboote zu Wasser zu lassen. Doch sie hatte kaum zwei Handgriffe getan, als sie von Kingsley gepackt und an den Haaren zu ihm heran gezogen wurde. Er zog sie in seine Arme und ließ seine Hände gierig über ihren Körper wandern.

„Es hat keinen Sinn, sich zu wehren, Liebes. Auf Hilfe wirst du hier ohnehin nirgends hoffen können...“, konstatierte er und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. Sie versuchte mit aller Kraft, sich aus seinem Griff zu befreien, doch sie war zu schwach.

„Du riechst nach Rosenblüten...“, stellte er unverfroren und mit vulgärem Unterton in der Stimme fest. „Hast du etwa ein Bad für mich genommen, während du vorhin an Land wa...?“ Er unterbrach sich abrupt, als er etwas aus dem Augenwinkel heraus bemerkt und seinen Blick an Frances vorbei auf die See hinter ihr richtete. Dort war in bedrohlicher Nähe ein Schiff zu sehen. Ein Schiff mit schwarzer Flagge.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Gisi
2010-12-28T08:53:21+00:00 28.12.2010 09:53
Also mir fegällt die geschichte. Der Text ist gut geschrieben und macht auf jedenfall lust auf mehr.
Schon am Anfang dieses Kapitels hab ich mir gedacht das der Kapitän das Geheimnis rauskriegt.
Die Story is zwar ein klein bisschen vorraussehbar und hat ein Schema das einem bekannt vor kommt, aber trotzdem is es eine schöne Geschichte. Ich les auf jedenfall weiter.
Gisi


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